Konzernbetriebsräte der Atomkonzerne beschweren sich in offenem Brief bei der BundeskanzlerinOffener Brief an Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Bereits vor einigen Wochen hatten sich die Konzernbetriebsräte von EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall im Namen der Kolleginnen und Kollegen aus den Kernkraftwerken mit dem Anliegen persönlich an Sie gewandt, unsere Interessen bei der laufenden Energie-Diskussion nicht außer Acht zu lassen.
Bis heute haben wir auf unser Schreiben von Ihnen keine Antwort erhalten. Darüber sind wir enttäuscht und halten das für einen sehr fragwürdigen Stil gegenüber den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie deren Familien, um deren Existenzen es letztlich geht. Wir können das nur so deuten, dass die Würfel zur Zukunft der Kernenergie in Deutschland längst gefallen sind, obwohl die Ethikkommission ihren Bericht noch nicht vorgelegt hat und obwohl der Bericht der Reaktorsicherheitskommission keinen Anlass bietet, Hals-über-Kopf aus der Kernenergie auszusteigen. Das hat selbst der Bundesumweltminister bestätigt.
Wir arbeiten seit Jahren dafür, dass gerade deutsche Kernkraftwerke zu den sichersten der Welt zählen. Das wird man übrigens auch dann nicht wegdiskutieren können, wenn man jetzt Maßstäbe definiert, die kein anderes Land setzt. Erreichen wird man damit nur, dass Deutschland letztlich jeden Einfluss auf internationale Sicherheitsstandards verliert, was für alle Bürger in Europa eine schlechte Nachricht ist. Denn Radioaktivität macht, anders als politische Sonderlösungen, an Grenzen nicht halt.
Statt einer ehrlichen Debatte über ein Energiekonzept geht es bei uns aber offenkundig nur noch darum, eine längst getroffene politische Entscheidung zur Kernenergie zu begründen. So ist es auch kein Wunder, dass in den Medien fast nur noch über die Jahreszahl für den Ausstieg spekuliert wird, irgendwann zwischen 2017 und 2025. Geht es tatsächlich nur noch darum, möglichst schnell irgendeine Entscheidung zu treffen?
In Deutschland hängen mehr als 30.000 Arbeitsplätze an der Kerntechnik, die meisten davon hoch qualifiziert. Wir haben dazu beigetragen, dass unser Industrieland immer genügend bezahlbare Energie hatte, unstrittig eine wichtige Grundlage für die positive Entwicklung unseres Landes in den letzten Jahrzehnten. Heute ist die Stimmung aufgrund der Ereignisse in Japan gegen die Kernenergie. Das wissen natürlich auch wir. Aber darf sich Politik bei derart wichtigen, langfristig wirkenden politischen Entscheidungen nur von Stimmungen leiten lassen? Wir meinen nein!
Deshalb appellieren wir im Namen unserer Kolleginnen und Kollegen und ihrer Familien: Berücksichtigen Sie bei Ihrer Entscheidungsfindung auch unsere Sicht der Dinge:
- Alle unsere Anlagen können noch lange Zeit einen sicheren und CO2-freien Beitrag zur Energieversorgung unseres Landes leisten. Es gibt keinen Anlass, diese Kraftwerke überhastet vom Netz zu nehmen.
- Mit reinem Wunschdenken lässt sich der Umbau der Energieversorgung nicht bewerkstelligen. Blenden Sie deshalb die Risiken eines übereilten Ausstiegs nicht aus, der auch Arbeitsplätze in anderen Branchen gefährden kann, wenn zum Beispiel Strompreise nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
- Die laufende Debatte wird seit Wochen hoch emotional geführt. Kolleginnen und Kollegen werden angefeindet, nur weil sie in einem Kernkraftwerk arbeiten. Machen Sie deutlich, dass wir nichts falsch gemacht haben, dass Deutschland nicht Japan ist.
- Denken Sie bei Ihren Entscheidungen auch an die Zukunft der Menschen und ihrer Familien, die in den Kernkraftwerken arbeiten. Lassen Sie uns bitte nicht im Stich!
Das Wort Bürgerbeteiligung ist in aller Munde. Aber haben wir, die hier unmittelbar Betroffenen, nicht zuallererst das Recht darauf, beteiligt zu werden? Haben wir kein Recht auf Mitsprache, wenn es um unsere Zukunft geht? Gelten diese demokratischen Spielregeln nicht für Mitarbeiter der Kerntechnik? Sind wir Bürger zweiter Klasse? Diese Fragen drängen sich vor allem den Kolleginnen und Kollegen auf, deren Kraftwerke unter Ihr Moratorium fallen. Es kann Sie nicht überraschen, dass an diesen Standorten die Sorge um die berufliche Zukunft besonders groß ist. Mit einer spontanen Unterschriftenaktion, die wir diesem Schreiben beifügen, wollen gerade die betroffenen Kolleginnen und Kollegen noch einmal auf ihre Situation aufmerksam machen. In diesem Sinne wären wir sehr froh, wenn wir von Ihnen sehr zeitnah eine Antwort erhielten, die wir natürlich auch den 120.000 Beschäftigten, die wir insgesamt vertreten, zugänglich machen möchten.
Konzernbetriebsratsvorsitzende
Dietrich Herd - Hans Prüfer - Uwe Tigges - Rainer Kruppa Arnold Messner - Klaus-Dieter Raschke - Dieter Faust - Rüdiger Siebers
Originaltext: E.ON AG Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/19895 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_19895.rss2 ISIN: DE0007614406
Pressekontakt:
Dietrich Herd EnBW AG Rheinschanzinsel 76661 Philippsburg Tel. 07256 95 12201
Hans Prüfer E.ON AG E.ON-Platz 1 40479 Düsseldorf Tel. 0211 4579 260
Uwe Tigges RWE AG Wielandstr. 82 44791 Bochum Tel. 0234 515 2123
Rainer Kruppa Vattenfall Europe AG Chausseestr. 23 10115 Berlin Tel. 030 8182 3700
Klingt irgendwie trotzig, auch sauer, weil sich eine Brieffreundschaft nicht einstellen will.
Wenn die Kanzlerin öffentlich aufgefordert wird, doch bitte deutlich zu machen, dass Deutschland nicht Japan ist, wird es jedenfalls halbwegs ulkig.
Mancher erkennt den Unterschied bereits an Nationalflagge und -hymne.
Selbt Grundschüler dürften bereits um den Unterschied wissen.
Denken Sie bei Ihren Entscheidungen auch an die Zukunft der Menschen und ihrer Familien, die in den Kernkraftwerken arbeiten.
Soll wohl heißen, es solle auch an die Zukunft der Menschen gedacht werden, die in den Kernkraftwerken arbeiten, und an die Zukunft ihrer Familien.
Dass ein Rückbau der Kernkraftwerke noch auf 30 Jahre Arbeitsplätze sichert, sieht man in Rheinsberg (war eines der sichersten Atomkrafterke der ganzen DDR).
Wer ausgebildet ist, Atommüll zu bewachen/ überwachen, für den bestehen sogar zeitlich unbefristete Perspektiven.
Enstprechender Bedarf wurde schließlich bereits für die Ewigkeit geschaffen. Bis heute weiß niemand, wohin schlussendlich mit dem Zeug, so dass man sich hinsichtlich des zukünftigen Arbeitsortes jedenfalls flexibel halten muss.
Und schließlich haben die Überprüfungen ergeben, dass die Sicherheit (zu) viele Wünsche offen lässt. Das lässt sich ja auch nicht wegdiskutieren.
Es geht eben um die Zukunft von weit mehr Menschen als nur derer, die in den Kernkraftwerken arbeiten, und deren Familien, aber gerade auch um diese.
Sie müssen wohl ein Verständnis dafür entwickeln, dass ihr Ding keine Zukunft hat, was sie eigentlich bereits seit der Atomkonsensvereinbarung von 2001 erkennen und wissen mussten.
Denn selbst jede Brücke ist schließlich über kurz oder lang jedenfalls zu Ende. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.
Und selbstredend werden sie nicht mehr, aber auch nicht minder zu dieser Frage gehört und beteiligt, als alle anderen von dieser Frage betroffenen Bürger dieses Landes auch. Vielleicht ist gerade auch das ja ein Unterschied zu Japan.
Vielleicht sollte man das den lieben Kolleginnen und Kollegen mal in eine offene Antwort schreiben.