Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
petersport:
In Kenntnis der Tatsache, dass die vorangehenden Beiträge bereits längere Zeit zurückliegen, möchte ich aufgrund des Sachzusammenhangs dennoch nochmals folgende Nachfrage hierzu nachschieben, falls möglich:
Würde in einem Nahwärmevertrag zunächst ein konkreter Preis festgelegt sein UND darüber hinaus in dem Vertrag eine Klausel stehen, welche dem Versorger ein einseitiges Änderungsrecht bezüglich dieses festgelegten Preises einräumt ("Der Preis kann jährlich zum 01.01. durch den Versorger an die aktuelle Ertrags- und Kostenentwicklung des Unternehmens angepasst werden"), so ist letztere Klausel
a) zwar zulässig, jedoch wäre die hierauf ausgesprochene Preisbestimmung an 315 BGB zu messen und somit mangels Bestehens genauer durch die Rechtsprechung festgelegter Kriterien für diese Prüfung, stets in der Gefahr unzulässig ausgeübt zu werden
oder
b) wegen Verstoßes gegen die § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV und die vom BGH zu dieser Norm festgelegten Grundsätze unzulässig?
Über eine Anmerkung hierzu wäre ich sehr dankbar.
RR-E-ft:
@petersport
Es ist etwas komplizierter.
Zunächst käme es darauf an, ob dieser Vertrag kraft Gesetzes unter den Regelungsgehalt der AVBFernwärmeV fällt [was unter anderem vom Fernwärmebegriff abhängt] oder aber die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV vertraglich einbezogen wurde, mithin ob die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Vereinbarung auf das Vertragsverhältnis Anwendung findet.
Wenn dies der Fall wäre, müsste sich die Preisänderungfsklausel an § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV messen lassen.
--- Zitat ---Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, daß sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. Bei Anwendung der Preisänderungsklauseln ist der prozentuale Anteil des die Brennstoffkosten abdeckenden Preisfaktors an der jeweiligen Preisänderung gesondert auszuweisen.
--- Ende Zitat ---
Die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV knüpft an die Kostenentwicklung des Versorgers und an die Marktpreisentwicklung an.
Die genannte Klausel mag an die Kostenentwicklung anknüpfen, lässt jedoch einen Bezug zur Markpreisentwicklung [Verhältnisse auf dem Wärmemarkt] vollkommen vermissen.
Wurde bei Anwendbarkeit des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV den entsprechenden Erfordernissen nicht Rechnung getragen, ist die Preisänderungsklausel regelmäßig unwirksam.
Findet hingegen die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV auf den Vertrag gar keine Anwendung, so würde sich die Frage stellen, ob es sich bei der Preisänderungsklausel um eine vom Versorger gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 BGB handelt.
Wäre dies der Fall, käme es auf eine Inhaltskontrolle der Klausel gem. § 307 BGB an.
Einer solchen Inhaltskontrolle wird die genannte Klausel wohl nicht standhalten können, da sie nicht mit Sicherheit ausschließt, dass bei deren Anwendung der Gewinnanteil des Versorgers am Preis nachträglich erhöht wird. So fehlt es an einer Verpflichtung zur Preissenkung bei sinkenden Kosten.
Gemessen an § 307 BGB wäre wohl von einer Unwirksamkeit der Klausel auszugehen.
Handelt es sich bei der Klausel hingegen um eine Individualvereinbarung, womöglich gar unter Kaufleuten, könnte die Klausel hingegen wirksam sein.
In diesem Fall müsste eine auf ihrer Grundlage vorgenommene Preisänderung als einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Tz. 10 f.; B.v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10 Tz. 17).
--- Zitat ---Ist einem Energieversorger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung ein Preisanpassungsrecht eingeräumt, so unterliegt eine auf der Grundlage dieses Rechts erfolgte Preiserhöhung als einseitige Leistungsbestimmung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sofern und soweit es sich nicht um vereinbarte Preise handelt (st. Rspr. des Senats; zuletzt Beschlüsse vom 18. Mai 2011 – VIII ZR 71/10, aaO unter III 2 a; vom 9.Februar 2011 –VIII ZR 162/09, WM 2011, 850 Rn.18; jeweils mwN).
--- Ende Zitat ---
petersport:
@ RR-E-ft
Vielen Dank für diese Anmerkung und Ihre erfreulich differenzierende und bündige Subsumtion. Sie lässt zu diesem Punkt keine Fragen offen.
tetraeder:
@ RR-E-ft Angenommen, es handelt sich nicht um eine Preisänderungsklausel, sondern nur um eine Bestimmung die lautet "Änderungen der Wärmepreise werden dem Kunden schriftlich bekanntgegeben", ist das dann eine wirksam vereinbarte AGB?
Oder ist - wie Sie in einem anderen Beitrag geschrieben haben - das ein Fall, in welchem zwar der "erste Preis" vertraglich vereinbart wurde, dann aber keine Preisänderungsklausel vorliegt und dann der Versorger kein Preisänderungsrecht hat?
Zitat von Ihnen:
"Enthält ein Fernwärmelieferungsvertrag von Anfang an schon keine Preisänderungsklausel im Sinne des § 24 AVBFernwärmeV, so steht dem Versorger noch weniger eine Preisänderungsbefugnis zu als bei wirksamer Einbeziehung einer Preisänderungsklausel, die sich als unwirksam erweist."
In diesem Statement berufen sie sich explizit für diese Aussage auf BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09, jedoch konnte ich das beim Studium des Urteils im Volltext in dieser Klarheit nicht schlussfolgern. Ich konnte lediglich die Sonderstellung des § 24 IV AVB Fernwärme V erkennen, wonach eine Kontrolle nach § 307 BGB auf wirksame Einbeziehung nicht stattfindet, sondern nur nach dieser Vorschrift in den AVB. Aber dass in einem solchen Fernwärmevertrag der Versorger kein Recht auf Preisanpassung hat, das kann ich dem Urteil nicht entnehmen.
RR-E-ft:
--- Zitat von: tetraeder am 18. Juni 2014, 19:08:56 ---@ RR-E-ft Angenommen, es handelt sich nicht um eine Preisänderungsklausel, sondern nur um eine Bestimmung die lautet "Änderungen der Wärmepreise werden dem Kunden schriftlich bekanntgegeben", ist das dann eine wirksam vereinbarte AGB?
--- Ende Zitat ---
@tetraeder
Die Entscheidung BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. 273/09 betraf die Frage nach einem weiteren Zahlungsanspruch des Fernwärmeversorgers, nachdem der Kunde den Preisänderungen in 2006 widersprochen und nur einen, von ihm anerkannten Preis aus 2005 weitergezahlt hatte.
Der BGH kam dabei zu dem Ergebnis, dass der betroffene Vertrag in den Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV fällt, eine im Vertrag enthaltene Preisanpassungsklausel den Erfordernissen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht entsprach und deshalb unwirksam war, dem Fernwärmeversorger deshalb gegenüber dem betroffenen Kunden keine Befugnis zur Preisanpassung zustand, die vom Fernwärmeversorger vorgenommenen und vom Kunden beanstandeten Preisanpassungen deshalb unwirksam waren und dem Fernwärmeversorger deshalb der eingeklagte weitere Zahlungsanspruch nicht zustand, weshalb die Klage abzuweisen war, so wie es bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt habe. Folglich wurde die dagegen gerichte Revision der Klägerin (Fernwärmeversorger) kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die genannte Bestimmung "Änderungen der Wärmepreise werden dem Kunden schriftlich bekanntgegeben" würde den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV ebenso nicht genügen.
Würde es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln, die der Wärmeversorger verwendet und die in einen Vertrag einbezogen wurde, der nicht in den Geltungsberich der AVBFernwärmeV fällt [so dass die Regelung über Preisanpassungen schon nicht erst den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechen muss], so würde sie einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen und einer solchen wegen unzureichender Konkretisierung und Transparenz nicht standhalten und deshalb unwirksam sein.
Denkbar wäre eine solche Bestimmung, wenn sie indivduell ausgehandelt wurde bei Abschluss eines Vertrages, der nicht in den Anwendungebereich der AVBFernwärmeV fällt und bei dem zum Preis lediglich vereinbart wurde, dass der Wärmeversorger [nach Vertragsabschluss] den jeweiligen Wärmepreis bestimmen soll, was zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auch in Bezug auf den Anfangspreis führen würde. Dazu könnte die genannte Bestimmung nämlich passen.
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