Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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RR-E-ft:
Das mag an zu kurzen Armen liegen. ;)

In BGH VIII ZR 36/06 stand der Gasversorger (angeblich) in einem Wettbewerb.

Gleichwohl kam der BGH zutreffend zu dem Ergebnis, dass § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.

Was der BGH jedoch auch in  jener Entscheidung VIII ZR 36/06 nicht beachtet hatte, war der Umstand, dass nach den gesetzlichen Regelungen des EnWG über die Preisbestimmungspflicht einzelne  Preisvereinbarungen mit Einzelkunden in diesem Bereich unzulässig und ausgeschlossen sind.

Schließlich ist der aufgrund der Preisbestimmungspflicht vom Versorger einseitig festgesetzte Preis von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, so dass es auch keine vereinbarte Preisuntergrenze geben kann, gerade weil die Preisbestimmungspflicht auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkung nach Vertragsabschluss beinhaltet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Das hatte ich weiter oben detailiert dargelegt.

Zudem hat der BGH etwa in den Entscheidungen VIII ZR 56/08 und VIII ZR 246/08 zutreffend ausgeführt, dass in der Grundversorgung die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB auch dann Anwendung findet, wenn der Kunde die Möglichkeit hat, den Lieferanten zu wechseln, sprich wenn ein Wettbewerb zwischen mehreren Lieferanten besteht.

Dass dies von Gerichten zuweilen verkannt wird, kann auch daran liegen, dass man es ihnen nicht richtig erklärt hatte.

Juris novit curia scheint in diesem Bereich leider nicht zu gelten.
Die Gerichte kennen das materielle  Recht nicht, weil sie sich mit den rechtlichen Bestimmungen des EnWG bisher viel zu wenig befasst haben.
Man muss es ihnen deshalb erklären.

Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)

Wenn eine Diskussion bereits einen gewissen Stand erreicht hatte, macht es wohl wenig Sinn, dann wieder im Urschleim zu graben.

tangocharly:
Die BGH-Rspr. des VIII. Senats zu § 315 BGB weist zwei gravierende Bruchstellen auf:

(1) die Implikation einer Vereinbarung zwischen Versorger und Abnehmer.
Wie sich nunmehr in vielen Fällen gezeigt und bestätigt hat, erfolgt eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien des Versorgungsvertrages i.S.v. § 36 EnWG, lediglich auf die Anwendung des Tarifs. Dies und nicht mehr gibt der Wortlaut gem. § 36 Abs. 1 EnWG her.
Ändert sich \"der\" Tarif während der Folgezeit, dann spezifiziert sich der in der Abrechung vorgetragene Preis auf der Grundlage der Jahresschlußrechnung.

(2) die Notwendigkeit eines Widerspruchs gegen die Preisbestimmung.
Der Unbilligkeitseinwand ist rechtstechnisch als Einrede gestaltet. Seine Beachtlichkeit darf sich demnach auch - und erst - im Prozeß des Versorgungsunternehmens ergeben. Weder ergibt sich aus § 315 BGB eine Frist für die Geltendmachung, noch überhaupt eine Pflicht hierzu, dann wenn der Versorger eine Schlußrechnung zustellt. Verwirkungskriterien kommen, wie der Kartellsenat erst Ende des vergangenen Jahres bestätigt hat, angesichts der modifizierten verkürzten Verjährungsbestimmungen, nur noch ganz ausnahmsweise in Betracht.

Diese Sollbruchstellen stellen eine - verhängnisvolle - Verquickung von Annahmen, Unterstellungen und Fiktionen des VIII. BGH-Senats dar, für die es keine Grundlage in den energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen gibt.

Nachdem mit dem EnWG gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Bundesrecht umzusetzen waren, nagt hierbei weniger der bundesdeutsche Gesetzgeber, als mehr der BGH an der Gemeinschaftstreue unseres Landes.

jroettges:
Anhang 1 der Erdgasbinnenmarktrichtlinie


--- Zitat ---Nachdem mit dem EnWG gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Bundesrecht umzusetzen waren, nagt hierbei weniger der bundesdeutsche Gesetzgeber, als mehr der BGH an der Gemeinschaftstreue unseres Landes.
--- Ende Zitat ---

@tangocharly  - Eine Zwölf!

Man beachte besonders, was da (siehe Link) in Ziffer f) im Hinblick auf den Anspruch der Kunden auf \"transparente,  einfache und  kostengünstige Verfahren  zur Behandlung  ihrer Beschwerden\" gefordert ist.

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat den Kunden in der Grundversorgung lediglich den Weg über eine Unbilligkeitseinrede nach BGB §315 (Welcher weitblickende Mensch hat das Paragraphenzeichen auf die Taste 3 gelegt?) gewiesen, gepflastert mit den Risiken eines teuren Gutachtens und der absurden Situation, ein solches nur über ein Gerichtsverfahren anzetteln zu können.

Wo sind die Verfahren  \" ... zur  außergerichtlichen  Einigung\" die \" ...eine gerechte und  zügige Beilegung  von  Streitfällen,  vorzugsweise innerhalb  von drei Monaten  ermöglichen und  für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem\" vorsehen ???

In der Versorgung außerhalb der Grundversorgung hat die Politik jahrelang zu dem Versuch der Versorgungswirtschaft geschwiegen, sich aus der Belieferungspflicht von Grundversorgern ergebenden Pflicht zur Bestimmung \"allgemeiner Bedingungen und Preise\" ein Recht zur einseitigen Preisanpassung zu stricken. Der BGH hat dazu auch noch mit großem Gewürge eine abenteuerliche Rechtkonstruktion gezimmert, an deren Tragfähigkeit ihm nun aber selbst späte Zweifel gekommen sind, nachdem das OLG Oldenburg schon beim EuGH nachgefragt hat.

Den Kunden außerhalb der Grundversorgung bleibt seit Mitte 2009 an den meisten Standorten der Wechsel zu einem anderen Anbieter. Vorher waren sie auf die Platzhirsche angewiesen, die sich dabei Milliardengewinne unter die Nägel gerissen haben. Wenn jetzt in 2011 die Versorger davon etliches zurückzahlen müssen, ist das nicht mehr als recht.

Man kann nur hoffen, dass der EuGH da genau hinschaut und klare Worte zugunsten der Verbraucher findet.

RR-E-ft:
@jroettges

Sie kommen hier wieder mit den Sonderverträgen. :rolleyes:
Weshalb eigentlich?

Dass ein im Rahmen der Vertragsfreiheit bei Abschluss eines Sondervertrages feststehend vereinbarter Preis keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist in der Rechtsprechung geklärt und wird auch nicht in Zweifel gezogen.

In den im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Sonderverträgen  besteht keine gesetzliche Preisbestimmungspflicht wie die der Grundversorger gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.
Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen sind keine AGB und unterliegen deshalb weder der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, noch der EU- Klauselrichtlinie. Sie stehen auch im Übrigen nicht zur Kontrolle durch den EuGH, da es keinen entsprechenden Vorlagenbeschluss gibt. Die vorhandenen Vorlagenbeschlüsse beziehen sich - zutreffend - ausschließlich auf die richterliche Auslegung zu Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen.

tangocharly:
Das Monstrum der \"Preisbestimmungspflicht\" geistert durch die Landschaft. Keiner weiß so richtig bescheid, wo sich seine Rechtsgrundlage befindet.

Dass ein \"Preisbestimmungsrecht\" als solches natürlich auch seiner Rechtsgrundlage bedarf, ist klar. Das soll hier auch nicht weiter vertieft werden. Lediglich eines soweit: Der Rechtsträger des Bestimmungsrechts hat einen Anspruch darauf, hierzu einseitig tätig werden zu dürfen. Dass auf dieses Bestimmungsrecht § 315 BGB Anwendung findet, ist ebenso klar. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt sich hierbei ja ständig und seit Jahren.

Dass nun eine \"Preisbestimmungspflicht\" eben auch einer Rechtsgrundlage bedarf, ist (m.E.) auch klar.

Keiner hat bislang diese Rechtsfrage so richtig schlüssig begründet. Auch in der Rechtsprechung des BGH hat man so seine Mühe, eine klare und aussagekräftige Grundlage hierfür zu finden. Der Anschein einer gewissen Nebulosität drängt sich immer wieder auf.

Es stellt sich die Frage, ob dann, wenn man dieses Rad drehen muß, ohne Rückgriff auf die energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen auskommen kann.

Betrachtet man die  Entscheidungen einiger Tatsacheninstanzen, die sich mit der funktionalen Zuständigkeit auseinander setzen müssen, dann entsteht der Eindruck, dass dies nicht der Fall ist.

Denn der (Klage-) Anspruch ergäbe sich - deren Auffassung nach - eben nur aus § 433 Abs. 2 und § 315 BGB. Schön, wenn dem so sein sollte, dann müßte die Rechtsgrundlage für die \"Preisbestimmungspflicht\" auch in § 315 BGB angesiedelt sein. Darüber besteht schließlich - soweit ersichtlich - kein Streit, dass die Preise gesenkt werden müssen, wenn sich der Vertriebs- und Bezugsaufwand zu Gunsten des Abnehmers entwickelt hat.

Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".

Wenn aber im § 315 BGB eine \"Bestimmungspflicht\" geregelt ist (unterstellt), dann ergibt sich folgende Situation:
(1) Der Bestimmungsberechtigte kommmt einer Pflicht nicht nach  
(2) Wer eine Pflicht zu erfüllen hat, ist Schuldner einer Leistung (§ 241 BGB)  
(3) Folglich wird die andere Vertragspartei, die diese Leistung erwarten darf, nun ihrerseits Gläubiger der ihr gegenüber stehenden Vertragspartei (Versorger - damit dies klar wird).
(4) Wenn der andere Vertragspartner (sil.: Abnehmer) einen Anspruch auf Leistungsbestimmung haben soll, dann benötigt er hierfür einer Grundlage.

Fände sich nun hierfür nichts als die Bestimmungen gem. § 315 BGB, so müßte die Grundlage für eine Bestimmungspflicht auch dort zu finden sein.

Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 12.12.2006, Az.: 6 Sa 913/06, in einer arbeitsrechtlichen Frage beschäftigt. Dabei wurde wie folgt argumentiert:


--- Zitat --- Tz 75
aa ) Zwar weist die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des dritten Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.08.2004, Az.: 3 AZR 367 / 03 ( = DB 2005 , 732) darauf hin , dass erst mit der Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes oder einer entsprechenden gerichtlichen Leistungsbestimmung der einzelne monatliche Anspruch auf Zahlung einer höheren betrieblichen Altersversorgung fällig wird . Die Beklagte ist aber mit der Anpassungsentscheidung als solcher in Verzug geraten . Der Bestimmungsberechtigte ist gegenüber dem Vertragspartner zur Leistungsbestimmung verpflichtet . Dies ist zwar in § 315 BGB anders als in § 375 Abs . 1 HGB nicht eigens ausgesprochen . Die Pflicht des Bestimmungsberechtigten zur Leistungsbestimmung wird damit aber nicht in Frage gestellt . Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht ist nur deswegen unterblieben , weil im Rahmen des § 315 BGB diese Pflicht mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung eine Sonderreglung erfahren hat . Hinter der damit eingeführten Gestaltungsklage steht aber notwendig ein subjektives Recht des Gläubigers auf die begehrte Leistungsbestimmung ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflage 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ). Derjenige , der die Leistungsbestimmung schuldet , kommt zwar nicht mit der Leistung , als solcher aber mit dem Bestimmungsakt in Schuldnerverzug . In diesem Fall rechnet zum Schadensersatz nach § 280 Abs . 2 BGB auch der Folgeschaden , der daraus resultiert , dass wegen der verzögerten Leistungsbestimmung auch die Leistung verspätetet erfolgt ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflagen 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ).
--- Ende Zitat ---


Folgt man dieser Argumentation, dann ist die Rechtsgrundlage für eine Bestimmungspflicht geortet, d.h. nämlich darin dass sich die \"Leistungsbestimmungspflicht im Rahmen des § 315 BGB mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung\" begründet.

Konsequenterweise müßte dann aber der Gläubiger des Bestimmungsanspruchs eine Ersatzleistungsbestimmung bei Gericht beantragen, wenn er eine (andere) Bestimmung sucht, als diejenige, welche der Versorger getroffen hat. Konkret bedeutete dies, dass der Abnehmer, wenn der Versorger eine Absenkung der Preise \"vergessen haben sollte\", seinerseits einen Gestaltungsantrag bei Gericht anzubringen hätte.

Dies wiederum könnte er aber nur - nach dem Wortlaut von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - erst dann, wenn das Gericht (zuvor) die Unbilligkeit der Preisbestimmung des Versorgers festgestellt hat.

Sobald der Abnehmer mit seinem Widerspruch gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auftritt, hat er den Versorger unter Schuldnerverzug gesetzt, jedenfalls dann und damit, wenn und dass die Absenkung der Preise \"vergessen worden sein\" sollte.

Dies zieht dann aber die nächste Frage nach sich, ob der Abnehmer nicht doch noch unter Klagezwang geraten kann, wenn er eine Absenkung, der Pflicht des Versorgers entsprechend, der Preise erzwingen will. Darin beißt sich dann aber die höchstrichterliche Rechtsprechung wieder, worin nun schon seit Jahren zum Ausdruck gekommen ist, dass keine Klagepflicht besteht.

Allerdings muß es soweit ja nicht kommen, weil ja der Versorger, schlicht und ergreifend seinen Leistungsanspruch durchsetzen will, was ihn schon seinerseits veranlassen wird, einen entsprechenden Gestaltungsantrag (§ 308 ZPO) bei Gericht anzubringen.

Diese ganze Situation wäre natürlich weniger aufregend, gäbe es nicht die unvermittelbare Auffassung des VIII. BGH-Senats zur stillschweigenden Akzeptanz von Preisgestaltungen auf dem Sektor des \"Energieverbraucher-Rechts\".

Wollte man die Preisbestimmungspflicht als reinen Anspruch des anderen Vertragspartners auffassen und über diesen \"Pudding noch die Soße\" der Akzeptanzrechtsprechung des VIII. BGH-Senats darüber schütten, dann wäre man recht schnell bei dem \"Verwirkungsgesichtspunkt\". Schon wäre der Preis schnell wieder vereinbart und damit keiner Kontrollmöglichkeit nach § 315 BGB mehr unterzogen. Der Richter müßte nur noch das \"ansteigende Delta\" prüfen. Die Absenkungspflicht würde sich ins Nirwana aufgelöst haben.

Dabei hat doch der Kartellsenat am 29.04.2008, gestützt auf die Rechtslage zum Prüfungsumfang nach § 315 BGB, explizit zum Ausdruck gebracht, dass eine Verpflichtung zur Absenkung der Preise besteht, wenn dies für den Abnehmer günstig ist.

Abschließend soll noch auf den Einschubsatz in der o.a. Entscheidung des LAG Düdo hingewiesen werden, wonach eine gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht (in dem dort entschiedenen Sachverhalt) nicht erforderlich gewesen sein soll, weil es das gerichtliche Ersatzbestimmungsrecht gibt.

Das Energieverbraucherrecht weist in der Grundversorgung eine gesetzlich geregelte Bestimmungspflicht auf. Diese ist in § 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 EnWG statuiert. Logischerweise hätte es dieser Normenkette nicht bedurft, wäre die Leistungsbestimmungspflicht nur in dem Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu verstehen.

Verweigern die Instanzgerichte die Anwendung der soeben zitierten Normenkette, so verletzen sie dadurch das Gerechtigkeitspostulat. Das beginnt aber (und dies hat sich nun schon weit verbreitet) bereits bei der Verweigerung des Instanzenzugangs gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG.

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