Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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RR-E-ft:
@tangocharly

Die Preisbestimmungspflicht des Versorgers  kann entweder vertraglich vereinbart werden (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) oder sich aus einem Gesetz ergeben.

Eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht ergibt sich zB. aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.

Eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht gab es bereits zuvor im  EnWG, nämlich in

§ 6 Abs. 1 EnWG 1998,
§ 10 Abs. 1 EnWG 1998,
§ 6 Abs. 1 EnWiG 1935.

Besteht eine vertraglich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete Preisbestimmungspflicht und ist diese nicht weiter konkretisiert, so findet § 315 BGB  auf diese Anwendung (vgl. § 315 Abs. 1 HS 1 BGB).

§ 315 BGB statuiert nie eine Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils, sondern setzt eine solche vertraglich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils tatbestandlich voraus.

Deshalb ist es halbwegs absurd anzunehmen, die Leistungsbestimmungspflicht müsste sich aus § 315 BGB ergeben.

§ 315 Abs. 3 BGB regelt die Rechtsfolgen für den Fall, dass einen Vertragsteil eine Leistungsbestimmungspflicht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB trifft, welche  sich ihrerseits wiederum entweder aus Vertrag oder aus Gesetz ergeben kann.

Das ist auch dann der Fall, wenn die vertragliche Preishauptabrede in der Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils besteht (so schon Mugdan Motive zum BGB).  


--- Zitat ---Derjenige Kontrahent, dem hiernach die Bestimmung der Leistung anheimgegeben worden, ist dazu durch den Vertrag verpflichtet. Als vertragliche Erklärung und im Sinne des Vertrages ist die Bestimmung, wenn sie dem anderen Theile gegenüber erklärt ist, getroffen und damit unwiderruflich (§ 315 Abs. 2). Auf die Erklärung finden im Uebrigen die allgemeinen Bestimmungen über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen Anwendung.
--- Ende Zitat ---

In der Grundversorgung besteht die vertragliche Preishauptabrede in der (gesetzlichen und vertraglich implementierten) Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers. Und deshalb besteht in der Grundversorgung auch die gesetzliche  Verpflichtung des Versorgers zur Preisbestimmung zugunsten der Kunden (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].


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superhaase:

--- Zitat ---Original von tangocharly
Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".
--- Ende Zitat ---
Sicher ist in §315 BGB nicht begründet, warum einen Energieversorger eine Preisbestimmungspflicht trifft.
Dies ergibt sich wohl offensichtlich aus anderen Gesetzen oder Vorschriften, oder auch aus Verträgen (vielleicht auch einfach implizit).

Es ist aber sicher nicht richtig, zu sagen, in §315 BGB wäre von einem willkürlichen Recht zur Preisbestimmung durch eine Partei die Rede.
§315 BGB sagt in Satz 1:

--- Zitat ---Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
--- Ende Zitat ---
Das setzt m.E. durch das Wort \"soll\" schon eine Preisbestimmungspflicht voraus. Ansonsten stünde da wohl \"darf\".

ciao,
sh

RR-E-ft:
Die Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vertraglich vereinbart haben, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss die Leistung (vorliegend den zu zahlenden Preis) bestimmen soll (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). § 315 BGB findet zudem auch dann unmittelbare Anwendung, wenn sich die Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils aus dem Gesetz ergibt (BGH KZR 36/04, KZR 29/06 Rn. 19 f.).

Die Anwendung des § 315 BGB setzt bereits tatbestandlich immer eine Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils voraus.
Eine solche Leistungsbestimmungspflicht kann sich auch auf das vertraglich zu zahlende Entgelt (den Preis) beziehen.
Eine solche Leistungsbestimmungspflicht des Versorgers zugunsten der Kunden ist in der Grundversorgung (und nur dort) gesetzlich angeordnet (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Black:
In der aktuellen \"Versorgungswirtschaft\" (Heft 3/2011, S. 66) ist ein Aufsatz von RA Brändle, der sich mit dem Ausschluss der Billigkeitskontrolle in Zeiten des Wettbewerbes beschäftigt.

Dort werden mehrere aktuelle Entscheidungen erläutert, die eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB generell ablehnen:

- LG Offenburg 15.10.2010, 5 O 83/08
- LG Frankenthal 15.06.2009, 2 HK O 34/09
- LG Münster 13.07.2010, 6 S 70/09
- LG Frankenthal 10.09.2009, 2 HK O 90/09
- AG Lübeck, 17.11.2009, 29 C 3561/09

RR-E-ft:
@Black

Der Aufsatz von Brändle.

Erläuterungsbedürftig sind die genannten Entscheidungen bei Lichte betrachtet allemal, weil sie mit der materiellen Rechtslage vollkommen unvereinbar sind.

Brändle hat sich wohl insbesondere nicht mit der rechtskräftigen Entscheidung des OLG Stuttgart vom 30.12.2010 Az. 2 U 94/10 auseinandergesetzt, die wiederum auf der jüngsten Rechtsprechung des BGH gründet. Das OLG Stuutgart arbeitet dabei überzeugend heraus, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH (VIII ZR 56/08 Rn. 29, 36) die Billigkeitskontrolle Teil der gesetzlichen Regelung ist, gerade auch dann, wenn der betroffene Kunde die Möglichkeit hat, den Lieferanten zu wechseln.

Dies wird - nicht zuletzt - auch bestätigt durch BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 29, 41 f., womöglich ebenfalls an Brändle vorbeigegangen.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers kann nicht ausgeschlossen werden, ebenso wie dessen Recht, die Preise im laufenden Vertragsverhältnis einseitig neu zu bestimmen.

Das bestehende gesetzliche Recht und die bestehende  gesetzliche Pflicht zur Preisbestimmung werden durch Wettbewerb in keiner Weise tangiert.

Bemerkenswert ist doch, dass die Entscheidung BGH VIII ZR 36/06 bereits darauf abstellt, dass der Gasversorger in einem Wettbewerb steht, der BGH dabei jedoch zutreffend festgestellt hat, dass dies für die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB keine Relevanz hat.

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB wäre nur dann ausgeschlossen, wenn es kein Preisänderungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB und keine gesetzliche Verpflichtung zur Preisbestimmung zugunsten der Kunden mehr gäbe.

Dass dies jedoch der Fall wäre, wird - soweit ersichtlich - von niemandem ernsthaft oder ernstzunehmend behauptet/ vertreten.



Die \"Versorgungswirtschaft\" ist dafür bekannt, dass sie klientelbedingt eher sich selbstgefällige Exotenmeinungen publiziert.
Meiner Meinung nach ist das Geld für ein Abo dieses \"Fachorgans\" deshalb auch schlicht \"aus dem Fenster geworfen\".
Deshalb beziehe auch ich sie nicht.

Auch der genannte Aufsatz von Brändle geht derart an der materiellen Rechtslage und der jüngeren obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbei, dass ich ihn für wissenschaftlich mangelhaft und  nicht zitierwürdig halte.

Zusammengetragen und unkritisch besprochen wurde von Brändle bei Lichte betrachtet lediglich  unvertretbare/ nicht haltbare  Rechtsprechung einzelner Instanzgerichte. M. E. nicht weiter diskussionswürdig.

Bei Lichte betrachtet unterliegen die Gasversorger vor Gericht oftmals nicht erst wegen der Billigkeitsfrage, sondern schon allein deshalb, weil es im konkreten Vertragsverhältnis an einer Preisbestimmungspflicht und einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 BGB fehlt (vgl. nur BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 f.), so dass schon die Voraussetzungen für eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitiger Preisbestimmungen schon nicht vorliegen (BGH VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08; OLG Oldenburg Az. 6 U 164/09; OLG Dresden Az. 9 U 93/10).

Dieser entscheidende Aspekt aus der Praxis  wird auch von Brändle vollkommen ausgeblendet.

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