Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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Black:
Meine Frage war eigentlich nur, wie Sie die Differenz zwischen \"gefühlter\" Rechtslage hier im Forum und realer Rechtslage vor den deutschen Gerichten erklären.

Und warum Sie einerseits sehr viel Energie in lange Ausführungen hier im Forum investieren ohne ihre Thesen gleichzeitig der gerichtlichen Realität zu stellen.

Aber jetzt habe ich es verstanden.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ich werde auch für meine Beiträge hier im Forum bezahlt. Sie auch?)
--- Ende Zitat ---

 ;)

RR-E-ft:
Mögen andere für Gotteslohn streiten, ich mach es für den Broterwerb ausschließlich gegen gute Bezahlung.

Als bundesweit tätiger Anwalt, genieße ich zumeist das Leben in vollen Zügen,  und stelle insbesondere auch meine Thesen fortlaufend landauf landab der gerichtlichen Realität, dabei auch den skurrilsten Ausführungen meiner geschätzten Kollegen auf der Gegenseite.  Wenn daraufhin die Versorger ihre Klagen zurücknehmen und dann die Verfahrenskosten zu tragen haben, die Mandanten damit zufrieden sind, dann kann ich mich als deren Bevollmächtigter doch wohl schwerlich hinstellen und damit nicht zufrieden sein. Nicht anders verhält es sich, wenn sich Mandanten auf einen Vergleich einlassen wollen. Man kann sich durchaus auch noch über die kleinen Dinge des Lebens freuen, etwa OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10.

Nun aber ganz schnell zurück zu den wirklichen Grundsatzfragen.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft

Von Interesse ist hier  die vom Gesetzgeber vorgesehene klare Abgrenzung der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB (Vertragsgerechtigkeitskontrolle) einerseits und der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB (Tranparenz- und Äquivalenzkontrolle) andererseits.

Wenn es darum geht, ob die einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in conreto überhaupt vertragsgemäß sind, dann besteht meines Erachtens dafür nach der gesetzlichen Regelung eine ausschließliche Zuständigkeit gem. §§ 108, 102 EnWG. Sowohl das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht und damit verbundene Leistungsbestimmungspflicht  als auch die gesetzliche  Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas wurzeln unmittelbar im Energiewirtschaftsgesetz selbst. Der Streit hierüber betrifft deshalb auch immer den Streit über Rechte und Pflichten aus dem Energiewirtschaftsgesetz.
--- Ende Zitat ---

Jagni:

--- Zitat ---Zitat von RR-E-ft


Die gesetzliche Regelung weist dem Grundversorger die Kompetenz zu, die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung einseitig festzulegen und zu bestimmen, nur eben etwas anders verortet, als vom VIII. Zivilsenat des BGH angenommen.

Nach der gesetzlichen Regelung ist der Grundversorger sogar zur Festlegung der jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung verpflichtet.

Er muss sie nämlich denknotwendig erst festlegen, bevor er sie öffentlich bekannt geben kann und bekannt gibt.

§ 36 Abs. 1 EnWG bestimmt eindeutig, dass Grundversorger Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und zu jenen jeweiligen Allgemeinen Preisen Haushaltskunden beliefern müssen.




--- Ende Zitat ---




Deutlicher geht es wohl nicht mehr. Damit ist klar: Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht ist im Gesetz verankert. Es ist das Recht und die Pflicht, den Preis zu bestimmen.

Immer, wenn von Allgemeinen Preisen gesprochen wird, steht ein fließendes Preisbestimmungssystem dahinter, das vom Versorger zu handhaben ist. Dieses Preissystem nennt dem grundversorgten Kunden eben keinen feststehenden, absoluten Preis, sondern nur das zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, – das sich in einem Preis ausdrückt, der nach § 1 EnWG eine möglichst preisgünstige Versorgung herbeiführen soll.

Der grundversorgte Kunde wird daher auch niemals den Preis, den er vom Versorger bei Vertragsschluss genannt bekommt, vereinbaren, und zwar im Sinne der §§ 145 ff. BGB, weil er diesen bei Vertragsabschluss genannten Preis überhaupt nicht als den richtigen Preis anerkennen kann. Er wird diesen Preis nur deswegen zahlen, weil er weiß, dass er für die Gasentnahme etwas zu bezahlen hat.

Damit ist auch gleichzeitig der Inhalt des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts umschrieben. Die Leistung liegt bei Vertragsabschluss eben nicht fest. Sie muss in festgelegten Intervallen bestimmt werden. Das ist die Voraussetzung, damit § 315 BGB Anwendung finden kann. § 315 ist nur auf die Ausnahmen anwendbar, bei denen bei Vertragsabschluss die Leistung noch nicht bestimmt ist. Auch in solchen Fällen muss es schon möglich sein, einen Vertrag zu schließen.

Wie kommt aber das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht jetzt in den Grundversorgungsvertrag hinein? Dort muss es ja wirken, damit in dem praktischen Anwendungsfall das billige Ermessen seine Kontrollfunktion entfalten kann.
M.E. kann dieser Weg nur über die Verordnung gehen. Denn gesetzestechnisch ist die Verordnung der Transmissionsriemen, um den Gedanken des Gesetzes in die Praxis zu überführen. Wo finden wir also das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht in der GasGVV?

RR-E-ft sagt, ganz bestimmt nicht im § 5 Abs 2. Und hier scheiden sich unsere Gedanken.

„ Immer, wenn von Allgemeinen Preisen gesprochen wird, steht ein fließendes Preisbestimmungssystem dahinter“ habe ich vorstehend schon gesagt. Wo könnte das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht noch in der Verordnung auftauchen? Richtig, im § 1 der GasGVV: Dort haben wir den § 36 Abs 1 des EnWG und dort haben wir auch die Aussage, dass die Gasversorgungsunternehmen die Haushaltskunden zu Allgemeinen Preisen mit Gas zu beliefern haben. Von dort holt § 5 Abs 2 das Leistungsbestimmungsrecht ab. Der Abs 2 beinhaltet daher nicht nur das Recht, Preise zu ändern, sondern auch das Recht und die Pflicht, die Leistung zu bestimmen. Wenn § 5 Abs 2 dann über die AGB in den Vertrag einzieht, sind beide Rechte im Vertrag verankert. Damit ist auch die Voraussetzung für die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs 1 und Abs 2 geschaffen. Das sagt aber gleichzeitig auch aus, dass der bei Vertragsabschluss vom Versorger genannte Preis von Anfang an der Billigkeit unterliegen muss.

Bisher habe ich mich mit den Überlegungen nur in der Grundversorgung bewegt. Wie das unter Anwendung der neuen Rechtsetzung des VIII. Senats aussieht, wenn das gesetzliche Preisbestimmungsrecht unverändert in einen Normsondervertrag übernommen, oder wenn sogar die Verordnung in ihrer Gesamtheit einbezogen wird, muss noch an den Gedankengang anschließen.


Gruß
Jagni

RR-E-ft:
Ich versuche es mit einem Mantra.

Sollen die vom Grundversorger öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise, zu denen er Haushaltskunden jeweils beliefern muss, der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas entsprechen und sind die Kosten, welche durch die Belieferung dieser Haushaltskunden entstehen und mit den Allgemeinen Preisen jeweils abzudecken sind, nicht feststehend, sondern schwankend, dann bedarf es immer wieder einer Neubestimmung, zu welcher eine gesetzliche Verpflichtung besteht (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18; VIII ZR 56/08 Rn. 19 ff.).

Der Grundversorger selbst ist nach der gesetzlichen Regelung verpflichtet, diejenigen jeweiligen (zulässigen) Allgemeinen Preise (entsprechend sich ändernder Kosten) immer wieder neu zu bestimmen, zu denen er die Haushaltskunden in der Grundversorgung beliefern muss.

Der Vertragsabschluss erfolgt dabei gerade nicht über eine Preisvereinbarung gem. § 145 ff. BGB , sondern von Anfang an über § 315 BGB (BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.).

Nach der gesetzlichen Regelung soll und darf der Grundversorger mit den grundversorgten Kunden keine Preise vereinbaren, vielmehr ist er gesetzlich verpflichtet, die jeweiligen (zulässigen) Allgemeinen Preise der Grundversorgung einseitig festzusetzen, öffentlich bekannt zu geben und grundversorgte Kunden ausschließlich nur zu diesen - einseitig festgsetzten - Preisen zu beliefern. Deshalb schimpfen sich diese Preise schonn nach der gesetzlichen Regelung \"Allgemeine Preise\" !!!


(Preisvereinbarung und einseitiges Leistungsbestimmungsrecht sind für den Vertragsabschluss zwei gleichwertige, sich jedoch einander ausschließende Alternativen [BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, KZR 36/04 Rn. 9 ff.].

Anders als bei Sonderabkommen wird bei Grundversorgungsverträgen zu Beginn kein feststehender Preis vertraglich vereinbart. Eine Preisvereinbarung  ist für den Vertragsabschluss auch schon  gar nicht erforderlich, wenn nur Klarheit darüber besteht, dass der Versorger (auch) nach Vertragsabschluss die jeweiligen Allgemeinen Preise, die der grundversorgte Kunde vertraglich nur schulden kann, einseitig festzusetzen hat, diesen zur einseitigen Festsetzung sogar eine Rechtspflicht trifft (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Diese Klarheit besteht jedoch, weil sie sich ja schon aus der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG selbst ergibt, welche zudem auch gar keine Abweichung zulässt.

Denn schon nach der gesetzlichen Regelung soll der Grundversorger (auch) nach Vertragsabschluss die von ihm zu erbringende und vom grundversorgten Kunden nur beanspruchbare vertragliche Leistung bestimmen, zur Bestimmung der vertragsgemäßen Leistung verpflichtet sein.

Die Belieferung der grundversorgten Kunden soll von Anfang an nicht zu einem feststehenden Preis erfolgen, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger entsprechend gesetzlicher Verpflichtung festsetzt und festzusetzen verpflichtet ist.  

Vertragsgemäß ist die derart einseitig festgesetzte Leistung indes tatsächlich nur, wenn sie der gesetzlichen Verpflichtung des EVU aus §§ 2, 1 EnWG entspricht (BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a).

Nach der gesetzlichen Regelung soll und darf der Grundversorger grundversorgte Kunden nicht zu einem vereinbarten Preis beliefern.

Vielmehr ist er gesetzlich verpflichtet, die jeweiligen (zulässigen) Allgemeinen Preise festzusetzen, sodann öffentlich bekannt zu geben und hiernach grundversorgte Kunden ausschließlich  zu diesen jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung zu beliefern. Deshalb schimpfen sich diese Preise bereits nach der gesetzlichen Regelung \"Allgemeine Preise\" !!!

Am Anfang stand das Wort.

Lese uns doch bitte noch einmal einer, vielleicht Black die gesetzliche Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG langsam laut und deutlich, ggf. mit Betonung vor, damit wir uns anhand des Wortlauts erschließen mögen, was der Gesetzgeber tatsächlich gewollt hat.


--- Zitat ---Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
--- Ende Zitat ---

Energieversorger sind gesetzlich verpflichtet (unter Beachtung  ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG) Allgemeine Preise festzusetzen, diese sodann öffentlich bekannt zu geben und sodann ausnahmslos jeden grundversorgten Kunden ausschließlich zu diesen (immer noch einseitig festgesetzten) Allgemeinen Preisen zu versorgen.

Jede Auslegung findet am Wortlaut einer Gesetzesnorm ihre Grenze.
Und der klare Wortlaut lässt es nun einmal nicht zu, dass grundversorgte Kunden mit dem Grundversorger Preise vereinbaren, zu anderen als zu den vom Versorger unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG einseitig festgesetzten Allgemeinen Preisen versorgt werden, zu deren Festsetzung der Grundversorger gesetzlich verpflichtet ist.

Ich meine, der Gesetzgeber habe es so klar und eindeutig formuliert, dass es auch Nicht- Juristen ohne weiteres erkennen und verstehen können.

Die Rechtslage ergibt sich immer noch aus dem Willen des Gesetzgebers, den auch die Gerichte bis hin zum BGH zu beachten haben.
Und diesen maßgeblichen Willen des Gesetzgebers erfahren wir aus den vom Gesetzgeber gesetzten Rechtsnormen selbst, aus deren Wortlaut.

Alles andere mag sich gut anhören, ist aber nichts als mehr oder weniger gut fabrizierter  Hokuspokus, gleichviel, wie er sich auch anfühlen mag.  

Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sind in diesem Bereich gesetzlich ausgeschlossen. Sie stehen auch nicht etwa vor der der Festsetzung der Allgemeinen Preise und deren öffentlicher Bekanntgabe!

Fraglich, wer den Juristen das Denken verhext hat.
Herr, bring uns Licht in diese Tage!

bolli:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft

Ich meine, der Gesetzgeber habe es so klar und eindeutig formuliert, dass es auch Nicht- Juristen ohne weiteres erkennen und verstehen können.

Die Rechtslage ergibt sich immer noch aus dem Willen des Gesetzgebers, den auch die Gerichte bis hin zum BGH zu beachten haben.
Und diesen maßgeblichen Willen des Gesetzgebers erfahren wir aus den vom Gesetzgeber gesetzten Rechtsnormen selbst, aus deren Wortlaut.
--- Ende Zitat ---
Wenn das alles so klar und einfach ist, dass es sogar Nichtjuristen verstehen, dann muss man sich doch ernsthaft fragen, warum denn den Juristen des VIII. Senats des BGH diese Einsicht fehlt. Und wer ganz böse denkt, muss ja fast schon einen Vorsatz dahinter vermuten.  
Aber das tun WIR natürlich nicht.  :D


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Fraglich, wer den Juristen das Denken verhext hat.

--- Ende Zitat ---
!!! :D

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