Im EWE-Thread mit dem Titel „
Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“ äußert sich RR-E-ft am 13.12.2010 18:56 mit der Mahnung „
Behutsam vorgehen!“, siehe
http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76913#post76913. RR-E-ft schreibt dort: „Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen
bestmöglich berücksichtigen.“ Im Hinblick auf die Ankündigung des Users „__hp__“, über eine Bürgerbeschwerde“ direkt bei der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, hebt RR-E-ft sogar im Fettdruck hervor:
Nichts wäre nachteiliger, als wenn uns die in sich konsistente und zutreffende materielle Gesetzeslage über Luxemburg \"aufgebohrt\" würde.Warum fürchtet RR-E-ft die europäische Gesetzgebung und die europäische Rechtsprechung? Die Rechtslage ist bezüglich der verfassungsmäßigen Grundrechte und bezüglich der europäischen Richtlinien eindeutig. Das Versagen der Bundesrepublik Deutschland, für Energieverbraucher einen wirksamen Verbraucherschutz einzurichten, ist offenkundig. Dazu gliedere ich meine Ausführungen wie folgt:
1. fehlende Preistransparenz in der Grundversorgung
2. Prozesskostenrisiko in Billigkeitsprozessen
3. Verstoß gegen EU-Richtlinien
4. Vorrang des EU-Rechts
5. Staatshaftung
1. fehlende Preistransparenz in der GrundversorgungIn dem Grundsatz-Thread „Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB“ äußerte sich RR-E-ft am 15.12.2010 18:12 ausführlich zu dem Thema „Mögliche Preistransparenz in der Grundversorgung“, siehe
http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77024#post77024. Dort heißt es u. a.:
Die Preistransparenz kann freilich erhöht werden, etwa in dem die Netzentgelte, wie sie auf Grund- und Arbeitspreis entfallen, ferner die Kosten des Messstellenbetriebs, der Messung und Abrechnung sowie alle staatlich vorgegebenen preisbildenden Kostenbestandteile (EEG, KWKG, Energiesteuer, Konzessionsbgabe, ... Mehrwertsteuer) bereits in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und auch auf allen Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letzverbrauchern detailliert unter der Angabe aufgeführt werden, wie diese in Grund- und Arbeitspreise einfließen, bisher nur ansatzweise § 40 EnWG, 4 KAV...
Zu den den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV könnte zudem verlangt werden, dass alle Änderungen preisbildender Kostenfaktoren durch entsprechende detaillierte Auf- und Gegenüberstellung aufgezeigt werden müssen, welche sämtliche Veränderungen einzelner preisbildender Kostenbestandteile gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung enthalten müssen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
...
Die Billigkeitskontrolle kann zugleich erheblich erleichtet werden.
Es ist das selbe Prüfungsraster, dass Verbraucheranwälte heute schon bei der Billigkeitskontrolle abzuarbeiten haben:
- Von den jeweils öffentlich bekannt gegebenenen Preisen die vom Netzbetreiber jeweils öffentlich bekannt gegebenen Netzentgelte für den konkreten Verbrauchsfall abziehen... (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
- Preisentwicklung in absoluten Beträgen der Preisentwicklung der veröffentlichten Großhandelspreise gegenüberstellen.... (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Wollte man, als ersten Anhalt für besonders unbillige Grundversorgungspreise die Preise mehrerer Grundversorger miteinander vergleichen, darf man schon heute nicht die absolute Preishöhe vergleichen, sondern hat erst einmal zumindest durch Abzug der spezifischen Netzkosten solche Preise unter einander gleichnamig zu machen, auf einen Nenner zu bringen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 50).
Die ene´t GmbH Hückelhoven liefert genau diese Daten und Vergleiche an ihre Kunden, vornehmlich Energieversorger. Liegt also alles schon offen, wenn man will. Dem Ganzen steht nur der fehlende Wille der Grundversorger gegenüber, weil sie etwas zu verbergen haben.
...
Fazit:
Eine erhöhte Preistransparenz in der Grundversorgung ist heute schon möglich. Einer solchen steht bisher nur der fehlende Wille der Versorger gegenüber.
Wo deshalb der gute Wille der Versorger zur Transparenz fehlt, müssen BNetzA und möglicherweise der Verordnungsgeber noch einmal tätig werden.
Darum sollten sich die Kollegen von VZBV kümmern.
Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, wie jeder grundversorgte Kunde bestätigen kann: es gibt heute keine Preistransparenz für die Gaskunden in der Grundversorgung.
2. Prozesskostenrisiko von BilligkeitsprozessenBilligkeitsprozesse nach § 315 BGB sind mit einem hohen Prozesskostenrisiko verbunden. Denn der Energieverbraucher kennt im allgemeinen nicht die Kostenentwicklung seines Versorgers, er hat keinerlei Anhaltspunkte, ob und in welchem Umfang der Preis hätte gesenkt werden müssen oder in welchem Umfang eine gewünschte Preiserhöhung steigen darf. Durch seine Unwissenheit fehlt dem Energieverbraucher die Grundlage dafür zu beurteilen, ob ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgversprechend ist.
Ich zitiere einen Ausschnitt aus Abschnitt 2.3.4 meiner Kritik an der Preissockeltheorie unter
http://www.cleanstate.de/Preissockel_Energiepreise.html#_Toc250390756. Die Entscheidung
XI ZR 78/08 des XI. Zivilsenats vom 21.4.2009 befasst sich mit Preisklauseln von Sparkassen.
In Randnummer 38 des Urteils XI ZR 78/08 vom 21.4.2009 heißt es: „
Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).“
Der User „_hp_“ weist am 27.12.2010 22:31 in seinem umfangreichen Beitrag unter
http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77495#post77495 im EWE-Thread mit dem Titel „Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“ nach, dass dieses Problem auch auf Kunden in der Grundversorgung zutrifft. Nach „__hp__“ hat auch im Rahmen der Grundversorgung der Grundsatz der (Preis-)Transparenz zu gelten. Der Gesetzgeber, sei es nun der Verordnungsgeber oder der parlamentarische Gesetzgeber mit Erlass des EnWG, regelt bezüglich des zu zahlenden Preises die Leistungsbestimmungspflicht durch den Grundversorger. Das Preisbestimmungsrecht bzw. die dem Versorger obliegende Preisbestimmungspflicht, wie sie aus der Gasverordnung (bzw. dem EnWG) hervorgeht, verletzt wegen Fehlens jeglicher Anhaltspunkte hinsichtlich der preisbestimmenden Faktoren die Grundrechte der Grundversorgten, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. In der Grundversorgung ist eine genauso hohe Preistransparenz zu fordern wie im Sonderkundenverhältnis, um so den § 315 BGB im Interesse des Verbraucherschutzes im gesamten Gasbezugsbereich für Endverbraucher überhaupt erst effektiv zur Anwendung kommen zu lassen.
Der User „__hp__ fragt in seinem Beitrag vom 27.12.2010:
„Warum sollen eigentlich Verbraucher mit einem Gassondervertrag den Schutz transparenter Vertragsbestimmungen für sich reklamieren können (dafür kämpfen wir hier ja wohl - und um diese Frage dreht sich doch auch die Vorlage des OLG Oldenburg an den EuGH)!? Grundversorgten mutet man aber unter sonst vergleichbaren Bedingungen ein völlig intransparentes Preisbestimmungsrecht durch den Grundversorger zu, so dass diesem Kunden ein vergleichbares Schutzniveau wie dem Sondervertragskunden nicht zur Verfügung steht! Ihr Hinweis, „RR-E-ft“, dass das Preisfestsetzungsrecht - anders als der VIII. Zivilsenat meint - nicht aus der Verordnung hervorgeht, sondern vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst in § 36 EnWG normiert worden sei (wofür ja sogar tatsächlich einiges sprechen könnte), führt aber nicht weiter, taugt insbesondere nicht, um die materielle Ungleichbehandlung zwischen Grundversorgten und Sondervertragskunden im Gasbereich (keine Preistransparenz hier/Preistransparenz dort) zu rechtfertigen.“
In dem Abschnitt „
Der gesetzlich verordnete „Blindflug“ in der Grundversorgung\" zeigt „__hp__“, dass der grundversorgte Kunde mangels hinreichender Tatsachengrundlage die Prozessrisiken überhaupt nicht analysieren kann. Der Streitwert, um den es in Billigkeitsprozessen von Haushaltskunden in der Gasversorgung nach § 315 BGB üblicherweise geht, beträgt meist nur ein paar hundert Euro ausmachen, das Prozessrisiko erscheint vielleicht noch beherrschbar. Aber wenn das Gericht im Prozessverlauf einen unabhängigen Sachverständigen bestellen muss, um die wirtschaftlichen Eckdaten zu Kosten und Gewinnen und Marktsituation zu erfahren, dann können schnell Gutachterkosten in von 10.000 Euro und mehr anfallen.
In dem Abschnitt „
Der Ansatz von „RR-E-ft“: Bestmögliche Interessenberücksichtigung durch das Gesetz!?“ widerlegt „__hP__ eindrucksvoll die eingangs zitierte These von RR-E-ft:
„Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen
bestmöglich berücksichtigen“.
Der User „__hp__“ zeigt auf, dass intransparente Preisanpassungsregeln des Gesetzgebers gegen prozessuale Grundrechte verstoßen. Nach der Analyse von „__hp__“ bilden die Prozesskosten eine wirtschaftliche Zugangshürde für Energieverbraucher und verletzen damit den Justizgewährungsanspruch aus Art. 80 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Die Prozesskosten wandeln das Recht geradezu zur
Waffe der finanzstarken Energieversorger und verletzen das Grundprinzip der prozessualen Waffengleichheit. Wörtlich schreibt „__hp__“:
Es geht im engeren Sinne also um die Vorhersehbarkeit des gerichtlichen Verfahrens, die von derartiger Bedeutung für eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ist, dass das BVerfG diesem Aspekt neben den „klassischen“ Prozessgrundrechten (Art. 101, 103 GG) sowie dem effektiven Rechtsschutz, dem fairen Prozess sowie dem Justizgewährungsanspruch sogar eigenständige Bedeutung zugemessen hat.
Das Ergebnis der Überlegungen von „__hp__“ lautet: Der Gaskunde in der Grundversorgung besitzt heute keinen effektiven Rechtsschutz, weil der Gesetzgeber versagt hat.
3. Verstoß gegen EU-Richtlinien Der User „__hp__“ zeigt in seinen Beiträgen im EWE-Thread unter dem Titel „Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“, dass das einseitige Preisbestimmungsrecht der Energieversorger die Klausel-Richtlinie der EU verletzt. Das ist nun Thema des Prozesses am OLG Oldenburg bzw. nach dessen Aussetzungssbeschluss am EuGH, siehe Beschluss des OLG Oldenburg vom 14.12.10 Az. 12 U 49/07 EuGH- Vorlage wegen BGH-Auslegung zur Transparenz unter
http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14848 und
http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14831.
Die Preisinformationen in Grundversorgungsverträgen verstoßen auch gegen die Vorgaben der Gas-Richtlinie der EU. In der RICHTLINIE 2003/55/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (Quelle:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:176:0057:0078:DE:PDF) heißt es in Artikel zu „Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden“:
(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzes und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, wozu auch geeignete Maßnahmen gehören, mit denen diesen Kunden geholfen wird, den Ausschluss von der Versorgung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang können sie Maßnahmen zum Schutz von Kunden in abgelegenen Gebieten treffen, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Sie können für an das Gasnetz angeschlossene Kunden einen Versorger letzter Instanz benennen. Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zugelassene Kunden tatsächlich zu einem neuen Lieferanten wechseln können. Zumindest im Fall der Haushalts-Kunden schließen solche Maßnahmen die in Anhang A aufgeführten Maßnahmen ein. ANHANG A Maßnahmen zum Schutz der Kunden
d) Die allgemeinen Vertragsbedingungen müssen fair und transparent sein. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein. Die Kunden müssen gegen unfaire oder irreführende Verkaufsmethoden geschützt sein; f) [Die Kunden müssen]
transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Diese Verfahren müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission dargelegten Grundsätzen folgen; Artikel 33 Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Juli 2004 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
In der RICHTLINIE 2009/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (Quelle:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:211:0094:0136:DE:PDF) ist zu lesen:
Erwägungsgrund Nr. 48:
Im Mittelpunkt dieser Richtlinie sollten die Belange der Verbraucher stehen, und die Gewährleistung der Dienstleistungsqualität sollte zentraler Bestandteil der Aufgaben von Erdgasunternehmen sein. Die bestehenden Verbraucherrechte müssen gestärkt und abgesichert werden und sollten auch auf mehr Transparenz ausgerichtet sein. Durch den Verbraucherschutz sollte sichergestellt werden, dass allen Kunden im größeren Kontext der Gemeinschaft die Vorzüge eines Wettbewerbsmarktes zugute kommen. Die Rechte der Verbraucher sollten von den Mitgliedstaaten oder, sofern ein Mitgliedstaat dies vorgesehen hat, von den Regulierungsbehörden durchgesetzt werden.Erwägungsgrund Nr. 51:
Ein besserer Verbraucherschutz ist gewährleistet, wenn für alle Verbraucher ein Zugang zu wirksamen Streitbeilegungsverfahren besteht. Die Mitgliedstaaten sollten Verfahren zur schnellen und wirksamen Behandlung von Beschwerden einrichten.Artikel 3 Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden
(9) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zentrale Anlaufstellen eingerichtet werden, über die die Verbraucher alle notwendigen Informationen über ihre Rechte, das geltende Recht und Streitbeilegungsverfahren, die ihnen im Streitfall zur Verfügung stehen, erhalten. Diese Anlaufstellen können in allgemeinen Verbraucherinformationsstellen angesiedelt sein. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein unabhängiger Mechanismus, beispielsweise ein unabhängiger Bürgerbeauftragter oder eine Verbraucherschutzeinrichtung für den Energiesektor eingerichtet wird, um Beschwerden wirksam zu behandeln und gütliche Einigungen herbeizuführen.Anhang I MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ DER KUNDEN
(1) d)
Die allgemeinen Vertragsbedingungen müssen fair und transparent sein. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein und dürfen keine außervertraglichen Hindernisse enthalten, durch die die Kunden an der Ausübung ihrer Rechte gehindert werden, zum Beispiel eine übermäßige Zahl an Vertragsunterlagen. Die Kunden müssen gegen unfaire oder irreführende Verkaufsmethoden geschützt sein;(1) f)
[Die Kunden müssen]
transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Insbesondere haben alle Kunden Anspruch auf eine gute Qualität der Dienstleistung und die Behandlung ihrer Beschwerden durch ihren Gasversorger. Diese Verfahren zur außergerichtlichen Einigung müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen, vorzugsweise innerhalb von drei Monaten ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten(3) dargelegten Grundsätzen folgen; Artikel 54 Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 3. März 2011 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Sie wenden diese Vorschriften ab 3. März 2011 an, mit Ausnahme von Artikel 11, den sie ab 3. März 2013 anwenden.Sogar die EU-Kommission sah 2009 die Schwierigkeiten der deutschen Verbraucher, die Vorteile des europäischen Binnenmarktes für Strom und Erdgas zu genießen. Die EU-Kommission bemängelt, dass Streitbeilegungsverfahren für Verbraucher in Deutschland fehlen. In der Pressemitteilung
IP/09/1035 der EU-Kommission vom 25.6.2009 heißt es:
„Es ist eine Grundprämisse der Strom- und der Erdgasrichtlinie, dass alle Bürger, denen die wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarktes zugute kommen, auch ein hohes Verbraucherschutzniveau genießen sollten. Ohne transparente, einfache und wenig kostenaufwändige Verfahren für den Umgang mit den Beschwerden kann es jedoch dazu kommen, dass die Verbraucher zögern, die Möglichkeiten des Binnenmarkts aktiv zu nutzen. Die Elektrizitäts- und die Erdgasrichtlinie enthalten eindeutig die Verpflichtung, dass solche Verfahren vorhanden sein und den Verbrauchern tatsächlich Alternativen zur Verfügung stehen müssen.“
U. a. wegen dieses schweren Verstoßes gegen den Verbraucherschutz eröffnete die EU-Kommission am 25.6.2009 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.
4. Vorrang des EU-RechtsDie beiden Berliner Rechtsprofessoren Siegfried Klaue und Hans-Peter Schwintowski befassten sich in einer Studie vom Dezember 2008 zur „Preisregulierung durch Kartellrecht - § 29 GWB auf dem Prüfstand des europäischen Rechts“ u. a. mit der Frage, welches Recht anzuwenden ist, wenn sich deutsche und europäische Gesetze überschneiden, siehe
http://www.ewerk.hu-berlin.de/files/EWERK%20Sonderheft_print%2029-11-08.pdf. Die Stadtwerke Aachen, Bremen, Jena-Pößneck, Leipzig, Schneeberg und Uelzen, die neuen Wettbewerber eprimo GmbH, Yellostrom GmbH und NUON Deutschland GmbH, sowie die GASAG Berlin und die EON Ruhrgas AG hatten die Professoren Klaue und Schwintowski gebeten, die Vereinbarkeit des § 29 GWB mit der europäischen Rechtsordnung zu überprüfen. Auf Seite 38 der Studie heißt es mit Bezug auf die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss 2 BvR 255/69 vom 9.6.1971 (BVerfGE 31, 145) im sogenannten „Milchpulver-Fall“ und Beschluss 2 BvR 687/85 vom 8.4.1987 (BVerfGE 75, 223) im Fall „Kloppenburg“, zum Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht:
„Dieser Anwendungsvorrang beruht, so das Bundesverfassungsgericht, auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, dem sich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag über Art. 59 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 GG (heute: Art. 23 Abs. 1 GG) unterworfen hat. Eine solche Vorrangregel ist nach Art. 23 GG zulässig – die deutschen Gerichte haben daher im Fall eines Widerspruchs beider Rechtsordnungen – wie im vorliegenden Fall – nicht das deutsche, sondern das Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Ein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichtes nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht in diesen Fällen nicht. Vielmehr ist jedes Gericht befugt, aber auch verpflichtet, das nationale Recht im Falle des Widerspruchs zum Gemeinschaftsrecht (hier: § 29 GWB) nicht anzuwenden.“
5. StaatshaftungDie Bundesrepublik Deutschland gewährt dem Energieverbraucher nicht sein Grundrecht auf den Schutz seines Eigentums und verweigert ihm sein Grundrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren. Allein daraus könnte man mit dem verfassungsrechtlichen Argumenten des Users \"__hp__\" und seinem Literaturhinweis einen Schadenersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland begründen. \"__hp__\" nennt als vertiefende Literatur das „Handbuch des Staatsrechts“ (C.F. Müller, Band V, Herausgeber: Isensee/Kirchhof, 3. Auflage, 2007), \"
das insbesondere auf den Seiten 774 ff. eine umfassende Judikatur zur Thematik, also eine Kennzeichnung der richtungsweisenden Rechtsprechung des BVerfG nebst vielfältigen Fundstellennachweisen, enthält.\"Aus der Verletzung des EG-Vertrages und aus der Nichtumsetzung von EU-Richtlinien sollten sich Schadenersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland ableiten lassen. Im Folgenden nenne ich drei Rechts-Verfahren, die bei der Begründung des Schadenersatzanspruches über Verletzung von EU-Recht helfen könnten.
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- Im Zusammenhang mit einer Reiserichtlinie der EU und der Insolvenz mehrerer Reiseveranstalter war es Anfang der 90er Jahre zu einem ersten Verfahren der Staatshaftung gekommen, weil die Bundesrepublik Deutschland den Schutz für Pauschalreisende erst zu spät in nationales Recht umsetzte (EuGH-Urteil vom 8.10.1996, Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94, Slg. 1996, I-4845 - Dillenkofer u. a. / BRD).
- Bei seiner Entscheidung zu dem Universitätsprofessor Gerhard Köbler konkretisierte der EuGH für die Fallgruppe der Staatshaftung für judikatives Unrecht seine Rechtsprechung zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, die durch die Francovich-Entscheidung begründet worden war, siehe EuGH, C-224/01, Slg. 2003, I-10239ff., vom 30. September 2003, z. B. bei http://lexetius.com/2003,1907.
- Im BGH-Urteil vom 2.12.2004 unter Aktenzeichen III ZR 358/03 (siehe z. B. unter http://lexetius.com/2004,3152) ist als Leitsatz festgehalten: „Auch bei der Geltendmachung eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 34 GG. Der Bund, der gemeinschaftsrechtlich verpflichtet ist, den Ersatz des durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstandenen Schadens sicherzustellen, ist innerstaatlich nur dann Schuldner eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, wenn ihn zugleich die Verantwortlichkeit nach Art. 34 Satz 1 GG trifft.“
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Ob eine Staatshaftungsklage auf Grundlage deutscher oder europäischer Normen Sinn macht, ist unbedingt mit anwaltlicher Hilfe zu prüfen. Der geplanten Bürgerbeschwerde von User \"__hp__\" bei der EU-Kommission wünsche ich Erfolg.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de