Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
RR-E-ft:
@Black
Immerhin räumen Sie selbst ein, dass für Bestandskunden bei rückläufigen Kosten der Sockel entsprechend gesetzlicher Regelung abzutragen ist.
Auch der Neukunde in der Grundversorgung soll nach dem vom Versorger zu bestimmenden, öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preis beliefert werden.
Und es gibt nun einmal für Neu- und Bestandskunden nur einen einheitlichen (öffentlich bekannt gemachten) Allgemeinen Preis der Grundversorgung (der gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist).
Soll etwa der Grundversorger seine Allgemeinen Preise der Grundversorgung für die einzelnen Kunden spalten, nämlich abhängig davon, wann der Vertrag jeweils abgeschlossen wurde und wie sich die konkret preisbildenden Kostenfaktoren seit dem jeweils verändert haben?! Das liefe doch der gesetzlichen Regelung der §§ 36, 2, 1 EnWG deutlich zuwider. Schließlich hätte der Grundversorger bei Preisänderungen infolge nachträglicher Kostensteigerungen dann ebenso zu differenzieren.
Das passiert jedoch nicht. Lag die letzte öffentliche Bekanntage des Allgemeinen Preises im Dezember 2009 und sind seit dem die Kosten bis einschließlich September 2010 gestiegen, dann wird der Grundversorger den Allgemeinen Preis auch gegenüber denjenigen grundversorgten Kunden erhöhen, die den Vertrag erst nach dem Eintritt entsprechender Kostensteigerungen abgeschlossen hatten und sich von diesen nicht an einem vertraglich vereinbarten Preis festhalten lassen wollen, was er nach Ihrer Lesart aber wohl müsste.
Das Gesetz fordert ausdrücklich Allgemeine Preise der Grundversorgung, was individuelle Preisvereinbarungen in diesem Bereich ausschließt.
--- Zitat ---BGH VIII ZR 36/06 Rn. 17
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber den Gasversorgungsunternehmen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein an kein Ermessen gebundenes freies Preisbestimmungsrecht einräumen wollte. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben (so aber Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung, Kommentar, Stand 2003, E § 4 Absatz 2 d). Allgemeine, für jedermann geltende Tarife schließen eine Billigkeitsprüfung gemäß § 315 BGB nicht von vornherein aus. Zwar ist richtig, dass es bei der Bestimmung der Billigkeit auf die Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks ankommt (Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183, unter III 1). Die Berücksichtigung der typischen
Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks sind aber auch bei einem Massengeschäft möglich (vgl. BGHZ 115, 311 zu Abwasserentgelten und BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 zur Abfallentsorgung).
--- Ende Zitat ---
Eine entsprechende Preisspaltung (welche konkret vertragsindividuelle Preiskalkulationen voraussetzt) praktiziert kein einziger Grundversorger.
Es ist auch nicht ersichtlich, wie dies in der Praxis überhaupt umgesetzt werden könnte und sollte.
Black:
Da der Versorger seine allg. Tarife nicht spalten kann, müßte er unter praktischen Erwägungen die Absenkung auch für den Neukunden vornehmen. Nur kann sich der Neukunde darauf nicht berufen, da er darauf keinen eigenen Anspruch hat.
RR-E-ft:
@Black
Na und spiegelbildlich andersherum?
Erhöhung des Allgemeinen Preises nach Vertragsabschluss wegen Kostensteigerungen, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten waren.
Da hat dann der Grundversorger gegenüber entsprechenden Neukunden in der Grundversorgung auch keinen Anspruch darauf bzw. kann sich nicht darauf berufen, weil er den Preis vertraglich vereinbart hatte?
--- Zitat ---BGH VIII ZR 36/06 Rn. 22:
Durch Preiserhöhungen wegen gestiegener Bezugskosten nimmt das Gasversorgungsunternehmen sein berechtigtes Interesse wahr, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (Begründung zu § 4 AVBGasV, BR-Drs. 77/79, S. 38; vgl. auch BGHZ 97, 212, 222 f.). § 4 Abs. 2 AVBGasV beruht insoweit auf den gleichen Erwägungen, mit denen die Wirksamkeit von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Kostenelementeklauseln bei anderen langfristigen Lieferverträgen begründet wird. Für diese ist anerkannt, dass sie ein geeignetes und zulässiges Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung darstellen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostensteigerungen bereits bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, unter II 2; Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 2 m.w.N.).
--- Ende Zitat ---
Und deshalb doch (auf Dauer) Preisspaltung?
Was dem einen Teil recht ist, sollte dem anderen Teil wohl billig sein (müsen).
Ist es nicht doch eher so, dass alle grundversorgten Kunden gem. §§ 36, 2, 1 EnWG nur Anspruch auf die Belieferung zu den vom Grundversorger durch öffentliche Bekanntgabe einseitig festgelegten Allgemeinen Preisen haben, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind?
Der Anspruch der grundversorgten Kunden kann nicht weiter reichen als die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers.
--- Zitat --- BGH VIII ZR 225/07 Rn. 16:
Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat --- BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20:
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.
--- Ende Zitat ---
Deshalb stellt sich m.E. immer die Frage, ob die vom Grundversorger einseitig festgelegten und sodann öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preise entsprechend gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG der Billigkeit entsprechen, was für alle betroffenen Kunden unabhängig vom individuellen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gleichermaßen zu beurteilen ist, weil individuelle Betrachtungen dabei von vornherein ausgeschlossen sein müssen, da auch die gerichtlich zu überprüfende Tarifkalkulation und darauf gründende Tarifbestimmung schon nicht individuell erfolgt, die vom Grundversorger öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preise vielmehr nach der gesetzlichen Regelung für alle grundversorgten Haushaltskunden gleichermaßen gelten sollen.
Jede andere Betrachtung führt wohl zwangsläufig zu einer dauerhaften Preisspaltung, spätestens wenn sich grundversorgte Kunden gegen eine erfolgte einseitige Tariffestsetzung über § 315 BGB zur Wehr setzen und eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB getroffen wird (BGH VIII ZR 314/07 Rn. 34).
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Und deshalb doch (auf Dauer) Preisspaltung?
Was dem einen Teil recht ist, sollte dem anderen Teil wohl billig sein (müsen).
Ist es nicht doch eher so, dass alle grundversorgten Kunden gem. §§ 36, 2, 1 EnWG nur Anspruch auf die Belieferung zu den vom Grundversorger durch öffentliche Bekanntgabe einseitig festgelegten Allgemeinen Preisen haben, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind?
--- Ende Zitat ---
Das Problem der Aufspaltung haben Sie doch schon, wenn Kunde A einem tatsächlich unbilligen Preis rechtzeitig widerspricht und Kunde B ihn unbeanstandet hinnimmt. Nach der Rechtsprechung des BGH gäbe es dann verschiedene angemessene Preise je nach Kunde (trotz gleichem Tarif).
Es war der BGH, der sich für eine individualisierte Betrachtung entschieden hat.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von Black
Es war der BGH, der sich für eine individualisierte Betrachtung entschieden hat.
--- Ende Zitat ---
Es war der VIII. Zivilsenat des BGH, der sich dafür entschieden hat, weil die gerichtliche Billigkeitskontrolle dadurch verkürzt werden kann. Damit mag zwar den Gerichten die Arbeit erleichtert werden.
Dem Grundversorger hilft es aber bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG nicht weiter und für die betroffenen grundversorgten Kunden ist es auch wenig hilfreich.
In der Praxis erweist sich mithin - wie zutreffend erkannt - die Untauglichkeit der zu Grunde liegenden Methode.
--- Zitat ---Original von Black
Das Problem der Aufspaltung haben Sie doch schon, wenn Kunde A einem tatsächlich unbilligen Preis rechtzeitig widerspricht und Kunde B ihn unbeanstandet hinnimmt. Nach der Rechtsprechung des BGH gäbe es dann verschiedene angemessene Preise je nach Kunde (trotz gleichem Tarif).
--- Ende Zitat ---
Es führt aber nicht nur zwangsläufig zu gesetzlich unzulässigen Preisspaltungen, sondern auch zu willkürlichen Zufallsergebnissen bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle der einseitigen Tariffestsetzung.
Und darauf hat der Kartellsenat des BGH in vergleichbarer Konstellation (unter Mitwirkung des jetzigen Vorsitzenden des VIII. Zivilsenats) zutreffend hingewiesen.
--- Zitat ---BGH KZR 36/04 Rn. 10
Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden. Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird.
Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.
--- Ende Zitat ---
Ersetzt man \"Netzbetreiber\" durch \"Grundversorger\" und \"Netznutzer\" durch \"grundversorgten Kunden\", so passt plötzlich wieder alles zu einander. Dann entspricht die gerichtliche Billigkeitskontrolle wieder dem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers in Bezug auf die Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die nach der gesetzlichen Regelung gem. §§ 36, 2 , 1 EnWG für alle grundversorgten Haushaltskunden eines Grundversorgers gleichermaßen Geltung beanspruchen sollen.
Diese Auffassung darf sich wohl als vom Kartellsenat des BGH bestätigt ansehen:
--- Zitat ---BGH KZR 29/06 Rn. 20:
Der jeweilige Netzbetreiber ist hiernach gehalten, nach Art eines Tarifs
allgemeine Preise zu bilden, die den in vergleichbaren Fällen tatsächlich oder kalkulatorisch angesetzten internen Leistungsentgelten entsprechen und in den Verträgen mit externen Netznutzern nur unter-, aber nicht überschritten werden dürfen, wobei regelmäßig wegen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch eine Unterschreitung im Einzelfall ausscheidet.
Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.
--- Ende Zitat ---
Der Kartellsenat des BGH stellt dabei nochmals deutlich die Parallelen zum gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht der Netzbetreiber in Bezug auf die Netznutzungsentgelte gem. § 6 EnWG 1998 zum gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht gegenüber Tarifkunden gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 in Bezug auf die Allgemeinen Tarifpreise heraus.
Bemerkenswerter Weise fehlt es bisher in der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zur Billigkeitskontrolle Allgemeiner Tarifpreise an einer wohl notwendigen Abgrenzung zu dieser überzeugenden Entscheidung des Kartellsenats des BGH KZR 36/04. Eine überzeugende Abgrenzung dürfte wohl auch schwer fallen.
Es ist nicht nur ein Gebot der Logik, sondern auch der Fairniss gegenüber dem gesetzlich leistungsbestimmungsberechtigten und - verpflichteten Grundversorger:
Wenn der Grundversorger bei seiner einseitigen Leistungsbestimmung nach der gesetzlichen Regelung nicht auf eine individualisierte Betrachtung abstellen kann und darf, dann kann und darf auch ein Gericht, welches dessen Ermessensausübung danach entsprechend der gesetzlichen Regelung auf seine Billigkeit hin zu kontrollieren hat, nicht auf eine individuelle Betrachtung abstellen, weil sonst Prüfungsgegenstand und Prüfungsumfang nicht kongruent sind und es allein deshalb aus methodischen Gründen nicht zu einem zutreffenden Prüfungsergebnis kommen kann.
Der Prüfer darf nicht einen anderen Maßstab anlegen als derjenige, dessen Arbeit überprüft werden soll.
Schließlich lässt sich auch mit einem Winkel schlecht die Einhaltung eines Längenmaßes kontrollieren bzw. mit einer Wasserwaage ein bestimmtes Bogenmaß oder mit einem Gliedermaßstab (Zollstock) eine bestimmte elektrische Spannung.
Mehr lässt sich wohl dazu nicht sagen.
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