Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit  (Gelesen 31534 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Ein Beispiel:

Ein EVU erhebt Zahlungsklage gegen ein Widerspruchskunden auf Zahlung von 500,- Euro. Der Kunde ist Tarifkunde und hatte seine Zahlungen unter Berufung auf § 315 BGB in der Form gekürzt, dass die beanstandeten Preiserhöhungen nicht gezahlt wurden sondern nur der bis dahin geltende \"Sockelpreis\"

Das Gericht ordnet die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens an um die Billigkeit der Preise zu prüfen. Die Gutachterkosten belaufen sich auf 2.000,- Euro.

Das Gericht stellt dabei fest, dass die Preise nicht der Billigkeit entsprechen und ersetzt die unbillige Preisbestimmung des EVU gem. § 315 BGB durch eine eigene gerichtliche Preisfestlegung.

Nach dem neuen Preis werden dem klagenden EVU noch 250,- Euro von den ursprünglich geforderten 500,- Euro zugesprochen.

Kostenfolgen:

- das EVU erhält einen Zahlungstitel über 250,- Euro
- die Kostenquote beträgt 50% daher müssen EVU und Kunde die Verfahrenskosten je zur Hälfte tragen

Der Kunde muss damit 250,- Euro + 1.000 Euro Gutachterkosten + 1/2 gerichtskosten + eigene Anwaltskosten tragen

Preisfrage: Um wieviel Prozent muss der beanstandete Preis also unbillig überhöht sein, damit der Kunde trotz erfolgreichem Unbilligkeitseinwand aufgrund der Kostenquote nicht mit einem Minus aus dem Verfahren herausgeht?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #1 am: 09. Oktober 2009, 13:50:18 »
Ihre Preisfrage ist mathematisch wohl nicht lösbar, weil es viel zu viele Unbekannte darin gibt.  

Die gerichtliche Tarifbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB wird wohl auch Wirkung für die Zukunft zeitigen. Man muss deshalb möglicherweise die deshalb resultierenden Einsparungen des Kunden auch in den nächsten 20 Jahren des laufenden (vom Grundversorger nicht ordentlich kündbaren) Vertragsverhältnisses mit in die Überlegungen einstellen. Wer die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung hat, braucht sich gar keine Gedanken zu machen.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #2 am: 09. Oktober 2009, 13:56:02 »
Trotzdem nehme ich natürlich an, dass der ordentliche Verbraucheranwalt seinen Mandanten darauf hinweist, dass im obigen Fall auch bei einer zu 90 % unbilligen Preisfestsetzung (da muss der Versorger schon viel falsch gemacht haben) noch immer

50,- Euro (Hauptforderung) + 200,- Euro (Gutachterkosten) + 10 % Anwaltskosten + 10 % Gerichtskosten vom Kunden zu zahlen sind.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #3 am: 09. Oktober 2009, 13:59:23 »
Wenn der Versorger die Billigkeit nicht nachweisen kann, steht die Unbilligkeit damit regelmäßig noch nicht positiv fest. Es fehlt zumeist an den Voraussetzungen einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem.§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, so dass die Zahlungsklage des Versorgers insgesamt als derzeit unbegründet abgewiesen werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90 am Ende).

Zudem wird die Forderung frühestens mit der Rechtskraft des Urteils mit der getroffenen Ersatzbestimmung (incidentes Gestaltungsurteil) fällig. Der Kunde befand sich dann zu keinem Zeitpunkt vor Rechtskraft der Entscheidung mit Zahlungen im Verzug, so dass die Kosten des Verfahrens wohl in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO dem auf Zahlung klagenden Versorger aufzugeben sind.

Erfolgt die Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB schließlich auf Antrag des Kunden (§ 308 ZPO), hat wohl auch der Versorger die Kosten insgesamt zu tragen, weil diesem Antrag des Kunden vollständig stattgegeben wird.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #4 am: 09. Oktober 2009, 14:06:54 »
Das kommt auf das Ergebnis des Gutachtens an.

Liefert das EVU keine Daten an den Gutachter oder bietet keinen Beweis an, dann haben Sie recht. Sobald aber ein umfassendes Sachverständigengutachten vorliegt, wird darin üblicherweise umfassend dargelegt inwieweit das EVU die Vorgaben des BGH für eine \"billige\" Anpassung eingehalten hat.

Üblicherweise wird also die Steigerung der Vorlieferantenpreise etc. in Zahlen/Prozent dort angegeben. Anhand dieser Daten ist in der Regel auch der Umfang der Unbilligkeit ersichtlich, da diese als Abweichung deutlich wird.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #5 am: 09. Oktober 2009, 14:17:10 »
@Black

Ihr Beispiel ist womöglich ein solches für ein ausgesprochenes Fehlurteil.

Zitat
Original von Black
Ein Beispiel:

Ein EVU erhebt Zahlungsklage gegen ein Widerspruchskunden auf Zahlung von 500,- Euro. Der Kunde ist Tarifkunde und hatte seine Zahlungen unter Berufung auf § 315 BGB in der Form gekürzt, dass die beanstandeten Preiserhöhungen nicht gezahlt wurden sondern nur der bis dahin geltende \"Sockelpreis\"

Das Gericht ordnet die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens an um die Billigkeit der Preise zu prüfen. Die Gutachterkosten belaufen sich auf 2.000,- Euro.

Das Gericht stellt dabei fest, dass die Preise nicht der Billigkeit entsprechen und ersetzt die unbillige Preisbestimmung des EVU gem. § 315 BGB durch eine eigene gerichtliche Preisfestlegung.

Nach dem neuen Preis werden dem klagenden EVU noch 250,- Euro von den ursprünglich geforderten 500,- Euro zugesprochen.

Es kommt auch darauf an, ob überhaupt und ggf. von welcher Partei der Antrag auf Ersatzbestimmung gem. § 308 ZPO gestellt wird. Der Antrag einer Zahlungsklage schließt den Antrag auf Ersatzbestimmung im Sinne von § 308 ZPO schon nicht mit ein (vgl. auch BGH VIII ZR 240/90).

Folglich hat das Gericht (nur!) auf entsprechenden Antrag zum einen eine der Billigkeit entsprechende Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu treffen und zum anderen über einen Zahlungsanspruch des Versorgers zu entscheiden.

Zunächst bräuchte es eines Antrags einer Partei auf gerichtliche Tariffestsetzung. Wenn der Versorger diesen Antrag mit der Begründung stellt, die von ihm festgesetzten Tarife seien unbillig und müssten deshalb gerichtlich ersetzt und niedriger festgesetzt werden, wird der Kunde dem wohl nicht entgegentreten. Er wird den Anspruch des Versorgers auf gerichtliche Neufestsetzung wohl sofort anerkennen.  Klar ist, dass im Falle einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB immer der Versorger die Klage (Antrag auf gerichtliche Neufestsetzung) verursacht und veranlasst hat, weil er eine unbillige Tariffestsetzung vorgenommen hat, die Voraussetzung für eine gerichtliche Neubestimmung ist. Da kann der Kunde schlicht nichts dafür.

Fakt ist auch, dass die Zahlungsklage bis zur Rechtskraft des Gestaltungsurteils vollständig unbegründet war, weil es bis dahin vollständig an einem fälligen Zahlungsanspruch fehlte. Selbst im Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung im Hinblick auf das Gestaltungsurteil besteht noch kein fälliger Zahlungspruch, da die Rechtskraft und somit die frühestmögliche Fälligkeit naturgemäß erst später eintritt.

Zitat
BGH, Urt. v. 05.07.05 - X ZR 60/04

Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.[/B]


Es müsste folglich wohl erst die Rechtskraft des Gestaltungsurteils abgewartet werden, welches auf Antrag einer Partei ergeht, um dann zu sehen, ob der Kunde noch nicht gezahlt hat, ein im gerichtlichen Verfahren durchsetzbarer Zahlungsanspruch des Versorgungsunternehmens dann  überhaupt besteht, was eine Verzögerung der Entscheidung über den eingeklagten Zahlungsanspruch gegenüber einer Entscheidung über den Gestaltungsantrag voraussetzt.

Die materielle Rechtslage erfordert mithin wohl eine besondere prozessuale Gestaltung, weil sonst im Zeitpunkt der Verkündung einer einheitlichen Entscheidung über den Gestaltungsantrag im Falle einer Ersatzbestimmung  und den Zahlungsantrag der Zahlungsantrag immer noch als derzeit unbegründet abgewiesen werden muss, weil vor Rechtskraft des Gestaltungsurteils noch gar kein im gerichtlichen Verfahren durchsetzbarer Zahlungsanspruch besteht.

Eine einheitliche Entscheidung, die einen Zahlungsanspruch bereits vor Rechtskraft des Gestaltungsurteils einer Ersatzbestimmung  zuspricht, wäre mithin wohl materiell rechtswidrig.

Der Zahlungsantrag müsste dabei noch als insgesamt (teilweise derzeit) unbegründet abgewiesen werden, was den Versorger nicht hindert, nach Rechtskraft des Gestaltungsurteils wegen eines dann erst gerichtlich durchsetzbaren Zahlungsanspruchs neu zu klagen.

Da das Gestaltungsurteil zudem auch auf die Zukunft des bestehenden Dauerschuldverhältnisses wirkt, muss wohl der Streitwert weit höher bemessen werden als der Streitwert einer einfachen Zahlungsklage.

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #6 am: 09. Oktober 2009, 14:52:03 »
Zitat
Original von Black
Das kommt auf das Ergebnis des Gutachtens an.
...
Üblicherweise wird also die Steigerung der Vorlieferantenpreise etc. in Zahlen/Prozent dort angegeben. Anhand dieser Daten ist in der Regel auch der Umfang der Unbilligkeit ersichtlich, da diese als Abweichung deutlich wird.

Hm, Sie sind ja der Fachmann, aber meiner Meinung nach sollte das hier wie bei der Schwangerschaft sein: Ein bisschen schwanger geht nicht.
Entweder das EVU hat einen Unbilligen Preis festgelegt, dann hat es die Verfahrenskosten zu tragen (und zwar sowohl für das Sachverständigengutachten als auch für die Verfahrenskosten zur Neufestsetzung des billigen Preises) oder der Preis war in Ordnung, dann hat der Kunde die Kosten zu tragen.
Einen in Teilbereichen billigen Preis drfte es meiner Meinung nach nicht geben, da man ja den GESAMTPREIS (oder meinetwegen auch die Gesamtpreiserhöhung) als unbillig rügt und nicht einen einzelnen Kostenfaktor, den man schon garnicht vorher kennt.

Daher dürften Ihre Rechenspielchen doch hoffentlich unbedeutend sein.

Das das im vorliegenden Verfahren durch das AG Pinneberg anders gehandhabt wurde, wundert angesichts z.B. der Sichtweise bezügl. des sachverständigen Zeugen nur begrenzt.
Prima ist auch, dass man lieber mal keine Berufung zulässt,damit man die mangelhafte eigene Entscheidung nicht \'um die Ohren gehauen\' bekommt.
Dabei ist die Preisfestlegung eines billigen Preises doch durchaus Neuland, welches man mal \'überprüfen\' lassen könnte.  :(

Offline Cremer

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 5.185
  • Karma: +2/-0
  • Geschlecht: Männlich
    • http://www.cremer-kreuznach.de
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #7 am: 09. Oktober 2009, 17:43:09 »
@black,

ich möchte nochmals auf die Gutachterkosten zurückkommen.

In dem Verfahren am AG KH eines beklagten Mitgliedes der BIFEP hatten die Stadtwerke kreuznach auch mit einem Gutachten in einer Höhe von ca. 15.000 € gedroht. Dies war eines der gründe warum das Mitglied schließlich einem Vergleich des AG zustimmte, der positiv für ihn war.

Aber ich möchte aufmerksam machen auf:
entspricht es der Verhältnismäßigkeit, wenn ein Versorger als Kläger mit einem Gutachten in Höhe von ca. 15.000 € droht, welches die Klagesumme von ca. 2.500 € überschreitet?

Kann man ein solches abwenden?
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

info@bifep-kh.de
www.bifep-kh.de
gerd@cremer-kreuznach.de

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #8 am: 09. Oktober 2009, 19:07:14 »
@Black

Mit Ihrem Schauermärchen können Sie noch nicht einmal einen Dreijährigen erschrecken.

Wenn das Gericht feststellt, dass die einseitige Preiserhöhung unbillig war, ist damit auch die Jahresabrechnung falsch und unverbindlich. Eine korrekte Abrechnung ist aber Fälligkeitsvoraussetzung. In diesem Moment ist die Klage abzuweisen, Es sei denn der Versorger beantragt hilfsweise die Festsetzung des billigen Preises. Warum der Verbraucher diesen Antrag stellen sollte, erschließt sich mir allerdings nicht. Warum der Gegenseite die Arbeit abnehmen?

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #9 am: 09. Oktober 2009, 23:14:57 »
Zitat
Original von reblaus
@Black

Mit Ihrem Schauermärchen können Sie noch nicht einmal einen Dreijährigen erschrecken.

AG Pinneberg, Urt. v. 04.09.09, Az. 65 C 271/07 , Kostenentscheidung lesen.


Zitat
Original von reblaus Es sei denn der Versorger beantragt hilfsweise die Festsetzung des billigen Preises.

Diesen Zusatzantrag halte ich entgegen der Ansicht von RR-E-ft nicht für erforderlich, aber sei es drum, der Hilfsantrag kostet nichts.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #10 am: 09. Oktober 2009, 23:47:52 »
Das Gericht kann trotz Antragsbindung bei Unbilligkeit einen selbst festgesetzten Preis tenorieren. Wenn das Gericht im Rahmen einer Zahlungsklage zum Ergebnis kommt, dass der Kläger nur Anspruch auf einen Teil der eingeklagten Summe hat, dann wird es diese Summe zusprechen, ohne das es eines erneuten reduzierten Klageantrages bedarf.

Bsp:
Wenn K  5.000,- Euro aus Werkvertrag fordert und der B die Zahlung wg. Mängeln verweigert, kann das Gericht den B auch zur Zahlung von 2.000,- Euro verurteilen, ohne das der K noch einen reduzierten Antrag stellen muss oder einen Feststellungsantrag auf hilfsweise Festsetzung des zustehenden Werklohnes. Auch muss K dann nicht vorher eine neue \"korrekte\" Rechnung über 2.000,- Euro erstellen um die Fälligkeit neu zu schaffen.

Um den Zahlungsanspruch des EVU zu prüfen muss das Gericht bei bestehender Unbilligkeitseinrede incident die Billigkeit prüfen. Der § 315 BGB schreibt als Rechtsfolge der Feststellung der Unbilligkeit automatisch die Ersetzung durch das Gericht vor.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #11 am: 10. Oktober 2009, 09:41:41 »
@Black
Ihren Vergleich mit dem Werkvertrag verstehe ich nicht. Der Kunde ist nicht verpflichtet eine mangelhaftes Werk abzunehmen. Dies ist die Fälligkeitsvoraussetzung für die vereinbarte Vergütung. Ein Gericht kann den Besteller nicht zu einer der in § 634 BGB geregelten Rechtsfolgen zwingen. Die Auswahl steht dem Besteller zu.

Hat der Besteller ein mangelhaftes Werk abgenommen, so wird die Vergütung zur Zahlung fällig, vermindert um einen angemessenen Teil nach § 641 Abs. 3 BGB. Das Risiko, diesen angemessenen Teil zu hoch angesetzt zu haben, trägt der Besteller.

Beim Gasliefervertrag sieht die Rechtslage vollkommen anders aus. Die Vergütung ist nicht nach Abnahme oder Entnahme der Ware fällig, sondern 14 Tage nach Erstellung der Abrechnung. Die Abrechnung kann aber erst dann erstellt werden, wenn der korrekte Preis bekannt ist.

Wenn das Gericht den Preis von Amts wegen bestimmen muss, so hat es die Zahlungsklage mangels Fälligkeit des sich ergebenden Anspruchs entweder abzuweisen oder es hat eine Zwischenentscheidung über die Billigkeit zu fällen, so dass den Parteien die Möglichkeit eröffnet wird anhand des festgesetzten Preises ihre Vertragspflichten zu erfüllen. Erfüllt der Kunde seine Zahlungspflicht auf Basis des gerichtlich bestimmten Preises oder erkennt er den sich daraus ergebenden Anspruch an, so trägt der Versorger die gesamten Kosten der Verfahrens.

Offline ktown

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 186
  • Karma: +0/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #12 am: 11. Oktober 2009, 12:42:10 »
Zitat
Original von reblaus
Beim Gasliefervertrag sieht die Rechtslage vollkommen anders aus. Die Vergütung ist nicht nach Abnahme oder Entnahme der Ware fällig, sondern 14 Tage nach Erstellung der Abrechnung.

Wird damit nicht die Verjährungsfrist vollkommen ausgehebelt?
Somit könnte jeder Energieversorger auch Jahrzehnte nach entnahme der Energie eine Rechnung stellen und der Kunde müßte zahlen.
Alles was ich schreibe ist meine private Meinung. ;)

Offline tangocharly

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.139
  • Karma: +5/-0
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #13 am: 11. Oktober 2009, 12:43:26 »
Zitat
Original von Black
[...]Der § 315 BGB schreibt als Rechtsfolge der Feststellung der Unbilligkeit automatisch die Ersetzung durch das Gericht vor.

Auch wenn bekannt ist, dass Sie sich da ab und an mit RR-E-ft in dieser Frage mit unterschiedlichen Auffassungen reiben wollen, von einem \"Automatismus\" kann, auch wenn Sie auf den 315 verweisen, keine Rede sein.
Das von RR-E-ft zitierte Erkenntnis des BGH vom 05.07.2005 können Sie ja weiter oben nachlesen, und dort wird dies ausdrücklich erwähnt

Zitat
Zitat: BGH, Urt. v. 05.07.05 - X ZR 60/04  Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Es ist immer wieder beruhigend feststellen zu können, dass andere Bundesrichter sich nicht genötigt sehen, ihre Fähnlein in den Wind zu hängen.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #14 am: 11. Oktober 2009, 17:44:33 »
Zitat
Original von ktown
Zitat
Original von reblaus
Beim Gasliefervertrag sieht die Rechtslage vollkommen anders aus. Die Vergütung ist nicht nach Abnahme oder Entnahme der Ware fällig, sondern 14 Tage nach Erstellung der Abrechnung.

Wird damit nicht die Verjährungsfrist vollkommen ausgehebelt?
Somit könnte jeder Energieversorger auch Jahrzehnte nach entnahme der Energie eine Rechnung stellen und der Kunde müßte zahlen.

Nein, denn gem. § 40 EnWG haben Sie einen Anspruch darauf, spätestens nach 12 Monaten eine Abrechnung zu bekommen (gilt für Strom und Gas). Passiert dieses nicht, sollten Sie sich an Ihren Versorger wenden und ihn dazu auffordern. Tut er dieses nicht, lassen Sie es gut sein. Kommt er dann Jahre später auf einmal doch mit iener Rechnung für diesen Abrechnungszeitraum, können Sie sich auf die sogenannte Verwirkung berufen. Er kann halt nicht beliebig lange mit seiner Abrechnug warten. Jedoch müssen Sie auch nachweisen, dass Sie ihn zur Rechnungslegung aufgefordert haben. Nur darauf hoffen, dass auch nach 5 Jahren keine Rechnung kommt, könnte zu wenig sein.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz