Energiepreis-Protest > EWE

BGH verhandelt EWE Gaspreise

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tangocharly:
Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen und zu Bedenken geben, dass der  VIII. Senat  am 15.07.2009 (Az.: VIII ZR 225/07, Tz. 15) ausgeführt hatte:


--- Zitat ---Zitat:
Nach der Bundestarifordnung Gas (aufgehoben mit Wirkung vom 29. April 1998 durch Art. 5 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998, BGBl. I S. 730) waren die Versorger zwar verpflichtet und nach der Bundestarifordnung Elektrizität (aufgehoben mit Wirkung vom 1. Juli 2007 durch Art. 5 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005, BGBl. I S. 1970) jedenfalls berechtigt, zur Erfüllung ihrer Versorgungspflicht nach § 6 EnWiG, an dessen Stelle zunächst § 10 EnWG 1998 und nunmehr § 36 EnWG 2005 getreten sind, mehrere Allgemeine Tarife (Kleinverbrauchstarif und Grundpreistarif, Pflichttarif und Wahltarife) anzubieten. Schon vor der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Jahr 1998 stand es ihnen jedoch frei, daneben Sonderverträge zu schließen, für deren inhaltliche Ausgestaltung - vorbehaltlich kartellrechtlicher Beschränkungen - der Grundsatz der Vertragsfreiheit galt (Senatsurteil vom 12. Dezember 1984, aaO, unter I 1).
--- Ende Zitat ---

Es stört bei der Argumentation des OLG Dresden, wenn auch gestützt auf die Entscheidung des BFH (welche ja nach der Entscheidung des BGH v. 12.12.1984 ergangen war), das Wörtchen : \"daneben\", also neben z.B. dem Wahltarif.

Was aber ein Wahltarif mit Kontrahierungszwang zu schaffen hat (und ihn zum Allg. Tarif machen soll), das erklärt der VIII. Senat nicht.

RR-E-ft:
@tangocharly

Ihr Beitrag zum Urteil des OLG Dresden ist nicht untergegangen.

Eine abstrakte Diskussion ist an dieser Stelle jedoch wenig zielführend.

Bei den Sondertarifen der EWE handelt es sich nach deren Veröffentlichungen ausdrücklich nicht um Allgemeine Tarife nach dem Energiewirtschaftsgesetz bzw. Allgemeine Preise der Grundversorgung, mithin handelt es sich dabei ausdrücklich um die Belieferung außerhalb der  gesetzlichen Versorgungspflicht im Rahmen der Vertragsfreiheit. Dort sollten AGB kraft Einbeziehung gelten.

Wir bekommen hier aber wohl noch einen genauen Terminsbericht vom heutigen Tage in Karlsruhe.

Abwarten. ;)

RR-E-ft:
BGH: Entscheidung erst am 16.06., alles für möglich gehalten


--- Zitat ---Prozessbeobachter in Karlsruhe schließen für den 16. Juni weder eine klare Entscheidung Pro oder Contra EWE noch eine Rückverweisung an das OLG oder auch eine Verweisung an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus. Auch mögliche Folgen, etwa Rückvergütungen an EWE-Gaskunden, sind offen.
--- Ende Zitat ---


Wenn Prozessbeobachter selbst eine Vorlage zum EuGH für möglich halten, muss wohl die Vereinbarkeit von Klauseln mit EU- Recht Gegenstand der Argumentation/ Erörterung gewesen sein. Dann steht möglicherweise auch die obiter dicta- Rechtsprechung zur Zulässigkeit bestimmter Preisänderungsklauseln auf dem Prüfstand.

ESG-Rebell:
Verhandlungen am 17.03.10 von 9:00 bis 11:30 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Frellesen, Achilles, Hermanns, Milger, Schneider, Bünger, Fetzer
(in wechselnder Besetzung)

----- 9:00 ---------------------------------------------------------------------------

BGH VIII ZR 246/08

LG Oldenburg - Urteil vom 22. November 2007 – 9 O 403/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 5. September 2008 – 12 U 49/07
(veröffentlicht in RdE 2009, 25)

Kläger: EWE AG, RA Prof. Dr. Krämer, Dr. Kunth, Herr Tüngler
Beklagte: Ohle et al., RA Berghaus, RA Dr. Kummer und Wassermann

Ball:
Es geht um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen. 66 Kläger werden zum Sondertarif I ab dem 1.4.2004, dann zum Tarif EWE Erdgas Classic beliefert. Die Formulare nennen als Vertragsgrundlage die AVBGasV. Ab dem 1.7.2007 lauten die wesentlichen Passagen:

* Die Lieferung erfolgt auf der Grundlage der GasGVV, sofern in diesen AGB nichts anderes geregelt ist.
* Der Vertrag hat eine Laufzeit von ?? Monaten. Er verlängert sich um ?? Monate wenn er nicht mit einer Frist von ? Monat gekündigt wird. (Habe die Zahlen nicht rechtzeitig mitgeschrieben).
* Der Erdgaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarife eintritt. Im Falle einer Preisänderung hat der Kunde ein Sonderkündigungsrecht von zwei Wochen zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Änderung.

Die Kläger beantragen die Feststellung, dass die Preise weiterhin gelten. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat der Klage stattgegeben mit Ausnahme der jeweils nicht widersprochenen Erhöhungen.

Das Berufungsgericht hat ein einseitiges Preiserhöhungsrecht verneint, da die Kunden Sonderkunden sind. Daher sei §4 AVB nicht unmittelbar anwendbar. Dies steht im Einklang mit der späteren Rechtsprechung des BGH.

Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass die AGB wirksam einbezogen worden seien.

Die älteren Vertragsfassungen haben die AVBGasV schlichtweg ganz einbezogen. Dies könnte (Ball betont den Konjunktiv) ein wirksames Preisanpassungsrecht begründen in Anlehnung an ZR 225/07 (keine nachteilige Abweichung von der AVB bei Sonderkunden entsprechend BGB §310, Abs. 2, Satz 1). Laut der Gesetzesbegründung ist es ein legitimes Anliegen der Versorger, Tarif- und Sonderkunden gleich zu behandeln. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass mit der Übernahme der AVB ein wirksames Preisanpassungsrecht vereinbart worden ist.

Seit dem 1.04.2007 verwendet die EWE den Zusatz \"... sofern nichs anderes geregelt ist\". Damit ist ggf. keine unveränderte Übernahme (bei kundenfeindlichster Auslegung) mehr gegeben.

§5, Satz 2 GVV regelt die Mitteilungspflichten und Wechselfristen. Ziffer 4 der EWE-AGB weicht davon zum Nachteil der Kunden ab. Ein Versorgerwechsel ist innerhalb von zwei Wochen im allgemeinen nicht möglich.

Falls ein Preisanpassungsrecht nicht wirksam vereinbart worden ist, dann kommt (wie schon oft erwähnt) eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht, wenn die entstandene Regelungslücke nicht durch dispositives Recht zu schließen ist. Dies ist jedenfalls nicht der Fall, wenn der Versorger sich durch Kündigung aus dem Vertrag lösen kann. Die EWE konnte dies jedenfalls hinreichend kurzfristig.

Was die Befürchtung massenhafter Rückforderungen betrifft: Es ist fraglich, ob dieser Aspekt bedeutsam ist bei der Prüfung von Preisanpassungen für Sonderkunden. Bislang hat es dazu jedenfalls keinen hinreichenden Sachvortrag gegeben.

Das Berufungsgericht nimmt an, auch bei fehlendem Preisanpassungsrecht werde der gezahlte Preis zum vereinbarten Preis, wenn weiter Gas entnommen wird ohne dem Preis in angemessener Frist zu widersprechen. Damit bezieht sich das BG auf das Urteil vom 13.06.07, welches sich allerdings auf einen anderen Zusammenhang bezieht. Dort ging es um die Billigkeitsprüfung. Hier geht es um die Gültigkeit einer Preisanpassungsklausel.

----- 9:25 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Krämer:

Eine Aufaddierung der Verluste durch das Weiterbezahlen des Anfangspreises bezogen auf den einzelnen Kunden bedeutet eine starke Verschiebung der Belastung auf den Versorger.

Im Urteil 13.06.07 zu §315 sagte der Senat Nein zur Prüfung des Sockelpreises; dieser wird zum vereinbarten Preis. In der weiteren Rechtsprechung kippte der Senat Preisanpassungsklauseln, in denen nur \"... ist berechtigt zu Erhöhungen ...\" stand und \"... ist verpflichtet zu Senkungen ...\" fehlte. Damit beabsichtigt der Senat die Wahrung des Äquivalenzprinzips. Eine Weitergabe von gestiegenen UND gesunkenen Bezugskosten ist erlaubt.

Damals, als die EWE ihre AGB formulierte, da gab es diese Rechtsprechung noch nicht. Eine Konterkarierung der unzureichenden Preisanpassungsklausel durch den Einwand \"wir haben doch auch gesenkt\" wurde zurückgewiesen.

Im Verfahren vom 15.07.09 stellt der Senat auf die Leitbildfunktion des §4.2 AVB ab, der auf Normsonderkundenverhältnisse durchschlägt. Was dabei die \"unveränderte Übernahme\" der gesetzlichen Bestimmung betrifft, so ist die Möglichkeit einer Parallelgestaltung weiterhin notwendig.

Bei der kundenfeindlichsten Auslegung ist doch der Punkt, dass der Kunde wissen muss, worum es geht. Wenn der Vertrag Bezug auf die AVB bzw. GVV nimmt, dann ist doch die Frage, ob Ziffer 4 der AGB eine Einschränkung oder Klarstellung darstellt.

Die \"kundenfeindlichste\" Auslegung darf nicht zu formal erfolgen.
(Prof. Krämer rekapituliert die Historie der EWE-AGB. Diese werde doch laufend der sich entwickelnden Rechtsprechung des Senats angepasst.)

Durch §41 und §115 EnWG war die EWE verpflichtet, die GVV umzusetzen.
Die Gültigkeit der AGB ist immer das Problem des Klauselverwenders. Ja, bei der AGB-rechtlichen Kontrolle stimmt das. Aber daneben muss es auch eine (Zitat) Gerechtigkeitskontrolle (Zitatende) geben.
Es darf nicht sein, dass der Kunde jahrelang Gas bezieht und dann irgendwann die Preise zurückweist, obwohl er von Anfang an von der Preisvariabilität wusste.

Zur Formel der EWE: Im Begrüßungsschreiben wird Bezug auf die AVB genommen. Ansonsten enthält dieses keine Preisanpassungsklausel und auch keinen Hinweis auf eine Billigkeit der Preise aber dennoch ist dies nach der Senatsrechtsprechung ausreichend.

Ab dem 1.4.2007 ist dies nicht anders, denn an der Regelungssystematik hat sich nichts geändert.

Ziffer 4 der AGB enthält einen Vorbehalt zur Preisänderung. Für sich alleine genommen wäre dies eine unangemessene Benachteiligung des Kunden.

Ziffer 5 ist aber nun zu interpretieren. Die GVV ergänzt doch die Preisbestimmung, da in Ziffer 4 dazu nichts konkret geregelt ist.
(Prof. Krämer versucht darzulegen, dass man die AGB und GVV quasi vermischen muss und dabei zu dem Schluss kommt, dass auch bei kundenfeindlichster Auslegung eine Benachteiligung vorliege).

Die AGB-Bestimmungen sind ergänzende Klarstellungen, kein Ersatz der GVV.

Die lediglich zweiwöchige Kündigungsfrist stellt nicht schon deshalb eine unangemessene Benachteiligung dar, weil sie von der GVV abweicht. Zwei Wochen reichen für eine Kenntnisnahme und Reaktion durch den Kunden aus, sodass dies den Kunden nicht unangemessen benachteiligt.

Der Grundgedanke hinter der Übernahme der GVV für Sonderkunden besteht doch darin, dass diese den Tarifkunden gegenüber nicht bessergestellt werden sollen. Dies ist hier der Fall.

Zur ergänzenden Vertragsauslegung im Falle einem unwirksamen Preisanpassungsrecht:
Durch sie entsteht dann eine Unzumutbarkeit für den Versorger, wenn nicht geprüft wird, was die Parteien redlicherweise ersatzweise vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit Kenntnis gehabt hätten. Die grundsätzliche Berechtigung zur Weitergabe gestiegeneer Bezugskosten ist ja unstrittig.

Kann der Kunde, der dieses System akzeptiert hat, trotz vorbehaltloser Zahlung und fehlendem Widerspruch gegen die Preise später sagen \"das interessiert mich nicht\"?

Eine Aufaddierung der Verluste ist nicht nur für einen Rückforderungsprozess relevant.
Auch die Belastung des Versorgers durch die fehlende Möglichkeit zur zukünftigen Weitergabe von Kosten wird für diesen unzumutbar.

Die Ratio des §310 BGB dient dem Schutz des Kunden vor unangemessener Benachteiligung. Der Kunde ist aber nicht unangemessen benachteiligt, wenn er mit berechtigten Preiserhöhungen ohne Gewinnerweiterung konfrontiert wird.

Zur Rückforderung nach §812 BGB: Die Rechtsprechung kann auch auf eine ökonomische Betrachtung nicht ganz verzichten. Bei Fernabsatzgeschäften kann der Lieferant den Gegenstand zurückfordern. Das geht bei Gas aber nicht, da es ja verbraucht ist.

Nochmal zum Urteil 36/06: Der Sockelpreis wird durch den Weiterbezug von Gas zum vereinbarten Preis. Stellt sich die Frage ob dies auf Sonderkunden übertragbar ist. Dies ist der Fall weil eine Parallelgestaltung für Tarif- und Sonderkunden möglich sein muss. Der Sonderkunde reagiert durch sein konkludentes Verhalten zustimmend auf eine Realofferte. Zwischen der Unbilligkeit im einen und der Unwirksamkeit im anderen Fall besteht diesbezüglich kein Unterschied.

Von mündigen Bürgern muss man doch erwarten können, dass sie sich wehren und nicht erst jahrelang weiter Gas beziehen.

Das Zugeständnis \"... mit 2% bin ich aber einverstanden ...\" zeigt doch, dass der Kunde mit der Preisvariabilität an sich einverstanden ist.

----- 10:10 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:

Es handelt sich hier um Sonderkunden.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die AGB wirksam einbezogen worden sind, offen gelassen.

Hier stellt sich die Frage, ob durch den Verweis auf die AVB bzw. GVV ein wirksames Preisanpassungsrecht vereinbart worden ist. Im Verfahren am 15.07.09 sagte der Senat, dass die unveränderte Übernahme der AVB keine unangemessene Benachteiligung darstelle.

Dies aber hebelt die Inhaltskontrolle nach §307 BGB völlig aus. Der Senat selbst hat doch angeführt, dass es §4 AVB an einer hinreichenden Konkretisierung eines Preisanpassungsrechtes fehle.

Am 29.04.08 hat der Kartellsenat eine Leitbildfunktion der AVB abgelehnt. Dies steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Zivilsenats, der eine Leitbildfunktion der AVB für Sonderkunden bejaht.

Der Verzicht auf die Konkretisierung des Preisanpassungsrechts ist bedingt durch den Kontrahierungszwang und die Belieferung zu öffentlich bekannt gemachten Tarifen.

Die widersprüchlichen Rechtsprechung sollte zur Klärung dem großen Senat vorgelegt werden.

Im übrigen kam es im Verfahren am 15.07.09 auf die Leitbildfunktion gar nicht an, da im dortigen Fall schon keine unveränderte Übernahme der AVB vorlag. Der Senat hätte sich dazu garnicht äußern müssen.

Es ist auch auf eine Vereinbarkeit der Rechtsprechung mit der EU Richtlinie von 2003 zu achten, die jedenfalls bis zum 1.4.2007 in nationales Recht umzusetzen war.

In Absatz 3 heisst es: Ein hoher Verbraucherschutz ist zu gewährleisten, insbesondere in Bezug auf Haushaltskunden. Anhang A fordert transparente Informationen über Gaspreise und Vertragsbedingungen.

Eine Übernahme der GVV und damit die Aufgabe der Transparenzanforderungen nach §307 BGB widerspricht der EU-Richtlinie.

Zur unveränderten Übernahme der AVB: Reicht eine generelle Bezugnahme darauf aus?
Gemäß §41, Abs. 1 EnWG müssen Bestimmungen zu Preisanpassungen enthalten sein.
Der Verweis auf ein Regelwerk ohne ausdrückliche Preisbestimmung reicht dabei nicht aus.

Ab dem 1.4.07 liegt auch keine unveränderte Übernahme der GVV vor. Ziffer 4 der AGB bedeutet aus Sicht des Verbrauchers eine eindeutige vorrangige Regelung zur Preisanpassung. Bei kundenfeindlichster Auslegung ist diese als abschliessend zu betrachten.

Aufgrund der öffentlichen Bekanntgabe ohne Verpflichtung zur schriftlichen Mitteilung an den Kunden ist nicht gewährleistet, dass der Kunde rechtzeitig wechseln kann. Die AGB begrenzen die Kündigungsfrist von sechs auf zwei Wochen zum Nachteil des Kunden.

Der Senat hat eine ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Preisanpassungsklausel abgelehnt, da der Versorger sich aus dem Vertrag lösen kann. Bei unwirksamer Preisanpassungsklausel gibt es keinen Vertrauensschutz für den Klauselverwender bei der nachfolgenden Rechtsprechung.

Eine Störung des Äquivalenzprinzips liegt im Risikobereich des Unternehmen. Diese Störung ist durch eine Kündigung des Sondervertrags zu beheben.

Hier ist keine Preisvariabilität vereinbart, so wie dies etwa beim variablen Zins einer Bank der Fall ist. Vielmehr wurde anfänglich ein Preis vereinbart.

Bei Tarifkunden werden widerspruchslos hingenommene erhöhte Preise zu vereinbarten Preisen, wie am 13.06.07 geurteilt. Dort ging es jedoch um Billigkeitskontrolle öffentlicher allgemeiner Tarife. Damit besteht ein grundsätzlicher Unterschied zu Normsonderverträgen. Diese enthalten Preise und Preisanpassungsklauseln, die individualvertraglich vereinbart werden.
Es gibt dort kein gesetzliches Preisanpassungsrecht und keine Billigkeitskontrolle. Daher sind in diesen Verträgen dieselben AGB-rechtlichen Bestimmungen anzuwenden, wie bei anderen Verträgen. Eine konkludente Vereinbarung der Vertragsbedingungen ist damit nicht möglich.

Im Falle der Unwirksamkeit ordnet §306 BGB die Nichtigkeit der Klausel an.

Die fehlende Reaktion des Kunden auf eine Preiserhöhung kann auf die Unkenntnis der Unwirksamkeit zurückzuführen sein. Der Verwender geht ja auch von der Wirksamkeit seiner Klausel aus, sodass es auf ein Einverständnis des Kunden mit der Anwendung derselben ja gerade nicht ankommt. Daher liegt kein Angebot mit konkludenter Annahme vor.

Die vorbehaltlose Vertragserfüllung hat keinen Erklärungscharakter. Bei Mietverhältnissen führt die vorbehaltlose Zahlung der Miete auch nicht zu einer neuen Vereinbarung.

Bei Sonderkunden ist nicht die Gasentnahme sondern der Vertrag Grundlage des Lieferverhältnisses. Anders als bei Tarifkunden kommt durch die Gasentnahme kein Vertrag zustande.

----- 10:40 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Kunth:
Die Preiserhöhungen vom 1.4.08 und 1.8.08 erfolgten erst nach dem Berufungsverfahren. Wir haben uns bereits gegen diese Klageerweiterung beschwert.

Zur kundenfeindlichsten Auslegung: Die Kreativität bei der Auslegung in den Verfahren hat dazu geführt, dass es praktisch keine nicht kundenfeindlich auslegbare Klausel geben kann.

Mit §41 EnWG wurde die EWE doch gezwungen, eine Preisanpassungsklausel zu verwenden und diese wurde prompt als kundenfeindlich eingestuft.

Ziffer 4 der AGB sollte zusätzlich zur Transparenz beitragen und wurde nur widerwillig wegen §41 EnWG aufgenommen; und zwar vor der höchstrichterlichen Entscheidung Mitte 2007.

Zur ergänzenden Vertragsauslegung:
In der ersten Instanz gab es dazu keinen Anlass, in der zweiten Instanz hat die EWE mit Hilfe eines Gutachtens sehr substantiiert über die drohenden Verluste vorgetragen und auch die nicht weitergegebenen Kostensteigerungen zusammengerechnet.

Eine Zurückwerfung der EWE auf den zuletzt unwidersprochenen Preis würde Kunden mehr geben als wenn diese einen nach kartellrechtlicher Auffassung angemessenen Preis zahlen müssten. Die EWE könnte diese Kunden nicht einmal kostendeckend beliefern.

Sonderkunden wurden bislang durch die \'AGB-Keule\' besser gestellt als Tarifkunden. Laut der amtlichen Begründung zu §4 AVB muss eine langfristige Belieferung und Kalkulation möglich sein.

Die meisten Kläger haben alle Preisänderungen seit 1986 bis 2004 widerspruchslos hingenommen. Fällt dies aus der Bewertung ganz heraus?

Zudem rechnet EWE die Kläger auch noch unaufgefordert zu Bestpreisen nach Verbrauch ab.

Derzeit liegen 600 Rückzahlungsklagen gegen die EWE vor. Viele davon werden aus verschiedenen Gründen nicht ausgefochten. Für die Entscheidung über diese Klagen haben die Untergerichte bislang keine ausreichenden Richtlinien zur Verfügung.

Zur Kündigungsmöglichkeit: Die AVB enthält ein Sonderkündigungsrecht. Die GasGVV hat dieses nicht sondern stattdessen ein ordentliches Kündigungsrecht mit Monatsfrist. Das zweiwöchige Sonderkündigungsrecht ist also ein zusätzliches Zugeständnis seitens EWE.

Wären Preiserhöhungen seitens des Versorgers faktisch ausgeschlossen, dann müsste dieser doch von vorne herein höhere Preise verlangen, was auch nicht im Interesse der Kunden sein kann.

Das Mietrechtsurteil aus dem Jahr 2005 ist auf diesen Fall nicht übertragbar, da hier eine Realofferte mit konkludenter Annahme vorliegt.

----- 11:00 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:
Die Preiserhöhungen aus dem Jahr 2008 sind sehr wohl streitgegenständlich, da sie auf der angegriffenen Preisanpassungsklausel aus 2007 beruhen.

(Wiederholt nochmal die Konsequenzen unwirksamer Preisanpassungsklausel; Verwender trägt Risko; Nichtigkeit nach §306 BGB)

----- 11:10 ---------------------------------------------------------------------------

BGH VIII ZR 327/07

AG Oldenburg - Urteil vom 16. November 2006 - E1 C 1078/06
LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 – 9 S 770/06

Kläger: EWE AG, RA Prof. Dr. Krämer
Beklagte: Adler et al., RA Berghaus, RA Dr. Kummer und Wassermann

Ball:
Die Kläger werden nach Tarif S1 beliefert. Sie klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit und Festlegung des Preises auf den Anfangspreis zzgl. 2% p.a.

Das Landgericht urteilte, die EWE habe eine Preisanpassungsklausel in entsprechender Anwendung der AVB. Das Berufungsgericht urteilte, die Kunden seien Tarifkunden.

(In der Verhandlung wurde von LG und OLG gesprochen. Ist hier was durcheinander gekommen
oder geändert worden?)

Die Kläger könnten Sonderkunden sein. Die Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu sind widersprüchlich. Das Verhalten der Kunden jedenfalls kann nicht darüber entscheiden, ob es sich um Tarif- oder Sonderkunden handelt.

Die Einbeziehung der AVB als \'Verordnung\' in einen Vertrag ist eine neuartige Rechtskonstruktion, mit der der Senat ein Problem hat. Allenfalls kommt eine Einbeziehung der Bestimmungen der AVB in die AGB in Betracht. Dazu fehlt jedoch jeglicher Sachvortrag.

Ein Privatgutachten ist kein Beweismittel sondern ein qualifizierter Sachvortrag. Die Billigkeit der Preise ist keineswegs bewiesen. Eine Beweisaufnahme fehlt gänzlich.

----- 11:12 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:

Die Versorgung erfolgt zu einem günstigeren als dem allgemeinen Tarif auf vertraglicher Grundlage. Die AVB sind damit nicht unmittelbar anwendbar.

Die Beklagte behauptet die Billigkeit der Preise. Das Privatgutachten wurde inhaltlich bestritten.

----- 11:15 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Krämer:

Ja, es handelt sich um Normsonderkunden.

Eine Offenlegung der Kalkulation ist nicht erforderlich, wenn nicht substantiiert gegen das Privatgutachten bestritten wird.

Ball (Nach kurzer Erörterung mit Krämer und Wassermann):
   Es wird unstreitig gestellt, dass die Kläger Normsonderkunden sind.

----- 11:20 ---------------------------------------------------------------------------

BGH VIII ZR 6/08

AG Oldenburg - Urteil vom 19. Dezember 2005 – E7 C 7289/05
LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 – 9 S 59/06
(veröffentlicht in RdE 2008, 63)

Kläger: Reizstein, RA Dr. Nassall
Beklagte: EWE AG, RA Prof. Dr. Krämer

Ball:
Kläger begehrt Feststellung, dass die Tariffeststellung insgesamt unbillig und unwirksam ist. Der Senat versteht dies so, dass der Kläger alle Tarifänderungen seit dem 1.9.2004 angreift.

----- 11:25 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Nassall:

Falls ein Preisanpassungsrecht nach billigem Ermessen gegeben ist, dann obliegt der EWE die Darlegungs- und Beweislast. Die Darlegung rückläufiger Kosten und alternativer Einkaufsmöglichkeiten fehlt im Gutachten.

Das Berufungsgericht hat das Gutachten ungeprüft als Beweismittel übernommen.

(Nassall war vor 11:20 nicht anwesend und wiederholt daher vieles von dem, was Ball selbst schon ausgeführt hatte).

----- 11:30 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Krämer:

(Diskutiert mit Ball über den Klageumfang; ob und wann ein bestimmter Antrag gestellt wurde).

Zur Darlegungs- und Beweislast: Eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen ist auch mit dem In-Camera Verfahren nicht erforderlich.

Die Revision sollte ausführen, wie und in welchem Umfang der Kläger gegen umfangreiche Privatgutachten erwiedern muss. Der Kläger muss schon substantiiert vortragen.

Ball:
Das Verfahren wird wohl schon aufgrund der fehlenden Beweiserhebung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

----- 11:40 ---------------------------------------------------------------------------

Am Mittwoch, 16.06.2010 um 10:00 wird der Senat in allen drei Verfahren eine Entscheidung verkünden.

Gruss,
ESG-Rebell.

RR-E-ft:
@ESG-Rebell

Vielen herzlichen Dank für die sehr guten Terminsberichte.

=======

I.

Die ersten beiden Verfahren VIII ZR 246/08 und VIII ZR 327/07 betreffen eindeutig Sonderverträge.

Hierfür hatte der Senat bereits entschieden, dass bei Vertragsabschluss kein variabler Preis vereinbart wurde, sondern ein feststehender Preis (VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 312/08 Rn. 2).

Es bedarf deshalb einer Preisänderungsklausel im Vertrag, die nicht unwirksam sein darf.

Fraglich dabei, ob die Bedingungen der AVBGasV überhaupt jeweils wirksam als AGB in die konkreten Verträge einbezogen wurden § 305 II BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB).

Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass der Text der Bedingungen den Kunden vor Vertragsabschluss vorlagen und sie bei Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden waren (OLG Dresden, Urt. v. 26.01.09 Az. 14 U 983/08].

Der Senat sieht ein Problem bei der Einbeziehung der Verordnung als AGB in einen Sondervertrag, wohl erst recht, wenn dies nur durch Bezugnahme erfolgt.
Eine einzelne Regelung aus jener vielleicht, aber gleich die ganze Verordnung? Die regelt ja auch für Sonderverträge eigentlich überhaupt gar nichts. Welche Regelung trifft etwa § 1 AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingung in einem Sondervertrag?

Für eine wirksame Einbeziehung hat die EWE justament vor dem Senat wohl nur Unzureichendes vorgetragen und zudem wohl einen Irrtum offenbart:


--- Zitat ---Zur Formel der EWE: Im Begrüßungsschreiben wird Bezug auf die AVB genommen. Ansonsten enthält dieses keine Preisanpassungsklausel und auch keinen Hinweis auf eine Billigkeit der Preise aber dennoch ist dies nach der Senatsrechtsprechung ausreichend.
--- Ende Zitat ---

Nur bei einer wirksamen Einbeziehung, für die die EWE darlegungs- und beweisbelastet ist, kann es überhaupt auf die Frage der Wirksamkeit unter Berücksichtigung von § 307 BGB ankommen.
Gegen die Wirksamkeit wurden gewichtige Argumente vorgetragen.

Die ab 01.04.2007 verwendeten Klauseln verstoßen jedenfalls bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats (VIII ZR 56/08, VIII ZR 326/08] gegen § 307 BGB.  

Das Recht zur ordentlichen Kündigung gem. § 20 Abs. 1 GasGVV wurde durch die vertragliche Mindestlaufzeit von sechs Monaten gerade  ausgeschlossen (BGH VIII ZR 241/08].
Es steht den Kunden deshalb auch bei einer Preisänderung gar nicht zur Verfügung. Ein Versorgerwechsel ist inhnerhalb von zwei Wochen nicht zu bewerkstelligen (siehe auch BGH VIII ZR 81/08 Rn. 20 ff.).  

Wenn es nicht zur Vorlage zum Großen Senat oder zum EuGH kommt, wird der Senat zudem darüber zu entscheiden haben, ob auch bei nicht wirksam einbezogenen bzw. unwirksamen Preisänderungsklauseln innerhalb eines Sondervertrages die widerspruchslose, vorbehaltlose Zahlung auf eine Verbrauchsabrechnung zu einer Preisneuvereinbarung führt, so wie es der Senat für grundversorgte Tarifkunden annimmt.  Er wird sich hierfür mit der Senatsentscheidung  VIII ZR 199/04 auseinanderzusetzen haben.

II.

Bei dem Verfahren VIII ZR 6/08 scheint es sich um einen Tarifkundenvertrag zu handeln. Hierfür hatte der Senat bereits mit den Entscheidungen VIII ZR 138/07 und VIII ZR 314/07 Grundsätze aufgestellt, insbesondere, dass auch bei Substantiierung des Sachvortrages zur Billigkeit durch ein Privatgutachten ein einfaches Bestreiten (mit Nichtwissen) genügt.

Aus dem Urteil I.Instanz geht jedoch hervor, dass auch dieser Kläger von der EWE zum Sondertarif S 1 beliefert wurde.

Aus dem Berufungsurteil des LG Oldenburg geht hervor, dass der Kläger nicht zum Allgemeinen Tarif beliefert wurde. Das LG Oldenburg hielt ihn gleichwohl für einen Tarifkunden.

An dieser Stelle könnte es nochmals auf die Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde ankommen, wenn auch das Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung vom Kläger bestritten war.
Möglicherweise etwas kryptisch insoweit die Ausführungen von Dr. Nasall \"Falls ein Preisanpassungsrecht nach billigem Ermessen gegeben ist,...\"

Das Landgericht Oldenburg hatte die Revision auch gerade hinsichtlich der Frage zugelassen, ob die AVBGasV auch auf Sondertarife Anwendung finden kann.

Käme man dabei dazu, dass auch dieser Kläger - wie alle anderen vergleichbaren EWE- Kunden ein Sondervertragskunde ist - würde man dazu kommen, dass § 4 AVBGasV nicht unmittelbar anwendbar war. Sollte es dann an einem Sachvortrag zur Einbeziehung als Allgemeine Geschäftsbedingung fehlen, käme es auf eine Billigkeitskontrolle auch in diesem Fall nicht an, so dass jedenfalls wegen einer unterlassenen Beweisaufnahme zur bestrittenen Billigkeit keine Rückverweisung erforderlich wäre. Die Rückverweisung könnte aber die Frage betreffen, ob ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis einbezogen wurde, wobei sich die gleichen Probleme wie bei den anderen beiden Verfahren stellen dürften.

Jedoch hatte die beklagte EWE in dem Berufungsverfahren selbst vorgetragen, dass § 315 BGB nicht unmittelbar anwendbar sei, mithin wohl, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis zugunsten der EWE vertraglich nicht vereinbart war, jedenfalls kein Recht, dessen Ausübung einer Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB unterliegen konnte. Das muss wohl ggf. auch berücksichtigt werden.

====

Etwas verwunderlich, warum sich neben den am BGH zugelassenen Rechtsanwälten auch Kollege Dr. Kunth (alter Herr bei Freshfiels Bruckhaus Deringer), der über eine solche Zulassung nicht verfügt, wieder bemüßigt sah, den Senat mit ausschweifenden Ausführungen zu konfrontieren, insbesondere mit Fragestellungen, die bereits in vorhergehenden Entscheidungen des Senats Niederschlag gefunden hatten.


--- Zitat ---Die meisten Kläger haben alle Preisänderungen seit 1986 bis 2004 widerspruchslos hingenommen. Fällt dies aus der Bewertung ganz heraus?
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---Zur Kündigungsmöglichkeit: Die AVB enthält ein Sonderkündigungsrecht. Die GasGVV hat dieses nicht sondern stattdessen ein ordentliches Kündigungsrecht mit Monatsfrist. Das zweiwöchige Sonderkündigungsrecht ist also ein zusätzliches Zugeständnis seitens EWE.
--- Ende Zitat ---


Man könnte meinen, da habe einer die Lektüre der Entscheidung BGH VIII ZR 320/07 verabsäumt.

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EWE hatte in Kundenmagazinen  EWE- INFOBRIEF zudem ihren Haushaltskunden mitgeteilt, es müsse gar nicht jeder Kunde wegen der Preisänderungen schriftlich Widerspruch einlegen, man werde alle Kunden gleich behandeln.

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Zu dem Verständnis der EWE von der ab 01.04.2007 geltenden Klausel sollte man wohl dem Senat den Batzen Papier kopieren, den Clifford Chance für EWe an viele Gericht geschicht hat. Darin heißt es eindeutig, die Klausel bewirke, dass eine Billigkeitskontrolle der Preisänderung nicht zu erfolgen hat.

Besser kann man wohl dem Senat nicht die Augen öffnen, mit welcher Chuzpe das Unternehmen vor den vielen Instanzgerichten und vor dem Senat dazu widersprüchlich vorträgt. Freshfields und Clifford Chance zusammen sind insoweit wohl unschlagbar.

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