Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Preisintransparenz begründet Staatshaftung für Verbraucher bei verlorenen Billigkeitsprozessen
bolli:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Der deutsche Gesetzgeber hat dem grundversorgten Kunden nicht nur die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle aufgrund einer Preisbestimmungspflicht einseitig festgesetzter Preise eröffnet, sondern ihm zugleich die Alternative eröffnet, den Versorger zügig zu wechseln.
Der betroffene Kunde kann für sich selbst unter diesen gleichwertig nebeneinander stehenden Alternativen wählen.
--- Ende Zitat ---
Bei der Gesetzgeberrolle stimme ich Ihnen ja noch zu, ABER der Rest ist doch wohl derzeit graue Theorie.
- Bisher gibt es leider kein Höchstgerichtliches Urteil, welches eine Billigkeitskontrolle des GESAMTEN einseitig festgesetzten Preises bei grundversorgten Kunden bejaht, dem VIII. BGH-Senat sei Dank.
- Die Alternative ist zwar vorhanden, aber nicht gleichwertig, da im Sondervertragsverhältnis der Preis vereinbart wird und somit nicht der Billigkeitspflicht unterliegt. Hier geht\'s nur auf dem Weg \"Friss Vogel oder stirb\". Das ist aus meiner Sicht keine Alternative.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Nach meiner festen Überzeugung hat der Gesetzgeber für alle Verfahren, die die Frage betreffen, ob ein Grundversorger seiner Preisbestimmungspflicht gem. § 36 Abs. 1 EnWG unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG tatsächlich entsprochen hat, mit §§ 102, 106, 108 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit besonderer Spruchkörper begründet, und zudem gem. § 103 EnWG die Möglichkeit der Konzentration über Landgerichtsbezirke hinweg, ja wohl selbst über Ländergrenzen hinweg eröffnet. Diese Konzentration der Rechtsprechung soll zum einen die Kompetenz bestimmter Spruchkörper in diesem Zusammenhang stärken und zudem eine Zerfaserung der dabei anzuwendenden Beurteilungsgrundsätze verhindern.
--- Ende Zitat ---
Wieder stimme ich Ihrer Überzeugung bezüglich der Arbeit des Gesetzgebers bei.
ABER: Wer hält sich denn noch an diese Zuständigkeit. Die Untergerichte entscheiden mittlerweile massenhaft über Verfahren, die die Billigkeit in Grundversorgungsverhältnissen betreffen und Berufungsgerichte bestätigen solche Entscheidungen bezüglich der Zuständigkeit. Selbst der BGH bastelt mittlerweile ja neue eigene Zuständigkeiten, damit auch ja der VIII. Senat bei den Energiefragen entscheidet, egal ob nun Sondervertrag oder Grundversorgung und somit Zuständigkeit nach EnWG normalerweise beim Kartellsenat. Das geht ja schon soweit, dass selbst Revisionen gegen Entscheidungen von Kartellsenaten der OLG\'s entgegen der Geschäftsordnung, die hier ja wohl ebenfalls den Kartellsenat als zuständig ansieht, an den VIII. Senat zur Entscheidung gegeben werden.
So geschehen in den Verfahren VIII ZR 178/09 und VIII ZR 295/09
Mal sehen was \"Ihre\" Verfassungsbeschwerde (im Fall gegen die Stadtwerke Erfurt) und ein mögliche EU-Gerichtsverfahren ergeben, aber bisher sind die Umsetzungen des Gesetzgeberwillens (natürlich nur nach unserer Ansicht) doch wohl eher bescheidenen, ohne dass man da allzuviel entgegen zu setzen hätte
Armer Staat, wenn sich die Gerichtsbarkeit in dieser Weise verselbstständigt.
@Lothar Gutsche
Sie sagen
--- Zitat ---Die Nichtexistenz eines verbraucherschutzfreundlichen Rechtsweges belegt gerade das Versagen der deutschen Bundesregierungen und der zugehörigen Parlamente, eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen bei der Gasversorgung zu ermöglichen, wie es die Gas-Richtlinie von 2003 forderte. Da muss erst die EU mit der Gas-Richtlinie 2009 kommen und den Aufbau von Schlichtungsstellen spätestens zum 3.3.2011 verbindlich vorschreiben. Weder die hoch bezahlten Ministerialbeamten noch die Politiker haben überhaupt die Idee dazu entwickelt und in ein Gesetzgebungs- oder Verordnungsverfahren eingebracht. Zur Wiederholung zitiere ich nochmals aus dem Anhang I zur RICHTLINIE 2009/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juli 2009:
Die Energieverbraucher müssen
--- Zitat ---Zitat:
transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Insbesondere haben alle Kunden Anspruch auf eine gute Qualität der Dienstleistung und die Behandlung ihrer Beschwerden durch ihren Gasversorger. Diese Verfahren zur außergerichtlichen Einigung müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen, vorzugsweise innerhalb von drei Monaten ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten(3) dargelegten Grundsätzen folgen
--- Ende Zitat ---
Wann haben die Verbraucherschützer und Interessenvertreter wie der Bund der Energieverbraucher so etwas vorgeschlagen? Für die Anwaltschaft wäre natürlich eine lukrative Einnahmequelle über viele Instanzen weggefallen. Verbindliche Klärung von Streitfragen innerhalb von drei Monaten, wo kommen wir dahin? Womöglich noch ohne Beteiligung des etablierten Justizapparates? Wirksamer, kostengünstiger, leicht zugänglicher Verbraucherschutz, was ist das das?
--- Ende Zitat ---
Auch hier hört sich die Theorie gut an.
ABER: In NRW gibt es seit dem Jahr 2000 ein vorgeschriebenes Schlichtungsverfahren in bestimmten Fällen BEVOR eine Klage erhoben werden kann (vor allem bei geringen Klagewerten und Nachbarschaftsstreitigkeiten). Es sollte die Gerichte von der Klageflut entlasten, die oft wegen \"Nichtigkeiten\" betrieben werden und den normalen Bürger davor bewahren, wegen Kleinigkeiten vor Gericht zu landen.
Nach meinen Erkenntnissen hat dieses Gesetz seinen Sinn bei weitem nicht gerecht werden können, da immer noch sehr viele Verfahren nach dem Schlichtungsverfahren vor Gericht landen.
Auch in unserem Fall der Energieversorgung ist doch wohl nicht davon auszugehen, dass sich die Energieversorger so ohne weiteres \"die Butter vom Brot nehmen lassen\". Und von daher würde ein verbraucherfreundliches Verfahren (also vermutlich weniger formell) aus meiner Sicht letztendlich nicht zum Ziel führen, da die Versorger letztendlich weiterhin \"auf Teufel komm raus\" den Weg bis zum Ende gehen würden und somit das gesamte Verfahren letztlich nur noch weiter verlängert würde. Und mit einer kürzeren Entscheidung (also möglicherweise weniger Instanzen) muss nicht zwangsläufig besser sein, da man im Falle der Niederlage natürlich als Kunde auch weniger Widerspruchsrechte hätte.
Ich sehe diesen Weg nicht als besser an, habe aber zugegebenermaßen auch keine bessere Lösung. :(
RR-E-ft:
Es ist müßig das Thema des Threads weiter zu diskutieren, wenn die Grundlagen für einen Haftungsanspruch nach dem allgemeinen Schadenserecht nicht ersichtlich sind.
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Zur angeblich \"grauen Theorie\".
Wir haben uns an die materielle Rechtslage zu halten, wie der Gesetzgeber sie uns in Gesetzestexten vorgibt.
Und auch Gerichte sind nach dem Grundgesetz an diese gebunden.
Dass Richter diese Rechtslage verkennen, liegt zuweilen daran, dass gar nicht mehr die Gesetze gelesen werden, sondern ein Richter ohne zu Hinterfragen andere Entscheidungen abschreibt, nach dem Motto, das wurde schon oft so entschieden.
Deshalb muss es jedoch noch lange nicht richtig sein.
Oft pflanzt sich nur Denkfaulheit fort.
Vor solchen Richtern, die das materielle Recht, welches der Gesetzgeber in Gesetzestexten vorgibt, nicht mehr selbst ergründen und anwenden, muss man sich fürchten. Denn sie sind furchtbar.
Furchtbar sind auch ihre Sprüche, die sie als Ergebnis einer angeblichen Rechtsfindung auswerfen.
Es ist Aufgabe der Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege, die Gerichte in betreffenden Verfahren dazu anzuhalten, die Gesetze zu lesen und zutreffend anzuwenden.
Dafür sind die Anwälte als Prozessbevollmächtigte verantwortlich.
Und auch daran mangelt es leider allzu oft.
Ich habe zum Beispiel gestern auf einen einstweiligen Rechtsschutzantrag einen unanfechtbaren Beschluss eines Gerichts erwartet. Als dieser ausblieb, habe ich den Richter angerufen. Dabei stellte sich heraus, dass dieser einen unanfechtbaren Beschluss zu Lasten meiner Mandanten beabsichtigte. Als ich mir dies nicht erklären konnte und deshalb nachfragte, stellte sich ziemlich schnell heraus, dass dieser Richter (wie auch dessen Vertreter) die ganze Zeit für die Bearbeitung des Falles mit einem total veralteten Gesetzestext arbeitete. Nachdem er darauf hingewiesen wurde, hat er seinen Irrtum bemerkt und sogleich den beantragten unanfechtbaren Beschluss zugunsten meiner Mandanten erlassen.
Man möchte meinen, so etwas dürfe eigentlich nicht passieren.
Es passiert jedoch ständig.
Unde deshalb nochmals:
Es ist die Aufgabe der Prozessbevollmächtigten, den Richtern die zu beachtende materielle Rechtslage, die uns der Gesetzgeber vorgibt, deutlich vor Augen zu führen, damit die Richter die Gesetze zutreffend anwenden.
Damit sollte auch die Rolle der Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte in Gerichtsverfahren klar umrissen sein.
Sie dienen dem Recht, welches der Gesetzgeber uns vorgegeben hat.
RR-E-ft:
Ich persönlich halte es nicht für uangebracht, wenn Rechtsanwälte in der Verhandlung den Gesetzestext aufschlagen, laut und deutlich mit Betonung vorlesen und sich durch Nachfrage einen Überblick darüber verschaffen, welche Unklarheiten diesbezüglich beim Spruchkörper etwaig noch bestehen.
Das mag zwar den Eindruck eines Oberlehrers vermitteln, hilft aber zuweilen nicht anders.
Tatsache ist, dass Prozessbevollmächtigte oft in die mündliche Verhandlung eines Billigkeitsprozesses gehen, den Text des Energiewirtschaftsgesetzes überhaupt nicht dabei haben, ihn deshalb nicht vorlesen können, ihn zuweilen auch selbst noch gar nicht gelesen haben, sondern allenfalls vorangegangene Gerichtsentscheidungen dazu gelesen haben.
Dann jedoch können sie der ihnen gestellten Aufgabe im Prozess gar nicht gerecht werden.
Solche Anwälte haben dann den Richtern nichts vorzuwerfen!
Das beste Rechte ist deshalb jenes, welches man selbst in die Tasche stecken oder unter dem Arm mit sich herumtragen, zur Not den Richtern vor die Füße werfen kann, auf dass sie ihm Beachtung schenken müssen, um nicht selbst zu Fall zu kommen. So wurde es uns jedenfalls beigebracht. Und wir sind froh darüber, dass es uns so beigebracht wurde.
Nicht verlassen darf man sich auf den Satz:
iura novit curia (da mihi facta, dabo tibi ius).
PLUS:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ich persönlich halte es nicht für uangebracht, wenn Rechtsanwälte in der Verhandlung den Gesetzestext aufschlagen, laut und deutlich mit Betonung vorlesen und sich durch Nachfrage einen Überblick darüber verschaffen, welche Unklarheiten diesbezüglich beim Spruchkörper etwaig noch bestehen.
--- Ende Zitat ---
Man solle das regelrecht verpflichten und dabei die Richter nicht vergessen! Also Antrag auf Ergänzung der ZPO etc. pp. stellen!
Ansonsten hilft zur Entspannung manchmal Juristenlatein oder ein \"Fachbuch\" dazu zu lesen. ;)
RR-E-ft:
@PLUS
Der Beitrag war keinesfalls dazu angetan, um für Erheiterung zu sorgen.
Es ist ein sehr ernstes Anliegen.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht nur im Grundgesetz, sondern auch in den Verfahrensordnungen verankert.
Dazu zählt auch, dass man sein rechtliches Anliegen in mündlicher Verhandlung vortragen kann.
Und dazu wiederum zählt auch, dass man die Gesetzesnormen, auf die es nach der eigenen Rechtsauffassung für die Streitentscheidung ankommt, mit dem Gericht erörtert.
Und diese Erörterung gelingt nun einmal am besten, wenn man den Gesetzestext zu Hand nimmt und anhand des selben seine eigene Rechtsüberzeugung zum Vortrag bringt.
Das kann wohl niemandem verwehrt werden, ohne den Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist auch dann verletzt, wenn sich das Gericht über solchen Vortrag einer Partei hinwegsetzt, ohne diesen zu erörtern.
Jedenfalls ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn vorn auf der Richterbank Richter sitzen wie die berühmten drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.
Ein Gericht, dass sich verweigert, den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen, zu erörtern und seiner Entscheidungsfindung zu Grunde zu legen, ist es jedenfalls nicht wert, den Streit zu entscheiden, und als befangen abzulehnen.
So sieht es die vom Gesetzgeber vorgegebene Prozessordnung vor.
Die sollte man für alle Fälle in aktueller Ausgabe auch bei sich führen.
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