Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Preisintransparenz begründet Staatshaftung für Verbraucher bei verlorenen Billigkeitsprozessen  (Gelesen 14445 mal)

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Offline Lothar Gutsche

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Im EWE-Thread mit dem Titel „Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“ äußert sich RR-E-ft am 13.12.2010 18:56 mit der Mahnung „Behutsam vorgehen!“, siehe http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76913#post76913. RR-E-ft schreibt dort: „Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen.“ Im Hinblick auf die Ankündigung des Users „__hp__“, über eine Bürgerbeschwerde“ direkt bei der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, hebt RR-E-ft sogar im Fettdruck hervor:
Nichts wäre nachteiliger, als wenn uns die in sich konsistente und zutreffende materielle Gesetzeslage über Luxemburg \"aufgebohrt\" würde.

Warum fürchtet RR-E-ft die europäische Gesetzgebung und die europäische Rechtsprechung? Die Rechtslage ist bezüglich der verfassungsmäßigen Grundrechte und bezüglich der europäischen Richtlinien eindeutig. Das Versagen der Bundesrepublik Deutschland, für Energieverbraucher einen wirksamen Verbraucherschutz einzurichten, ist offenkundig. Dazu gliedere ich meine Ausführungen wie folgt:

1. fehlende Preistransparenz in der Grundversorgung
2. Prozesskostenrisiko in Billigkeitsprozessen
3. Verstoß gegen EU-Richtlinien
4. Vorrang des EU-Rechts
5. Staatshaftung

1. fehlende Preistransparenz in der Grundversorgung
In dem Grundsatz-Thread „Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB“ äußerte sich RR-E-ft am 15.12.2010 18:12 ausführlich zu dem Thema „Mögliche Preistransparenz in der Grundversorgung“, siehe http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77024#post77024. Dort heißt es u. a.:

Zitat
Die Preistransparenz kann freilich erhöht werden, etwa in dem die Netzentgelte, wie sie auf Grund- und Arbeitspreis entfallen, ferner die Kosten des Messstellenbetriebs, der Messung und Abrechnung sowie alle staatlich vorgegebenen preisbildenden Kostenbestandteile (EEG, KWKG, Energiesteuer, Konzessionsbgabe, ... Mehrwertsteuer) bereits in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und auch auf allen Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letzverbrauchern detailliert unter der Angabe aufgeführt werden, wie diese in Grund- und Arbeitspreise einfließen, bisher nur ansatzweise § 40 EnWG, 4 KAV...  

Zu den den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV könnte zudem verlangt werden, dass alle Änderungen preisbildender Kostenfaktoren durch entsprechende detaillierte Auf- und Gegenüberstellung aufgezeigt werden müssen, welche sämtliche Veränderungen einzelner preisbildender Kostenbestandteile gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung enthalten müssen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).  

...

Die Billigkeitskontrolle kann zugleich erheblich erleichtet werden.  

Es ist das selbe Prüfungsraster, dass Verbraucheranwälte heute schon bei der Billigkeitskontrolle abzuarbeiten haben:  

- Von den jeweils öffentlich bekannt gegebenenen Preisen die vom Netzbetreiber jeweils öffentlich bekannt gegebenen Netzentgelte für den konkreten Verbrauchsfall abziehen... (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
- Preisentwicklung in absoluten Beträgen der Preisentwicklung der veröffentlichten Großhandelspreise gegenüberstellen.... (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).  

Wollte man, als ersten Anhalt für besonders unbillige Grundversorgungspreise die Preise mehrerer Grundversorger miteinander vergleichen, darf man schon heute nicht die absolute Preishöhe vergleichen, sondern hat erst einmal zumindest durch Abzug der spezifischen Netzkosten solche Preise unter einander gleichnamig zu machen, auf einen Nenner zu bringen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 50).  

Die ene´t GmbH Hückelhoven liefert genau diese Daten und Vergleiche an ihre Kunden, vornehmlich Energieversorger.  Liegt also alles schon offen, wenn man will.  Dem Ganzen steht nur der fehlende Wille der Grundversorger gegenüber, weil sie etwas zu verbergen haben.

...

Fazit:  
Eine erhöhte Preistransparenz in der Grundversorgung ist heute schon möglich. Einer solchen steht bisher nur der fehlende Wille der Versorger gegenüber.  

Wo deshalb der gute Wille der Versorger zur Transparenz fehlt, müssen BNetzA und möglicherweise der Verordnungsgeber noch einmal tätig werden.  

Darum sollten sich die Kollegen von VZBV kümmern.

Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, wie jeder grundversorgte Kunde bestätigen kann: es gibt heute keine Preistransparenz für die Gaskunden in der Grundversorgung.


2. Prozesskostenrisiko von Billigkeitsprozessen
Billigkeitsprozesse nach § 315 BGB sind mit einem hohen Prozesskostenrisiko verbunden. Denn der Energieverbraucher kennt im allgemeinen nicht die Kostenentwicklung seines Versorgers, er hat keinerlei Anhaltspunkte, ob und in welchem Umfang der Preis hätte gesenkt werden müssen oder in welchem Umfang eine gewünschte Preiserhöhung steigen darf. Durch seine Unwissenheit fehlt dem Energieverbraucher die Grundlage dafür zu beurteilen, ob ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgversprechend ist.

Ich zitiere einen Ausschnitt aus Abschnitt 2.3.4 meiner Kritik an der Preissockeltheorie unter http://www.cleanstate.de/Preissockel_Energiepreise.html#_Toc250390756. Die Entscheidung XI ZR 78/08 des XI. Zivilsenats vom 21.4.2009 befasst sich mit Preisklauseln von Sparkassen.
In Randnummer 38 des Urteils XI ZR 78/08 vom 21.4.2009 heißt es: „Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).

Der User „_hp_“ weist am 27.12.2010 22:31 in seinem umfangreichen Beitrag unter http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77495#post77495 im EWE-Thread mit dem Titel „Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“ nach, dass dieses Problem auch auf Kunden in der Grundversorgung zutrifft. Nach „__hp__“ hat auch im Rahmen der Grundversorgung der Grundsatz der (Preis-)Transparenz zu gelten. Der Gesetzgeber, sei es nun der Verordnungsgeber oder der parlamentarische Gesetzgeber mit Erlass des EnWG, regelt bezüglich des zu zahlenden Preises die Leistungsbestimmungspflicht durch den Grundversorger. Das Preisbestimmungsrecht bzw. die dem Versorger obliegende Preisbestimmungspflicht, wie sie aus der Gasverordnung (bzw. dem EnWG) hervorgeht, verletzt wegen Fehlens jeglicher Anhaltspunkte hinsichtlich der preisbestimmenden Faktoren die Grundrechte der Grundversorgten, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. In der Grundversorgung ist eine genauso hohe Preistransparenz zu fordern wie im Sonderkundenverhältnis, um so den § 315 BGB im Interesse des Verbraucherschutzes im gesamten Gasbezugsbereich für Endverbraucher überhaupt erst effektiv zur Anwendung kommen zu lassen.

Der User „__hp__ fragt in seinem Beitrag vom 27.12.2010:
 
Zitat
„Warum sollen eigentlich Verbraucher mit einem Gassondervertrag den Schutz transparenter Vertragsbestimmungen für sich reklamieren können (dafür kämpfen wir hier ja wohl - und um diese Frage dreht sich doch auch die Vorlage des OLG Oldenburg an den EuGH)!? Grundversorgten mutet man aber unter sonst vergleichbaren Bedingungen ein völlig intransparentes Preisbestimmungsrecht durch den Grundversorger zu, so dass diesem Kunden ein vergleichbares Schutzniveau wie dem Sondervertragskunden nicht zur Verfügung steht! Ihr Hinweis, „RR-E-ft“, dass das Preisfestsetzungsrecht - anders als der VIII. Zivilsenat meint - nicht aus der Verordnung hervorgeht, sondern vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst in § 36 EnWG normiert worden sei (wofür ja sogar tatsächlich einiges sprechen könnte), führt aber nicht weiter, taugt insbesondere nicht, um die materielle Ungleichbehandlung zwischen Grundversorgten und Sondervertragskunden im Gasbereich (keine Preistransparenz hier/Preistransparenz dort) zu rechtfertigen.“
In dem Abschnitt „Der gesetzlich verordnete „Blindflug“ in der Grundversorgung\" zeigt „__hp__“, dass der grundversorgte Kunde mangels hinreichender Tatsachengrundlage die Prozessrisiken überhaupt nicht analysieren kann. Der Streitwert, um den es in Billigkeitsprozessen von Haushaltskunden in der Gasversorgung nach § 315 BGB üblicherweise geht, beträgt meist nur ein paar hundert Euro ausmachen, das Prozessrisiko erscheint vielleicht noch beherrschbar. Aber wenn das Gericht im Prozessverlauf einen unabhängigen Sachverständigen bestellen muss, um die wirtschaftlichen Eckdaten zu Kosten und Gewinnen und Marktsituation zu erfahren, dann können schnell Gutachterkosten in von 10.000 Euro und mehr anfallen.

In dem Abschnitt „Der Ansatz von „RR-E-ft“: Bestmögliche Interessenberücksichtigung durch das Gesetz!?“ widerlegt „__hP__ eindrucksvoll die eingangs zitierte These von RR-E-ft:
„Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen“.

Der User „__hp__“ zeigt auf, dass intransparente Preisanpassungsregeln des Gesetzgebers gegen prozessuale Grundrechte verstoßen. Nach der Analyse von „__hp__“ bilden die Prozesskosten eine wirtschaftliche Zugangshürde für Energieverbraucher und verletzen damit den Justizgewährungsanspruch aus Art. 80 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Die Prozesskosten wandeln das Recht geradezu zur Waffe der finanzstarken Energieversorger und verletzen das Grundprinzip der prozessualen Waffengleichheit. Wörtlich schreibt „__hp__“:

Zitat
Es geht im engeren Sinne also um die Vorhersehbarkeit des gerichtlichen Verfahrens, die von derartiger Bedeutung für eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ist, dass das BVerfG diesem Aspekt neben den „klassischen“ Prozessgrundrechten (Art. 101, 103 GG) sowie dem effektiven Rechtsschutz, dem fairen Prozess sowie dem Justizgewährungsanspruch sogar eigenständige Bedeutung zugemessen hat.

Das Ergebnis der Überlegungen von „__hp__“ lautet: Der Gaskunde in der Grundversorgung besitzt heute keinen effektiven Rechtsschutz, weil der Gesetzgeber versagt hat.


3. Verstoß gegen EU-Richtlinien
Der User „__hp__“ zeigt in seinen Beiträgen im EWE-Thread unter dem Titel „Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“, dass das einseitige Preisbestimmungsrecht der Energieversorger die Klausel-Richtlinie der EU verletzt. Das ist nun Thema des Prozesses am OLG Oldenburg bzw. nach dessen Aussetzungssbeschluss am EuGH, siehe Beschluss des OLG Oldenburg vom 14.12.10 Az. 12 U 49/07 EuGH- Vorlage wegen BGH-Auslegung zur Transparenz unter http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14848 und http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14831.

Die Preisinformationen in Grundversorgungsverträgen verstoßen auch gegen die Vorgaben der Gas-Richtlinie der EU. In der RICHTLINIE 2003/55/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (Quelle: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:176:0057:0078:DE:PDF) heißt es in Artikel zu „Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden“:

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzes und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, wozu auch geeignete Maßnahmen gehören, mit denen diesen Kunden geholfen wird, den Ausschluss von der Versorgung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang können sie Maßnahmen zum Schutz von Kunden in abgelegenen Gebieten treffen, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Sie können für an das Gasnetz angeschlossene Kunden einen Versorger letzter Instanz benennen. Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zugelassene Kunden tatsächlich zu einem neuen Lieferanten wechseln können. Zumindest im Fall der Haushalts-Kunden schließen solche Maßnahmen die in Anhang A aufgeführten Maßnahmen ein.

ANHANG A Maßnahmen zum Schutz der Kunden
d) Die allgemeinen Vertragsbedingungen müssen fair und transparent sein. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein. Die Kunden müssen gegen unfaire oder irreführende Verkaufsmethoden geschützt sein;  f) [Die Kunden müssen] transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Diese Verfahren müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission dargelegten Grundsätzen folgen;

Artikel 33 Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Juli 2004 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

In der RICHTLINIE 2009/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (Quelle: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:211:0094:0136:DE:PDF) ist zu lesen:

Erwägungsgrund Nr. 48:
Im Mittelpunkt dieser Richtlinie sollten die Belange der Verbraucher stehen, und die Gewährleistung der Dienstleistungsqualität sollte zentraler Bestandteil der Aufgaben von Erdgasunternehmen sein. Die bestehenden Verbraucherrechte müssen gestärkt und abgesichert werden und sollten auch auf mehr Transparenz ausgerichtet sein. Durch den Verbraucherschutz sollte sichergestellt werden, dass allen Kunden im größeren Kontext der Gemeinschaft die Vorzüge eines Wettbewerbsmarktes zugute kommen. Die Rechte der Verbraucher sollten von den Mitgliedstaaten oder, sofern ein Mitgliedstaat dies vorgesehen hat, von den Regulierungsbehörden durchgesetzt werden.

Erwägungsgrund Nr. 51:
Ein besserer Verbraucherschutz ist gewährleistet, wenn für alle Verbraucher ein Zugang zu wirksamen Streitbeilegungsverfahren besteht. Die Mitgliedstaaten sollten Verfahren zur schnellen und wirksamen Behandlung von Beschwerden einrichten.

Artikel 3 Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden
(9) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zentrale Anlaufstellen eingerichtet werden, über die die Verbraucher alle notwendigen Informationen über ihre Rechte, das geltende Recht und Streitbeilegungsverfahren, die ihnen im Streitfall zur Verfügung stehen, erhalten. Diese Anlaufstellen können in allgemeinen Verbraucherinformationsstellen angesiedelt sein.  Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein unabhängiger Mechanismus, beispielsweise ein unabhängiger Bürgerbeauftragter oder eine Verbraucherschutzeinrichtung für den Energiesektor eingerichtet wird, um Beschwerden wirksam zu behandeln und gütliche Einigungen herbeizuführen.

Anhang I MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ DER KUNDEN
(1) d)
Die allgemeinen Vertragsbedingungen müssen fair und transparent sein. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein und dürfen keine außervertraglichen Hindernisse enthalten, durch die die Kunden an der Ausübung ihrer Rechte gehindert werden, zum Beispiel eine übermäßige Zahl an Vertragsunterlagen. Die Kunden müssen gegen unfaire oder irreführende Verkaufsmethoden geschützt sein;
(1) f)
[Die Kunden müssen] transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Insbesondere haben alle Kunden Anspruch auf eine gute Qualität der Dienstleistung und die Behandlung ihrer Beschwerden durch ihren Gasversorger. Diese Verfahren zur außergerichtlichen Einigung müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen, vorzugsweise innerhalb von drei Monaten ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten(3) dargelegten Grundsätzen folgen;

Artikel 54 Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 3. März 2011 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Sie wenden diese Vorschriften ab 3. März 2011 an, mit Ausnahme von Artikel 11, den sie ab 3. März 2013 anwenden.

Sogar die EU-Kommission sah 2009 die Schwierigkeiten der deutschen Verbraucher, die Vorteile des europäischen Binnenmarktes für Strom und Erdgas zu genießen. Die EU-Kommission bemängelt, dass Streitbeilegungsverfahren für Verbraucher in Deutschland fehlen. In der Pressemitteilung IP/09/1035 der EU-Kommission vom 25.6.2009 heißt es:

Zitat
„Es ist eine Grundprämisse der Strom- und der Erdgasrichtlinie, dass alle Bürger, denen die wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarktes zugute kommen, auch ein hohes Verbraucherschutzniveau genießen sollten. Ohne transparente, einfache und wenig kostenaufwändige Verfahren für den Umgang mit den Beschwerden kann es jedoch dazu kommen, dass die Verbraucher zögern, die Möglichkeiten des Binnenmarkts aktiv zu nutzen. Die Elektrizitäts- und die Erdgasrichtlinie enthalten eindeutig die Verpflichtung, dass solche Verfahren vorhanden sein und den Verbrauchern tatsächlich Alternativen zur Verfügung stehen müssen.“

U. a. wegen dieses schweren Verstoßes gegen den Verbraucherschutz eröffnete die EU-Kommission am 25.6.2009 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.


4. Vorrang des EU-Rechts
Die beiden Berliner Rechtsprofessoren Siegfried Klaue und Hans-Peter Schwintowski befassten sich in einer Studie vom Dezember 2008 zur „Preisregulierung durch Kartellrecht - § 29 GWB auf dem Prüfstand des europäischen Rechts“ u. a. mit der Frage, welches Recht anzuwenden ist, wenn sich deutsche und europäische Gesetze überschneiden, siehe http://www.ewerk.hu-berlin.de/files/EWERK%20Sonderheft_print%2029-11-08.pdf. Die Stadtwerke Aachen, Bremen, Jena-Pößneck, Leipzig, Schneeberg und Uelzen, die neuen Wettbewerber eprimo GmbH, Yellostrom GmbH und NUON Deutschland GmbH, sowie die GASAG Berlin und die EON Ruhrgas AG hatten die Professoren Klaue und Schwintowski gebeten, die Vereinbarkeit des § 29 GWB mit der europäischen Rechtsordnung zu überprüfen. Auf Seite 38 der Studie heißt es mit Bezug auf die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss 2 BvR 255/69 vom 9.6.1971 (BVerfGE 31, 145) im sogenannten „Milchpulver-Fall“ und Beschluss 2 BvR 687/85 vom 8.4.1987 (BVerfGE 75, 223) im Fall „Kloppenburg“, zum Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht:

Zitat
„Dieser Anwendungsvorrang beruht, so das Bundesverfassungsgericht, auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, dem sich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag über Art. 59 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 GG (heute: Art. 23 Abs. 1 GG) unterworfen hat. Eine solche Vorrangregel ist nach Art. 23 GG zulässig – die deutschen Gerichte haben daher im Fall eines Widerspruchs beider Rechtsordnungen – wie im vorliegenden Fall – nicht das deutsche, sondern das Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Ein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichtes nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht in diesen Fällen nicht. Vielmehr ist jedes Gericht befugt, aber auch verpflichtet, das nationale Recht im Falle des Widerspruchs zum Gemeinschaftsrecht (hier: § 29 GWB) nicht anzuwenden.“

5. Staatshaftung
Die Bundesrepublik Deutschland gewährt dem Energieverbraucher nicht sein Grundrecht auf den Schutz seines Eigentums und verweigert ihm sein Grundrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren. Allein daraus könnte man mit dem verfassungsrechtlichen Argumenten des Users \"__hp__\" und seinem Literaturhinweis einen Schadenersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland begründen. \"__hp__\" nennt als vertiefende Literatur das „Handbuch des Staatsrechts“ (C.F. Müller, Band V, Herausgeber: Isensee/Kirchhof, 3. Auflage, 2007), \"das insbesondere auf den Seiten 774 ff. eine umfassende Judikatur zur Thematik, also eine Kennzeichnung der richtungsweisenden Rechtsprechung des BVerfG nebst vielfältigen Fundstellennachweisen, enthält.\"

Aus der Verletzung des EG-Vertrages und aus der Nichtumsetzung von EU-Richtlinien sollten sich Schadenersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland ableiten lassen. Im Folgenden nenne ich drei Rechts-Verfahren, die bei der Begründung des Schadenersatzanspruches über Verletzung von EU-Recht helfen könnten.
[list=1]
  • Im Zusammenhang mit einer Reiserichtlinie der EU und der Insolvenz mehrerer Reiseveranstalter war es Anfang der 90er Jahre zu einem ersten Verfahren der Staatshaftung gekommen, weil die Bundesrepublik Deutschland den Schutz für Pauschalreisende erst zu spät in nationales Recht umsetzte (EuGH-Urteil vom 8.10.1996, Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94, Slg. 1996, I-4845 - Dillenkofer u. a. / BRD).
  • Bei seiner Entscheidung zu dem Universitätsprofessor Gerhard Köbler konkretisierte der EuGH für die Fallgruppe der Staatshaftung für judikatives Unrecht seine Rechtsprechung zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, die durch die Francovich-Entscheidung begründet worden war, siehe EuGH, C-224/01, Slg. 2003, I-10239ff., vom 30. September 2003, z. B. bei http://lexetius.com/2003,1907.

  • Im BGH-Urteil vom 2.12.2004 unter Aktenzeichen III ZR 358/03 (siehe z. B. unter http://lexetius.com/2004,3152) ist als Leitsatz festgehalten: „Auch bei der Geltendmachung eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 34 GG. Der Bund, der gemeinschaftsrechtlich verpflichtet ist, den Ersatz des durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstandenen Schadens sicherzustellen, ist innerstaatlich nur dann Schuldner eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, wenn ihn zugleich die Verantwortlichkeit nach Art. 34 Satz 1 GG trifft.
    [/list=1]

    Ob eine Staatshaftungsklage auf Grundlage deutscher oder europäischer Normen Sinn macht, ist unbedingt mit anwaltlicher Hilfe zu prüfen. Der geplanten Bürgerbeschwerde von User \"__hp__\" bei der EU-Kommission wünsche ich Erfolg.  

    Viele Grüße
    Lothar Gutsche
    Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline RR-E-ft

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An der dortigen Stelle im EWE- Forum habe ich einen Beitrag angefügt:

Zitat
Original von RR-E-ft
@_hp_

Wir scheinen in einem zentralen Punkt diametral auseinander zu liegen.

Eine Gleichbehandlung von Sondervertragkunden und grundversorgten Kunden verstößt selbst gegen Art. 3 GG.

Bei Sonderverträgen wird bei Vertragsabschluss ein Preis vereinbart.
Dies ist dort die Preishauptabrede.

Die Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.
Und an dieser Stelle ist für die Anwendung des § 315 BGB keinerlei Platz (zutreffend BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

In der Grundversorgung sind - wie andernorts von mir herausgearbeitet - Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sogar gesetzlich unzulässig und ausgeschlossen.

Auch Grundversorgungsverträge kennen eine Preishauptabrede.
Diese besteht jedoch gerade nicht in einer Preisvereinbarung, sondern von Anfang an in einer Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Eine Preisnebenabrede, die überhaupt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen könnte, gibt es hingegen in der Grundversorgung  überhaupt nicht.

In der Grundversorgung ist deshalb für eine Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB keinerlei Platz.

Deshalb ist es unzutreffend, dass eine gem. § 307 BGB zulässige Preisänderungsklausel überhaupt noch Platz für eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB beließe (nochmals BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

Eine Preisänderungsklausel muss um wirksam zu sein selbst bereits die Preiskalkulation offen legen und die Gewichtung der preisbildenden Kostenfaktoren am vereinbarten Vertragspreis wie auch Anlass und Richtlinien für nachträgliche Preisänderungen benennen und in hohem Maße konkretisieren.

Wo dies aber der Fall ist, ist gar kein Platz mehr für den weiten Spielraum der Billigkeit des § 315 BGB.

Bereits aus § 315 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Norm nicht auf sämtliche Leistungsbestimmungsrechte Anwendung findet, sondern nur auf solche, für die vertraglich keine genaueren Richtlinien vereinbart sind (\"im Zweifel\").  Ein hohes Maß an Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlienien ist jedoch gerade Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Ich halte auch dafür, dass in der Grundversorgung die Transparenz ohne weiteres erhöht werden kann und habe dazu auch eigene Vorschläge aufgezeigt.

Eine Staatshaftung bei verlorenem Billigkeitsprozess ist eher zweifelhaft.
Da scheint eher der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein.
Jedenfalls kann nicht jeder verlorene Billigkeitsprozess eine Staatshaftung begründen.
Schließlich kann das Unterligen auch vom Verbraucher selbst zu vertreten sein.

Offline Lothar Gutsche

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@RR-E-ft

Sie drehen sich im Kreis. Ihre Argumente sind hinlänglich bekannt, warum in Sonderverträgen keine Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB erforderlich ist, sofern  kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wirksam und transparent nach den §§ 305 ff BGB wirksam in den Sondervertrag einbezogen wurde. In diesem Thread geht es allein um grundversorgte Kunden und solche Sondervertragskunden, bei denen die Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB wegen einer entsprechenden Klausel rechtlich zulässig wäre. Wie sagen Sie immer so schön in anderen Threads: Bitte bleiben Sie beim Thema und nicht vom Kern abschweifen! Ich verlangte in meinem Beitrag auch keine \"Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB\" für grundversorgte Kunden, wohl aber Preistransparenz und wie der User \"__hp__\" einen grundgesetzlich verbürgten effektiven Rechtsschutz.

Mit keiner Silbe gehen Sie auf den Abschnitt 2 meiner Ausführungen ein, so als ob das Prozesskostenrisiko durch Sachverständige überhaupt nicht existieren würde. Die Argumentation des Users \"__hp__\" zum effektiven Rechtsschutz und zur Justizgewähr ist bestechend und für jeden Nichtjuristen nachvollziehbar. Ganz real wird das Prozesskostenrisiko für solche Energieverbraucher spürbar, die nach jahrelanger Rechnungskürzung jetzt vor der Entscheidung stehen, sich von ihrem Versorger nach § 315 BGB wegen ausstehender Rechnungsbeträge verklagen zu lassen.  

Sie gehen auch nicht auf die europarechtliche Argumentation mit der Gas-Richtlinie 2003/55/EG aus Abschnitt 3 meines Beitrages ein, so als ob es für die verschiedenen Bundesregierungen seit dem 1.7.2004 nicht die Verpflichtung gegeben hätte, einen \"hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren\" zu gewährleisten. Wo ist denn die Preistransparenz für den grundversorgten Kunden? Wo finden sich denn die kostengünstigen Streitbeilegungsverfahren in Verträgen mit einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bzw. einseitiger Leistungsbestimmungspflicht?

Ihre eigenen Vorschläge zur Preistransparenz, die ich in Abschnitt 1 meines Beitrags wiedergegeben habe, sind aus Verbrauchersicht sehr wünschenswert, aber sie betreffen ausschließlich die Zukunft und ihre Realisierung ist angesichts der starken Lobby unserer Energiekonzerne mehr als ungewiss. Die Preistransparenz hätte nach der Gasrichtlinie der EU vom 26.6.2003 schon längst hergestellt sein müssen, ebenso müssten die Möglichkeiten für den Verbraucher existieren, seine Rechte auch kostengünstig durchzusetzen, wie es Anhang A der Gas-Richtlinie forderte.

Der private Energiekunde kann real doch gar keine \"transparenten, einfachen und kostengünstigen Verfahren zur Behandlung seiner Beschwerden in Anspruch nehmen.\" Die Prozessdauern sind derart lang, dass selbst unter dem Gesichtspunkt die deutschen Verbraucherrechte nicht den Vorgaben der Gas-Richtlinie genügen. Oder halten Sie z. B. das Gaspreis-Verfahren eines grundversorgten Kunden bei den Stadtwerke Dinslaken (BGH-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 ) für eine \"gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen\"? Das erste Urteil im Fall Dinslaken ist am Amtsgericht 2006 ergangen. Bis heute ist der Fall Dinslaken noch nicht entschieden und man streitet sich weiter am Landgericht in Duisburg. Da in Duisburg jetzt Zeugen befragt werden sollen und gegebenenfalls sogar ein Gutachter vom Gericht bestellt werden soll, ist ein Ende des Verfahrens derzeit überhaupt nicht abzusehen. Allein die Prozessdauer ist eine weitere Waffe der Energieversorger, z. B. ältere Energieverbraucher von der Ausübung ihrer Rechte abzuhalten. Das sind die Realitäten, die nach den Ausführungen von \"__hp__\" nicht vom Grundgesetz und nach meinem Beitrag nicht von der europäischen Gas-Richtlinie so gestattet sind.

In meinem Beitrag geht es um das Versagen der deutschen Bundesregierungen \"Rot-Grün\", \"Schwarz-Rot\" und \"Schwarz-Gelb\", die europarechtlichen Vorgaben der Gas-Richtlinie zum Verbraucherschutz umzusetzen, die nach Abschnitt 4 meiner Ausführungen sogar Vorrang vor nationalen Vorschriften genießen. Und genau für dieses Versagen der deutschen Bundesregierungen gibt es eine Staatshaftung, wie Abschnitt 5 meines Beitrages erläutert. Gerade der Bund der Energieverbraucher müsste die Vergangenheit und die Gegenwart für die grundversorgten Kunden und die nach § 315 BGB belieferten Sondervertragskunden genauso intensiv bewältigen, wie er das so erfolgreich für die vielen Sondervertragskunden mit unwirksamen Preisänderungsklauseln tut.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline RR-E-ft

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@Lothar Gutsche

Ich drehe gewiss keine Pirouetten.

Mit Rücksicht auf § 307 BGB kann es keinen Fall geben, in denen in einem Sondervertrag mit Preisänderungsklausel § 315 BGB Anwendung finden könnte (BGH KZR 10/03 unter II.6, BGH XI ZR 78/08].
Gerade deshalb  hat ja auch das OLG Oldenburg die Sache mit Beschluss vom 14.12.10 dem EuGH vorgelegt.

In Sonderverträgen könnte folglich § 315 BGB nur dann unmittelbare Anwendung finden, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nicht zunächst einen feststehenden Preis vereinbart hatten, wie es üblicherweise bei Sonderverträgen  der Fall ist (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46), sondern statt eines Preises vereinbart hatten, der Versorger solle nach Vertragsabschluss die vom Kunden zu zahlenden Preise bestimmen.

Für die Vereinbarung einer solchen vertraglichen Preisbestimmungspflicht wäre der Versorger darlegungs- und beweisbelastet (Palandt, BGB, 68. Aufl., § 315 Rn. 19).

Dann aber bestünde die vertragliche Preishauptabrede von Anfang an ausschließlich in einer einseitigen Preisbestimmungspflicht des Versorgers, auf die § 315 BGB von Anfang an unmittelbare Anwendung findet. In einem solchen Fall unterliegt auch nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH auch der Anfangspreis und im übrigen auch der Gesamtpreis der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in  unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB(vgl. BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Der grundversorgte Kunde kann eine Billigkeitskontrolle auch im Rahmen der Leistungsklage des Versorgers beanspruchen (BGH VIII ZR 248/07 Rn. 59).

Ihm steht deshalb die Möglichkeit offen, sich nach Zahlungskürzungen gegen die Leistungsklage des Versorgers auf die Unbilligkeit der Preisbestimmung zu berufen (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Der Versorger trifft im Zahlungsprozess die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner Preisbestimmung (BGH VIII ZR 276/03 unter II.2).

Erfolgt der Billigkeitsnachweis erstmals im Prozess über die Leistungsklage des Versorgers, so steht dem beklagten Kunden die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO offen, was zu Folge haben kann, dass das auf Zahlung klagende Energieversorgungsunternehmen die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Zu diesen Verfahrenskosten zählen alle Kosten des Prozesses.

Das Gesetz selbst sieht vor, dass vertraglich vereinbarte oder gesetzlich verankerte Preisbestimmungspflichten gem. § 315 Abs. 3 BGB auf Antrag hin gerichtlich zu kontrollieren sind, also in einem entsprechenden Zivilprozess.
Hierfür wiederum gilt Art. 19 Abs. 4 GG.

Wenn eine einseitige Preisbestimmungspflicht besteht und eine Unbilligkeitseinrede innerhalb angemessener Frist erfolgt, haben sowohl Versorger als auch Kunde die Möglichkeit, gem. § 315 Abs. 3 BGB das Gericht wegen einer vorzunehmenden Billigkeitskontrolle anzurufen.

Eine Beschränkung dieses Anspruchs für den einen wie für den anderen, würde einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG darstellen und wäre auch mit Art. 20 GG unvereinbar.

Das Prozesskostenrisiko ist zwischen Kläger und Beklagtem grundsätzlich geichverteilt.

Daran ändert schließlich auch nichts, wenn ein Gericht auch bei einem Streitwert unter 600 € ausnahmsweise die Berufung und ein Berufungsgericht auch bei einem Streitwert unter 20.000 € ausnahmsweise die Revision zum BGH zulässt, Berufung und Revision eingelegt werden und das Revisionsverfahren mit einer  Zurückverweisung an das Berufungsgericht endet, wo sodann über den Streit zu entscheiden ist, dort dann jedoch erst noch Tatsachenfragen zu klären sind, die entscheidungserheblich sind.

Wo hätte denn etwa bei dem die Stadtwerke Dinslaken betreffenden Verfahren dabei der Rechtsweg verkürzt werden sollen:
- bei der Zulassung der Berufung (endgültig zu Lasten des Kunden)
- bei der Zulassung der Revision (endgültig zu Lasten des Versorgers)
- bei der Zürückverweisung zwecks notwendiger Tatsachenaufklärung an das Berufungsgericht?

In Ihren Beiträgen geht es wohl immer um das Versagen von irgendwem.

Regierungen - egal welcher Coleur - sind nach unserem Grundgesetz kein Gesetzgeber.
Gesetzgeber ist auch nicht etwa der Bundesgerichtshof.
Gesetzgeber ist das aus freien und geheimen Wahlen hervorgegangene  Parlament.

Soweit es deshalb um Unterlassungen des deutschen Gesetzgebers gehen sollte, kann man auf die Regierungen schimpfen wie man will und befindet sich dabei wohl immer an der falschen Adresse.

Immerhin der Staatsaufbau nach dem Grundgesetz ist halbwegs transparent.
Maßgeblich ist dabei die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative.

Offline RR-E-ft

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Der Gesetzgeber hat festgeselegt, dass Allgemeinversorger gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 ebenso wie Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG die Preisbestimmungspflicht trifft.

Er hat ferner die Verpflichtung für Energieversorgungsunternehmen in §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas festgelegt.
Diese wiederum hat der Versorger, den die Preisbestimmungspflicht trifft, bei seiner Preisbestimmung zwingend zu beachten.

Er hat ferner in § 315 BGB festgelegt, wie bei einer einseitigen Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils zu verfahren ist, was auch den Fall betrifft, dass die Leistungsbestimmungspflicht den vertraglich geschuldeten Preis betrifft.

Aus diesem zusammen ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, dass grundversorgte Kunden bzw. Tarifkunden die aufgrund der Preisbestimmungspflicht einseitig festgesetzten Preisbestimmungen des Versorgers gerichtlich überprüfen lassen können, dies jedoch nicht müssen, wenn sie es nicht möchten, ferner dass den Versorger in einem solchen Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner einseitigen Preisbestimmung trifft (für die Darlegungs- und Beweislast vgl. nur BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, 184).

Gerade weil der Kunde die maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren selbst gar nicht kennen kann, kann er den entsprechenden notwendigen Vortrag des Energieversorgungsunternehmens in prozessual zulässiger
Weise mit Nichtwissen bestreiten, § 138 Abs. 4 ZPO.

Schließlich verbleibt dem betroffenen Kunden deshalb auch die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, wenn er nach Unbilligkeitseinrede und Zahlungskürzungen vom Versorger auf Zahlung verklagt wird und der Versorger den maßgeblichen Vortrag über die preisbildenden Kostenfaktoren erst im gerichtlichen Verfahren hält.  

Über all dies wiederum darf sich auch der BGH nicht hinwegsetzen, Art. 20 GG.

Offline Lothar Gutsche

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Zitat
Original von RR-E-ft
In Ihren Beiträgen geht es wohl immer um das Versagen von irgendwem.
Deutlicher, als ich es getan habe, kann man das Versagen der deutschen Bundesregierungen seit 2004 nicht aufzeigen, die Vorgaben der europäischen Gasrichtlinie zum Verbraucherschutz umzusetzen.

Zitat
Original von RR-E-ft
Maßgeblich ist dabei die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative.
Das trifft für einige Richter wie z. B. die vom VIII. Zivilsenat des BGH so nicht mehr zu. Der Gesetzeswortlaut und der in Bundestagsdrucksachen klar ausgedrückte Wille wird dort häufiger ersetzt durch eigene Vorstellungen. So etwas nennt man Richterrecht und Justizwillkür. Zur Vertiefung empfehle ich meine Kritik an der Preissockeltheorie und am Kartellrechtsverständnis des VIII. Zivilsenats sowie die Kritik von \"__hp__\" an der BGH-Rechtsprechung VIII ZR 246/08 vom 14.7.2010 zu Sonderverträgen, siehe http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76881#post76881 und http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76882#post76882.


Zitat
Original von RR-E-ft
Wo hätte denn etwa bei dem die Stadtwerke Dinslaken betreffenden Verfahren dabei der Rechtsweg verkürzt werden sollen:
- bei der Zulassung der Berufung (endgültig zu Lasten des Kunden)
- bei der Zulassung der Revision (endgültig zu Lasten des Versorgers)
- bei der Zürückverweisung zwecks notwendiger Tatsachenaufklärung an das Berufungsgericht?
Ihre Frage zeigt, dass Sie das Problem inhaltlich noch nicht verstanden haben. Die Nichtexistenz eines verbraucherschutzfreundlichen Rechtsweges belegt gerade das Versagen der deutschen Bundesregierungen und der zugehörigen Parlamente, eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen bei der Gasversorgung zu ermöglichen, wie es die Gas-Richtlinie von 2003 forderte. Da muss erst die EU mit der Gas-Richtlinie 2009 kommen und den Aufbau von Schlichtungsstellen spätestens zum 3.3.2011 verbindlich vorschreiben. Weder die hoch bezahlten Ministerialbeamten noch die Politiker haben überhaupt die Idee dazu entwickelt und in ein Gesetzgebungs- oder Verordnungsverfahren eingebracht. Zur Wiederholung zitiere ich nochmals aus dem Anhang I zur RICHTLINIE 2009/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juli 2009:
 
Die Energieverbraucher müssen
Zitat
transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Insbesondere haben alle Kunden Anspruch auf eine gute Qualität der Dienstleistung und die Behandlung ihrer Beschwerden durch ihren Gasversorger. Diese Verfahren zur außergerichtlichen Einigung müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen, vorzugsweise innerhalb von drei Monaten ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten(3) dargelegten Grundsätzen folgen
Wann haben die Verbraucherschützer und Interessenvertreter wie der Bund der Energieverbraucher so etwas vorgeschlagen? Für die Anwaltschaft wäre natürlich eine lukrative Einnahmequelle über viele Instanzen weggefallen. Verbindliche Klärung von Streitfragen innerhalb von drei Monaten, wo kommen wir dahin? Womöglich noch ohne Beteiligung des etablierten Justizapparates? Wirksamer, kostengünstiger, leicht zugänglicher Verbraucherschutz, was ist das das?


Zitat
Original von RR-E-ft
Das Prozesskostenrisiko ist zwischen Kläger und Beklagtem grundsätzlich geichverteilt.
Rein juristisch, in der Theorie des universitären Elfenbeinturms, stimmt diese Aussage. In realen Prozessen zwischen einem finanzstarken Energieversorgungsunternehmen und einem privaten Energieverbraucher sind die Gewichte aber anders verteilt. Die Ausführungen von User \"__hp__\" am 27.12.2010 aus dem EWE-Thread \"Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH\" belegen das, siehe http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77495#post77495.  In seinem extrem umfangreichen Beitrag empfehle ich die Lektüre der Abschnitte
  • Der ungehinderte Zugang zu den Gerichten und die Gerichtskosten als Zugangshürde
  • Das Recht als Waffe
  • Die Waffengleichheit vor Gericht

Zitat
Original von RR-E-ft
Der Gesetzgeber hat festgeselegt, dass Allgemeinversorger gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 ebenso wie Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG die Preisbestimmungspflicht trifft.
Sie sprechen immer nur vom deutschen Gesetzgeber. Dabei sitzt der \"Gesetzgeber\" seit einigen Jahren eben nicht mehr nur in Berlin und den deutschen Landesparlamenten. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar einen Vorrang des europäischen Rechts vor nationalen Bestimmungen erkannt, vgl. den Abschnitt 4 meines einleitenden Beitrags.

Zitat
Original von RR-E-ft
Soweit es deshalb um Unterlassungen des deutschen Gesetzgebers gehen sollte, kann man auf die Regierungen schimpfen wie man will und befindet sich dabei wohl immer an der falschen Adresse.
Was soll diese unsachliche Äußerung, mit der Sie die Existenz von sogenannten Vertragsverletzungsverfahren unter den Tisch kehren? Der User \"__hp__\" strebt über eine Bürgerbeschwerde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland an. Ein Vertragsverletzungsverfahren findet am Gerichtshof der Europäischen Union statt. Das Vertragsverletzungsverfahren (auch Aufsichtsklage) ist in den Art. 258 bis 260 AEU-Vertrag geregelt. Nach diesem Verfahren können die Kommission und die Mitgliedstaaten Verstöße eines Mitgliedsstaates gegen das EU-Recht geltend machen. In dem konkreten Fall geht es um die mangelhafte Umsetzung des Gas-Richtlinie von 2003 bezüglich des Verbraucherschutzes.
Wen, RR-E-ft, müssen Sie durch solch unsachliche Aussagen wie die zitierte eigentlich schützen? Ihre Äußerungen erwecken bei mir den Eindruck, als ob Sie von irgendjemandem in Berlin abhängig seien.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline RR-E-ft

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Sehr geehrter Herr Lothar Gutsche!

Ich bitte ganz herzlich darum, mir keine Unsachlichkeit zu unterstellen und mir auch mit unsachlichen Unterstellungen gehörig fern zu bleiben!
Meinen Sie wirklich, ich wüsste nicht, was ein Vertragsverletzungsverfahren ist und wo über ein solches zu entscheiden wäre?!
Sonne an Mond: Sie reden mit einem ausgebildeten Volljuristen mit Befähigung zum deutschen Richteramt, der mit einigem Erfolg mehr als zehn Jahre als Rechtsanwalt tätig ist.
Ein Rechtsanwalt (soviel Belehrung scheint leider notwendig) ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Mit wem ich es zu tun habe, weiß ich gar nicht, wohl mit einem Betroffenen.
Betroffenheit allein entschuldigt jedoch nicht alles.

Abstellen lässt sich für ein Vertragsverletzungsverfahren allein auf die gesetzlichen Regelungen, die vom Gesetzgeber stammen und auf die Situation, wie sie sich darstellt, wenn auch die Gerichte bis hoch zum BGH diesen eindeutigen Willen des Gesetzgebers umsetzen.

Was soll denn effektiver sein als die Möglichkeit des grundversorgten Kunden, sich gegen die Preisbestimmung infolge der Preisbestimmungspflicht des Versorgers gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Unbilligkeit zu berufen, Zahlungen zu kürzen und es auf eine Leistungsklage des Versorgers ankommen zu lassen, wenn innerhalb des entsprechenden Gerichtsverfahrens  noch die Möglichkeit zu einem sofortigen Anerkenntnis gem. § 93 ZPO besteht, mit der Folge, dass der klagende Versorger die Verfahrenskosten zu tragen hat?

Der BGH hat in seinem Urteil v. 05.07.2005 – X ZR 60/04 (NJW 2005, 2919) unter II 1 ausgeführt:

Zitat
Den Kunden eines Versorgungsunternehmens steht grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu.

Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, dass die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; Staudinger/ Rieble, aaO., Rdn. 294 f.).

Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; Münch.Komm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 49; Palandt/ Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/ Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Ein Vertragsverletzungsverfahren setzt voraus, dass die Bundesrepublik Deutschland gesetzliche Regelungen nicht in deutsches Recht umgesetzt hat.

Und dies kann nun einmal sachlich nur die Tätigkeit des deutschen Gesetzgebers (Bundestag/ Bundesrat)  betreffen, nicht aber das Handeln einer Regierung, weil die Regierung nun einmal gar keine Gesetze erlassen kann.
Die Bundesregierung (egal welcher Coleur) kann dem Bundestag und Bundesrat insbesondere keine Vorschriften darüber machen, welche Gesetze zu erlassen sind, erlassen werden müssen.
Das sollte ebenso selbstverständlich sein, wie der Umstand, dass die Bundesregierung auch den Gerichten keine Vorschriften machen kann, insbesondere nicht einzelnen Senaten des BGH.

Sachdienlich erscheint deshalb zunächst eine Vergewisserung anhand des Grundgesetzes, in welcher Verfassung wir uns befinden.  

Selbsredend richtet sich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die jeweilige Bundesregierung.

Dies ändert indes nichts daran, dass es dabei (bei einem Vertragsverletzungsverfahren)  immer nur um ein Unterlassen des deutschen Gesetzgebers (Bundestag/ Bundesrat) gehen kann, jedoch nicht um Regierungshandeln und auch nicht um Verfehlungen deutscher Gerichte.

Die Waffengleichheit vor Gericht wird durch die Vorschriften der ZPO sichergestellt.

Zitat
Original von Lothar Gutsche
Wen, RR-E-ft, müssen Sie durch solch unsachliche Aussagen wie die zitierte eigentlich schützen? Ihre Äußerungen erwecken bei mir den Eindruck, als ob Sie von irgendjemandem in Berlin abhängig seien.

Darf man wohl eine gehörige Entschuldigung erwarten?!

Offline jroettges

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Zitat
Was soll denn effektiver sein als die Möglichkeit des grundversorgten Kunden, sich gegen die Preisbestimmung infolge der Preisbestimmungspflicht des Versorgers gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Unbilligkeit zu berufen, Zahlungen zu kürzen und es auf eine Leistungsklage des Versorgers ankommen zu lassen, wenn innerhalb des entsprechenden Gerichtsverfahrens noch die Möglichkeit zu einem sofortigen Anerkenntnis gem. § 93 ZPO besteht, mit der Folge, dass der klagende Versorger die Verfahrenskosten zu tragen hat?

Da genau ist der Haken! Hat ein Versorger 12000 grundversorgte Kunden, dann müssten einer davon, eine Handvoll oder alle dieser Kunden klagen oder den Weg der Kürzung mit Verklagung durch den Versorger gehen, damit die Prüfung der Billigkeit einer Preiserhöhung in gang kommt.

Auf die Gesamtheit der Versorger übertragen, müsste sich dies dann auch noch hundertefach wiederholen, denn die Versorger erhöhen ja fast immer synchron ihre Preise, den Lemmingen gleich aber selbstverständlich ohne Absprachen.

Der BGH spricht von einem \"Äquivalenz-Verhältnis\", das ein Versorger bewahren muss. Wo ist dieses komische Ding denn definiert?

Das ganze Verfahren ist natürlich eine Goldgrube für die Juristerei, volkswirtschaftlich aber absolut unsinnig und ein Eiterherd in unserer Gesellschaft. Es kann IMHO auch kaum der EU-Transparenzrichtlinie und der Bestimmtheitsforderung entsprechen, die unsere Verfassung für gesetzliche Regelungen fordert.

Die ganze Konstruktion ist ja damals durch den Bundesrat nachträglich in die EnWG-Novelle gedrückt worden. Was dadurch entstanden ist, das erleben wir nun seit Jahren.

Ich würde mir wünschen, dass die Verbände auf der politischen Schiene auf Änderung drängen. Lasst uns doch das Thema gemeinsam auf die Agenden der kommenden Wahlkämpfe setzen!

Die Versorger müssen sich die Kostenstruktur ihrer allgemeinen Tarife (§36 EnWG, Grundversorgung) wieder durch die Bundesnetzagentur genehmigen lassen und offen legen. Auch hier muss eine Anreizregulierung zu vergleichbaren Preisen führen. Ziel könnte jeweils nur ein Grundversorger für jedes Versorgungsgebiet sein, durch den die Netzbetreiber ihrer Grundversorgungspflicht nachkommen.

Damit würde zur Welt der Verträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung (§41 EnWG) auch eine klare Trennlinie entstehen. Da beginnt sich ja der Markt durchzusetzen. Daher sollte man ihm auch das Feld überlassen. Wem das Gebahren seines aktuellen Anbieters nicht passt, der soll eben wechseln.

Offline RR-E-ft

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@jroettges

Wer der Auffassung ist, eine staatliche Tarifaufsicht wie etwa die frühere Tarifgenehmigung nach § 12 BTOElt hätte zu der Billigkeit entsprechenden Tarifpreisen unter Beachtung von § 1 EnWG geführt, der irrt ganz bestimmt gewaltig.

Und deshalb war es auch noch nie so, dass eine solche staatliche Tarifgenehmigung gem. § 12 BTOElt die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ausgeschlossen hätte.

Die Frage war, welche effektive Mittel dem einzelnen Kunden vom deutschen Gesetzgeber in die Hand gelegt wurde.

Die Preisbestimmungspflicht war bereits in § 6 Abs. 1 EnWiG 1935 enthalten, ebenso wie in § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und erst recht in § 36 Abs. 1 EnWG 2005. Und darauf wurde schon immer § 315 BGB angewendet.

Das Reichsgericht wandte sogar bereits in den 1920er Jahren  die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB auf Strompreise eines kommunalen Elektrizitätswerkes an, als es das EnWG und die darin geregelte Preisbestimmungspflicht noch gar nicht gab.

Diesbezüglich lag also auch nichts am Bundesrat.

Und das effektivste Mittel ist nach meiner Überzeugung die einfache Möglichkeit, die aufgrund einer Preisbestimmungspflicht einseitig fetgesetzten Preise gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig zu rügen (wofür ein einfaches Schreiben genügt), sodann unter Berufung auf die Unverbindlichkeit Rechnungsbeträge zu kürzen,  den Versorger darüber entscheiden zu lassen, ob er deshalb Leistungsklage erhebt und sich ggf. innerhalb eines solchen Prozesses  - wie oben aufgezeigt - recht einfach zu verteidigen.

Offline RR-E-ft

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Nach meiner festen Überzeugung hat der Gesetzgeber für alle Verfahren, die die Frage betreffen, ob ein Grundversorger seiner Preisbestimmungspflicht gem. § 36 Abs. 1 EnWG unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG tatsächlich entsprochen hat, mit §§ 102, 106, 108 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit besonderer Spruchkörper begründet, und zudem gem. § 103 EnWG die Möglichkeit der Konzentration über Landgerichtsbezirke hinweg, ja wohl selbst über Ländergrenzen hinweg eröffnet. Diese Konzentration der Rechtsprechung soll zum einen die Kompetenz bestimmter Spruchkörper in diesem Zusammenhang stärken und zudem eine Zerfaserung der dabei anzuwendenden Beurteilungsgrundsätze verhindern.

Ersichtlich hat der deutsche Gesetzgeber deshalb bereits sehr viel getan.
Das bedeutet nicht, dass es nicht noch Verbesserungsmöglichkeiten gäbe.
Ich selbst habe Möglichkeiten dazu aufgezeigt.

Verbesserungswürdig ist in erster Linie die Umsetzung der bestehenden gesetzlichen Regelungen durch die Gerichte.

Offline RR-E-ft

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Der deutsche Gesetzgeber hat dem grundversorgten Kunden nicht nur die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle aufgrund einer Preisbestimmungspflicht einseitig festgesetzter Preise eröffnet, sondern ihm zugleich die Alternative eröffnet, den Versorger zügig zu wechseln.

Der betroffene Kunde kann für sich selbst unter diesen gleichwertig nebeneinander stehenden Alternativen wählen.

Wer die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle deshalb als auszumerzenden Eiterherd geißelt, der muss sich wohl die Frage stellen, ob er die Sache überhaupt richtig verstanden hat.

Zitat
Original von jroettges
Das ganze Verfahren ist natürlich eine Goldgrube für die Juristerei, volkswirtschaftlich aber absolut unsinnig und ein Eiterherd in unserer Gesellschaft.

Die ganze Konstruktion ist ja damals durch den Bundesrat nachträglich in die EnWG-Novelle gedrückt worden. Was dadurch entstanden ist, das erleben wir nun seit Jahren.

Das ist mit Verlaub - wie aufgezeigt - barer Unsinn.

Wie gesagt hat bereits das Reichsgericht in den 1920er Jahren § 315 BGB auf einseitig festgesetzte Energiepreise angewandt.

Die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegende Preisbestimmungspflicht des Versorgers ist von Anbeginn an im Energiewirtschaftsgesetz verankert, nämlich bereits seit Inkrafttreten des ersten Energiewirtschaftsgesetzes 1935, ohne dass der Bundesrat da etwas nachgedrückt hätte.

Allein aufgrund dieses Unverständnisses ist auch der wohl darauf gründende Ruf nach einer staatlichen Tarifaufsicht a la § 12 BTOElt vollkommen verfehlt.

Ebenso unsinnig erscheint die Aussage, es gäbe bisher keine klare Trennung zwischen Grund- bzw. Ersatzversorgung und Verträgen außerhalb der selben.

Gesetzlich ist diese Trennung vollkommen eindeutig.

Eine Preisbestimmungspflicht, die der Billigkeitskontrolle unterliegt, besteht nach der gesetzlichen Regelung nur gegenüber grund- und ersatzversorgten Kunden.

Offline jroettges

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Zitat
Der deutsche Gesetzgeber hat dem grundversorgten Kunden nicht nur die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle aufgrund einer Preisbestimmungspflicht einseitig festgesetzter Preise eröffnet, sondern ihm zugleich die Alternative eröffnet, den Versorger zügig zu wechseln.

Wer, wo, wie kann seinen Grundversorger wechseln?
Gibt es an jedem Ort der Republik nicht nur einen Grundversorger?

Dass man zu einem anderen Versorger im Rahmen eines Normsondervertrages wechseln kann, das ist selbst mir nicht verborgen geblieben.  :)

Offline Lothar Gutsche

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@ RR-E-ft

Rein statistisch stammen über 50 % der beim Bundesrat bzw. Bundestag eingebrachten Gesetzesvorhaben aus Regierungsvorlagen, so zeigt es eine Statistik zur Gesetzgebung in der 16. Wahlperiode mit Stand 21.4.2010, siehe
http://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsdokumentation/gesetzgebung_wp16.pdf. Weniger als 30 % der Gesetzesvorhaben gehen auf Initiativen des Deutschen Bundestages zurück. Bei 616 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzen stammen 488 von der Regierung und nur 89 aus Initiativen des Bundestages. Ähnliche Verhältnisse finden sich bei den Gesetzesverkündungen.

Der Bundesregierung steht ein ziemlich großer Verwaltungsapparat in Gestalt der Ministerien zur Verfügung. Dort könnte und müsste man z. B. alle EU-Richtlinien zu studieren und Vorgaben daraus zum Verbraucherschutz aus der Gas-Richtlinie richtlinienkonform in deutsche Gesetzesvorschläge einzuarbeiten. Einige Ministern besitzen auf gesetzlicher Grundlage die Möglichkeit, auf dem Wege von Verordnungen den Verbraucherschutz zu verbessern.

Vor dem Hintergrund sah und sehe ich in erster Linie die Bundesregierungen seit 2004 in der Verantwortung dafür, dass die Vorgaben zum Verbraucherschutz aus der Gas-Richtlinie 2003/55/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2003 nicht umgesetzt wurden. So hatte ich Ihre Aussage \"Soweit es deshalb um Unterlassungen des deutschen Gesetzgebers gehen sollte, kann man auf die Regierungen schimpfen wie man will und befindet sich dabei wohl immer an der falschen Adresse.\" missverstanden. Natürlich richtet sich das Vertragsverletzungsverfahren formal an den Gesetzgeber. Insofern muss ich mich bei Ihnen entschuldigen.


Durch die Diskussion, gegen wen sich ein Vertragsverletzungsverfahren formal richtet, lenken Sie vom Kern des Threads ab, nämlich vom Versagen des deutschen Gesetzgebers, entsprechend der Gas-Richtlinie von 2003 transparente, einfache, kostengünstige, zügige Verfahren für Verbraucherbeschwerden zu schaffen. In dem Punkt überzeugt mich Ihr Hinweis auf das ältere BGH-Urteil vom 05.07.2005 mit Aktenzeichen X ZR 60/04 (NJW 2005, 2919) nicht. Gerade wer an den VIII. Zivilsenat des BGH in seiner derzeitigen Besetzung gerät, kann sich nicht unbedingt auf eine solche verbraucherfreundliche Rechtsprechung beziehen. Selbst neuere Urteile des Kartellsenats werden vom VIII. Zivilsenat ignoriert, ohne dass der Große Senat am BGH einberufen worden wäre. Prozessdauern von fünf und mehr Jahren würde ich nicht mehr als \"zügig\" bezeichnen. Wenn die europäische Gas-Richtlinie von 2003 in Deutschland korrekt umgesetzt worden, dann wäre z. B. der Streit um die Gaspreise der Stadtwerke Dinslaken schon im Jahr 2006 endgültig beigelegt worden.

Ohne Rechtsschutzversicherung besteht ein erhebliches Prozesskostenrisiko. Zu den von mir zitierten Argumenten des Users \"__hp__\", dass für den privaten Energieverbraucher in der Realität ein erhebliches, sogar unverhältnismäßig hohes Prozesskostenrisiko existiert, vermisse ich Ihre Stellungnahme. Gibt es denn positive Referenzurteile, wo Ihr Vorschlag des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO für den beklagten Energieverbraucher so kostengünstig ablief, wie Sie es prognostizieren? Die Referenzurteile sollten sich auf die Situation beziehen, dass der beklagte Energieverbraucher nach Unbilligkeitseinrede und Zahlungskürzungen vom Versorger auf Zahlung verklagt wurde und der Versorger den maßgeblichen Vortrag über die preisbildenden Kostenfaktoren erst im gerichtlichen Verfahren hielt.

Selbst mit Rechtsschutzversicherung sehe ich den Schutz durch die Zivilprozessordnung als nicht ausreichend an, der Schutz bleibt auch eine Frage des Geldes. Ich halte es für ein Märchen, dass die \"Waffengleichheit vor Gericht durch die Vorschriften der ZPO sichergestellt wird\", wie Sie behaupten. Bei den meist kleinen Streitwerten von einigen Hundert Euro für einen durchschnittlichen Privatverbraucher kann sein Rechtsanwalt mit den üblichen Gebühren wirtschaftlich nicht den hohen Aufwand betreiben, der für einen Erfolg in Energiepreis-Streitigkeiten notwendig ist. Zum wirtschaftlichen Überleben benötigt der Anwalt von seinem Mandanten die Unterschrift unter eine zusätzliche Honorarvereinbarung, deren Kosten im allgemeinen nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen wird. Im Kampf der privaten Gutachter dürfte die finanzstärkere Partei die bessere Ausgangsposition haben und psychologisch wertvolle Punkte beim Gericht sammeln.

Ein Beispiel zu den Grenzen der Gesetzlichkeit liefern Sie mit Ihrem letzten Beitrag zur ausschließlichen Zuständigkeit besonderer Spruchkörper nach den §§ 102 - 108 EnWG. Inhaltlich mögen Sie recht haben, aber die Realität an diversen OLGs anders aus, siehe z. B. OLG Frankfurt, B. v. 16.12.10 Az. 11 AR 3/10 zu § 102 EnWG, OLG Celle, B. v. 23.12.10 Az. AR 9/10 zu § 102 EnWG, OLG Celle, B. v. 14.12.10 Az. 13 AR 8/10 zu § 102 EnWG oder OLG München, B. v. 15.05.2009, Az. AR (K) 7/09 zu § 102 EnWG. Sitzen an diesen OLGs etwa keine Volljuristen, wie Sie einer sind?

Sehr verwundert bin ich über Ihre Argumentation, die Sie gegenüber dem User \"jroettges\" anführen:
Zitat
Original von RR-E-ft
Der deutsche Gesetzgeber hat dem grundversorgten Kunden nicht nur die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle aufgrund einer Preisbestimmungspflicht einseitig festgesetzter Preise eröffnet, sondern ihm zugleich die Alternative eröffnet, den Versorger zügig zu wechseln.  
Der betroffene Kunde kann für sich selbst unter diesen gleichwertig nebeneinander stehenden Alternativen wählen.
Das klingt für mich wie aus einem Schriftsatz der Energieversorger. Die beiden Alternativen wirken für mich wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Der Anbieterwechsel löst den Streit nicht, er ist keine echte Streitschlichtung, sondern eher ein Ausweichmanöver. Gerade bei Gas war der Anbieterwechsel bis zum1.8.2008, dem Inkraftteten der Vorgaben für Geschäftsprozesse für den Lieferantenwechsel im Gassektor (GeLi Gas) sowie für das Grundmodell der Ausgleichsleistungs- und Bilanzregeln im Gassektor (GABi Gas), faktisch auch nicht möglich. Selbst wenn man den Anbieterwechsel als \"Alternative\" akzeptiert, bleibt das Versagen des deutschen Gesetzgebers zumindest für den Zeitraum vom 1.7.2004 (= Frist zur Umsetzung der europäischen Gas-Richtlinie) bis zum 1.8.2008. Im übrigen hilft der Anbieterwechsel nicht, wenn der Ferngasmarkt als Vorleistungsmarkt in Deutschland nicht funktioniert, vgl. z. B. den Abschlussbericht des Bundeskartellamtes zur Sektoruntersuchung Gastransport über die Kapazitätssituation in den deutschen Gasfernleitungsnetzen vom 17.12.2009 unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/0912_Abschlussbericht_SU_Gasfernleitungsnetze.pdf.  

Schließlich komme ich wieder zum Ausgangspunkt zurück: der Schutz für Energieverbraucher ist entgegen der europäischen Gas-Richtlinie von 2003 mangelhaft, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Preistransparenz und im Hinblick auf die Einfachheit, Kostengünstigkeit und Geschwindigkeit von Streitverfahren. Deshalb sollte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland erfolgreich sein, wie es der User \"__hp__\" mit seiner Bürgerbeschwerde vorbereitet. Mit der Vertragsverletzung eröffnet sich auch der Weg zum Schadenersatz über eine Staatshaftung. Der Schadenersatz wird sicher nicht in jedem Einzelfall gerechtfertigt sein, aber das soll bitte in jedem Einzelfall der dazu berufene Rechtsanwalt prüfen.  

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline RR-E-ft

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@Lothar Gutsche

Zuweilen werden Eulen nach Athen getragen.

Wie aufgezeigt betrifft ein Vertragsverletzungsverfahren nur Unterlassungen unseres Gesetzgebers.

Es ist hingegen wohl ungeeignet, eine ungenügende Umsetzung der vom deutschen Gesetzgeber bereits  geschaffenen materiellen Rechtlage durch die nationalen Gerichte zu korrigieren.

Letztere ist jedoch das eigentliche Problem.

Dafür wiederum kann man keine Regierung veranwortlich machen, weil sie die Rechtsprechung selbst nun einmal nicht in der Hand hat.

Kein grundversorgter Kunde muss einen Billigkeitsprozess führen.
Ihm wird jedoch rechtlich die Möglichkeit hierzu eröffnet.

Und wenn ein grundversorgter Kunde nach Erhebung der Unbilligkeitseinrede unter Berufung auf die Unverbindlichkeit seine Zahlungen kürzt, kann es ihm - abgesehen von einem Zinsrisiko für den Fall, dass  die Bestimmung nach den Feststellungen im Prozess von Anfang an der Billigkeit entsprochen haben sollte- eigentlich egal sein, wie lange eine Entscheidung über die Leistungsklage des Versorgers dauert.

Entscheidend ist allein, dass er das geforderte Geld ganz einfach weiter selbst in der Hand behält, bis ein Gericht entweder rechtskräftig die Billigkeit der einseitigen Preisbestimmung feststellt oder aber eine Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB trifft.

In der Entscheidungssammlung des Vereins  finden sich nicht nur Urteile, wo Zahlungsklagen von Versorgern gegenüber Tarifkunden, die sich auf Unbilligkeit berufen hatten, abgewiesen wurden und der Versorger deshalb die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte, insbesondere nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.

Es finden sich ebenso Entscheidungen, wo Kunden im Zahlungsprozess des Versorgers nach vorprozessualer Unbilligkeitseinrede und Zahlungskürzung ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO abgegeben hatten und der Versorger deshalb die Prozesskosten vollständig selbst zu tragen hatte.  

Nachdem alle Entscheidungen in der Entscheidungssammlung mit einer kurzen Anmerkung versehen sind, ist auf diese zu verweisen.
Dafür ist jedoch erforderlich, dass man diese Rechtsprechung auch verfolgt.

Der Bund der Energieverbraucher hat übrigends schon länger auf ein Vertragsverletzungsverfahren wegen bisher mangelnder Richtlinien- Umsetzung gedrungen.

Ich bleibe aus genannten Gründen bei meiner Auffassung.
Ebenso bleibe ich dabei, dass es vollkommen ungebührlich ist, mir an dieser Stelle Unsachlichkeit vorzuwerfen oder mir hier mit Unsachlichkeiten zu begegnen, etwa der, es bestünden wohl bestimmte Abhängigkeiten.

Naturlich gewährleistet die ZPO die prozessuale Waffengleicheit.
Es ist für eine sachliche Diskussion nicht zuträglich, den Hinweis darauf als Märchen abzutun.

Fakt ist, dass in einem Billigkeitsprozess der Kunde wegen der prozessualen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast klar im Vorteil ist.

Aufgrund meiner Tätigkeit habe ich Gelegenheit, sehr sehr viele Schriftsätze von Versorgeranwälten zu lesen. Und in diesen steht immer ganz anderes, als ich es hier vortrage. Dies mag seine Gründe haben.

Offline RR-E-ft

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Der Themenstarter vertritt die These, eine Preisintransparenz würde eine Staatshaftung für Verbraucher bei verlorenem Billigkeitsprozess begründen. Hört sich gut an.

Der Beitrag dazu ist recht umfangreich geraten, lässt jedoch Wesentliches vermissen.

Wenn es um Haftungsansprüche geht, stellt sich zunächst immer die Frage nach einem konkreten Schaden und nach einer haftungsbegründenden sowie nach einer haftungsausfüllenden Kausalität.

Möglicherweise kann uns der Vertreter der o. g. These deshalb zunächst aufzeigen, wie man nach seiner Auffassung den Schaden im konkreten Einzelfall ermittelt und worin die haftungsbegründete und die haftungsausfüllende Kausalität im konkreten Einzelfall zu suchen sein sollten.

Es ist leider so, dass nicht alle im Schadensrecht im Allgemeinen und im Staatshaftungsrecht im Besonderen gut besattelt sind.

Man könnte ja meinen, wenn es für den Verbraucher einen Schaden gäbe, so habe ein solcher bereits vor einem Billigkeitsprozess bestanden.
Und in den Billigkeitsprozess habe sich der Verbraucher schließlich kraft eigener Willensentschließung selbst begeben.
Und wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
Oder hat zumindest mit einem solchen möglichen Ausgang gerechnet.

 

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