Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Tarifkunde oder Sondervertragskunde?

<< < (7/10) > >>

RR-E-ft:
Es kommt nur darauf an, dass der Kunde aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers ab einem bestimmten Zeitpunkt vom Versorger unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit nicht [mehr] zum Allgemeinen Tarif beliefert wurde.


Der Versorger geht einen entsprechenden Schritt - aus welchen Motiven auch immer - ganz bewusst. Der Versorger hat sich selbst klar dafür entschieden, den betroffenen Kunden unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit und somit nicht (mehr) als grundversorgten Tarifkunden zu beliefern und wird von der Rechtsprechung vertragsrechtlich an dieser privatautonomen Entscheidung für die Zukunft festgehalten.

Von da an handelt es sich bei dem betroffenen Vertragsverhältnis nach der Rechtsprechung des BGH deshalb um einen Sondervertrag (vgl. BGH, aaO.).

Nachdem ein solcher Sondervertrag erst einmal so zustande gekommen ist, regelt sich nach der Rechtsprechung des BGH alles weitere dann nur noch nach dem Inhalt eben dieses bereits bestehenden Sondervertrages (vgl. BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2), der für den Versorger ordentlich kündbar - bis zur Beendigung durch ordentliche Kündigung jedoch verbindlich ist.

tangocharly:
Liegt hier nicht ein grundsätzliches Mißverständnis vor ?

Bitte BGH 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 27 genau lesen. Nicht die Anwendung der Bestpreisabrechnung für sich bringt nach BGH die Sondervertragseinstufung, sondern die Bezeichnung dieser Tarife, in denen die BP-Abrechnung zu Grunde liegt, als \"Sondertarif\", \"Sonderkondition\", etc.

So, und  jetzt nach BGH 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26 zurück blättern.
Dann stellt man fest, dass der Rückfall in eine Verbrauchsmenge, die der untersten Tarifstufe entspricht und die in der Ursprungsfassung nicht als Sondertarif bezeichnet war, daran nichts ändern kann, dass zwischenzeitlich ein Sonderkundenvertragsverhältnis entstand.

Ist aber auch logisch. Denn wenn bereits ein Vertragsverhältnis besteht, dann (worauf @RR-E-ft bereits hingewiesen hat) ist auch kein Raum für den Eintritt in ein Grundversorgungsverhältnis (Kontrahierungszwang !).
Da wird man letztlich auch vergeblich nach einem Erklärungswillen des Verbrauchers suchen, dass er künftig wieder zu dem teuren Grundversorgungstarif versorgt werden möchte.

RR-E-ft:
Nach st. Rspr. des BGH wird bei Abschluss eines Tarifkundenvertrages ein eindeutig bestimmter Allgemeiner Tarif vereinbart.



--- Zitat ---BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32

An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte Preis für die Gaslieferung aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas ergab (vgl. § 10 Abs. 1 EnWG 1998; § 4 Abs. 1 AVBGasV). Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag).
--- Ende Zitat ---

Diesen eindeutig bestimmten und bei Vertragsabschluss vereinbarten Allgemeinen Tarif kann und muss der Versorger nach der Rechtsprechung des BGH im laufenden Vertragsverhältnis nach billigem Ermessen anpassen (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08 Rn. 18; B. v. 18.05.10 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 10 f.).

Der Versorger ist bei einer Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht verpflichtet, den Kunden zu demjenigen   Allgemeinen Tarif zu beliefern, der bei Vertragsabschluss eindeutig bestimmt war und vereinbart wurde.

Eine Bestpreisabrechnung zwischen mehreren Allgemeinen Tarifen ist nach der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen, weicht folglich von dieser ab.

Man kann deshalb die Frage stellen, ob eine solche vom Versorger freiwillig (unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit) praktizierte Bestpreisabrechnung zugunsten der Kunden nicht schon allein eine solche Abweichung von der  gesetzlichen Regelung darstellt, die zu einem Sondervertrag führt. Das soll und braucht an dieser Stelle jedoch gar nicht weiter vertieft werden.

Ein Sondervertrag liegt nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann vor, wenn der Versorger dazu übergegangen war, den betroffenen Kunden unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu einem Sondertarif außerhalb der Allgemeinen Tarife zu beliefern. Nachdem ein solcher Sondervertrag erst einmal so zustande gekommen ist, regelt sich nach der Rechtsprechung des BGH alles weitere dann nur noch nach dem Inhalt eben dieses bereits bestehenden Sondervertrages (vgl. BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2), der für den Versorger ordentlich kündbar - bis zur Beendigung durch ordentliche Kündigung jedoch verbindlich ist.

tangocharly:
Für die Bestpreisabrechnung existieren doch immer wieder phänomenal anmutende Beschreibungen. So z.B. bei dem Versorger Badenova:


--- Zitat ---\"Bestpreisabrechnung bei Erdgaslieferung.
Der Erdgasverbrauch eines Abrechnungsjahres wird nach dem für Sie optimalen Preis abgerechnet. Dies gilt nicht für Sonderverträge und bei Ersatzversorgung.\"
--- Ende Zitat ---

So gesehen ist dieser Abrechnungsmodus gerade eben nicht kennzeichnend für die Grundversorgung.

Denn wenn man diesen Abrechnungsmodus bei Sonderverträgen ausnehmen möchte, dann muß man doch wohl schon dafür Veranlassung gesehen haben, diesen Ausnahmefall eigens zu regeln.

Dass die Bestpreisabrechnung für die Grundversorgung angeblich kennzeichnend sei, wird wohl häufig auf Versorgerseiten vertreten (so auch der Vertreter des Versorgers im Verfahren Az. VIII ZR 246/08).

Eine schlüssige Begründung dafür, welche das Kennzeichnende einer Bestpreisabrechnung an der  Grundversorgung darstellen soll, findet man aber nirgendwo.

Die Verwendung von Begriffen wie Sondertarif, Sonderkonditionen, etc. (auf die der BGH bisher immer Wert legt) welche darüber entscheiden, was Sondertarif oder was Allg. Tarif sei, verwandeln das geflügelte Wort : \"Nicht immer ist drin, was drauf steht\", damit zur Umkehrung: \"Was drauf steht, das ist auch drin (Basta)\".

Das muß der Letztverbraucher verstehen. Und nur das wird er auch verstehen und - so der BGH- auch nur darauf, was aus Verbrauchers Sicht im Versorgungsverhältnis gelten soll, kommt es an.

Somit mutiert das Kennzeichnende der Bestpreisabrechnung (wenn es so richtig sein sollte) zu einem Effekt ohne jegliche (Sonder-)Bedeutung - aus der Sicht des Verbrauchers. Dann kommt es dem Verbraucher auch nicht darauf an, ob eine Konzessionsabgabe von (nur) 0,03 ct/kWh oder eine solche von 0,22 ct/kWh aufwärts abgerechnet wird.

RR-E-ft:
Eine Bestpreisabrechnung zwischen mehreren, nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarifen, ist nach der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen.
Eine solche wird von einigen Versorgern freiwillig (unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit) angeboten.
Soweit jedoch eine freiwillige Abweichung von der gesetzlichen Versorgungspflicht vorliegt, könnte eine solche womöglich durchaus Bedeutung erlangen.

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