Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Tarifkunde oder Sondervertragskunde?

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tangocharly:
Nein. In der Versorgerterminologie existieren dabei keine \"mehreren Tarife\" nebeneinander, sondern nur verschiedene Stufen ein und desselben Tarifs. Und diese Stufen können, weil für Haushaltskunden gezimmert, bis über 100.000 kWh reichen (der Stadtsäckel wird sich dankbar erweisen, wenn er die Konzessionsabgabe aus dem GV-Tarif einsackt).

Und wenn man eine Extra-Wurscht bäckt und ausdrücklich dazu schreibt, dass es sich bei diesem Wurschtsalat um keine Sondervereinbarung handelt, dann ist drin, was drauf steht -  oder ?

Aber weil Wechseln so einfach ist und dazu noch eine tolle Sache, muß man halt täglich die Gasanbieterpreise studieren, so wie die Aktienkurse. Und es steht auch niemand mit dem Maschinengewehr neben einem, um die Heirat mit dem örtlichen Grundversorger zu erwingen.

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von tangocharly
Nein. In der Versorgerterminologie existieren dabei keine \"mehreren Tarife\" nebeneinander, sondern nur verschiedene Stufen ein und desselben Tarifs.
--- Ende Zitat ---

Schon da wäre ich mir nicht für jeden Fall unbedingt sicher, obschon ich auch viele Jahre Versorgerphrasologie studiert habe.

Versorgerterminologie ist eine Welt für sich.
Es geht hier um das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers, der nicht zuvor Versorgerterminologie studiert hat.

Wir wollen es uns bei Lichte genauer betrachten:


Es gibt Versorger, die bieten in der Grundversorgung nur noch einen einzigen Tarif an,  Basistarif BT (zB. EWE Vertrieb).

Es gibt andere Versorger, die bieten in der Grundversorgung nach wie vor mehrere Allgemeine Tarife nebeneinander an, nämlich mindestens Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G (zB. Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH).
Bei Geltung der (1998 außer Kraft getretenen) BTOGas mussten Gasversorger bekanntlich als Allgemeine Tarife mindestens einen Kleinverbrauchstarif und einen Grundpreistarif als Pflichttarife anbieten, deren Preisbildung zudem in der BTOGas reglementiert war. Wurde dieses Preissystem beibehalten, kann nicht davon die Rede sein, es handele sich dabei um einen einzigen Allgemeinen Tarif, auch nach der Versorgerterminologie nicht.  

Werden vom Versorger ganz klar mehrere Allgemeine Tarife unterschieden und öffentlich bekannt gemacht, dann handelt es sich eben nicht um einen einzigen Allgemeinen Tarif.

Für den (konkludenten) Abschluss eines Grundversorgungsvertrages müssen sich Haushaltskunde und Grundversorger bei Vertragsabschluss auf einen eindeutig bestimmten Allgemeinen Tarif einigen (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 12, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Werden mehrere Allgemeine Tarife nebeneinander angeboten, kann der bei Vertragsabschluss eindeutig bestimmte und vereinbarte Tarif somit  entweder der Kleinverbrauchstarif K oder aber der Grundpreistarif G sein.

Wurden mehrere nebeneinander bestehende Allgemeine Tarife veröffentlicht, so kann der Kunde zwischen mehreren wählen und die Belieferung zu einem bestimmten Allgemeinen Tarif verlangen. Darauf hat er einen gesetzlichen Anspruch, so war es nach der BTOGas.


Der so eindeutig vereinbarte Tarif würde dann grundsätzlich für die gesamte Vertragsdauer gelten, weil er eben bei Vertragsabschluss zwischen den Parteien vereinbart wurde.

Nicht gemeint sind sog. Staffeltarife.

Bietet der Grundversorger - ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein - frewillig eine sog. Bestabrechnung zwischen mehreren nebeneinader bestehenden Allgemeinen Tarifen an, indem er den Kunden jeweils am Ende eines Verbrauchsjahres verbrauchsabhängig in einen der nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarife einordnet, dann ergibt sich diese Fragestellung.


Also aus dem Preisblatt Grundversorgung Jena wüsste man wohl nicht unbedingt, welcher eindeutig bestimmte Allgemeine Tarif bei Vertragsabschluss tatsächlich  vereinbart wurde.

Klar voneinander unterschieden werden dabei mehrere, nebeneinander bestehende Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung für Haushaltskunden.

Der Versorger hat jedoch gar nicht die Absicht, einen eindeutig bestimmten und bei Vertragsabschluss mit dem Kunden vereinbarten Allgemeinen Preis abzurechnen, sondern lässt statt dessen verlauten:


--- Zitat ---\"Innerhalb dieser Preisgruppe ermitteln wir bei der Verbrauchsabrechnung den für den Kunden jeweils günstigsten Preis (Bestabrechnung).\".
--- Ende Zitat ---

Dazu verpflichtet ist der Versorger nicht. Er macht das freiwillig.
Klingt für den Kunden auch erst mal gar nicht schlecht.

Wurde bei Vertragsabschluss eine Belieferung zum eindeutig bestimmten Kleinverbrauchstarif vereinbart oder zum eindeutig bestimmten, daneben bestehenden Grundpreistarif oder aber keiner der eindeutig bestimmten Allgemeinen Tarife verinbart, sondern vielmehr - abweichend -  eine vom Versorger im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig angebotene Bestpreisabrechnung zwischen mehreren nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarifen, so dass der tatsächlich zur Anwendung kommende Tarif im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eben noch gar nicht eindeutig bestimmt ist?!


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32

Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag).
--- Ende Zitat ---

Welcher eindeutig bestimmte Preis von mehreren wurde denn bei Vertragsabschluss eindeutig vereinbart?

Bei Vertragsabschluss ist vollkommen unklar, welcher Preis dereinst wohl auf der Verbrauchsabrechnung auftauchen wird. Eindeutig sagen kann das noch keiner, erst recht nicht auf Anhieb. Mal sehen, was die Zukunft wohl bringt. Der Versorger ermittelt den abzurechnenden Preis erst später selbst undzwar bei der Verbrauchsabrechnung. Vor der Verbrauchsabrechnung steht der Preis noch nicht fest. Man weiß also noch nicht so recht, welcher Preis das sein wird, wenn ein Kunde, der ausschließlich mit Gas heizt, den Grundversorgungsvertrag im Juni abschließt und Ende August durch Kündigung beendet.  Es ist für das Kaufrecht doch eigentlich vollkommen sonderbar, wenn sich der Preis erst bei der Abrechnung ermitteln lässt.

Mit dem bei Vertragsabschluss veröffentlichten Preis muss der - im Zeitpunkt der Erstellung der Verbrauchsabrechnung - erst ermittelte Preis schon lange nichts mehr zu tun haben, je nachdem wie lange die Abrechnungsperiode dauert und wie oft die Preise zwischenzeitlich geändert wurden. Bekanntlich kann der Versorger nach seiner Wahl den Verbrauch auch täglich oder monatlich abrechnen.


--- Zitat ---§ 40 Abs. 3 EnWG

Lieferanten sind verpflichtet, den Energieverbrauch nach ihrer Wahl monatlich oder in anderen Zeitabschnitten, die jedoch zwölf Monate nicht wesentlich überschreiten dürfen, abzurechnen.
--- Ende Zitat ---

Schon allein aus der Wahl der Abrechnungsperiode durch den Versorger können vollkommen unterschiedliche Preise zur Abrechnung kommen.

Erfolgt die Abrechnung jährlich, landet der Kunde, der mit Gas heizt und 30.000 kWh im Jahr verbraucht, wohl im Grundpreistarif. Wählt der Versorger eine monatliche Abrechnung, landet der selbe Kunde bei selbem Abnahmeverhalten in den Sommermonaten plötzlich jedoch wohl eher im Kleinverbrauchstarif, den sonst nur der Gaskunde hat, der lediglich ganzjährig einen Gasherd zum Kochen  benutzt.

Wenn das mal nichts von Willkür hat.
 
Von einem eindeutig bestimmten und vereinbarten Preis kann dabei also wohl gar keine Rede sein. Ein betroffener Kunde, der im Zeitpunkt des Gasverbrauchs deshalb noch gar nicht absehen kann, welcher Gaspreis deshalb später tatsächlich abgerechnet wird, befindet sich wohl eher in einer besonderen vertraglichen Situation, die der Gesetzgeber gerade nicht wollte. Und auch der für Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH geht ja davon aus, dass der Tarifkunde einer sei, der im Zeitpunkt des Gasverbrauchs schon eindeutig wisse, welcher Preis dafür zu zahlen sei, da der Preis schließlich eindeutig bestimmt gewesen und als solcher vertraglich vereinbart worden sei.

Ganz speziell wird die Sache, wenn der Versorger im laufenden Vertragsverhältnis den Kleinverbrauchstarif oder den Grundpreistarif hinsichtlich Grund- und/oder Arbeitspreis unterschiedlich neu gestaltet.
Zu einer solchen uneinheitlichen Änderung kann bzw. muss es nämlich zwingend kommen, wenn sich ceteris paribus (!) nur die verbrauchsabhängigen Netzentgelte zwischenzeitlich verändern.

Widerspricht man dann der Änderung des Grundpreistarifes oder der Änderung des Kleinverbrauchstarifes, wenn es um die nachträgliche einseitige Änderung eines vereinbarten Tarifs geht?

Man kann wohl nicht erfolgreich der einseitigen Änderung eines Tarifs widersprechen, den man selbst  nicht vereinbart hat und zu dem man auch nicht beliefert wird.

Wenn nach der gesetzlichen Regelung bei Vertragsabschluss ein eindeutig bestimmter Tarif vertraglich vereinbart wird, dann handelt es sich bei einer Abweichung hiervon wohl nicht mehr um die Belieferung nach der gesetzlichen Regelung.

Fazit:

Es lohnt sich, in jedem Einzelfall durchaus genauer hinzuschauen, was der Versorger da eigentlich treibt.

Black:
Die mir bekannten Versorger, die mehrere Allgemeine Tarife anbieten tun dass im Wege einer Preisstufung nach Abnahmemengen.

Das bedeutet, dass trotz unterschiedlicher Tarife für jede Abnahmemenge nur ein einziger Tarif angeboten wird. Es ist für jeden Kunden also von vornherein klar, welchen Preis er bei welcher Abnahmemenge zahlen muss.

Ob man das Ganze jetzt als einen Tarif bezeichnet, der bei steigenden Verbrauchsmengen verschiedene Preisstufen aufweist oder ob man von mehreren Tarifen spricht, in die der Kunde automatisch eingeordnet wird spielt keine Rolle.

RR-E-ft:
@Black

Mag sein, dass Sie die Stadtwerke Energie Jena- Pößneck GmbH nicht kennen.
Deren aktuelles Preisblatt Grundversorgung wurde verlinkt und dort ergibt sich jedenfalls nichts für eine Verbrauchsstaffel (Preisstufung nach Abnahmemengen).

Zudem tritt dort jedenfalls auch das Problem auf, dass das Ergebnis der Preisermittlung nach Bestpreisabrechnung, welche erst bei der Verbrauchsabrechnung erfolgt, von der Abrechnungsperiode abhängt, die der Versorger sich selbst wählen kann.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Zudem tritt dort jedenfalls auch das Problem auf, dass das Ergebnis der Preisermittlung nach Bestpreisabrechnung, welche erst bei der Verbrauchsabrechnung erfolgt, von der Abrechnungsperiode abhängt, die der Versorger sich selbst wählen kann.
--- Ende Zitat ---

Sie vergessen, dass es der Kunde ist, der letztendlich den Abrechnungszeitraum bestimmen kann. § 40 Abs. 3 Satz 2 EnWG \"Lieferanten sind verpflichtet, Letztverbrauchern eine monatliche, vierteljährliche oder halbjährliche Abrechnung anzubieten.\"

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