Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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bolli:

--- Zitat ---Original von Jagni
 fällt es mir schwer, das zu preisen, was der BGH uns rübergeschoben hat aus dem Tarifrecht der Grundversorgung: Die Billigkeitskontrolle mit dem hohen Gerechtigkeitsgehalt, als, wie Sie sagen, „letztendlich ...  doch wohl die einzige halbwegs faire Möglichkeit, zu angemessenen Preisen aus beider Seiten Sicht zu gelangen.“
...

Mit Relativierungen, wie „halbwegs“ mag ich mich aber nicht zufrieden geben. Und eine Hilfskrücke, die ein paar Euro beschert, ist die Klauselkontrolle schon gar nicht.
Oder habe ich Sie damit falsch verstanden? Es geht hier eben nicht um ein paar Euro!  Die Sache hat einen anderen Anstrich.
--- Ende Zitat ---

Zunächst einmal ist festzustellen, dass ich die Inhaltskontrolle der AGB-Richtlinien deshalb als \"Hilfskrücke\" bezeichnet habe, weil die Mehrheit der Verbraucher vor allem \"aus ihrer Sicht angemessene Preise\" haben möchte. Wie der im einzelnen aussieht oder aussehen müsste, können sicherlich mehr als 90% der Verbraucher nicht GENAU bestimmen. Sie haben nur in den letzten Jahren anhand verschiedener Faktoren und Informationen das GEFÜHL entwickelt, dass die Versorger sie \"über den Tisch ziehen\" (wenn z.B. die Preise an der Energiebörse fallen, gelcihzeitig aber die Versorger umständlich darlegen, warum sie LEIDER  8) trotzdem die Preise erhöhen mussten). Daraufhin hat man erst massenhaft angefangen sich zu wehren und dieses Wehren zunächst auf §1 EnWG, GasGVV und §315 BGB bezogen. Das war so ab 2004. Erst Ende 2008 hat der BGH den Sondervertragskunden unter diesen Protestlern (und das war der deutlich größte Anteil) die Tür über §307 BGB geöffnet. Da hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt kaum einer Gedanken drüber gemacht (selbst die Anwaltschaft nur begrenzt) und es hatte ja auch nichts mit einem angemessenen Preis zu tun sondern eröffnete nur den Weg, die bisherigen Preissteigerungen wegen möglicherweise unwirksamen oder nicht wirksam einbezogenen Preisanpassungsklauseln \"umgehen\" zu können. Das dabei ein Vertragsanfangspreis von 1978 heute genausowenig angemessen ist wie die heutigen Energiepreise der Versorger, versteht sich aus meiner Sicht von selbst. Aber da ich als Sondervertragskunde kein anderes Recht als das mir vom BGH eingeräumte habe und andererseits aufgrund Verjährungsregeln möglicherweise nicht alle zu viel gezahlten Forderungen aus dem Vertrag zurückgefordert werden können, hab ich zunächst mal kein Problem damit, solche Maximalforderungen (Preis von 1978 ) zurückzufordern . Freiwillig zahlen die Versorger ja zu 99,9% eh nichts zurück, auch nicht andere ungerechtfertigte Bereicherungen.
Aber nochmal gesagt: Ein gerechter Preis dürfte weder der eine noch der andere sein.

Das Wort \"halbwegs\" benutze ich deshalb im Rahmen der Billigkeitskontrolle, weil ich davon ausgehe, dass auch bei Offenlegung von Kosten und Preisen immer noch Diskusssionen bestehen werden, welche Kosten bzw. Einbeziehungen gerechtfertigt sind und welche nicht. Hier gibt es Spielräume, die der individuellen Beurteilung, im Zweifel der Gerichte, unterliegen und die sicherlich nicht immer das positive Echo beider Parteien finden werden.


--- Zitat ---Original von Jagni
Würde unsere oberste Gerichtsbarkeit dem Versorgerlager den Weg gewiesen haben, „selbst“ eine im Rahmen der Vertragsfreiheit gestaltete Preisklausel, die der Inhaltskontrolle standhält, in die Energiewelt zu bringen, dann würde diese wirksame Klausel in allen Unternehmen des Versorgerlagers unmittelbare Auswirkungen in den Unternehmensstrukturen zeigen, vom Vertrieb, über den Einkauf, das Controlling bis in die Kostenrechnungssystematik hinein. Sie wäre ein präventiver Schutz.  Die Rechtsfolgen daraus würden sich unmittelbar von der Klausel selbst ableiten.
So wäre auch dem im  § 1 des EnWG festgezurrten Willen des Gesetzgebers beizukommen.
--- Ende Zitat ---
Na, dass dürfte aber wohl Ihrem Wunschdenken entsprechen. Ohne eine halbwegs fundierte Ausbildung und umfangreichem Zahlenmaterial des Versorgers dürfte es Ihnen schlechterdings kaum möglich sein, die Einhaltung dieser \"sauberen\" Preisanpassungskausel zu überprüfen bzw. diese nachzuvollziehen. Da dürfte tatsächlich ne Menge an Zahlen in den Bereich der Geschäftsgeheimnisse fallen, auch wenn es um Daseinsvorsorge geht.
Ich verweise in diesem Zusammenhang nur mal auf das Informationsrecht  gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz und die Tatsache, dass der Staat an einigen Stellen, auch solchen zur Daseinsvorsorge, ganz massiv mit der Informationsherausgabe \"mauert\" und sich auf Geheimhaltungsvorschriften beruft. Das dürfte privaten Anbietern wie den Versorgern nicht anders ergehen.


--- Zitat ---Original von Jagni
Wenn Sie, bolli, sagen, dass wir „wenn überhaupt....,nur noch über die Billigkeitsprüfung zu angemessenen Preisen kommen“, dann will ich in dem Zusammenhang aber doch noch auf einen anderen Weg hinweisen, der eher Breitenwirkung erzielen kann: Wir dürfen nicht den massenhaften Versorgerwechsel hin zu dem günstigeren und kundenorientierten Versorger übersehen, mit dem die Verbraucher sich zwar nicht den fairen, auch nicht den angemessenen, aber den wettbewerbsfähigen Preis erarbeiten können. „Erarbeiten“ sage ich, er wird uns nicht zufliegen. Sicher kann man anzweifeln, dass es ihn gibt – diesen kundenorientierten Versorger. Aber mit diesem Zweifeln wird auch gleichzeitig verhindert, dass es ihn geben kann. Und auf die Frage: „Wann? „ folgt die Antwort: „ .... eben dann, wenn wir Verbraucher ihn uns erarbeitet haben“. Blicken wir, nur mal als Beispiel,  auf den Strompreis bei den Genossenschaften!
--- Ende Zitat ---

Auch hier sehe ich die derzeitige Situation deutlich pessimistischer als Sie:
Aus meiner Sicht handelt es sich im wesentlichen um einen Pseudowettbewerb. Natürlich kann ich von Versorger A zu Versorger B wechseln, der 1,5 ct preiswerter ist, aber

1.) bezieht auch dieser Versorger B sein Gas über den Großversorger C. Und hier gibt es nur eine handvoll Großimporteure, die zunächst einmal ihren Grundlieferpreis festlegen. Dieser muss nicht identisch mit dem Handelspreis sein, wie derzeit eine Menge Verträge der Versorger zeigen (oder zumindest behaupten die Versorger dieses) und

2.) gibt es nur wenige Versorger, die noch den ehrenhaften Vorgaben des § 1 EnWG genügen wollen, und nur bescheidene (angemessene) Preise nehmen. Die allergrößte Anzahl agiert nachg dem Gewinnmaximierungsprinzip. Und dieses veranlasst die Wettbewerbsteilnehmer, sich auf einem möglichst hohen Niveau einzupendeln.

Wenn Sie sich mal den Mineralölmarkt anschauen, können Sie gut erkennen, wie der Markt funktioniert, nämlich garnicht. Die Großkonzerne wechseln sich bei ihren Preiserhöhungen wie zufällig ab, die freien Tankstellen bleiben, wie zufällig, einen Cent unter diesem Preis und die Preise gehen regelmäßig rauf und runter. Ein System, welches einen Zusammenhang mit Handelspreisen von irgendwelchen beteiligten Gütern (Öl, Leichtöl oder wsa auch immer) nahelegen würde, ist kaum zu erkennen. Eher schon ein System, z.B. Preise zu erhöhen, wenn viele Leute Auto fahren (z.B. zu Ferienbeginn oder zum Wochenende). Klar liegt auf dem Benzinpreis eine hohe Abgabenlast, aber eben diese ist langfristig konstant und erklärt eben nicht die Preisschwankungen.

Auch im Strombereich, wo der Wettbewerb ja schon ein paar Jahre länger existiert, kommen keine deutlich geringeren Preise zustande, trotz Tiefstständen an der Börse und deutlich geringeren Bezugspreisen in anderen Ländern, die abgesehen von den Steueranteilen zeigen, dass der Strom auch preisgünstiger sein könnte.

Dazu kommt, dass, wie tangocharly schon ausführte, der Wechsel nicht ganz so einfach ist, wie manchmal dargestellt. TROTZ zahlreicher rechtlicher Rahmenbedingungen, die den Wechsel vereinfachen sollen, gibt es noch zahlreiche Fälle, in denen den Verbrauchern Knüppel in die Beine geworfen werden, und wo den Betroffenen, oft trotz anwaltlicher Hilfe, nur langsam und zeitaufwändig zu ihrem Recht verholfen werden kann. Da ist ne Menge Enthusiasmus gefragt, den aber nicht alle in diesem Maße aufbringen, was ich durchaus verstehen kann.

Wer mal einen \"einfachen Wechsel seines Telefonanbieters (mit DSL-Anschluss)\" vornehmen wollte, zwischen die Anbieterfronten geraten ist und sich anschließend \"über einige telefonfreie Wochen oder gar Monate freuen\" konnte, wird dieses für den Energieversorgungsbereich nicht unbedingt anstreben und lieber klein bei geben.

Sicher ist da mit einstweiligen Verfügungen, Beschwerden und anderem auch beizukommen aber nicht jeder braucht das. Der Arbeitstag ist auch so genug ausgefüllt.

RR-E-ft:
Die mit Sonderverträgen angebotenen Preise sind regelmäßig günstiger als die Allgemeinen Tarife, die ungünstiger kalkuliert sein müssen (KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 O 160/06).
Dies gründet bei Gaslieferverträgen schon darauf, dass die in die Preise einzukalkulierenden Konzessionsabgaben deutlich geringer ausfallen.

Der dabei bei Vertragsabschluss vom Lieferanten  im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotene und vereinbarte Preis unterliegt keiner Billigkeitskontrolle.

Ob der Preis in einem Sondervertrag nachträglich abgeändert werden kann und muss, richtet sich danach ob überhaupt eine Preisänderungsklausel einbezogen wurde und ob diese Klausel wirksam ist.
Ist dies nicht der Fall, gilt nach allgemeinem Vertragsrecht der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis bis zur Vertragsbeendigung durch ordnungsgemäße Kündigung fort.

Diese Frage hat ganz offensichtlich weder etwas mit der Frage von Wettbewerb noch mit der Frage der Angemessenheit der Preise zu tun.

Der Gesetzgeber hat den Grundversorgern in Bezug auf die Allgemeinen Tarife ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt und sie zugleich zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas verpflichtet und ihnen aufgegeben, die von ihnen in Erfüllung des gesetzlichen Rechts zur Preisbestimmung und der gesetzlichen Verpflichtung zur Preisbestimmung, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, §§ 36, 2, 1 EnWG.

Gedankliche Voraussetzung für die öffentliche Bekanntgabe solcher Allgemeinen Preise ist zuvor deren einseitige Festlegung durch den Grundversorger. Sie sind demnach wohl per se weder Ergebnis von Preisverhandlungen zwischen Versorger und Kunden noch einer Marktpreisbildung durch Wettbewerb, sondern Ergebnis einer besonderen kostenbasierten Preiskalkulation des Grundversorgers. Der Grundversorger muss entsprechend gesetzlicher Verpflichtung den Allgemeinen Preis der Grundversorgung insbesondere auch dann kostenorientiert kalkulieren, wenn Wettbewerber gar nicht vorhanden sind.

Der Gesetzgeber hat sowohl das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers hinsichtlich der Preise für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht als auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle dergestalt einseitig bestimmter Preise für Elektrizität und Gas ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung. Allgemeine Tarife sind (wohl von Anfang an) gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

bolli:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Der Gesetzgeber hat sowohl das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers hinsichtlich der Preise für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht als auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle dergestalt einseitig bestimmter Preise für Elektrizität und Gas ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung. Allgemeine Tarife sind (wohl von Anfang an) gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
--- Ende Zitat ---
Nur mit Billigkeitseinwand darf man sie nach der Interpretation des VIII. Senats des BGH nicht angreifen. Das dürfte wohl keinen Sinn machen. Ich kann in besagtem Urteil bei Rd. 18 allerdings auch die Verpflichtung (=von Anfang an) zu Beginn nicht erkennen. Da ist nämlich von Preisänderungsrecht und Tarifanpassungsrecht die Rede was im Sprachgebrauch des VIII. Senats eben nicht gleich \"allgemeine Preise\"  oder \"Tarifpreise\" bedeutet.

RR-E-ft:
Nicht erst laut BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18  besteht auch eine Pflicht zur Tarifanpassung, wenn diese den Kunden günstig ist (zu deutsch: Tarifabsenkung).

Diese gesetzliche Verpflichtung besteht von Anfang an.
(Von welchem Zeitpunkt aus gesehen denn auch sonst?).


--- Zitat ---Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009- VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).
--- Ende Zitat ---

Das kann insbesondere auch eine Pflicht zur Absenkung unter das bei Vertragsabschluss geltende Preisniveau beinhalten.

Der Grundversorger kann bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Anpassung zugunsten der Kunden verpflichtet sein, nämlich dann, wenn seit der letzten Tarifveröffentlichung die Kosten der konkret preisbildenden Kostenfaktoren des Allgemeinen Preises  gesunken sind.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Der Grundversorger kann bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Anpassung zugunsten der Kunden verpflichtet sein, nämlich dann, wenn seit der letzten Tarifveröffentlichung die Kosten der konkret preisbildenden Kostenfaktoren gesunken sind.
--- Ende Zitat ---

Bei Vetragsschluss mag diese Verpflichtung gegenüber schon bestehenden \"Altkunden\" bestehen. Der aktuell abschließende Kunde kann sich nach der Sockelthorie aber darauf nicht berufen.

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