Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
RR-E-ft:
@courgae
ene´t ermittelt schon seit längerem die regionalen Deckungsbeiträge, indem etwa von den Grundversorgungspreisen die veröffentlichten Netzentgelte abgezogen werden.
Insoweit handelt es sich um versorgerspezifische Deckungsbeiträge der Vertriebssparte.
Auf solchen Daten basiert etwa auch Abbildung Nr. 30 auf Seite 45 des aktuellen Monitoringberichts der BNetzA
Neben der BNetzA bedient sich auch das Bundeskartellamt dieser bewährten Methode.
Schließlich kommt es - auch für die Billigkeitskontrolle - nicht maßgeblich auf die tatsächlichen Bezugspreise an, soweit diese über den - grundsätzlich für alle Versorger verfügbarbaren - Großhandelspreisen (Marktpreisen) liegen [BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43].
Aus der Differenz der v.g. Deckungsbeiträge der Vertriebssparte und den maßgeblichen Großhandelspreisen ergibt sich deshalb der hinreichende Indikator dafür, wieviel Preissenkungsspielraum jeweils mindestens vorhanden ist.
Weil dies so ist, stoßen die Dienstleistungen der ene´t GmbH auf so große Nachfrage im Markt. Hingegen setzt sich kein Wettbewerber in eine mündliche Verhandlung zu einem Billigkeitsprozess.
Die Bundesnetzagentur hat demzufolge bei den Grundversorgungspreisen Strom aktuell einen Preissenkungsspielraum in Höhe von 3 Ct/ kWh identifiziert, Siehste hier und hier.
Im aktuellen Monitoringbericht der BnetzA wird die Höhe Vertriebsanteil an den Strompreisen der Grundversorgung mit 8 Ct/ kWh angegeben, wovon der aktuelle Großhandelspreis Strom in Höhe von 5 Ct/ kWh in Abzug gebracht werden konnte, um den Preissenkungsspielraum zu identifizieren, der mindestens besteht. Jeder weiß, dass die tatsächlichen Stromerzeugungskosten in abgeschriebenen Kern- und Kohlekraftwerken deutlich unter den Großhandelspreisen liegen. Sie bewegen sich zwischen 1,5 und 3 Cent/kWh. Diese alten Meiler haben den größten Anteil an der Stromerzeugung.
tangocharly:
--- Zitat ---Stromanbieter:
Überwältigende Marktmacht Die Politik also träge, die Konzerne gewinnorientiert – da bleibt dem Verbraucher eigentlich nur noch die Eigeninitiative durch konsequenten Anbieterwechsel. Denn laut einer Studie des Leverkusener Energiewirtschaftlers Gunnar Harms, die von Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegeben worden ist, kassieren die Energiekonzerne bereits in diesem Jahr, also noch vor den angekündigten Preiserhöhungen, bei ihren Kunden rund eine Milliarde Euro zu viel ab. Die Einkaufspreise an der Leipziger Börse seien in den letzten zwei Jahren um bis zu 40 Prozent gesunken, was die Erhöhung der EEG-Zulage also bei weitem kompensiert. Im selben Zeitraum ist der Strompreis für Privatkunden laut Verivox jedoch um 8 Prozent gestiegen, in den vergangenen zehn Jahren sogar um 60 Prozent. Doch damit nicht genug: In den kommenden zehn Jahren soll er laut Bundesverband der Verbraucherzentralen um weitere 60 Prozent steigen.
--- Ende Zitat ---
Quelle: www.unternehmer.de
RR-E-ft:
Um auch der Diksussion eine fassbare Form zu geben:
Wir wollten uns damit befassen, was es mit der Preisbestimmungspflicht in der Grundversorgung auf sich hat.
Zudem suchen wir nach Wegen, die Transparenz hinsichtlich der Grundversorgungspreise bzw. deren Aufbaus zu erhöhen.
Soweit wir dazu gelangt waren, dass es nach der gesetzlichen Regelung für die Grundversorgung (wie schon zuvor für den Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht) nur eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers gibt, und auch die vertragliche Preishauptabrede der Verträge in diesem Bereich nur eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers kennt, ward uns ein wohl schlagendes Argument dafür in die Hand gelegt, warum die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht in einen Sondervertrag implementiert werden können, da bei diesem ja bei Vertragsabschluss grundsätzlich ein feststehender Preis vereinbart wird, der allenfalls mit einer Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel versehen werden kann.
Diese Diskussion möchten wir inhaltlich fortsetzen, für die es auf Marktmacht an keiner Stelle ankommt.
Wenn wir uns nicht konzentrieren, droht die Diskussion wieder an den Rändern auszufransen, sich von ihrem (gewichtigen) Kern zu entfernen.
tangocharly:
Woher die Argumente kommen, welche der Billigkeitskontrolle entgegen geworfen werden und wie es zu der Sockelpreistheorie des VIII. Senats kommen konnte, zeigt ein Begründungsteil der Berufungserkenntnis des OLG Saarbrücken, welches vom Kartellsenat - im Ergebnis - gehalten wurde.
Vorab der Hinweis darauf, dass das OLG Saarbrücken wegen der notwendigen Einhaltung einer Klagefrist mit seiner Auffassung völlig daneben lag, weil es ein solches Erfordernis nicht gibt, hatte der VIII. Senat - noch vor der Entscheidung des Kartellsenats - am 21.04.2010 - in ständiger Rechtsprechung - bestätigt (VIII ZR 97/09, Tz. 18; ).
--- Zitat ---Tz. 75
aa) Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BGH kommt bei Verzögerung der Klageerhebung eine Verwirkung des Klagerechts aus § 315 Abs. 3 S. 2 BGB in Betracht. Der BGH hat insoweit im Urt. v. 06.03.1986 (BGHZ 97, 212, 220) ausgeführt: „§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt für die Erhebung der dort vorgesehenen Klage keine besondere Frist. Der Betroffene kann allerdings durch illoyale Verzögerung der Klageerhebung sein Klagerecht verwirken.“
Tz. 76
Der BGH nimmt in der genannten Entscheidung auf die Entscheidung des BAG vom 16.12.1965 Bezug und hält diese wegen arbeitsrechtlicher Besonderheiten nicht auf den von ihm zu beurteilenden Fall übertragbar (BGHZ 97, 212, 222). Soweit vorliegend von Bedeutung enthält die Entscheidung des BAG keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Sie ist hier anwendbar.
Tz. 77
Anders als der BGH stützt sich das BAG nicht auf die Rechtsfigur der Verwirkung, sondern kommt durch systematische und teleologische Auslegung des § 315 BGB zum Ergebnis, dass der Betroffene in angemessener Frist das Gericht anrufen muss (a.A. Rieble in Staudinger, BGB, 2004, § 315 Rdn. 150; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2009, Rdn. 17; juris-PK – BGB/Völzmann-Stickelbrock, 4. Aufl. 2008, § 315 Rdn. 76). Das BAG hat insoweit ausgeführt (BAGE 18, 54, 59):
„Die Anrufung der Gerichte zur Klarstellung der vertraglich geschuldeten (Gegen-)Leistung muss aber in angemessener Frist erfolgen. Der Erklärungsempfänger kann den bestimmenden Vertragspartner nicht unabsehbare Zeit in Zweifel darüber lassen, ob er die getroffene Festlegung der Leistung als billig gelten lassen will oder nicht. Das gebietet der Gedanke der Rechtssicherheit und kommt auch in den Vorschriften der §§ 315 ff. BGB mehrfach zum Ausdruck. Z.B. geht das einer Vertragspartei zustehende Bestimmungsrecht bei Verzögerung der Leistungsbestimmung auf das Gericht über (§§ 315 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2, 319 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 2 BGB). Die Anfechtung einer von einem Dritten getroffenen Leistungsbestimmung ist nicht nur wegen Irrtums, sondern auch wegen Drohung oder arglistiger Täuschung sogar nur unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes möglich (§ 318 Abs. 2 Satz 2 BGB), während die allgemeine Fristbestimmung des § 124 Abs. 1 BGB eine einjährige Anfechtungsfrist vorsieht. Nimmt der Erklärungsempfänger daher die Leistungsbestimmung des anderen Vertragsteils zunächst widerspruchslos längere Zeit hin, so kann der Bestimmende davon ausgehen, dass auch der Vertragspartner die Festlegung der Leistung nicht als unbillig ansieht.“
(Vgl. dazu auch die Ausführungen des 8. Senats des BGH, Urt. v. 13.06.2007, VIII ZR 36/06, juris, Rdn. 36. Der BGH hat dort ausgeführt: „Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer ... öffentlich bekanntgegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiter Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gem. § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb im Rahmen einer weiteren Preiserhöhung nicht mehr gem. § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden.“).
Tz. 78
Was eine angemessene Frist ist, hat das BAG nicht abschließend entschieden. Es hat davon gesprochen, es könne sich naturgemäß nur um „eine kurz zu bemessende Überlegungsfrist“ handeln, die jedenfalls nach 16 – 18 Monaten verstrichen war.“ (BAGE 18, 54, 60). Dass der „Benachteiligte“, das „Bestimmungsopfer“ (so formuliert Rieble in Staudinger, BGB, 2004, § 315 Rdn. 150) binnen angemessener Frist Klage erheben muss, steht also entgegen der Auffassung von Rieble (a.a.O., Rdn. 150) im Gesetz. Es steht allerdings nicht ausdrücklich dort, sondern ergibt sich durch Auslegung des § 315 BGB.
Tz. 79
Einer solchen Klagefrist bedarf es auch, weil das Klagerecht des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB nicht verjähren kann. Der Verjährung sind nämlich allein materiellrechtliche Ansprüche, nicht aber das prozessuale Klagerecht unterworfen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 194 Rdn. 2; MüKo-BGB/Grothe, 5. Aufl. 2006, § 194 Rdn. 2). Ohne eine Befristung der Klage bzw. eine Begrenzung der Klagemöglichkeit durch die Verwirkung würde daher Rechtssicherheit über die Frage, ob die Leistungsbestimmung billig ist, nicht eintreten können.
--- Ende Zitat ---
Man beachte die mühseligen Interpretationsversuche, aus dem § 315 BGB eine Klagefrist \"heraus zu leihern\".
Da aber aus den Begründungen, so auch derjenigen des BAG, deutlich wird, dass kein Vorbehalt gegen die Rechnungen erfolgt war (wobei dies im Fall des OLG SB allerdings ganz anfänglich schon mit einem \"generellen Vorbehalt\" geschehen sein soll), kann das Thema \"Verwirkung\" und \"Klagefrist\" getrost ad acta gelegt werden.
Denn wenn es darauf ankommen sollte, dass man den Bestimmungspflichtigen nicht unendlich darüber im Unklaren lassen dürfe, wie es beim \"Bestimmungsopfer\" (sil.: phantastischer Begriff ) um die Angriffslust bestellt sei, dann ist jedenfalls mit den 315-Widersprüchen \"die Wiese gemäht\". Somit gibt es dann dabei auch nichts zu \"Verwirken\".
RR-E-ft:
BGH, B. v. 07.12.10 KZR 21/09 zur Klage gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB
Das BAG hatte einen Fall im Blick, wo der Arbeitgeber hinsichtlich der vom Arbeitnehmer/Angestellten zu erbringenden Leistung diese inhaltlich neu bestimmt hatte, indem er von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Dabei ging es ausnahmsweise tatsächlich um das mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers verbundene Leistungsbestimmungsrecht. Der Arbeitgeber war insoweit nicht leistungsbestimmungsverpflichtet. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines entsprechenden Vorbehaltes im Dienstvertrag etwa Arbeitsort oder Arbeitszeit neu bestimmt (Arbeitsort nicht wie bisher München, sondern fortan Oldenburg).
Jedenfalls ging es um eine einseitige Anweisung, die der Arbeitgeber zur inhaltlichen Neugestaltung des vertraglichen Dienstverhältnisses getroffen hatte. Diese hätte der betroffene Arbeitnehmer gem. § 315 BGB überprüfen lassen können, hatte dies jedoch über 16 - 18 Monate hinweg nicht getan. Und da muss man eine zeitliche Grenze ziehen, weil sonst der Dienstverpflichtete nach fünf Jahren erstmals (be-)klagt, der Diensther hätte Oldenburg schließlich gar nicht zum neuen Dienstort bestimmen dürfen (meint etwa die Rechtsanwaltsfachangestellte fünf Jahre nach dem Kanzleiumzug, die plötzlich München vermisst und deshalb vor Gericht klagt. Es bestünde dabei die Gefahr, dass das Gericht nach langer Zeit zu dem Ergebnis gelangt, der Dienstherr hätte Oldenburg seinerzeit gem. § 315 Abs. 1 BGB gar nicht zum neuen Dienstort bestimmen dürfen, seine Bestimmung sei deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam, als gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 abs. 3 Satz 2 BGB gelte vielmehr [rückwirkend] der neue Dienstort Neuruppin. Halleluja.).
Bei der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht der Grundversorger verhält es sich anders. Es geht dabei insbesondere nicht um einen einmaligen Gestaltungsakt.
Grundversorger sind zur Preisbestimmung verpflichtet und diese Preisbestimmungspflicht ist auch in den Dauerschuldverhältnissen mit den grundversorgten Kunden eine fortdauernde, immer währende Verpflichtung. Der aktuelle jeweilige Preis ist das Ergebnis eben dieser Preisbestimmung (Entscheidung darüber, den Preis abzusenken, zu erhöhen oder aber stabil zu halten).
Auch der Preis vor fünf Jahren mag das Ergebnis einer solchen Preisbestimmung gewesen sein, muss aber, wenn er unbeanstandet blieb, heute nicht mehr kontrolliert werden. Er bildet auch keinen Sockel, auf den der aktuelle jeweilige Preis (entsprechend Verpflichtung bestimmt vom Versorger) aufbauen könnte.
Der Versorger muss die jeweiligen Allgemeinen Preise entsprechend gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtung immer wieder (insgesamt) neu bestimmen.
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