Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
RR-E-ft:
Ersichtlich kann meine Kritik an der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zur Zulässigkeit entsprechender Klauseln nachvollzogen werden.
Aus BGH KZR 2/07 ergibt sich wohl insbesondere schon deutlich, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag dem Versorger nicht die Entscheidung über die Temine überlassen darf, zu denen Preisänderungen im Umfange geänderter Kosten erfolgen dürfen bzw. müssen.
--- Zitat ---BGH KZR 2/07 Rn. 21
Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Einstandskosten umgehend, niedrigeren Einstandskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.
--- Ende Zitat ---
Ohne zeitliche Bezugspunkte driftet alles ins Beliebige ab. Zumindest die Preisrevisionstermine müssen also im Vornherein feststehen.
--- Zitat ---BGH KZR 2/07 Rn. 26
Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.
--- Ende Zitat ---
Keine Rechtfetigung also, in der Preisanpassungskausel eines Sondervertrages u.a. die Preisrevisionstermine nicht im Vornherein festzulegen.
Nichts davon beim VIII.Zivilsenat des BGH.
Andere haben bereits angemerkt, dass sich der Senat insoweit auf einer Art Geisterfahrt befände.
Es steht sehr zu hoffen, dass es in dem Verfahren vor dem OLG Oldenburg tatsächlich zur EuGH- Vorlage kommt. Die Revision bzw. Revisionserwiderung in dem Verfahren VIII ZR 246/08 hatte sich ausführlich mit der Problematik der Unvereinbarkeit mit Europarecht befasst. Bemerkenswerter Weise ist der VIII.Zivilsenat des BGH mit keiner Silbe darauf eingegangen und überlässt dies nun dem OLG Oldenburg, zu dem die Akten zurück gelangten.
Natürlich erschien es nach den obiter dicti in VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08 ... nicht leicht für den Senat, ohne einen gewissen Gesichtsverlust davon wieder Abstand zu nehmen. Aber das darf ja wohl kein Maßstab sein.
Die Instanzrechtsprechung - mit Ausnahme des OLG Oldenburg - folgt der Rechtprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zur Zulässigkeit entprechender Klauseln bisher kritiklos, was auf mangelndem Problembewusstsein einerseits und fehlender Problemdurchdringung andererseits begründet liegen mag.
Dass Versorger in Sonderverträge massenhaft auf die vom BGH für zulässig erklärten Klauseln umstellen, ist verständlich. Dass ein Gericht, erst recht der BGH erklärt, welche Klausel zulässig sei, ist im Rahmen der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 9 AGBGB, § 307 BGB wohl einmalig. Bisher beschränkte sich die Rechtsprechung - mit gutem Grund - darauf, unzulässige Klauseln zu verwerfen.
bolli:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Dass ein Gericht, erst recht der BGH erklärt, welche Klausel zulässig sei, ist im Rahmen der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 9 AGBGB, § 307 BGB wohl einmalig. Bisher beschränkte sich die Rechtsprechung - mit gutem Grund - darauf, unzulässige Klauseln zu verwerfen.
--- Ende Zitat ---
Na ja, nachdem Herr Ball den Versorgern ja nicht mehr in Seminaren erläutert , wie sie ihre Verträge gerichtsfest machen, tut er dieses halt nun \"kostenlos\" im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungen mittels entsprechender Entscheidungen mit Obiter Dicta Bestandteilen.
Wollen wir mal hoffen, dass er nach seinem Ruhestand nicht noch einen gut bezahlten Beraterjob bei der Versorgungsindustrie annimmt (wenn man böse denkt: für den er die Beratungsleistung schon früher erbracht hat 8) ). Wäre ja nicht der erste Fall in der Politik, zu der ich ihn hier mal rechne.
Black:
--- Zitat ---Original von bolli
Wollen wir mal hoffen, dass er nach seinem Ruhestand nicht noch einen gut bezahlten Beraterjob bei der Versorgungsindustrie annimmt (wenn man böse denkt: für den er die Beratungsleistung schon früher erbracht hat 8) ). Wäre ja nicht der erste Fall in der Politik, zu der ich ihn hier mal rechne.
--- Ende Zitat ---
Es ist wieder einmal typisch für schlichte Gemüter, dass immer wenn die Kundenseite verliert \"natürlich\" der Richter in irgendeiner Weise zugunsten der Versorger befangen sein mußte. Weil man ja selber auf keinen Fall im Unrecht gewesen sein kann. :rolleyes:
Wenn der BGH oder Herr Ball tatsächlich so Versorgerfreundlich wären, wie hier gerne behauptet, dann wären einige aktuelle Entscheidungen des BGH wohl so nicht gefallen.
- Entscheidung des BGH zur HEL Bindung
- Entscheidung des BGH zu Rückzahlungsansprüchen von Sonderkunden bei fehlendem Widerspruch
etc.
RR-E-ft:
@bolli
Es erscheint nach wie vor wenig zielführend und unbehelflich, den Senatsvorsitzenden polemisch anzugreifen.
Der hatte immerhin an den Entscheidungen BGH KZR 10/03, KZR 36/04, VIII ZR 25/06 mitgewirkt. Ob er die (m.E. zutreffenden) Begründungen zu jenen Entscheidungen seinerzeit mitgetragen hatte und von diesen zutreffenden Begründungen auch in späteren Fällen selbst gar nicht abgerückt ist, ist nicht ersichtlich, da es sich immer um Entscheidungen des Senates handelt und die Einzelvoten der an den Entscheiungen mitwirkenden Senatsangehörigen und auch des Vorsitzenden immer dem Spruchkörpergeheimnis unterliegen. Nicht auszuschließen, dass der Senatsvorsitzende andere Auffasungen vertritt, sich mit diesen bei der Entscheidungsfindung des Senates jedoch jeweils nicht durchsetzen konnte.
Die Argumente für und wider sollten sachlich diskutiert werden:
Nach Zurückverweisung nach dem Verfahren BGH VIII ZR 246/08 hat das OLG Oldenburg am 02.11.2010 die Klage nochmals verhandelt und dabei zutreffend ausgeführt, dass die Auslegung des BGH zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln der Bekl. vor dem 01.04.2007 nach dem Transparenzgebot nicht mit den EU- Richtlinien, insbesondere auch dem nach Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vorgeschriebenen Transparenzgebot, vereinbar erscheint, weshalb eine Vorlage zum EuGH erwogen wird.
Das OLG Oldenburg hatte dort einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach die Bekl. die Preisänderungen im Zeitraum 01.08.04 bis 01.04.07 zu 2/3 an die Kl. zurückzahlen soll und die Preisänderungen ab dem 01.04.07 vollständig zurückzahlen soll. Sollte dem OLG Oldenburg innerhalb einer Stellungnahmefrist von drei Wochen keine Erklärung der Parteien dazu vorliegen, so soll eine Entscheidung am 14.12.10 verkündet werden.
Tatsächlich ergibt sich bereits aus BGH KZR 2/07 Rn. 21, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag dem Versorger nicht die Entscheidung über die Temine überlassen darf, zu denen Preisänderungen im Umfange geänderter Kosten erfolgen dürfen bzw. müssen. Zumindest die Preisrevisionstermine müssen mithin bereits in der Klausel geregelt sein.
Der VIII. Zivilsenat des BGH führt selbst aus, dass die von ihm für wirksam erachteten Klauseln nicht den Erfordernissen entsprechen, die die Rechtsprechung des BGH sonst an Preisänderungsklauseln stellt (vgl. bereits BGH VIII ZR 225/07 Rn. 26). Er führt insbesondere ausdrücklich auf, dass solche Klauseln die Kunden über vieles im Unklaren lassen. Allein dies müsste jedoch bei kundenfeindlichster Auslegung schon zur Unwirksamkeit entsprechender Klauseln führen (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 19).
Der VIII. Zivilsenat begründet seine Auffassung zur Wirksamkeit mit § 310 Abs. 2 BGB. Indes lässt diese Norm schon keinerlei Einschränkung bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle nach § 307 BGB zu (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 25; BGH KZR 10/03 unter II.6.b)).
Andernfalls verstieße die gesetzliche Regelung der §§ 305 ff. BGB gegen Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (vgl. auch Palandt, BGB, 68.Aufl., § 310 Rn. 22 ff., 26).
bolli:
--- Zitat ---Original von Black
Es ist wieder einmal typisch für schlichte Gemüter, dass immer wenn die Kundenseite verliert \"natürlich\" der Richter in irgendeiner Weise zugunsten der Versorger befangen sein mußte. Weil man ja selber auf keinen Fall im Unrecht gewesen sein kann. :rolleyes:
--- Ende Zitat ---
Na, dann passe ich ja voll in die Welt, vor allem der Juristerei. Anders wäre das nämlich sonst nicht zu erklären, was da manchmal passiert, nicht nur in der Versorgungsbranche. Hab auch schon häufiger mit der Jugend- und Sozialgerichtsbarkeit zu tun gehabt, dass ist manchmal tatsächlich nur mit einem schlichten Gemüt auszuhalten. Aber das ist hier OT.
--- Zitat ---Original von Black
Wenn der BGH oder Herr Ball tatsächlich so Versorgerfreundlich wären, wie hier gerne behauptet, dann wären einige aktuelle Entscheidungen des BGH wohl so nicht gefallen.
- Entscheidung des BGH zur HEL Bindung
- Entscheidung des BGH zu Rückzahlungsansprüchen von Sonderkunden bei fehlendem Widerspruch
etc.
--- Ende Zitat ---
Na ja, zumindest bei den Rückzahlungsansprüchen bei fehlenden Widersprüchen in Sonderverträgen hat er ja wohl nur seine bisherige Rechtssprechung bestätigt. Und berichtigen/verändern einer solchen schon geschehenen Rechtssprechung ist nicht unbedingt sein Ding.
--- Zitat ---Original von RR-EF-t
@bolli
Es erscheint nach wie vor wenig zielführend und unbehelflich, den Senatsvorsitzenden polemisch anzugreifen.
--- Ende Zitat ---
Es fällt einem manchmal bei Ansicht der getroffenen Entscheidungen schwer, immer sachlich zu bleiben, weil einem manchmal schlicht die Argumente fehlen. Nicht die, den Gegenüber zu überzeugen sondern die, die ihn bewogen haben könnten, SO zu entscheiden. Der Vorsitzende des VIII. Senats ist ja wohl nur deshalb so im Blickpunkt, weil komischerweise richtungsweisende und richtungsändernde Entscheidungen dieses Senats mit seiner Mitglied- und Vorsitzendenschaft zusammenfallen und z.B. die Obiter dicta Entscheidungen dieses Senat, zumeist in Richtung Versorgerfreundlichkeit, zugenommen haben. Dazu die ungeschickte Ansammlung von Vortragstätigkeiten in der Versorgungswirtschaft zu einem Thema, dass federführend an seinem Senat entschieden wird. Das fordert geradezu zu solchen Gedanken heraus.
Aber sie haben natürlich Recht, dass kann alles Zufall sein und er wird zu Unrecht verdächtigt. Er möge mir verzeihen. Ich kann mich da nur auf mein schlichtes Gemüt berufen und um Demut bitten. ;)
Ich frage mich nur, warum erst ein unteres Gericht die Auslegung eines obersten Gerichtes als nicht mit dem EU-Recht vereinbar erklären muss und dann den EuGH anrufen muss. Das ist aus meiner Sicht schon recht blamabel und wirft nicht unbedingt das beste Licht auf diese Entscheidungsträger beim BGH. Ich weiss, ich weiss, die Unabhängigkeit der Richter. Ein hohes Gut. Da antworte ich nur: Manchmal.
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