Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Sondervertragskunde, konkreter Preis

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jofri46:
@Stubafü

Ihr Beitrag geht an der angesprochene Frage vorbei. Es geht konkret um die Frage, ob sich ein einseitiges Preisänderungsrecht des Versorgers für länger zurückliegende Zeitabschnitte nicht auch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung herleiten lässt.

Dazu der BGH im Urteil vom 14.07.2010, Rz 52:
Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessengerechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitabschnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zu ziehen.

@h.terbeck
Das OLG Frankfurt nimmt diesen Faden (von mir als \"gewisse Tendenz\" bezeichnet) auf und sagt auf Seite 7 des Urteils 11 U 27/10: \"Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht...\" (vgl. BGH oben), lässt dies jedoch dahingestellt, also offen, weil die Bereicherungsansprüche schon weitgehend verjährt sind.

Praktisches Beispiel:
Sondervertrag, Vertragsabschluss 1984;
Vertragspreis 4,4 Pf/kWh = 2,25 C/kWh;
20 Jahre unwidersprochen und vorbehaltlos Jahresabrechnungen bezahlt,
Preisstand 2004: 3,75 C/kWh;
Widerspruch 2005 (nach weiteren ca. 30 % Erhöhung binnen Jahresfrist).

Die Frage, die sich in solchen Fällen stellt, ist, ob für Feststellungs- oder Rückzahlungsklagen im Jahre 2010 (soweit noch nicht verjährt), der ursprüngliche Vertragspreis aus 1984 gilt oder im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ein höherer Preis anzusetzen ist.

Es muss dabei noch nicht einmal um so lange zurückliegende Vertragsabschlüsse gehen. Der BGH hat bereits für auf 10 Jahre fest (d. h. ohne ordentliches Kündigungsrecht in diesem Zeitraum) abgeschlossene Verträge eine ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Preisanpassungsklausel bejaht (Entscheidung aus 1989?, Fundstelle momentan leider nicht geläufig).

userD0010:
Hier bleibt doch zunächst einmal festzuhalten, dass bis etwa 2004 für keinen Energieverbraucher überhaupt eine Möglichkeit bestand, den Lieferanten zu wechseln, noch die Möglichkeit eines Unbilligkeitseinwands bekannt oder gegeben war.
Bis etwa 2004 hatten die \"großen Vier\" doch das Energiemonopol in Deutschland und konnten jeden Preis diktieren, ohne dass dem Verbraucher irgend eine Möglichkeit gegeben war, sich dagegen zu wehren. Nur so konnten die großen Vier sogar Abenteuer im Wassergeschäft im Ausland riskieren und dortige Verluste durch Preisaufschläge im Inland kompensieren. Man schaue doch nur auf die Jahr für Jahr gestiegenen Gewinne dieser Unternehmen trotz der sehr teueren Aktivitäten in Übersee und innerhalb Europas.

Wenn also die Möglichkeiten eines konkreten Wehrens gegen die Energieversorger erst mit dem Jahr 2004 bekannt wurde und auch erst nun im Laufe der vergangenen Jahre die Erkenntnis bei Gericht Einzug gehalten hat, dass dem Treiben der EVU etwas konkretes bis hin zur Rückrechnung auf den ursprünglichen Vertragspreis bei Sonderverträgen gegeben wurde, so dürfte dem Verbraucher mit Fug und Recht die Möglichkeit gegeben sein, auf der Basis des unsprünglichen Vertragspreis die Rückrechnungsmöglichkeiten innerhalb der Verjährungsfristen zu nutzen
Wenn dem nicht so wäre, würde das Recht der Monopolisten auf Bereicherung durch nicht nachprüfbare Preiskonstruktionen während der Vorzeiten bestätigt werden.
Der Eine darf die Brieftasche des Anderen ausplündern und wenn der Andere das Geplünderte -zumindest in Teilen- zurückfordert, soll dies unangemessen sein.
Man überlege nur, welche Zinsgewissen die EVU mit den überhöhten Energierechnungen kassiert haben. Das allein sollte genügen, die Leiden der eVU ein wenig zu lindern, wenn sie jetzt zur Kasse gebeten werden.

RR-E-ft:
@jofri46

Es ist bisher noch kein Sondervertrag mit Haushaltskunden bekannt geworden, bei dem das Recht zur ordentlichen Kündigung auf die Dauer von 10 Jahren vertraglich ausgeschlossen wurde.

Der BGH hat ständig wiederholt, dass eine für eine ergänzende Vertragsauslegung erforderliche unzumutbare Härte dann nicht vorliegt, wenn der Versorger den Vertrag in überschaubarer Frist (6 Monate - 1 Jahr) ordnungsgemäß kündigen kann.

Das ist immer dann der Fall, wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung nicht auf Dauer vertraglich ausgeschlossen wurde.

Eine unzumutbare Härte kann deshalb nur bei wirksamen Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung auf längere Dauer vorliegen.

Weitere Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung (neben einer unzumutbaren Härte) wäre, dass nicht verschiedene Möglichkeiten zur Lückenschließung in Betracht kommen (BGH VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08]. Es sind aber immer die verschiedensten Möglichkeiten zur vertraglichen Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Richtlinien Preisänderungen nach Vertragsabschluss möglich sein sollen oder zu erfolgen haben, denkbar....

Es wird deshalb wohl  immer im Falle nicht einbezogener oder wirksam einbezogener unwirksamer Preisänderungsklauseln bei dem ursprünglich vereinbarten Preisen zu verbleiben haben, mit der Folge, dass der ursprünglich vereinbarte Preis für beide Vertragsteile gleichermaßen weiterhin verbindlich bleibt, § 433 Abs. 2 BGB.

Eine vollkommen andere Frage als die nach dem vertraglich geschuldeten Preis ist jedoch die nach spezifisch bereicherungsrechtlichen Einwendungen gegen bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche (vgl. etwa LG Bonn, Urt. v. 03.11.10, Urt. v. 08.12.10; LG Köln, Urt. v. 24.11.10, Urt. v. 05.01.11).

userD0010:
Nachdem ich meinem Energieversorger mehrfach das ungekündigte Gas-Sondervertragsverhältnis von Aug. 1990 durch Übermittlung der entsprechenden Kopien zu erklären versuchte und man bei meiner Rückforderung zunächst über das Jahr 2005 zeterte, weil die daraus resultierenden Ansprüche verjährt seien,, kommt heute einer der Künstler meines EVU zum Thema mit folgendem Argument:
\"vielen Dank für Ihre Schreiben, in der Sie noch einmal ausdrücklich auf die Fortführung Ihres Gas-Vertrages von 1990 hinweisen.
Die alten Verträge wurden im Zuge gesetzlicher Änderungen und der Einführung der Grundversorgungsverordnung gekündigt. Eine entsprechende Fortführung war und ist nicht vorgesehen.
Hierfür bitten wir um Verständnis.\"

Ich habe jeglichem Kündigungsversuch sofort widersprochen und auf Fortführung meines Vertrages bestanden (unbeantwortet).

Wie wär´s, wenn ich nun mein EVU auffordere, eine Feststellungsklage zu bewirken und in der Begründung die Behauptung zu beweisen, dass man \"mir nichts dir nichts\" einfach einen Sondervertrag gegen den Willen des Vertragspartners in eine Grundversorgung ändern kann?

RR-E-ft:
Es stellt sich doch nur die Frage, ob der Vertrag aus 1990 wirksam und friwstgerecht gekündigt wurde ja oder nein. Auf einen Widerspruch des Kunden gegen eine solche Kündigung kommt es hingegen (abgesehen von § 174 Abs. 1 BGB) nicht an.

Sollte der Sondervertrag aus 1990 wegen vertraglichem Ausschlusses des Rechts zur ordentlichen Kündigung unzulässig und unwirksam gewesen sein, dann käme unter bestimmten Voraussetzungen eine errgänzende Vertragsauslegung in Betracht.

Einen Anspruch darauf, dass der Versorger einen 1990 geschlossenen Sondervertrag ungekündigt und unverändert in alle Ewigkeiten fortsetzt, gibt es ganz gewiss nicht.

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