Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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tangocharly:
Das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers bei gewerblichen Arbeitnehmern ergibt sich aus § 106 GewO.

Und siehe da, dort findet sich ein gesetzliches Bestimmungsrecht, dem keine Bestimmungspflicht korrespondiert, auf das die Regelungen des § 315 BGB Anwendung finden.

Der Grund für die arbeitsrechtlichen Besonderheiten liegt aber schlicht darin, dass sich das Synallagma im Arbeitsrecht nicht rückabwickeln läßt.

Wenn man schon Obst glaubt vergleichen zu müssen, dann sollte man also nicht unbedingt Birnen mit Äpfeln vergleichen.

RR-E-ft:
Das in § 106 GewO geregelte Bestimmungsrecht ist nicht mit der Preisbestimmungspflicht der Grundversorger nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 36 Abs. 1, 38, 2, 1 EnWG vergleichbar,
obschon auf beide § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.

§ 106 GewO betrifft ein Bestimmungsrecht, welches etwa durch bestimmte Vertragsabreden abdingbar ist. Ist der Arbeitsort im Vertrag bereits fest vereinbart, kann er vom Arbeitgeber später nicht mehr einseitig bestimmt werden usw...

Die Vorschriften des EnWG betreffen eine unabdingbare, fortlaufende Preisbestimmungspflicht (vgl. BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]

tangocharly:
Nachdem in der Praxis immer noch vehement die Theorie vertreten wird, die Billigkeitskontrolle der Energiepreise sei deshalb ausgeschlossen, weil sich diese Preise im freien Wettbewerb bilden würden (sil. wußte gar nicht, dass Grundversorger die sich mit der Bildung Allgemeiner Preise befassen, \"den freien Wettbewerb\" darstellen), sei noch einmal auf die Entscheidung des BGH,  10.10.1991, Az.: III ZR 100/90 , unter Ziff. II.5.b.bb.) hingewiesen


--- Zitat ---    (...) Daraus läßt sich indessen gegen die Zulässigkeit der gerichtlichen  Billigkeitskontrolle    privatrechtlicher   Tarifordnungen  und Entgeltfestsetzungen nichts  herleiten.  Die Revision  berücksichtigt   insoweit  nicht, daß jene Ausführungen ihrem Gesamtzusammenhang und ihrer Zielsetzung   nach die Schutzbedürftigkeit des einzelnen  Bürgers  gegenüber  der Erschließung  illegaler   Finanzquellen  durch die öffentliche Verwaltung  herausstellen  sollten. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Aussage,  daß es durchgreifenden  rechtlichen Bedenken begegnen würde,  wollte man durch Allgemeine Geschäftsbedingungen  dem Bürger Entgelte  für Leistungen   abverlangen,  für die bei öffentlich-rechtlicher  Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses   Abgaben  nicht erhoben werden dürften  (aaO S. 97). Dieser am Schutzbedürfnis des betroffenen Bürgers orientierten   Erwägung  kann nicht entnommen   werden,  Unbilligkeiten,  die sich aus der einseitigen   Festsetzung   privatrechtlich geregelter Entgelte für Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge ergeben, müßten ohne gerichtliche Nachprüfung hingenommen   werden.   Demgemäß   hat der Senat schon im Urteil vom 24. November 1977 (aaO) hervorgehoben, die von Unternehmen  der Daseinsvorsorge im Privatrechtsverkehr  mit ihren Benutzern  verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätten  sich einer willkürlichen Differenzierung zu enthalten, wenn sie noch als \"billig\" angesehen werden  sollten. Die Bindung  an die allgemeinen  Grundsätze   des Verwaltungshandelns  schließt also die Billigkeitskontrolle  nicht grundsätzlich  aus; sie kann vielmehr,  jedenfalls  soweit es dabei um die Beachtung  von Prinzipien geht,  denen - wie dem Gleichbehandlungsgebot   und dem Äquivalenzgrundsatz  - ihrerseits ein Gerechtigkeits- und Billigkeitsgehalt  immanent ist, im konkreten  Fall wesentlich zur Rechtfertigung der Billigkeitsentscheidung beitragen.

--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
Die gerichtliche Billigekeitskontrolle gem. § 315 BGB ist immer dann eröffnet, wenn die Parteien bei Vertragsagsabschluss vereinbart haben, dass eine Partei nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen soll.

Sie ist auch dann eröffnet,  wenn sich die Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils aus einem Gesetz ergibt. Letzteres ist auch bei der Grundversorgung sowie bei der  Ersatzversorgung nach dem Energiewirtschaftsgesetz der Fall.

Nach § 36 Abs. 1 EnWG sind Grundversorger verpflichtet, die jeweiligen Allgemeinen Preise für die leitungsgebundene Belieferung mit Elektrizität und Gas zu bestimmen, sodann öffentlich bekannt zu geben und hiernach jeden Haushaltskunden, der dies fordert, zu diesen Preisen zu beliefern.
 
Grundversorger im Sinne von § 36 Abs. 2 EnWG sind Energieversorgungsunternehmen iSv. § 3 Nr. 38 EnWG und haben als solche bei der einseitigen Preisbestimmung der Allgemeinen Preise die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung zu beachten.

Diese gesetzliche Verpflichtung muss auch bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle Berücksichtigung finden (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Nach der Rechtsprechung unterliegen etwa auch die einseitig festgesetzten Honoransprüche der Patentanwälte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Die Frage, ob die Vertragspartei, die zur Leistungsbestimmung verpflichtet ist, in einem Wettbewerb steht, ist für die Anwendung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB  belanglos.

tangocharly:

--- Zitat ---@RR-E-ft
Die Frage, ob die Vertragspartei, die zur Leistungsbestimmung verpflichtet ist, in einem Wettbewerb steht, ist für die Anwendung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB belanglos.
--- Ende Zitat ---

Sie greifen mit dieser Feststellung zu kurz.

Der VIII. Senat hat, als er begann sich auf die Versorgerseite zu stellen, am 28.03.2007 (VIII ZR 144/06) geradewegs für diese unselige (und unnötige, weil abwegige) Diskussion die Türen aufgestoßen. Ob bewußt oder unbewußt, sei dahin gestellt.

Denn dort war sich mit der Frage der Kontrolle des vereinbarten, aber einseitig gebildeten Preises zu befassen und über die Frage, ob dies deshalb möglich sei, weil der Versorger Monopolist sei und kein Wettbewerb stattfände.

Alle die, welche heute mit dem Ausschluß der Billigkeitskontrolle über § 315 BGB argumentieren, stoßen immer noch (ob unbewußt oder bewußt - eher wohl Letzteres) in\'s gleiche Horn. Und wie wir sehen, wird diese Auffassung, welche den angeblich bestehenden Wettbewerb fokussiert, zu einem nicht zu kleinen Teil von Gerichten (selbst Landgerichten) geteilt.

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