Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
tangocharly:
Ob die Einbeziehung der GasGVV, insbesondere dann § 5 Abs. 2 GasGVV, dem Transparenzgebot genügen kann, muß und wird sich danach richten, ob dem Abnehmer bei Konfrontation mit diesen Bestimmungen (Kenntnis bei Vertragsschluß - § 305 Abs. 2 BGB), die Tragweite (Inhalt und Umfang) des hierin liegenden Preisanpassungsrechtes klar und deutlich wird.
Mit seiner Entscheidung vom 19.11.2008 (Az.: VIII ZR 138/07) hat der BGH in den Raum gestellt (wenn auch in der Endkonsequenz offen gelassen) dass eine Preiserhöhung auch nach Vergleichs- und/oder Marktpreisen vorgenommen werden könne (Az.: VIII ZR 138/07, Tz. 48 ff.). Zu den Kriterien hierzu, nämlich von welchen Faktoren eine solche Preisanpassung abhängig sein würde, hat er aber Stellung genommen. Nicht gesagt hat der BGH, dass diese Methode der Preisanpassung von vornherein ausscheide.
Wenn man dies berücksichtigt, dann kommt man zu folgenden Preisanpassungsmethoden:
(1) Kostenpreis;
(2) Marktpreis;
(3) Vergleichspreis.
Für das Transparenzgebot gem. § 307 BGB bedeutet dies, dass sich der Abnehmer, der sich schon vergeblich die Augen reibt, um in seinem Versorgungsvertrag die Parameter für eine Preisanpassung zu erkennen, damit konfrontieren lassen muss, dass sein Vertrag deshalb transparent sei, weil sich die zulässige Preisanpassungsmethode nach dem Kostenpreis richte.
Soll nun der Sonderabnehmer nicht besser gestellt werden, als der Tarifabnehmer, dann wäre nur konsequent, also für den Fall, dass man die Vergleichspreis-Anpassungsmethode auch von den Prinzipien der energiewirtschaftsrechtlichen Preisfindung (§ 1 u. § 2 EnWG) gedeckt ansieht, dies in den Sondervertrag zu übertragen, wenn man die komplette Einbeziehung der gesetzlichen AVB\'s für ausreichend erachtet.
Damit brächte § 5 Abs. 2 GasGVV für den Sonderabnehmer eine Klausel, welche nach ihrem Wortlaut zwei weitere Preisberechnungsmethoden beinhaltet (welche dann zulässig wären), ohne dass dies dem Abnehmer bei Lektüre der Klausel eindeutig erkennbar wird und dem Versorger die Möglichkeit gibt, jenseits des reinen Kostenpreises zu einer, und damit unangemessenen, Erhöhung des Preises zu gelangen.
Dass eine derartige Klausel das Transparenzgebot gem. § 307 BGB verletzen kann, hat der BGH bereits am 26.09.2007 (Az.: VIII ZR 143/06, Tz.: 31 f.)
--- Zitat ---Tz. 31
Die Formulierung der Klausel schließt eine solche Berechnung der Abgeltungsquote jedenfalls nicht aus und gibt damit dem Vermieter zumindest die Möglichkeit, den Mieter auf eine unangemessen hohe Quote in Anspruch zu nehmen, ohne dass der Mieter dem unter Hinweis auf den Wortlaut der Klausel entgegen treten könnte. Das soll durch das nunmehr in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich normierte Transparenzgebot verhindert werden. Es schließt das Bestimmtheitsgebot ein, nach dem die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden müssen, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGHZ 165, 12, 21 f., m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die hier zu beurteilende Klausel aus den vorgenannten Gründen nicht.
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft:
Dem Klauselverwender darf durch eine Preisänderungsklausel nicht die Möglichkeit eröffnet werden, seinen Gewinnanteil am vereinbarten Preis nachträglich zu erhöhen.
Deshalb dürfen Preiserhöhungen nur im Umfang tatsächlich nachträglich gestiegener Kosten erfolgen und müssen Kostensenkungen ebenso über Preisanpassungen weitergegeben werden.
Deshalb kann und darf bei Preisanpassungsklauseln und für Preisänderungen in Sonderverträgen gerade nicht auf Vergleichspreise oder Marktpreise abgestellt werden.
Steigt der Vergleichspreis oder Marktpreis - ohne dass sich die Kosten für den Versorger entsprechend erhöht haben - hätte eine entsprechende Preisänderunge eine Erhöhung des Gewinnanteils zur Folge. Eine Preisänderungsklausel ist nur dann zulässig, wenn sie die Möglichkeit der nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils sicher ausschließt.
Auch bei der Ausübung des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts darf der Gewinnanteil am Preis nachträglich nicht erhöht werden (BGH VIII ZR 138/07).
Deshalb kann insbesondere auch bei der Billigkeitskontrolle hinsichtlich der Änderung Allgemeiner Preise der Grundversorgung nicht auf einen Markt- oder Vergleichspreis abgestellt werden. Es kommt dafür vielmehr auf die zwischenzeitliche Änderung aller konkret preisbildenden Kostenfaktoren der besonderen Preiskalkulation der Allgemeinen Preise der Grundversorgung seit der vorhergehenden Tariffestsetzung an (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
Black:
--- Zitat ---Original von tangocharly
Wenn man dies berücksichtigt, dann kommt man zu folgenden Preisanpassungsmethoden:
(1) Kostenpreis;
(2) Marktpreis;
(3) Vergleichspreis.
--- Ende Zitat ---
Nein, zulässig ist nur (1) die Preisanpassung unter Berücksichtigung eigener Kosten.
RR-E-ft:
Nach meinem Dafürhalten entspricht eine solche Preisänderungsklausel in Sonderverträgen auch unter Berücksichtigung der EU- Richtlinien nicht dem Transparenzgebot. Der Sondervertragskunde wird insbesondere nicht in die Lage versetzt, zu erkennen, wann und in welchem Umfange der Versorger zur Preisanpassung zugunsten des Kunden verpflichtet ist, was dem Versorger einen praktisch unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am vereinbarten Preis eröffnet. Um dies auszuschließen müsste der Kunde bereits die bei individuellem Vertragsabschluss zu Grunde liegende Preiskalkulation kennen. Diese kennt er jedoch gerade nicht.
Zudem gilt in Sonderverträgen das Preisspaltungsverbot des § 36 Abs. 1 EnWG nicht.
Preisänderungen in Sonderverträgen anhand der nachträglichen Kostenentwicklung nach individuellem Vertragsabschluss werden den Versorgern aus bekannten Gründen schon gar nicht möglich sein.
Es kann und darf dabei nämlich gerade nicht auf eine Kostenentwicklung seit Tarifveröffentlichung vor Vertragsabschluss abgestellt werden, sondern es muss in jedem Fall auf die Kostenentwicklung nach Vertragsabschluss abgestellt werden, wobei wohl solche Kostenänderungen nicht berücksichtigt werden dürfen, die für den Versorger bei Vertragsabschluss bereits bekannt oder vorhersehbar waren.
In der Praxis existieren solche individuellen Kostenkalkulationen, auf die es dabei zwingend ankäme, wohl schon gar nicht.
Sie werden soweit ersichtlich nirgends abgebildet.
Jagni:
@ RR-E-ft
Leider konnten mir Ihre Beispiele aus der sonstigen Rechsprechung nicht helfen, meine Sorge hinsichtlich eines wirksamen Verbraucherschutzes aufzulösen. Im Gegenteil, sie hat sich verfestig.
Die eindrucksvollen Beispiele von Entscheidungen, denen Klauseln zugrunde liegen, die alle im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit gebildet wurden und auch die passenden Begründungen dazu, warum sie gescheitert sind, machen schlagartig klar, wie stark der Verbraucherschutz durch die neue Systematik des BGH, oft auch als obiter dicta-Rechtsprechung oder Übernahmerechtsprechung bezeichnet, massiv eingebrochen ist. Mit ihr hat der VIII. Senat zu verstehen gegeben, wie mit dem weiten Spielraum des billigen Ermessens umzuspringen ist.
Die Systematik hat sich in der Wirklichkeit der heutigen Rechtsprechung schon festgesetzt und sogar im gesamten Land bis in die AGB der Versorger hinein, die darauf gewartet haben, ihre Spuren hinterlassen. In absehbarer Zeit wird in allen Sonderverträgen das gesetzliche Preisänderungsrecht prangen.
Steht hinter diesem System inzwischen nicht schon der BGH in seiner Gesamtheit? Ist die Hoffnung auf die Anrufung des Großen Senats zerstoben? Ist der Kartellsenat zu der von ihm getragenen Rechtsprechung noch zu vernehmen?
Es wird kein Glanzpunkt für die deutsche Rechtsprechung sein, wenn eine Überprüfung durch den EuGR in Anspruch genommen werden muss, um im eigenen Land den Verbraucherschutz wieder ins Lot zu bringen.
Wenn ich anfänglich aus einem Gefühl heraus gesagt habe, dass ich nicht „Hosianna“ rufe, wenn mir der BGH unverhofft eine Billigkeitskontrolle in einem Sondervertragsverhältnis verschafft und damit übertüncht wird, welch ein Einbruch gleichzeitig der Verbraucherschutz erfährt, dann ist mir der Zusammenhang jetzt durch Ihren Anstoß richtig bewusst geworden.
Es mag ja sein, dass man dazu neigt, sich zu freuen, wenn einem etwas zuteil wird, hier beispielweise eine Billigkeitskontrolle. Aber Vorsicht! Wie bei einer Erbschaft kann das mit einem Haken verbunden sein. Und dieser Haken, um den es hier geht, ist darin zu sehen, dass gleichzeitig den Versorgern ein wirksames Preisänderungsrecht, und zwar das gesetzliche, mit seinem billigen Ermessen durch „unveränderte“ Übernahme zugeteilt wurde. Beides, also die Verleihung einer Billigkeitskontrolle sowie die Verleihung eines einseitigen Preisbestimmungsrechts ist nur gelungen, durch die Implantation einer Rechtsvorschrift aus dem Tarifrecht der Grundversorgung in das unter dem Dach der Privatautonomie angesiedelte System der allgemeinen Vertragsfreiheit. Die Implantation des gesetzlichen Preisänderungsrechts ist gewissermaßen das Kernstück des Richtungswechsels der Rechtsprechung im Energierecht.
Ich spreche hier bewusst von einer Implantation, weil das Implantat im Rechtskörper – also dort wo es hineinverpflanzt wurde, gravierende Unverträglichkeiten bewirkt hat. Gerade auf diese Unverträglichkeiten haben Sie immer wieder hingewiesen, und sie mit Beispielen belegt.
Mit dem Angriff auf den Verbraucherschutz wird die differenzierte Typisierung der Rechtstatbestände und damit ein Zweck der Norm, § 307 BGB, urplötzlich aufgehoben. Der Zweck der Norm, schon als Schutz bei Vertragsabschluss zu wirken, besteht nicht mehr. Aus dem Wortlaut der Klausel heraus wird jetzt nicht mehr klar, ob der Vertragnehmer ungerechtfertigt benachteiligt wird oder nicht. Und gerade das ist die zentrale Forderung eines wirksamen Verbraucherschutzes. Dafür gibt es hinreichend Belege aus der sonstigen Rechtsprechung (siehe insbesondere ihre Beispiele).
Der Verfassungsgrundsatz, der sich zunächst an die gesetzgebende Gewalt richtet, sagt jedoch, dass nur Gleiches rechtlich gleich, Ungleiches jedoch ungleich zu behandeln ist ( zu den Anfängen des Gedankens BVerfGE 1, 418; 3, 135 f.; 4, 7.) Der Gesetzgeber hat diesen Anforderungen in vollem Umfange entsprochen, indem er das Recht entsprechend den unterschiedlichen Sachverhalten gestaltet hat. Dem ist auch die herkömmliche Rechtsprechung in der Vergangenheit gefolgt.
Wie sieht es aber mit dem neuen System des VIII. Senats aus, der obiter-dicta-Rechtsprechung? Die Judikative ist natürlich auch den Grundsätzen des Gleichheitsgedankens verpflichtet. Dem Richter ist es daher verwehrt, ein vom Gesetzgeber auf den differenzierten Sachverhalten aufgebautes Rechtsgefüge, beispielsweise für die Energieversorgung von Sonderabnehmern und Tarifabnehmern, das eindeutig ist, und zwar nach Wortlaut und Sinn, zu dem auch schon eine umfassende Rechtsprechung besteht, umzuorganisieren und dem ganzen Gefüge, insbesondere einer einzelnen Norm (§ 307 BGB) einen anderen Sinn zu geben. Das darf auch nicht gelingen, wenn der Richter bei seiner Rechtschöpfung eine nach seiner Ansicht „verfassungskonforme“ Auslegung (gleiches Recht für Tarif- und Sonderabnehmer) zu Hilfe nimmt und damit einen entgegengesetzten Sinn herbeiführt.
Dem Gleichheitssatz steht es somit entgegen, wenn ein Sondervertragskunde, mit einem Tarifkunden gleichgesetzt wird, weil letzterer den unmittelbaren Schutz des § 307 BGB nicht hat. Er muss sich seinen Schutz über das billige Ermessen herbeilenken. Ihm bleibt lediglich die Hoffnung, dass sein Recht in dem weiten Spielraum des billigen Ermessens gefunden wird, wenn er es in Anspruch nehmen will. Es scheint also stimmig zu sein, wenn Sie sagen, dass beide, sowohl Tarif- als auch Sonderabnehmer durch diese neue Rechtsprechung „gleich schlecht behandelt“ werden.
Sehe ich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei den Tarifkunden möglicherweise als noch gewahrt, weil dort in der Daseinsvorsorge für die schwächere Form der Durchsetzung von Verbraucherrechten die Versorgungspflicht ausgleichend wirkt, wird das Recht des Sonderabnehmers jetzt beschädigt.
Zu den Obliegenheiten des Klauselverwenders gehört es, die Wirksamkeit des Preisbestimmungsrechts das er sich verschaffen will, unmittelbar in der Klausel darzustellen. Andernfalls fällt die Klausel von Anfang an der Unwirksamkeit anheim. Dieser Schutz des Verbrauchers ist untergegangen. Er verliert diese Kontrollmöglichkeit nach § 307 BGB und ist auf den Weg der Billigkeitskontrolle zurückgeworfen.
Das vom BGH entwickelte System ist daher sachverhaltsfremd. Dies deutet daraufhin, das dem vollen Inhalt des Gleichheitssatzes nicht mehr Rechnung getragen wird, denn es wurde gleiches Recht für unterschiedliche Sachverhalte im Wege der Rechtsprechung durchgesetzt.
Sachverhaltsfremd ist es auch, den Willen des Gesetzgebers neu zu deuten, um eine Parallelgestaltung hinsichtlich der Weitergabe von Kostensteigerungen an die Verbraucher zu begründen. Die Versorger hatten bereits die Möglichkeit der Kostenweitergabe an die Sonderabnehmer. Sie mussten nur den Willen aufbringen, die Klausel, die ihnen dieses Bestimmungsrecht verschaffen soll, wirksam zu gestalten, so wie Sie es hier im Ansatz vorgemacht haben. Davon wurden die Versorger durch die Rechtsprechung des VIII. Senats befreit.
Von einer solchen Betrachtung kann auch nicht Abstand genommen werden, durch die Aussagen des Senats, dass eine sachliche Gleichbehandlung der Haushaltskunden mit den Tarifkunden geboten ist, VIII ZR 56/08 vom 15.7. 2009, Rn. 24. Mit der Sachlichkeitsbetrachtung wird einfach zu spät eingesetzt.
Das Gebot des Gleichheitssatzes, so wie es an dieser Stelle verwendet wird, gilt in diesem Falle gerade nicht, weil sich bereits aus der Typisierung der Rechtstatbestände ungleiche Sachverhalte ergeben und es zu einer Einordnung von Sonder- und Tarifkunden auf gleicher Stufe gar nicht kommen darf. Die Sachverhaltsbetrachtung muss schon bei dem Vorgang der Implantation einsetzen, denn damit wird die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte eingeleitet. Von dieser Sicht wird geradezu abgelenkt.
Es ist ferner zu prüfen, ob die vom Senat gestaltete sachliche Gleichbehandlung nicht gerade deswegen dem Gleichheitssatz widerspricht, weil sich aus seiner praktischen Auswirkung eine Ungleichheit ergibt. Während der Tarifkunde weiterhin in einem ausgeglichenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ruht, wird das Rechte des Sonderabnehmers gemindert. Zudem steht ihm die dem Tarifabnehmer gewährte Versorgungspflicht nicht zur Verfügung. Dieses ungleiche Ergebnis ist ursächlich auf die rechtliche Ausformung des VIII. Senats zurückzuführen.
Weiterhin ist dem Gedanken nachzugehen, ob eine sachfremde Rechtsprechung gleichzeitig auch als willkürlich bezeichnet werden muss, wenn den Tatbeständen nicht mehr Rechnung getragen und damit der Weg der Gerechtigkeit verlassen wird.
Gruß
Jagni
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