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Autor Thema: Tarifkunde oder Sondervertragskunde?  (Gelesen 42776 mal)

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Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #15 am: 19. Oktober 2011, 18:39:22 »
Zitat
Original von Black
 Wenn nach Ansicht des BGH der Versorger einseitig dazu übergehen kann, aus einem Tarifkunden einen Sonderkunden zu machen, dann geht das auch in die andere Richtung.

Es entspricht elementarem Vertragsrecht, dass sich der Versorger aus der vertraglichen Bindung eines bestehenden  Sondervertrages (insbesondere, wenn dieser keine wirksame Preisänderungsklausel enthält) durch ordentliche Kündigung befreien kann und ggf. befreien muss (vgl. etwa BGH Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07).

Keinesfalls ist der Versorger berechtigt, die vertragliche Pflichtenlage des Kunden einseitig neu zu bestimmen, wenn ein Sondervertrag besteht, insbesondere den Kunden  ohne Kündigung des bisherigen Sondervertrages einseitig der Geltung der gesetzlichen Bestimmungen der StromGVV/ GasGVV zu unterwerfen. Es ist auch nicht ersichtlich, wie ein Tarifkundenvertrag bzw.  Grundversorgungsvertrag überhaupt zustande kommen sollte, so lange bereits ein ungekündigter Sondervertrag besteht (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20, st. Rspr.).

Der BGH betont dabei zutreffend, dass ein bereits bestehender, ungekündigter Sondervertrag dem Abschluss eines (neuen) Tarifkundenvertrages jedenfalls entgegensteht (Sperrwirkung).

Zitat
BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20

Konnte die Änderungskündigung der Klägerin vom 15. April 2002 aber - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - mangels eines bestehenden Kündigungsrechts zum 18. oder 30. April 2002 keine Wirkung entfalten, durfte die Klägerin die weitere Abnahme von Strom durch den Beklagten auch nach dem 1. Mai 2002 nicht dahin verstehen, dass er ihr Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages zum Allgemeinen Tarif \"local classic\" ab dem 1. Mai 2002 annehme. Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an. Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.

Dies gilt freilich erst recht, wenn es schon keinerlei Kündigung des Versorgers gab, um den bestehenden Sondervertrag zu beenden.

Man muss sich das wohl als eine Art osmotische Wand vorstellen.

Der Versorger kann einseitig dazu übergehen, den Kunden fortan aufgrund eines für den Kunden günstigen Sondervertrages zu beliefern (BGH, Urt. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 295/09 Rn. 22 ff.).

Er kann jedoch nicht einseitig dazu übergehen, einen ungekündigten Sondervertragskunden fortan als (grundversorgten) Tarifkunden zu beliefern (BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20).

Darum nicht.




Fred heißt jetzt Ute, wir wünschen ihr alles Gute.
Hierfür wurde der legale Weg absolviert.  
Nach der Rechtslage kann Ute jedoch hiernach nicht auf legalem Weg wieder zu Fred (gemacht) werden.

Und so ist halt auch ein Versorger nicht berechtigt, seine Vertragspartner nach seinem Belieben mit Etiketten zu bekleben.

Offline Black

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #16 am: 19. Oktober 2011, 20:05:03 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black
 Wenn nach Ansicht des BGH der Versorger einseitig dazu übergehen kann, aus einem Tarifkunden einen Sonderkunden zu machen, dann geht das auch in die andere Richtung.

Es entspricht elementarem Vertragsrecht, dass sich der Versorger aus der vertraglichen Bindung eines bestehenden  Sondervertrages (insbesondere, wenn dieser keine wirksame Preisänderungsklausel enthält) durch ordentliche Kündigung befreien kann und ggf. befreien muss (vgl. etwa BGH Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07).

Keinesfalls ist der Versorger berechtigt, die vertragliche Pflichtenlage des Kunden einseitig neu zu bestimmen, wenn ein Sondervertrag besteht, insbesondere den Kunden  ohne Kündigung des bisherigen Sondervertrages einseitig der Geltung der gesetzlichen Bestimmungen der StromGVV/ GasGVV zu unterwerfen.

Aha. Aber umgekehrt ist der Grundversorger berechtigt, die vertragliche Pflichtenlage des Kunden einseitig neu zu bestimmen, wenn ein Grundversorgungsvertrag besteht, obwohl dieser vom Grundversorger gar nicht gekündigt werden kann?

Dann ist das wohl der 2-Stufenplan um Kunden aus der Grundversorgung zu kündigen. Im 1. Schritt den noch unkündbaren Kunden einseitig zu Sonderbedingungen versorgen und dann den damit geschaffenen Sondervertrag kündigen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #17 am: 19. Oktober 2011, 20:58:34 »
Geht der Versorger aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers dazu über, den Kunden außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu beliefern, so soll aus der Sicht des Kunden ein Sondervertrag bestehen.

Einen solchen Sondervertrag kann der Versorger ordnungsgemäß kündigen.

Kündigt der Versorger einen solchen Sondervertrag ordnungsgemäß,
handelt es sich bei dem Versorger zudem um den Grundversorger iSv. § 36 Abs. 2 EnWG,
handelt es sich ferner bei dem Kunden um einen Haushaltskunden und
entnimmt schließlich dieser Kunde
nach Wirksamwerden der ordentlichen Kündigung
ohne anderweitig einen  Vertrag abzuschließen bzw. abgeschlossen zu haben,
weiter Energie aus dem Netz,
so kann hierdurch ein neuer Grundversorgungsvertrag zustande kommen.

Aus der Grundversorgung herausgekündigt wird der betroffene Haushaltskunde dadurch folglich nicht.

Er kann durchaus (wieder) zum grundversorgten Kunden werden, jedoch erst nach wirksamer Beendigung des Sondervertrages.
Es besteht ein gesetzlicher Anspruch der Haushaltskunden auf Grundversorgung.

Führt der Versorger einen bisherigen Sonderpreis als  Grundversorgungstarif fort und kündigt er zudem die bestehenden Sonderverträge, so können zu diesem Tarif sodann neue Grundversorgungsverträge zustande kommen, die der Versorger sodann wegen § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV regelmäßig nicht mehr ordentlich kündigen kann.

Unterlässt der Versorger indes die ordentliche Kündigung der Sonderverträge, so bleiben diese ungekündigten  Kunden weiter Sondervertragskunden.

Offline tangocharly

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #18 am: 19. Oktober 2011, 21:10:34 »
Immer schön die Kirche im Dorf lassen. Tz. 24 der Entscheidung vom 09.02.2011 lautet:

Zitat
Ein Preisänderungsrecht nach § 4 AVBGasV besteht aber auch dann nicht, wenn das Versorgungsunternehmen - wie hier - dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen.

Da ist nix mit Einseitigkeit ....
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Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #19 am: 19. Oktober 2011, 21:21:16 »
Die Fälle liegen oft so, dass der Versorger ungefragt freiwillig und einseitg dazu übergeht, einen Kunden, der bisher als Tarifkunde beliefert wurde, außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu beliefern. Zuweilen wurden die Kunden auch schon bei Beginn der Lieferung vom Versorger automatisch nach einer Bestpreisabrechnung in einen Sondertarif eingestuft (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26).

Dadurch soll dann nach der Rechtsprechung des BGH kein Tarifkundenvertrag mehr, sondern vielmehr ein Sondervertrag bestehen, der seinerseits ordnungsgemäß zu kündigen ist.
So lange ein solcher Sondervertrag ungekündigt besteht, soll kein neuer Tarifkundenvertrag zustande kommen können.

Offline jofri46

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #20 am: 20. Oktober 2011, 12:06:26 »
Warum macht der (Grund-)Versorger das ungefragt und freiwillig? Weil er zugunsten des (Tarif-)Kunden zum billigeren \"Bestpreis\" abrechnet. Ist doch schön für den Kunden. Und da ist in der Tat nix mit Einseitigkeit, wenn sich offenbar die Verkehrssitte eingeschlichen hat, dass es keiner ausdrücklichen Annahme durch den Kunden mehr bedarf und der antragende Versorger darauf verzichtet hat (§ 151 BGB). Einmal eingefahren, kann das Spiel, auf diese Weise immer zum \"Bestpreis\" abzurechnen, fortgesetzt werden, selbst wenn sich der \"Bestpreis\" erhöht. Er wird für den Kunden immer noch günstiger sein als die Grundversorgungstarife. Eine Rückkehr zum Tarifkundenvertrag bedarf dann in der Tat der unmissverständlichen Erklärung (Kündigung) der \"Bestpreis\"-Abrechnung.

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #21 am: 20. Oktober 2011, 12:14:49 »
Zitat
Original von jofri46
Einmal eingefahren, kann das Spiel, auf diese Weise immer zum \"Bestpreis\" abzurechnen, fortgesetzt werden,selbst wenn sich der \"Bestpreis\" erhöht. ...Eine Rückkehr zum Tarifkundenvertrag bedarf dann in der Tat der unmissverständlichen Erklärung (Kündigung) der \"Bestpreis\"-Abrechnung.

Upps. Da erweist sich der BGH wohl deutlich als Spielverderber für den Versorger.

Die Spielregeln sind nämlich wohl folgende:

Nachdem erst einmal klar ist, dass es sich um einen Sondervertrag handelt, stellt sich nämlich sogleich  die Frage, ob in diesem konkreten Sondervertrag wirksam ein Preisanpassungsrecht für den Versorger vertraglich vereinbart wurde (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff.).

Die Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB werden wohl dabei zumeist nicht vorliegen. Individuell vereinbart wurde ein Preisanpassungsrecht dabei auch nicht.
Insbesondere wurde nicht wirksam vereinbart, dass der Versorger nach Vertragsabschluss verpflichtet sein soll, den Preis einseitig zu bestimmen (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32; Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 16).

In einem solchen Fall fehlt es dann am Preisanpassungerecht des Versorgers und kommt es auf Widersprüche des Kunden nicht mehr an (vgl. BGH, aaO.).
Eine Preiserhöhung ist dem Versorger bei einem solchen Sondervertrag im laufenden Vertragsverhältnis  also nicht mehr möglich (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.11 Az. VIII ZR 42/10 Rn. 32 ff.; B. v.07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2).

Deshalb schulden die betroffenen Kunden demnach regelmäßig vertraglich nur denjenigen Sonderpreis, der im Zeitpunkt des Zustandekommens des konkreten Sondervertrages galt.
Dieser wurde schließlich immerhin als vertragswesentlicher Punkt vereinbart (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32; Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 16.)

Der Versorger bleibt demnach bis zur ordentlichen Kündigung an einen solchen Sondervertrag und den dabei vereinbarten (Anfangs-) Preis gebunden.

Für entsprechende Sonderverträge eines Energieversorgers gilt, dass der Versorger mangels vertraglicher Abrede ein langjährig bestehendes Dauerschuldverhältnis nur  in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB ordentlich unter Einhaltung einer Frist kündigen kann (vgl. BGH, B. v. 15.09.09 Az. VIII ZR 241/08 Rn. 6, juris).

Offline jofri46

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #22 am: 20. Oktober 2011, 16:18:56 »
Wenn aber der jeweilige Bestpreis als Sonderpreis nicht in Ausübung eines Preisanpassungsrechtes sondern jeweils als Angebot und Annahme im Rahmen des § 151 BGB daherkommt?

Offline tangocharly

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #23 am: 20. Oktober 2011, 18:38:13 »
Darüber könnte man nachdenken und sich weiter fragen, warum wohl der Gesetzgeber über § 310 BGB die Bestimmungen gem. § 308 Nr. 4 und 5 BGB aus den Angeln gehoben haben will, jedenfalls wenn es sich hierbei um energierechtliche Vertragskonstellationen handelt.
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Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #24 am: 20. Oktober 2011, 22:38:58 »
Zitat
Original von jofri46
Wenn aber der jeweilige Bestpreis als Sonderpreis nicht in Ausübung eines Preisanpassungsrechtes sondern jeweils als Angebot und Annahme im Rahmen des § 151 BGB daherkommt?

Der BGH hatte doch wohl die Frage einer sog. Bestpreiseinstufung bereits entschieden, nämlich im Urteil vom 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26, 57-59, 65 f..

Der BGH sagt wohl in st. Rspr. glasklar, dass immer dann, wenn bereits ein Sondervertrag (ohne Preisanpassungsrecht)  besteht, weder dem Weiterbezug von Energie noch der widerspruchlosen und vorbehaltslosen Zahlung auf eine Verbrauchsabrechnung, die einen erhöhten Preis ausweist, überhaupt ein Erklärungsgehalt des Kunden entnommen werden kann, welcher jedenfalls Voraussetzung für eine vertragliche Neuvereinbarung wäre (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20; B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2 mwN).

Zitat
BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2

Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Gasversorgungsunternehmen gegenüber einem Normsonderkunden ein einseitiges Preisänderungsrecht zusteht, sind durch die Rechtsprechung des Senats geklärt. Insbesondere ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei einem Normsonderkundenvertrag (auf den das für den Tarifkundenvertrag geltende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV bzw. [seit dem 8. November 2006] § 5 Abs. 2 GasGVV weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung findet, vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, NJW 2011, 50 Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ 186, 180 ff. vorgesehen, und VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn. 12; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 25; jeweils mwN) von einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen werden kann (vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 26 ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 32 ff., 38 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 17; jeweils mwN), ob beim Fehlen einer wirksamen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts ein solches aus der ergänzenden Auslegung des Versorgungsvertrages hergeleitet werden kann (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 38 f.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 49 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 26 ff.; jeweils mwN) und ob in einer vorbehaltlosen Zahlung der vom Gasversorgungsunternehmen einseitig erhöhten Gaspreise durch den Kunden eine stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis gesehen werden kann, wenn es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Gasversorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil des Sonderkundenvertrags geworden oder unwirksam ist (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 57-59, 65 f.; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 40-42; jeweils mwN; vgl. hingegen für den Fall einer wirksamen Einbeziehung der AVBGasV mit dem sich hieraus ergebenden Preisänderungsrecht in den Normsonderkundenvertrag: Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 327/07, aaO Rn. 18].

Im Zusammenhang mit § 151 BGB wird oft so viel fabuliert, dass schlicht vergessen wird, nach dem Zugang eines entsprechenden Antrags auf Neuvereinbarung zu fragen. Am Zugang eines solchen Antrags des Versorgers auf Neuvereinbarung beim Kunden fehlt es zumeist, §§ 145, 130 BGB.  

Der Versorger unterbreitet in der besonderen Konstellation [dass ein Sondervertrag bereits besteht] schon regelmäßig  gar keinen Antrag auf Neuvereinbarung, sondern er nimmt vielmehr im laufenden Vertragsverhältnis ein vermeintlich bestehendes einseitiges Preisanpassungsrecht für sich in Anspruch und möchte ein solches wirksam ausüben.


Ist hingegen ein Antrag  des Versorgers auf Neuvereinbarung  beim Kunden wirksam zugegangen, so kommt selbst § 151 BGB nicht ohne eine Annahme aus. Verzichtet wird (unter engen Voraussetzungen)  lediglich auf eine ausdrückliche Erklärung der Annahme  und deren Zugang.

Zitat
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat.

Es gibt keine Verkehrssitte, wonach eine inhaltliche Neuvereinbarung eines bereits  bestehenden Sondervertrages ohne ausdrückliche Annahmeerklärung zustande kommt. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass dem Schweigen im nichtkaufmännischen Verkehr gar kein Erklärungsgehalt beigemessen werden kann.

Voraussetzung für eine solche Annahme ist ferner ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein und ein entsprechender Erklärungswille.
Auch daran  fehlt es jedoch gerade  den betroffenen Kunden in der besonderen Konstellation, dass bereits ein Sondervertrag besteht, auf dessen Grundlage der Leistungsaustausch bereits erfolgt.


Zitat
BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20

Konnte die Änderungskündigung der Klägerin vom 15. April 2002 aber - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - mangels eines bestehenden Kündigungsrechts zum 18. oder 30. April 2002 keine Wirkung entfalten, durfte die Klägerin die weitere Abnahme von Strom durch den Beklagten auch nach dem 1. Mai 2002 nicht dahin verstehen, dass er ihr Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages zum Allgemeinen Tarif \"local classic\" ab dem 1. Mai 2002 annehme. Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an. Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.

Offline jofri46

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #25 am: 21. Oktober 2011, 13:28:51 »
In der Praxis sah das in jahrelanger Übung doch so aus:

Da teilte der Versorger z. B. mit: \"bares Geld sparen mit dem neuen Tarif \"Optimo\", später dann \"Fixo\", \"Mundo\", \"Maxi\", Comfort\", \"Plus\" und so fort. Mit diesen neuen Sondertarifen gingen die Preise mal runter, mal rauf. Dazu hieß es dann \"den neuen (Sonder-)Tarif und die dazugehörige Bestabrechnung erhalten Sie automatisch ab dem...\".

Dem Kunden wars recht. Er zahlte vorbehalt- und widerspruchslos mal einen höheren, mal einen geringeren Preis (über die Jahre hinweg hatte sich der Preis natürlich nach oben entwickelt). M. E. liegt in dieser jahrlangen Übung jeweils das Angebot und die Annahme eines neuen Sondertarifes (unter Einschluss der Kündigung bzw. einverständlichen Aufhebung des alten Sondertarifes).

Dem Weiterbezug von Energie und der widerspruchs- und vorbehaltlosen Zahlung auf eine Verbrauchsabrechnung, die einen erhöhten Preis (und neuen Sondertarif) ausweist, soll nun kein Erklärungsgehalt des Kunden zukommen. Gilt das dann auch bei einem neuen Sondertarif mit geringerem Preis als dem bisherigen?

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #26 am: 21. Oktober 2011, 13:45:19 »
Zitat
Original von jofri46
In der Praxis sah das in jahrelanger Übung doch so aus:

Da teilte der Versorger z. B. mit: \"bares Geld sparen mit dem neuen Tarif \"Optimo\", später dann \"Fixo\", \"Mundo\", \"Maxi\", Comfort\", \"Plus\" und so fort. Mit diesen neuen Sondertarifen gingen die Preise mal runter, mal rauf. Dazu hieß es dann \"den neuen (Sonder-)Tarif und die dazugehörige Bestabrechnung erhalten Sie automatisch ab dem...\".

@jofri46

Eine entsprechende jahrelange Übung aus der Praxis ist mir nicht bekannt.

Bekannt ist die Praxis der Versorger, Kunden gleich zu Beginn in einen Sondertarif einzustufen (BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26) oder aber später dazu übergegangen zu sein, den Kunden außerhalb des Allgemeinen Tarifs zu beliefern (BGH, Urt. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 295/09 Rn. 22). Oftmals gab es dazu keinerlei Schreiben des Versorgers, sondern es wurde einfach nach einem Sondertarif geliefert und  angerechnet.

Was aus der Rechtsprechung dazu bekannt ist, wurde aufgezeigt.

Der Versorger kann doch - wenn bereits ein Sondervertrag besteht -  nicht ernsthaft dem Kunden mitteilen, dass dessen Belieferung ab einem bestimmten Zeitpunkt automatisch zu anderen Bedingungen erfolge und aus einem Schweigen des Kunden dann darauf schließen, dass dieser damit einverstanden sei (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20).

Es gilt diejenige Preisvereinbarung, durch welche der Sondervertrag ursprünglich überhaupt erst zustande gekommen ist (vertragswesentlicher Punkt).

Zitat
Original von jofri46

Dem Weiterbezug von Energie und der widerspruchs- und vorbehaltlosen Zahlung auf eine Verbrauchsabrechnung, die einen erhöhten Preis (und neuen Sondertarif) ausweist, soll nun kein Erklärungsgehalt des Kunden zukommen.
Gilt das dann auch bei einem neuen Sondertarif mit geringerem Preis als dem bisherigen?

Na klar gilt das auch dann.

Der Versorger kann auch weniger zur Abrechnung stellen und verlangen, als der Kunde aufgrund der bestehenden  vertraglichen Vereinbarung schuldet.
Nur mehr als das vertraglich Vereinbarte kann er halt nicht beanspruchen.

Die Praxis zeigt, dass die Versorger oftmals Entgelte zur Abrechnung stellen, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt und beliebt, ohne sich um elementares Vertragsrecht  zu kümmern.

Viele Vesorger wissen wohl shon gar nicht mehr, mit welchem Kunden sie tatsächlich wann was vereinbart hatten.
Es kümmert sie auch nicht wirklich, weil sie nach gewohnter langjähriger Übung sowieso jeweils einfach automatisch nach ihrem eigenen Belieben abrechnen und dies insbesondere selbst da, wo Kunden dieser Praxis in langjähriger Übung widersprochen hatten.

Neulich bei Gericht sagte ein Kollege auf der Gegenseite gar, er könne die Forderung, die sich bei Zugrundelegung des bei Zustandekommen des Sondervertrages vereinbarten Preises ergibt, nicht aufzeigen/ darlegen, weil der dabei vereinbarte Preis dem Versorger nicht bekannt sei. Ganz schlecht für einen Versorger, der gem. § 433 Abs. 2 BGB einen Zahlungsanspruch gerichtlich verfolgt und hierfür auch  die getroffene Preisvereinbarung darlegen und beweisen muss.

Offline jofri46

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #27 am: 21. Oktober 2011, 14:51:45 »
@RR-E-ft

Sorry, mir erschliesst sich das immer noch nicht ganz.

Da ist der Kunde im Grundversorgungstarif und wird mit der Bestpreisabrechnung in einen Sondertarif eingestuft.  Die weitere Gasentnahme und seinen Zahlungen darauf kommt kein Erklärungsgehalt zu. Gleiches gilt für künftige Änderungen der Sondertarife mit Preisschwankungen nach oben und unten. Der Kunde bleibt also im anfänglichen und teuren Tarifkundenvertrag und es bedarf keiner Rückkehr dorthin, weil es erst gar nicht zu einem wirksamen Sondertarifvertrag gekommen ist.

Offline RR-E-ft

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #28 am: 21. Oktober 2011, 14:57:54 »
Zitat
Original von jofri46


Da ist der Kunde im Grundversorgungstarif und wird mit der Bestpreisabrechnung in einen Sondertarif eingestuft.

@jofri46

Gedanklich bedarf es zweier Schritte.

1.

Durch die Einstufung in und die Belieferung zu einem Sondertarif kommt nach der Rechtsprechung des BGH ein Sondervertrag zustande (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26, Urt. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 295/09 Rn. 22 ff., Urt. v. 11.05.11 Az. VIII ZR 42/10 Rn. 33).

2.

Nachdem ein solcher Sondervertrag erst einmal so zustande gekommen ist, regelt sich nach der Rechtsprechung des BGH  alles weitere dann nur noch nach dem Inhalt eben dieses bereits bestehenden Sondervertrages (vgl. BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2), der für den Versorger ordentlich kündbar ist.

Offline bolli

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Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
« Antwort #29 am: 21. Oktober 2011, 15:00:53 »
Zitat
Original von jofri46
Da ist der Kunde im Grundversorgungstarif und wird mit der Bestpreisabrechnung in einen Sondertarif eingestuft.  Die weitere Gasentnahme und seinen Zahlungen darauf kommt kein Erklärungsgehalt zu. Gleiches gilt für künftige Änderungen der Sondertarife mit Preisschwankungen nach oben und unten. Der Kunde bleibt also im anfänglichen und teuren Tarifkundenvertrag und es bedarf keiner Rückkehr dorthin, weil es erst gar nicht zu einem wirksamen Sondertarifvertrag gekommen ist.
Natürlich vergisst der Kunde im Verfahren nicht zu betonen, dass er mit der erstmaligen Einstufung in den Sondertarif einverstanden war, mit dem Rest aber nicht mehr.  ;)

 

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