Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
RR-E-ft:
Es kann sein, dass sich der Senat die Rechtslage durch einen Blick in seine eigene bisherige Rechtsprechung zu erschließen suchte und dabei den eigentlich maßgeblichen Blick in das Gesetz vergessen hat.
Das scheint nicht nur § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 36 Abs. 1 EnWG 2005 zu betreffen (VIII ZR 144/06, VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07), sondern auch § 307 BGB und § 310 Abs. 2 BGB (VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, ...,VIII ZR 246/08].
Bei einer solchen Vorgehensweise besteht leicht die Gefahr, dass sich auch Denkfehler immer weiter fortpflanzen, quasi als Selbstläufer perpetuieren
Ein Blick in das Gesetz erleichtet die Rechtsfindung.
In Bezug auf das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers hat sich über § 6 EnWiG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG 2005 nie etwas geändert.
Es bestand insbesondere in § 6 Abs. 1 EnWiG 1935 längst schon vor Inkrafttreten der AVBGasV/ AVBEltV.
bolli:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Es kann sein, dass sich der Senat die Rechtslage durch einen Blick in seine bisherige Rechtsprechung zu erschließen suchte und dabei den eigentlich maßgeblichen Blick in das Gesetz vergessen hat.
--- Ende Zitat ---
Dann bleibt ja nur zu hoffen, dass man dort irgendwann auch mal wieder (vielleicht zufällig) einen Blick in die entsprechenden Gesetze wirft, auf deren Basis man Entscheidungen treffen soll. :D
RR-E-ft:
Man könnte ja zu Weihnachten Gesetzestexte mit entsprechender Widmung und Hinweis auf Art. 20 GG dorthin übersenden. Die Zeit zum Jahresende ist immer auch Besinnungszeit. ;)
Fraglich nur, wo etwa Black nun die tatsächliche Rechtslage ersehen wollte.
Wenn Energieversorger ihren Haushaltskunden etwa formularmäßig Verträge anbieten, die keine Preisänderungsklausel enthalten (Fixpreis), so würde sich bei Anwendung von BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 ja wohl ergeben können, dass auch ein solcher Formularvertrag gem. § 307 BGB insoweit unwirksam sei, soweit er für den betroffenen Haushaltskunden die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB entgegen der gesetzlichen Regelung ausschließt. Eben solches ergäbe sich aus dem Vertragsformular des Verwenders. Dann aber stünden wir wohl mit § 315 BGB in Bezug auf Formularsonderverträge erst ganz am Anfang.
Das nenne ich verhextes Denken.
Wie sich die Rechtslage m. E. zutreffend tatsächlich verhält, habe ich oben umfangreich ausgeführt.
Die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung sind von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden.
Es besteht eine Rechtspflicht, nicht zuletzt mit Rücksicht auf §§ 1, 2 EnWG, Preissenkungsspielräume an die grundversorgten Kunden weiterzugeben, auch beim Strom.
--- Zitat ---Den Konzernen verblieben bei einem durchschnittlichen Strompreis von 23,42 Cent pro Kilowattstunde abzüglich Steuern, Abgaben und Netzentgelten 8,11 Cent, erläuterte Kurth weiter. Bei Energiebeschaffungskosten von rund 5 Cent pro Kilowattstunde, die angesichts der aktuellen Börsenpreise jedem Versorger möglich seien, blieben also rund 3 Cent Spielraum für Preissenkungen.
--- Ende Zitat ---
Fraglich, ob es nicht hie und da angezeigt ist, die Staatsanwaltschaften einzuschalten. BGH, B. v. 09.06.2009 - 5 StR 394/08 - Betrug durch überhöht kalkulierte Tarife
RR-E-ft:
@Black
Es wurden auch in dieser Woche an mehren Gerichten wieder zig ähnliche Schriftsätze angebracht in Sachen Praxistest.
Erfreulich ist dabei heute nicht mehr soviel Papier zu bewegen wie früher.
--- Zitat ---Es wird beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen,
bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gegen die Kl. im Wege eines Versäumnis- oder Verzichtsurteils zu erkennen.
Die Beklagten behalten sich ein sofortiges Anerkenntnis für den Fall vor, dass die Kl. im Prozess erstmals ihr einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und die Billigkeit der zur Abrechnung gestellten Preise nachweist.
Begründung:
Der Anspruch wird insgesamt dem Grunde und der Höhe nach bestritten.
Die Kl. trägt schon zu dem betroffenen Vertragsverhältnis unzutreffend vor.
Mit den streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen stellt die Kl. für Energielieferungen Entgelte zur Abrechnung, welche die Parteien vertraglich nicht vereinbart haben und auf welche die Kl. auch aus sonstigem Recht keinen Anspruch hat.
Die Kl. ist ein Energieversorgungsunternehmen iSv. § 3 Nr. 18 EnWG. Als solches ist die Kl. zuvörderst gem. §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen effizienten leitungsgebunenden Versorgung mit Elektrizität und Gas verpflichtet.
Soweit sie Grundversorger im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG ist, ist die Kl. ferner gesetzlich verpflichtet, unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG Allgemeine Preise für die leitungsgebundene Versorgung von Haushaltskunden mit Elektrizität und Gas einseitig festzusetzen, hiernach öffentlich bekannt zu geben und sodann ausnahmslos jeden Haushaltskunden ausschließlich zu diesen einseitig festgesetzten Allgemeinen Preisen zu versorgen. Nach der gesetzlichen Regelung legt der Grundversorger selbst die jeweiligen Allgemeinen Preise fest, zu denen er ausnahmslos jeden Haushaltskunden versorgen muss. Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden sind nach der gesetzlichen Regelung im Bereich der Grundversorgung unzulässig.
Die gesetzliche Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG entspricht den Vorgängerregelungen in § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 6 Abs. 1 EnWiG 1935, mit dem Unterschied, dass sich die gesetzliche Versorgungspflicht nur noch auf Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG bezieht. Diese Allgemeinen Preise sind ferner von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was die Rechtspflicht des Versorgers einschließt, nach Vertragsabschluss soweit als nur möglich Preisanpassungen zugunsten der Kunden vorzunehmen (BGH, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 18, juris).
Auf entsprechende Unbilligkeitseinrede trägt der Versorger, der die jeweiligen Allgemeinen Preise gemäß gesetzlicher Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG einseitig festgsetzt hat, die vollständige Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese in Anbetracht seiner gesetzlichen Rechtspflicht aus §§ 2, 1 EnWG in gesetzlich zulässiger Weise gebildet wurden, entsprechend der Rechtspflicht aus § 315 BGB der Billigkeit entsprechen.
Es handelt sich um ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht, auf welches § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 15, 20; KZR 29/06 Rn. 20; KZR 2/07 Rn. 26, 29; KZR 36/04 Rn. 9 f.; juris).
Diese entsprechend gesetzlicher Verpflichtung einseitig festgesetzten Allgemeinen Preise unterliegen deshalb der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB, wobei es um die Frage der Vertragsgemäßheit/ Vertragsgerechtigkeit im konkreten Vertragsverhältnis im Verhältnis der Parteien zueinander geht (BGH III ZR 277/06 Rn. 19; juris). Vertragsgemäß sind sie dabei nur dann, wenn sie tatsächlich eine möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung gem. §§ 1, 2 EnWG gewährleisten (vgl. nur BGH NJW-RR 92, 183, 184 unter III 2 a). Der grundversorgte Haushaltskunde kann sich entsprechend der gesetzlichen Regelung auch gegenüber der Leistungsklage des Versorgers auf § 315 BGB berufen, § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV.
Der Bundesgerichtshof hält die gesetzliche Regelung zur Billigkeitskontrolle der jeweiligen Grundversorgungstarife gem. § 315 BGB, wie sie auch in § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV zum Ausdruck kommt, für so entscheidend, dass er selbst Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen, welche entgegen der gesetzlichen Regelung die Möglichkeit zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle beschränken, für unwirksam erklärt hat (BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 41; juris).
Wie sich aus der von der Kl. selbst vorgelegten Anlage K 3 ergibt, ist diese ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG jedenfalls insoweit nachgekommen, als dass sie selbst diejenigen Allgemeinen Preise für die leitungsgebundene Versorgung mit Erdgas einseitig festgsetzt und öffentlich bekannt gegeben hat, zu denen sie Haushaltskunden im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht beliefern muss.
So hatte sie etwa als Allgemeine Tarife für die Grund- und Ersatzversorgung mit Erdgas einen Kleinverbrauchstarif und einen Grundpreistarif einseitig festgesetzt, die ab dem 01.01.07 Geltung beanspruchen sollten. Ferner hatte sie einen einheitlichen Allgemeinen Preis der Grund- und Ersatzversorgung mit Erdgas einseitig festgesetzt, der für alle grundversorgten Kunden ab 01.01.08 Geltung beanspruchen sollte. Nicht anders verhielt es sich mit dem Allgemeinen Preis der Grund- und Ersatzversorgung mit Erdgas, der jeweils ab 01.10.08 bzw. 01.01.09 Geltung beanspruchen sollte.
Daneben bot die Kl. – ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein - und deshalb im Rahmen der Vertragsfreiheit für Kunden mit hohem Jahresverbrauch günstigere Sonderabkommen- Gaspreise an, die den Abschluss von Sonderverträgen voraussetzten. Teilweise knüpfte sie die Gewährung entsprechend günstigerer Preise an weitere Bedingungen.
Wir verweisen insoweit insbesondere auf die von der Kl. mit der Anlage K 3 vorgelegte „Öffentliche Bekanntgabe“ hinsichtlich der Erdgaspreise ab 01.Januar 2008.
Zwar ist es zutreffend, dass die Bekl. von der Kl. an der genannten Abnahmestelle seit Mitte der 90er Jahre leitungsgebunden mit Erdgas beliefert werden.
Die Bekl. waren und sind jedoch keine Tarifkunden der Kl. und werden von dieser auch nicht im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht zu deren einseitig festgesetzten und öffentlich bekannt gemachten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung mit Gas beliefert, sondern aufgrund eines Sondervertrages nämlich zu einem von der Kl. im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig angebotenen Sonderabkommen- Gaspreis.
Bei den von der Kl. im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig nur für Kunden mit hoher Jahresverbrauchsmenge angebotenen günstigeren „Sonderabkommen“ – Gaspreise handelte es sich nicht um Allgemeine Tarife iSv. § 6 Abs. 1 EnWG 1935 bzw. § 10 Abs. 1 EnWG 1998, sondern um Sondertarife (vgl. BFH v. 31.07.1990 Az. I R 171/87 [BStBl. 1991 II S. 315]; Kammergericht, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06; OLG Hamm, Urt. v. 29.05.09 Az. I-19 U 52/08 = RdE 09, 261, 263; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 Az. VI-2 U (Kart) 14/08; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.10.09 Az. 11 U 28/09 (Kart); OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10 Az. 14 U 983/08; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09 Rn. 52; OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).
Die von der Kl. im Rahmen der Vertragsfreiheit bereits Mitte der 90er Jahre angebotene Gasbelieferung zu einem Sonderabkommen – Gaspreis haben die Bekl. angenommen und somit die Belieferung zu einem Sonderabkommen- Gaspreis mit der Kl. vereinbart.
Eine Belieferung als Tarifkunde zu den jeweiligen von der Kl. einseitig festgesetzten und öffentlich bekannt gemachten jeweiligen Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen der Grundversorgung war hingegen nicht vereinbart worden.
Vertraglich nicht vereinbart wurde ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Kl., sondern ein bei Vertragsabschluss bereits feststehender Sonderabkommen- Gaspreis (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 320/07 Rn. 46; juris).
Der bei Vertragsabschluss vereinbarte Sonderabkommen- Gaspreis setzt sich aus einem Arbeitspreis in Höhe von 4,520 Pf/ kWh (netto) und einem verbrauchsunabhängigen Verrechnungspreis in Höhe von 264,00 DM/ Jahr (netto), jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer zusammen. Zu diesem vereinbarten Sonderabkommen- Gaspreis erfolgten zunächst auch die Verbrauchsabrechnungen der Kl. für deren Gaslieferungen den Bekl. gegenüber, so etwa mit der Verbrauchsabrechnung der Kl. vom 13.04.2000 für Gaslieferungen bis einschließlich 31.10.1999.
Beweis: Verbrauchsabrechnung der Kl. v. 13.04.2000
zu Kundennummer ..., Vorlage im Bestreitensfall
Das Gericht kann sich vorliegend allein anhand der von der Kl. vorgelegten Anlage K 3 zu den Öffentlichen Bekanntgaben der jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung mit Erdgas und den mit den Anlagen K 5 bis K 8 vorgelegten streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen zutreffend ein Bild davon machen, dass die Kl. die Gaslieferungen auch dabei nicht zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die für alle grundversorgten Haushaltskunden Geltung beanspruchen sollen, abrechnet, sondern zu Sonderabkommen- Gaspreisen unter ausdrücklicher Nennung des Vertragsgegenstandes „Sonderabkommen Vertrag“.
Insoweit kann es keinem Zweifel unterliegen, dass aus verständiger Verbrauchersicht der Bekl. die Parteien seit Anfang an über einen Sondervertrag zur Gasbelieferung zu einem vereinbarten, den Bekl. günstigen Sonderabkommen- Gaspreis verbunden sind (BGH, Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 225/07 Rn. 14ff.; juris).
Zutreffend ist, dass die Kl. den Gaspreis im Laufe der Vertragsbeziehung mehrfach einseitig abgeändert hat und die Bekl. erstmals mit Schreiben vom 27.01.07 das Preisänderungsrecht der Kl. bestritten hatten und sich auch auf die Unbilligkeit gem. § 315 BGB berufen haben.
Der Widerspruch richtete sich – entgegen dem Vortrag der Kl. für dieser ersichtlich - auch bereits gegen die Verbrauchsabrechnung vom 18.12.2006 und die für die Bekl. daraus erstmals ersichtliche Gaspreisänderung zum 01.01.06. Selbst eine Unbilligkeitseinrede ist nach Ablauf von fünfeinhalb Monaten jedenfalls noch nicht verwirkt (BGH Urt. v. 21.04.10 VIII ZR 97/09 Rn. 18; juris].
Schlussendlich kommt es auf die Frage, wann die Bekl. erstmals das Preisänderungsrecht der Kl. bestritten hatten, jedoch nicht entscheidend an:
Die Kl. war gegenüber den Bekl. nicht berechtigt, nach Vertragsabschluss den vereinbarten Sonderabkommen- Gaspreis einseitig abzuändern. Ein Preisänderungsrecht zugunsten der Kl. wurde vertraglich nicht vereinbart.
Ein solches ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV finden auf das Vertragsverhältnis der Parteien keine unmittelbare Anwendung (BGH, Urt. v. 29.04.08 KZR 2/07, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08].
Sie wurden auch nicht etwa im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen der Kl. wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB. Weder kannten die Bekl. entsprechende Bedingungen vor Vertragsabschluss, noch hatten sie sich bei oder nach Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden erklärt. Solche Bedingungen waren ihnen von der Kl. auch nicht ausgehändigt worden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.05.09 Az. I-19 U 52/08 = RdE 09, 261, 263; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 Az. VI-2 U (Kart) 14/08; OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10 Az. 14 U 983/08; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09 Rn. 52; OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).
Wurde – wie vorliegend – keine Preisänderungsklausel wirksam in einen Gasliefervertrag einbezogen oder erweist sich eine wirksam einbezogene Preisänderungsklausel als unwirksam, so kommen Preisneuvereinbarungen auch durch widerspruchslose Hinnahme einseitiger Preisänderungen und vorbehaltlose Zahlung darauf basierender Verbrauchsabrechnungen nicht zustande (BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff., juris).
Die Kl. war auch im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet, die Bekl. zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Gaspreis zu beliefern, § 433 Abs. 2 BGB. Die Vertragsfreiheit der Kl. reicht auch nach der Liberalisierung nicht soweit, dass sie an vereinbarte Preise nicht mehr gebunden wäre, pacta sunt servanda. Sie kann deshalb auch nur den so vereinbarten Gaspreis für ihre Lieferungen beanspruchen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v.02.09.10 Az. U 1200/09 Kart.; LG Konstanz, Urt. v 17.09.10, Az. 61 S 27/10 B; LG Köln, Urt. v. 07.10.10 Az. 8 O 302/09; LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09 und 5 S 3/10; juris)
Es ist selbstverständlich, dass sich eine entsprechende Schuld der Bekl. insbesondere nicht daraus ergibt, dass die Kl. ihren streitgegenständlichen Abrechnungen vertraglich nicht geschuldete Entgelte zugrunde legte.
Die streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen sind zudem nicht nachvollziehbar.
Die Bekl. sind mit der Kl. der Auffassung, dass vorliegend für eine Billigkeitskontrolle der zur Abrechnung gestellten Entgelte kein Raum ist, weil es schon am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Kl. fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.08 KZR 2/07; Urt. v. 17.12.08 VIII ZR 274/06; Urt. v. 28.10.09 VIII ZR 320/07; Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08; Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08; juris).
Rein vorsorglich und hilfsweise werden die von der Kl. zur Abrechnung gestellten Entgelte nochmals als als unbillig gerügt unter Berufung auf deren Unverbindlichkeit (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II 1 b).
Der Vortrag der Kl. zur Kosten- und Erlöslage sowie -entwicklung und sämtliches Zahlenwerk werden vollinhaltlich in prozessual zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten. Dies betrifft auch den gesamten kl. Vortrag im Zusammenhang mit einem angeblich erstellten Gutachten (Anlage K 4) wie auch dessen sämtlichen Inhalt einschließlich aller Zahlen, Zeichen, Graphiken und Interpunktionszeichen (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 6/08 Rn. 20).
Mit Nichtwissen bestritten wird insbesondere, dass die Kosten, die der Kl. durch die Belieferung der Bekl. mit Gas konkret entstanden, nach Vertragsabschluss gestiegen waren,
- insbesondere die Bezugspreise der Kl. gestiegen waren,
- hilfsweise dass ein Anstieg derselben den Vorlieferanten vertraglich geschuldet war,
-hilfsweise dass ein solcher Anstieg für die Anpassung an die Marktverhältnisse im Vorlieferantenverhältnis angemessen und erforderlich war (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43),
- ferner ein solcher nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Gaspreises (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) jeweils vollständig kompensiert werden konnte (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39),
- ferner rückläufige Kosten bei preisbildenden Kostenfaktoren unverzögert und umfassend durch Preisanpassungen weitergegeben wurden (BGH, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 18],
- die einseitig festgesetzten Entgelte der gesetzlichen Verpflichtung der Kl. aus §§ 2, 1 EnWG entsprachen und vertragsgemäß waren (BGH NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 2 a) .
Mit Nichtwissen bestritten wird insbesondere, dass die Kl. Gas so günstig wie möglich auf dem Markt beschafft hat,hierfür ihren Gasbezug im Wettbewerb ausgeschrieben hatte.
Rein vorsorglich wird darauf verwiesen, dass Gaslieferverträge mit automatisch wirkender HEL- Preisbindungsklausel weder zur Anpassung an die tatsächlichen Kosten der Gasversorgung noch an die Marktpreise für Gas taugen (BGH, Urt. v. 24.03.10 VIII ZR 178/08 Rn. 31; VIII ZR 304/07; juris).
Mit Nichtwissen bestritten wird insbesondere, dass die Kl. in der Zeit, in welcher sie über eine Monopolstellung verfügte, weil den Bekl. ein anderer Lieferant für die leitungsgebundene Gasversorgung nicht zur Verfügung stand (BGH, Urt. v. 28.10.09 VIII ZR 320/07 Rn. 35; juris), Kostensenkungspotentiale soweit als möglich ausgeschöpft hatte (LG Dortmund, Urt. v. 20.08.09 Az. 13 O 179/08 Kart; juris).
Der vollständig bestrittene kl. Vortrag ist für eine Billigkeitskontrolle zudem völlig untauglich (OLG Celle, Urt. v. 19.08.10 Az. 13 U 82/07 Kart.; LG Köln, Urt. v. 14.08.09 Az. 90 O 41/07 und Az. 90 O 50/07; juris).
Nach alldem erscheint die Klage abweisungsreif.
Erfolg kann ihr nicht beschieden sein.
Sollte das Gericht weiteren Vortrag für notwendig erachten, wird ausdrücklich um einen gerichtlichen Hinweis gem. § 139 ZPO gebeten.
Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.
Für die Beklagten:
Rechtsanwalt
--- Ende Zitat ---
Jagni:
Die vorstehende Klageerwiderung ist eine große Hilfe für jeden der sich wehren muss und gemeinsam mit seiner professionellen Vertretung bei Gericht antritt.
Dem vorliegenden Fall liegt wohl aber auch wieder eine im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit gestaltete Preisänderungsklausel zugrunde, die unwirksam ist. Der Richter wird daher sehr schnell diese Klage auf der Grundlage der herkömmlichen Rechtsprechung von seinem Tisch räumen.
Offenbar wird es jetzt aber in dieser Sache nicht mehr zu einem Zwiegespräch zwischen RR-E-ft und Black kommen, wie man es schon so oft mitlesen konnte.
===========
Ich komme daher nochmals zum dem von tangocharly angestoßenen Thema zurück, und zwar zu seiner Frage: \"Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie?\" Diese Antwort bin ich noch schuldig.
Wenn RR-E-ft schon hinreichend herausgearbeitet und auch noch einmal vorgebetet hat, dass Preisvereinbarungen in der Grundversorgung gesetzlich unzulässig sind, will ich daran dennoch einen Gedanken hängen, der vielleicht auch als Blockadelöser bei Black dienen kann:
Würde man von einem vereinbarten Preis ausgehen, so wie der VIII. Senat es vorgibt, und Black es meint, würde der Versorger sowohl die Leistung (Gaslieferung) als auch die Gegenleistung (Entgelt für den Gasbezug) bestimmen. Dies ist jedoch nicht denkbar, wenn nicht zugleich der Weg zur Billigkeitskontrolle offen steht. Denn der § 315 BGB sagt auch aus, dass der Versorger nur dann ein Leistungsbestimmungsrecht hat, wenn er sich an die Regeln der Billigkeit hält. Die Leistungsbestimmung muss nachprüfbar sein und das von Anfang an. Das billige Ermessen als Kontrollmöglichkeit ist daher untrennbar mit dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht verbunden.
Wäre die verliehene Rechtsmacht des Versorgers nicht nachprüfbar, würde eine wesentliche Voraussetzung für das Bestehen des Vertrages fehlen.
Die Rechtsprechung hätte außerdem ein Gewinnschöpfungssystem zu Gunsten der Versorger installiert.
Sowohl der vereinbarte Anfangspreis, als auch die Sockeltheorie ist daher nicht zu rechtfertigen. Um beide umzuwerfen bedarf es aber noch nicht der schweren Geschütze aus der Verfassung. Sowohl die öffentlich rechtliche Gesetzmäßigkeit aus dem Energierecht heraus sowie die bestehenden Grundsätze, die sich aus dem bürgerlichen Recht des § 315 BGB entwickeln, reichen aus, damit in den Instanzen richtiges Recht erkannt werden kann. Was hat dies aber dann für eine Auswirkung auf die Rechtssicherheit, die nach dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet sein muss, wenn sich eine Rechtsprechung aus den Instanzen heraus entwickeln würde, die der des VIII. Senats diametral gegenüber steht?
Damit wäre dann auch die Frage von tangocharly beantwortet, zumindest aus meiner Sicht.
Die Antwort muss also lauten: Es besteht kein verfassungskonformer Ansatz. Im Gegenteil, dieses neue Recht des VIII. Senats kollidiert mit dem Rechtsstaatsprinzip, weil es sich gegen Gesetz und Recht wendet und eine massive Rechtsunsicherheit hinterlässt.
Black, der auch ein Versteher des Senats ist, sieht dagegen keine verfassungsmäßigen Bedenken. Warum trägt er dann aber nichts Näheres zu den Gedankengängen des VIII. Senats bei?
Gruß
Jagni
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