Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Bundesgerichtshof kippt Ölpreisbindung für Privatkunden

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RR-E-ft:
@gastrom

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Der BGH hat bereits geklärt, dass auch gegenüber Tarifkunden gestiegene Bezugskosten eine Preiserhöhung nicht rechtfertigen können, nämlich wenn und soweit der Kostenanstieg im Vorlieferantenverhältnis nicht für die Anpassung an die Marktverhältnisse erforderlich und angemessen war und/oder gestiegene Bezugskosten durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren des sog. Preissockels ausgeglichen werden konnten. Dies leitet der BGH auch aus §§ 2, 1 EnWG her.

Lothar Gutsche:
@ RR-E-ft

Die Frage, die RuRo zur Ölpreisbindung beim Vorlieferanten stellte, sehe ich noch nicht als beantwortet. Er fragte:


--- Zitat ---Wie sieht es nun aus, wenn eine identische Preisbildungsformel/-anpassungsformel im Gaslieferungsvertrag mit dem Vorlieferanten vereinbart wurde?
--- Ende Zitat ---

In der Erläuterung der Frage bezog sich RuRo auf das BGH-Urteil VIII ZR 36/06 vom 13.6.2007, Leitsatz c) und d):
 

--- Zitat ---Die auf einer vorgelagerten Lieferstufe praktizierte Bindung des Erdgaspreises an den Preis für leichtes Heizöl (sog. Anlegbarkeitsprinzip) ist nicht Gegenstand der Billigkeitskontrolle einer einseitigen Erhöhung des Gaspreises, den ein Gasversorger seinen Tarifkunden in Rechnung stellt. Eine Tariferhöhung, mit der lediglich gestiegene Bezugskosten des Gasversorgers an die Tarifkunden weitergegeben werden, entspricht grundsätzlich der Billigkeit; sie kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg der Bezugskosten durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird.
--- Ende Zitat ---

In Ihrer Erläuterung zeigten Sie, dass aus der Anwendung der HEL-Anpassungsformel beim Endkundenpreis wirtschaftliche Nachteile für den Verbraucher zu Gunsten des Versorgers resultieren können, wenn nämlich andere Kostenbestandteile neben dem Gasbezug sich nicht in dem gleichen Ausmaß oder sogar gegenläufig verändern wie der HEL-Preis. In RuRos Frage sehe ich jedoch noch einen 2. Aspekt: In wie weit ist der Endkundenversorger verpflichtet, bei seinem Vorlieferanten für Gas die Unbilligkeit zu rügen und insbesondere die HEL-Bindung sowohl kartellrechtlich als auch AGB-rechtlich überprüfen zu lassen? Aus dem EnWG ergibt sich doch die Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung. Dazu passt schlecht, wenn ein Endkundenversorger bei seinem Ferngaslieferanten die kostentreibende Ölpreisbindung an HEL akzeptiert. Denn auch auf der Vorleistungsebene tritt der von Ihnen beschriebene Effekt auf, dass die Kosten für den Betrieb der Ferngasnetze, die Vertriebskosten usw. des Ferngasliefranten sich im allgemeinen nicht so verändern, wie es die reinen Gasbezugspreise tun.

Verstößt der Endkundenversorger mit seiner Passivität gegenüber dem Ferngaslieferanten nicht gegen seine Verpflichtung aus dem EnWG, möglichst kostengünstig einzukaufen, wenn er auf der Vorleistungsebene die Ölpreisbindung einfach akzeptiert? Die Frage ist weniger für Sondervertragskunden, sondern mehr für grundversorgte Kunden von Interesse. Der VIII. Zivilsenat des BGH kam in Randnummer 27 seines Urteils VIII ZR 36/06 vom 13.6.2007 zu der Auffassung \"Nein\", das ist im Rahmen der Billigkeitsprüfung irrelevant. Vor dem Hintergrund des gestrigen Urteils ist das jedoch möglicherweise zu revidieren.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

RuRo:
@Lothar Gutsche
Sie haben es treffend und präzise ausformuliert.
Doch bin ich mir auch sicher, dass @RR-E-ft genau erkannte, worauf die Fragestellung abzielt  ;)

RR-E-ft:
@Lothar Gutsche

Die Tarifkundenrechtsprechung ist doch bei BGH VIII ZR 36/06 nicht stehen geblieben, sondern hat in VIII ZR 138/07 und VIII ZR 314/07 eine Fortsetzung gefunden.

Und demnach (VIII ZR 138/07 Rn. 43) können nicht alle tatsächlichen Bezugskostenerhöhungen weitergegeben werden, sondern wegen § 1 EnWG nur solche, die zur Anpassung an die Marktverhältnisse erforderlich und angemessen sind. Diese Marktverhältnisse werden m. E. wegen der Importabhängigkeit der Gasversorgung bestimmt durch die nominale Entwicklung der Erdgasimportpreise, die vom BAFA veröffentlicht werden. Auf diese stellt auch der Monitoringbericht der BNetzA für die Entwicklung der Großhandelspreise ab. Einen anderen Anhalt als die BAFA- Erdgasimportpreise gibt es für die Marktverhältnisse gar nicht, allenfalls noch die EEX- Notierungen seit 2007  und weitere Spotmarktnotierungen.

Demzufolge dürfte ein Bezugskostenanstieg (völlig unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage das Gas beschafft wurde), der über den nominalen Anstieg der Erdgasimportpreise hinausgeht, billigerweise nicht an die Kunden weitergewälzt werden. Untunlich ist es deshalb, sich- wie oft geschehen - an dem Begriff \"Ölpreisbindung\" festzubeißen.

Die beschriebene Ölpreisbindung in den Importverträgen und die daraus resultierenden Marktverhältnisse auf der Großhandelsebene (repräsentiert durch die BAFA Erdgasimportpreise) wird man als festes Datum hinzunehmen haben. An diesen können auch die Stadtwerke beim besten Willen nichts ändern.

Kontrollüberlegung:

An den maßgeblichen Marktverhältnissen auf der Großhandelsebene ändert sich auch dann nichts, wenn die Stadtwerke Gas nicht aufgrund langfristiger Lieferverträge mit HEL- Klausel, sondern Gas von Tag zu Tag am Markt beschaffen.

Im Prozess ist es Sache des Tarifkunden, hierzu Vortrag zu halten.Fast mundgerecht siehste hier..

In BGH VIII ZR 138/07 kommt zum Ausdruck, dass entsprechender Vortrag dort (noch) nicht gehalten worden sei. Der ist deshalb nach Zurückverweisung an das LG Duisburg noch tunlichst nachzuholen. Das wissen auch Herr Wrede und dessen Prozessbevollmächtigte, die hier fleißig mitstudieren.

Auch bei heißem Herzen gilt es also immer kühlen Kopf zu bewahren. Wer nur reflexhaft ruft: \"Ölpreisbindung geht gar nicht!\", dem wird damit kein Erfolg beschieden sein. Den Gerichten erschien dies womöglich \"auf Krawall gebürstet\". Das und nichts anderes ergab sich aus BGH VIII ZR 36/06, auch wenn es von der Gaswirtschaft gern anders interpretiert wurde. Dort dachte man, jedweder Bezugskostenanstieg sei \"abgesegnet\". Irrtum.

Aufgrund des gleichen Mißverständnisses sollte man auch nicht auf eine angebliche \"Rechtsprechung\" einprügeln. Es bedarf bei genauer Betrachtung auch keiner Revision (\"revidieren\"). Es steht zu erwarten, dass sich die Urteilsbgründungen mit der Frage der \"Marktverhältnisse\" etwas differenzierter befassen.

=======

Wenn sich - wie derzeit -  die Marktverhältnisse durch einen zunehmend liquiden Gasmarkt (Spotmarkt) ändern, dann verspüren selbst Importeure wie E.ON Ruhrgas erheblichen Druck, in den Importverträgen etwas an der dortigen Ölpreisbindung zu ändern. Und wie die Berichterstattung über die Auseinandersetzung zwischen E.ON Ruhrgas und Gazprom deutlich zeigt, geht dann auch dort etwas. Siehste hier. Plötzlich ist davon die Rede, dass fortan Teilmengen ohne Ölpreisbindung importeiert werden. E.ON Ruhrgas hatte bereits im September 2005 erklärt, dass Gasmengen aufgrund langfristiger Importverträge ohne Ölpreisbindung importiert werden. Letzteres erscheint jedoch erlogen gewesen zu zu sein, um die Beanachteiligung einzelner Kundengruppen zu kaschieren.

Wenn es denn so gewesen wäre, dass Kraftwerksbetreiber das Gas zu relativ stabilen Gaspreisen bekamen, ist natürlich fraglich, womit E.ON die Strompreiserhöhungen rechtfertigen wollte. Ölkraftwerke spielen im deutschen Energiemix keine Rolle. Als Grund für die gestiegenen Strompreise wurden u.a. gestiegene Gaspreise angeführt, die nun einmal an den Ölpreis gebunden seien....

Fazit:

Die Marktkräfte überwinden die nicht marktgerechte Ölpreisbindung von selbst, wenn nur marktkonforme Verhältnisse herrschen, also keine Marktabschottungen durch langfristige Verträge und Demarkationen sowie daraus resultierende Monopolstellungen. Hierzu haben das Bundeskartellamt und der Kartellsenat des BGH durch das Verbot langfristiger Bezugsbindungen (Langfristverträge E.ON Ruhrgas) maßgebliche Impulse gesetzt.

Man könnte auch sagen, der BGH habe nun mit der Lebenslüge der Gaswirtschaft aufgeräumt, man könne den Marktpreis für Erdgas in einer mathematischen Formel antezipieren. Wer Gas zu Preisen bezieht, die sich nach entsprechenden mathematischen Formeln ergeben, bezieht das Gas gerade nicht zu marktgerechten Preisen.

energienetz:
Wir können im Fall Rheingas exakt belegen, dass der Preisanstieg im Einkauf geringer mit dem HEL gestiegen ist, als der Endkundenpreis. Das LG Köln hat in seinem Urteil dazu zutreffend formuliert, dass es darauf gar nicht ankommt. Allein die Möglichkeit, dass es so sein könnte führt zur Unwirksamkeit der Klausel
siehe
http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__2220/
das OLG Köln hat das dann wieder kassiert und dagegen nicht einmal die Revision zugelassen, erst unsere Nichtzulassungsbeschwerde hatte dann den gewünschten und allseits bekannten Erfolg zur Konsequenz.

Gruss aus Unkel

Ich möchte in diesem Zusammenhang doch noch auf die Rückforderungsmöglichkeiten für die 185.000 betroffenen Verbraucher hinweisen.

http://www.energieverbraucher.de/de/Energiebezug/Erdgas/Preise__312/ContentDetail__10453/

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