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Autor Thema: Konkludenter Vertragsabschluss von Sonderverträgen, Einbeziehung der AVBGasV  (Gelesen 33565 mal)

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Offline tangocharly

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Das hatte der Kartellsenat (Tz. 9 u. 10) aber auch wirklich griffig argumentiert:

Zitat
Der \"bereits bekannte Tarif\" ist nichts anderes als die auf einen bestimmten Zeitraum bezogene Preisforderung der Beklagten. Damit steht schließlich auch in Einklang, wenn das Landgericht die Beklagte nach der vertraglichen Vereinbarung für berechtigt erachtet, das Netznutzungsentgelt, wie sie für sich in Anspruch nehme, nach der Verbändevereinbarung Strom II plus, insbesondere deren Anlage 3, \"berechnen zu dürfen\". Das ist der Sache nach ein Leistungsbestimmungsrecht.
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Offline RR-E-ft

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Es fehlt m. E. in Bezug auf (grundversorgte) Tarifkunden an einer Abgrenzung zur Rechtsprechung des Kartellsenats KZR 36/04.

Zitat
BGH KZR 36/04 Rn. 10

Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden. Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird. Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.

Allgemeine Tarife und Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung werden ebenso unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses allen Vertragsverhältnissen mit gleichen Nutzungsprofilen zu Grunde gelegt, wie einseitig bestimmte Netzentgelte. Und auch dabei bestimmt der Versorger die Allgemeinen Tarife bzw. Allgemeinen Preise einseitig unter Berücksichtigung der Entwicklung aller preisbestimmenden Kostenfaktoren, die der Kunde nicht kennt und deren Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Zur entsprechenden einseitigen Bestimmung durch den Versorger besteht sogar eine Verpflichtung (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.

Dieser bedeutenden Erkenntnis entzieht sich der Senat in Bezug auf die Allgemeinen Tarife bzw. Allgemeinen Preise der Grundversorgung.

Offline tangocharly

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Zitat
@RR-E-ft
Zur entsprechenden einseitigen Bestimmung durch den Versorger besteht sogar eine Verpflichtung (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Ergänzung, damit dieser Satz nicht \"in  falsche Hälse gerät\":

Zitat
Tz. 18
Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29). Diesen Anforderungen werden die umstrittenen Preisanpassungsklauseln - jedenfalls in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 19) - nicht gerecht.

Anmerkung: die \"heilige Kuh\" des VIII. Senat wurde damit nicht geschlachtet, wie diese Passage zeigt, denn es wird wieder nur die Pflicht zur Anpassung abgehandelt.

Aber: natürlich besteht eine Pflicht zur (einseitigen) Bestimmung der Tarife, denn erst wenn diese veröffentlicht wurden, sind diese bindend. Dies setzt eine Bestimmung voraus und ergibt indirekt auch eine \"Pflicht zur Bestimmung\".

Und: natürlich wirkt hierbei der Abnehmer nicht mit (wie sollte auch, sonst wäre er ja Sonderkunde).

Apropos (1): Gibt es denn auch schon Fälle, in denen der Abnehmer bereits vor der Gasentnahme seinen Unbilligkeitswiderspruch nach § 315 Abs. 3 BGB gesetzt hat ? Und wie soll dann der Anfangspreis geprüft werden, wenn dieser nicht vereinbart ist/ als vereinbart gilt ? (Hosen runter ??).

Apropos (2): Der Abnehmer erklärt nicht nur seinen Widerspruch sondern auch noch seine umgehende, fristgerechte Kündigung. Seinen Widerspruch erstreckt der Abnehmer bereits vorsorglich auf die Einstufung gem. § 38 EnWG. Der Ersatzversorgung kann das EVU ja nicht entgehen. Mit der Unwirtschaftlichkeit kann das EVU auch nicht kommen, denn der Abnehmer hat ja Anspruch auf Versorgung im Rahmen von §§ 1 u. 2 EnWG. Die genannten Bestimmungen stehen der Annahme von Unwirtschaftlichkeit im Wege, soll daraus nicht ein Zirkelschluß werden.

Wenn der Verballhornung der Privatautonomie auf anderem Wege nicht zu entrinnen ist, dann muß dem eben mit der restlichen verbleibenden Sequenz an Privatautonomie begegnet werden.
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Offline Black

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Zitat
Original von tangocharly

Apropos (1): Gibt es denn auch schon Fälle, in denen der Abnehmer bereits vor der Gasentnahme seinen Unbilligkeitswiderspruch nach § 315 Abs. 3 BGB gesetzt hat ? Und wie soll dann der Anfangspreis geprüft werden, wenn dieser nicht vereinbart ist/ als vereinbart gilt ? (Hosen runter ??).

Apropos (2): Der Abnehmer erklärt nicht nur seinen Widerspruch sondern auch noch seine umgehende, fristgerechte Kündigung. Seinen Widerspruch erstreckt der Abnehmer bereits vorsorglich auf die Einstufung gem. § 38 EnWG. Der Ersatzversorgung kann das EVU ja nicht entgehen. Mit der Unwirtschaftlichkeit kann das EVU auch nicht kommen, denn der Abnehmer hat ja Anspruch auf Versorgung im Rahmen von §§ 1 u. 2 EnWG. Die genannten Bestimmungen stehen der Annahme von Unwirtschaftlichkeit im Wege, soll daraus nicht ein Zirkelschluß werden.
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Zu 1.) Wer vor der Gasabnahme erklärt, er akzeptiere den Preis nicht und dann gleichwohl eine Vorleistung des EVU in Anspruch nimmt verhält sich widersprüchlich. Der Widerspruch ist dann unbeachtlich. Das ist in ungefähr so, als wenn ich an der Tankstelle erklären würde, den einseitig festgesetzten Benzinpreis nicht zu akzeptieren und dann gleichwohl beginne meinen Tank zu füllen.

Zu 2.) Wurde hier schon diskutiert. Ich halte § 315 BGB für nicht anwendbar, da § 315 BGB \"Vertragsschließende\" voraussetzt. Bei der Ersatzversorgung gibt es aber gerade keinen Vertrag.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Legt man die Rechtsprechung KZR 36/04 Rn. 9, 10 - zutreffend - auch auf Allgemeine Tarife und Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung zu Grunde, so gibt es dabei gerade keinen vereinbarten Anfangspreis.

Durch die öffentliche Bekanntgabe geänderter Preise werden diese auch nicht verbindlich (bindend), sondern nach der gesetzlichen Regelung frühestmöglich wirksam.

Eine Bindung besteht dabei nur insoweit, als es sich bei der öffentlichen Bekanntgabe um die unwiderrufliche Willenserklärung (-entäußerung) des Versorgers handelt, mit welcher dieser sein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausübt. Ob diese einseitige Bestimmung dann für die Kunden überhaupt wirksam und verbindlich ist, richtet sich indes nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Der Versorger ist verpflichtet, bei rückläufigen Kosten die Preise zugunsten der Kunden nach gleichen Maßstäben anzupassen, also zur entsprechenden Leistungsbestimmung verpflichtet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Bei Kostenerhöhungen ist er zur einseitigen Preiserhöhung berechtigt (VIII ZR 36/06). Der Kunde kennt die maßgebliche Kostenentwicklung des Versorgers nicht und weiß deshalb auch nicht, ob der Versorger bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses berechtigt ist, die Preise zu erhöhen oder aber verpflichtet ist, die Preise abzusenken. Die maßgebliche Kostenentwicklung hat mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nichts zu tun, weshalb sie auch schon vor Vertragsabschluss liegen kann.

Bei einem vereinbarten Sonderpreis mit Preisänderungsklausel ist das vollkommen anders. Dort geht es nämlich nur um Kostenänderungen, die nach Vertragsabschluss liegen. Gegenüber Sondervertragskunden kann der Versorger eine Preiserhöhung also nicht mit Kostensteigerungen begründen, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten waren oder die er bei Vertragsabschluss schon erkennen und in den Angebotspreis einkalkulieren konnte.

Grundversorgte Kunden sind vor einer Preiserhöhung wegen vor Vertragsabschluss eingetretener Kostenerhöhungen jedenfalls nicht gefeit.
Allein deshalb ist  m. E. die Situation bei Sonderverträgen und bei (grundversorgten) Tarifkunden tatsächlich und auch rechtlich nicht vergleichbar.  

Jedenfalls soll der Versorger bei einer Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht nach Vertragsabschluss die Preise durch einseitige Festsetzung bestimmen.

Nach dem Parteiwillen soll der Versorger demnach nach Vertragsabschluss die vom Kunden vertraglich geschuldete Leistung (durch öffentliche Bekanntgabe der Preisfestzsetzung, an welcher der Kunde nicht teilnimmt und deren Ergebnis er nicht nachvollziehen kann) einseitig bestimmen, nämlich entsprechend seiner Kosten der Billigkeit entsprechend.

Bereits die öffentliche Bekanntgagbe Allgemeiner Tarife gem. § 10 Abs. 1 EnWG bzw. Allgemeiner Preise der Grund- und Ersatzversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG kann als einseitige Leistungsbestimmung gesehen werden (analog BGH KZR 36/04 Rn. 9 f.). Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung, entsprechende Allgemeine Tarife bzw. Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben. Bevor der Versorger sie bekannt geben kann, muss er sie denknotwendig (ohne Mitwirkung der Kunden) einseitig bestimmen.

Das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht bezieht sich also wohl schon auf die öffentliche Bekanntagabe Allgemeiner Tarife bzw. Allgemeiner Preise der Grund- und Ersatzversorgung (vor Vertragsabschluss).  

Bei der Ersatzversorgung gibt es keinen vertraglich vereinbarten Preis. Es gibt per definitionem noch nicht einmal einen Vertrag, auf dessen Grundlage die Belieferung erfolgt.  Es besteht nur ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht des Versorgers. § 315 BGB kommt auch auf gesetzliche Leistungsbestimmungsrechte zur Anwendung (BGH VIII ZR 36/06). Das hat Black wohl immer noch nicht verinnerlicht.

An der Tankstelle stellt sich wohl allenfalls  bei einem Tankvorgang, der über Tage und Wochen andauert, die Frage, ob der Tankstellenpächter oder dessen übergeordnetes Organ den Preise für den langfristig gezapften Treibstoff einseitig bestimmen darf. Möglicherweise ist der gerade angezeigte Preis für den benötigten Kraftsoff das bestimmende Moment für den Entschluss, gerade diese Tankstelle anzufahren und dort zügig zu tanken. Das lässt sich mit Dauerschuldverhältnissen über leitungsgebundenen Energiebezug wahrlich nur schwer vergleichen. Der Tankstellenbetreiber unterliegt auch schon keinem gesetzlichen Kontrahierungszwang. Gehört er etwa zur bundesweiten Preisprotest- Bewegung und erkennt er in dem Tankwilligen einen Interessenvertreter der Strom- oder Gaswirtschaft, kann er ihn des Platzes verweisen und weiterwinken.

Vergleichen lässt sich hingegen die Situation eines Netznutzers gegenüber der Preisfestsetzung eines einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegenden Netzbetreibers mit der Situation eines grund- bzw. ersatzversorgten Kunden gegenüber der Preisfestsetzung eines einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegenden Grundversorgers. Beide Male hat der gesetzlich Kontrahierungspflichtige die Entgelte für seine Leistungen einseitig zu bestimmen und zwar unter Berücksichtigung energiewirtschaftsrechtlicher Bestimmungen, also auch der Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG (vgl. auch BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, VIII ZR 314/07 Rn. 27).

Da sieht es an den Tankstellen doch deutlich anders aus.

Offline tangocharly

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@Black
Zu 1.) Wer vor der Gasabnahme erklärt, er akzeptiere den Preis nicht und dann gleichwohl eine Vorleistung des EVU in Anspruch nimmt verhält sich widersprüchlich. Der Widerspruch ist dann unbeachtlich.

Tut mir leid, aber Ihre Bemerkung reizt mich zu einem Wortspiel: Mein Widerspruch ist unbeachtlich, weil widersprüchlich.

Überzeugt mich aber auch nicht. Denn der Widerspruch hat ja nur einen Inhalt, d.h. denjenigen den Regelungen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB und gem. §§ 1 u. 2 EnWG Rechnung zu tragen. Ergo will ich ja explicit gerade das nicht, was von Versorgerseiten gerne bemüht wird, nämlich Gas für umsonst, sondern nur eine spätere (gerichtliche) Feststellung des dann geschuldeten billigen Preises (Satz 2).

Und damit stellt die Aktion (der Widerspruch) ein schützenswertes Interesse des Abnehmers dar (BGH, 30.04.2003, VIII ZR 279/02, Unter Ziff. II.2.a. -S. 9- ; ). Wenn ich aber ein berechtigtes (schutzwürdiges) Interesse zur Geltung bringe (ausübe), dann kann dies nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. In § 242 BGB ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens statuiert.

Widersprüchliches Verhalten wäre : Gas ohne Geld (dafür bräuchte man nicht einmal § 242 BGB zu bemühen; das sagt einem schon der Anstand).

Der VIII. Senat muß sich an die Nase fassen lassen, wenn es um den Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung gehen soll. Dass neben einem Widerspruch auch das (Grund-)Versorgungsverhältnis durch Kündigung beendet werden kann, ergibt sich aus § 20 Abs. 1 GasGVV. Aus der genannten Bestimmung ergibt sich keine Pflicht zum Wechsel des Versorgers.

Es könnte sich somit allenfalls die Frage widersprüchlichen Verhaltens auftun, wenn das Versorgungsverhältnis beendet wird, ohne den Vertragspartner wechseln zu wollen.

Was spricht dagegen, bei Auftreten einer späteren Erkenntnis von der Existenz ungünstiger Vertragskonditionen, diese Vertragsbindung auf dem von der Rechtsordnung vorgesehenen Weg zu beenden. Genau das will der VIII. Senat ja zementieren: Du hast ungünstige Konditionen akzeptiert, also bleibst du für den Rest hieran gebunden.

Wenn der VIII. Senat am 15.07.2009 (VIII ZR 56/08, Tz. 36; ) dann von den bestehenden zwei Alternativen spricht, d.h. entweder zu wechseln oder die Preise nach § 315 BGB überprüfen zu lassen, dann wurde auch hier wieder die Komponente ausgeblendet, dass mit einer Kündigung - jedenfalls nicht zwangsläufig -  verbunden kein Wechsel des Versorgers verbunden sein soll.

Wenn dies ausgeblendet wird, dann stellt der BGH seine Rechtsprechung zur Berechtigung einseitiger Leistungsbestimmungen indirekt hierdurch in Frage. Denn dort soll der Hintergrund hierfür geradewegs die Aufrechterhaltung des Versorgungsverhältnisses sein, ohne dass der Versorger von vornherein kalkulatorische Aufschläge aufbuchen oder ggf. zur Kündigung greifen müsste.

Mit der Rechtsprechung des VIII. Senats bleibt der Abnehmer am Sockel kleben, selbst wenn die der Billigkeit entsprechenden Preise unter diesen Sockel absinken. Das letzte Mittel diesem \"Faul-Ei\" zu begegnen stellte sodann nur die Kündigung durch den Abnehmer dar. Und dies - wäre es als widersprüchlich zu werten - soll dann dem Abnehmer nur zur Möglichkeit eines Wechsels verhelfen ?
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Offline Christian Guhl

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Original von Black
Zu 1.) Wer vor der Gasabnahme erklärt, er akzeptiere den Preis nicht und dann gleichwohl eine Vorleistung des EVU in Anspruch nimmt verhält sich widersprüchlich.
Widersprüchlich verhält sich der Energieversorger, wenn der Kunde vor der Gasabnahme Widerspruch einlegt und er den Kunden trotzdem im Grundversorgungstarif (anstatt in der Ersatzversorgung) beliefert. Ich sehe dies als konkludente Anerkennung des Widerspruchs.

Offline RR-E-ft

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Wenn die vom BGH mehrfach festgestellte Verpflichtung aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit besteht, bei rückläufigen Kosten die Preise zugunsten der Kunden anzupassen (zu deutsch: abzusenken) [BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], dann bleibt keiner dieser Kunden am Preissockel kleben, weil ja auch von einem solchen aus die Verpflichtung zur Preisabsenkung besteht.

Von wo aus sollten denn sonst die Preise entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung abgesenkt werden?

Wenn der Versorger entsprechend verpflichtet ist, dann hat der Kunde einen Anspruch darauf. Der Senat hat bisher nur offen gelassen, wie diese Verpflichtung des Versorgers bzw. der Anspruch des Kunden auf Preisabsenkung justiziabel durchgesetzt werden soll, wenn er seine fingierte - eine gerichtliche  Billigkeitskontrolle ausschließende -  Preisvereinbarung in den Weg stellen will.

Dieser Widerspruch in sich lässt sich gedanklich kaum noch nachvollziehen. Der Senat sagt aber beides immer wieder (Billigkeitskontrolle ausschließende Preisvereinbarung einserseits und Verpflichtung zur Preisanpassung zugunsten der Kunden bei rückläufigen Kosten wegen der Bindung an den Maßstab der Billigkeit andererseits).

Nur hat er beides ersichtlich noch nie in einer Entscheidung zusammen herausgestellt. Man hat fast den Eindruck, wenn er einmal das eine und  andernmals wieder das andere sagt, sei jeweils wechselseitig eine  Gehirnhälfte ausgeschaltet.  Anders kann man es sich fast nicht vorstellen. Die entsprechende besondere Technik beherrschen wohl nur wenige.  

Der Senat hat wiederholt festgestellt, dass der (grundversorgte) Tarifkunde die Möglichkeit hat, die einseitige Leistungsbestimmung des Versorgers gerichtlich auf Billigkeit kontrollieren zu lassen, oder sich aus dem Vertragsverhältnis zu lösen.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 44

Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wechseln (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 35 f.).

Er muss freilich auch bei einer Lösung vom bisherigen Vertragsverhältnis nicht den Anbieter wechseln, sondern kann auch beim bisherigen Lieferanten ein vollkommen neues Vertragsverhältnis eingehen, etwa zu einem (neuerlich) angebotenen Sondervertrag mit Festpreis wechseln. Herrschaftszeiten.

Offline Black

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Original von Christian Guhl
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Original von Black
Zu 1.) Wer vor der Gasabnahme erklärt, er akzeptiere den Preis nicht und dann gleichwohl eine Vorleistung des EVU in Anspruch nimmt verhält sich widersprüchlich.
Widersprüchlich verhält sich der Energieversorger, wenn der Kunde vor der Gasabnahme Widerspruch einlegt und er den Kunden trotzdem im Grundversorgungstarif (anstatt in der Ersatzversorgung) beliefert. Ich sehe dies als konkludente Anerkennung des Widerspruchs.

Das ist schön für Sie.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Black

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Original von tangocharly
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@Black

Überzeugt mich aber auch nicht. Denn der Widerspruch hat ja nur einen Inhalt, d.h. denjenigen den Regelungen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB und gem. §§ 1 u. 2 EnWG Rechnung zu tragen. Ergo will ich ja explicit gerade das nicht, was von Versorgerseiten gerne bemüht wird, nämlich Gas für umsonst, sondern nur eine spätere (gerichtliche) Feststellung des dann geschuldeten billigen Preises (Satz 2).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird der Anfangspreis nicht einseitig vom Versorger festgesetzt (RR-E-ft vertritt eine andere Auffassung, aber diese wird eben nicht von den Gerichten mitgetragen).

Durch seine öffentlich bekannt gemachten Tarife und durch konkrete Sondervertragsangebote gibt der Versorger nur ein Angebot ab, den Kunden zum Preis X zu beliefern. Der Kunde kann dann entscheiden, ob er das Angebot annimmt und sich eben zu diesem Anfangspreis X beliefern läßt oder nicht. So wie bei jedem anderen Warenkauf auch.

Wenn dem Kunden dieser Anfangspreis X zu teuer erscheint, kann er sich entweder einen anderen günstigeren Versorger suchen oder aber auch generell auf die Energieabnahme verzichten.

Der Kunde kann jedoch nicht einerseits das Angebot annehmen (und Energie verbrauchen) und gleichwohl zum Ausdruck bringen, dass er den Preis von Anfang an (zumindest in dieser Höhe) nicht zahlen will. Es ist wie an der Tankstelle. Sie können dort eben auch nicht verkünden, der dort ausgewiesene Preis sei überhöht und werde von Ihnen nicht akzeptiert und danach trotzdem ihren Tank füllen mit der Begründung die Tankstelle müsse nun die Kalkulation ihres Lieferpreises offenlegen und gerichtlich prüfen lassen.
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Original von Black
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Es ist wie an der Tankstelle. Sie können dort eben auch nicht verkünden, der dort ausgewiesene Preis sei überhöht und werde von Ihnen nicht akzeptiert und danach trotzdem ihren Tank füllen mit der Begründung die Tankstelle müsse nun die Kalkulation ihres Lieferpreises offenlegen und gerichtlich prüfen lassen.
Man sollte jetzt aber nicht die exclusive Monopolstellung mancher Stadtwerke in der jüngsten Vergangenheit vergessen.
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  • Diverse Verwaltungakte der Kommunen (angeblich aus Umweltgründen etc..) bestimmen Gas als einzige Heizenergie und begünstigen so die eigenen Stadtwerke. Einzige Alternative, Wohnort wechseln.
Kein PKW-Nutzer wurde je gezwungen an einer einzigen Tankstelle zu tanken oder überhaupt einen Diesel- oder Benziner zu benutzen. Er dürfte sich auch ein LPG-Fahrzeug kaufen und nutzen oder Bus und Bahn fahren.

Offline Black

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@PLUS

Dieses ganze System funktioniert tatsächlich nur in einem Markt mit mehreren Anbietern. Der dürfte aber weitgehend vorliegen (gibt es eigentlich noch Gegenden mit nur einem Monopolanbieter ohne Wechselmöglichkeit?).

Die Frage nach dem Widerspruch vor Vertragsschluss wurde aber für die aktuelle Gegenwart und Zukunft als Konsequenz aus der aktuellen Rechtsprechung gestellt und daher bezieht sich meine Antwort auch nicht auf die früheren Monopolzeiten.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wie bringt man es nur aus den Köpfen raus:

Die Frage, ob ein gesetzliches Leistungsbstimmungrecht des Versorgers besteht, hat mit einer Monopolstellung rein gar nichts zu tun.

Das zeigt sich doch schon darin, dass der grundversorgte Kunde nach der gesetzlichen Regelung die Alternative hat, die einseitige Preisbestimmung des Verorgers gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren zu lassen  oder sich aus dem Vertragsverhältnis zu lösen und den Anbieter zu wechseln, was ja das Vorhandensein anderer Anbieter denknotwendig voraussetzt.

Offline courage

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Original von tangocharly
Apropos (1): Gibt es denn auch schon Fälle, in denen der Abnehmer bereits vor der Gasentnahme seinen Unbilligkeitswiderspruch nach § 315 Abs. 3 BGB gesetzt hat ? Und wie soll dann der Anfangspreis geprüft werden, wenn dieser nicht vereinbart ist/ als vereinbart gilt ? (Hosen runter ??).

Dazu folgender Fall, anhängig beim AG …

Sachverhalt:
Abschluss Sondervertrag Gas Anfang 2004 unstreitig. Erster Billigkeitseinwand gegen Jahresrechnung 2005, danach gegen jede Preisänderung bis dato.

Der Versorger kündigte zwischenzeitlich den Sondervertrag zum 31.12.2007 und erklärte, dass er den Kunden ab 01.01.2008 in die Grundversorgung einstufe, sofern dieser keinen neuen Sondervertrag unterschreibe, was dieser nicht getan hat. Versorger rechnet seit 2008 nach Preisen der Grundversorgung ab. Kunde zahlt reduzierte Abschläge und Jahresrechnungen unter Vorbehalt auf Preisbasis von Ende 2005.

Gestritten wird u.a. darüber, ob die Kündigung des Sondervertrages rechtmäßig war.

Sollte die Kündigung rechtmäßig erfolgt sein, ergibt sich folgende Problemstellung:
Belieferung des Kunden in der Grundversorgung ab 01.01.2008, jedoch Billigkeitsrügen bereits ab 2005.

Was ist nun der angeblich \"vereinbarte Preis\", also der sogenannte \"Preissockel\"?
Zur Auswahl stehen der Preis zum 31.05.2005 oder der Preis zum 01.01.2008. (Dazwischen liegen 5 Preiserhöhungen und 3 Preissenkungen.)

Offline Christian Guhl

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Original von Black
Durch seine öffentlich bekannt gemachten Tarife und durch konkrete Sondervertragsangebote gibt der Versorger nur ein Angebot ab, den Kunden zum Preis X zu beliefern. Der Kunde kann dann entscheiden, ob er das Angebot annimmt und sich eben zu diesem Anfangspreis X beliefern läßt oder nicht.
Sicherlich wurden die Preise mal irgendwann öffentlich bekannt gemacht. Das nutzt dem neuen Kunden aber wenig. Er kennt die Preise zum Zeitpunkt der ersten Stromentnahme nämlich nicht. Da er vorher woanders wohnte, konnte er die Bekanntmachung in der regionalen Presse nicht zur Kenntnis nehmen und da er früher noch kein Kunde beim örtlichen Versorger war, wurden die Preise ihm auch nicht per Anschreiben mitgeteilt. Natürlich kann er sich telefonisch oder per Internet schlau machen. Beides wird ohne Strom schwierig werden. Die anfängliche Stromentnahme erfolgt also regelmässig ohne Kenntnis der einseitig festgesetzten Preise. Wenn der Kunde dann nach mehreren Wochen die Bestätigung des Versorgers über die Grundversorgung erhält, fällt er angesichts der Preise aus allen Wolken. Ihm jetzt zu unterstellen, er hätte diese Preise ausdrücklich vereinbart, ist der Gipfel des Zynismus und geht an der Lebensrealität vorbei.
Zitat
Original von Black
.... oder aber auch generell auf die Energieabnahme verzichten.
Friß Vogel oder stirb !
Zitat
Original von Black
Der Kunde kann jedoch nicht einerseits das Angebot annehmen (und Energie verbrauchen) und gleichwohl zum Ausdruck bringen, dass er den Preis von Anfang an (zumindest in dieser Höhe) nicht zahlen will. Es ist wie an der Tankstelle. Sie können dort eben auch nicht verkünden, der dort ausgewiesene Preis sei überhöht und werde von Ihnen nicht akzeptiert und danach trotzdem ihren Tank füllen mit der Begründung die Tankstelle müsse nun die Kalkulation ihres Lieferpreises offenlegen und gerichtlich prüfen lassen.
An der Tankstelle kenne ich auch den Preis bevor ich mit dem Tanken beginne ! Die Entscheidung das Angebot nicht anzunehmen, kostet mich wenige Minuten zur nächsten Tankstelle. Vor allem aber muss ich nicht erst beim Tankwart einen schriftlichen Antrag stellen, um dann nach mehreren Wochen woanders tanken zu dürfen.

 

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