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Autor Thema: Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit  (Gelesen 31422 mal)

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Offline reblaus

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Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #75 am: 16. Oktober 2009, 21:08:02 »
Ich weiß gar nicht was Sie haben.

Selbstverständlich kommt beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis kein Anerkenntnis über die Tatsachen zustande, die bei Zahlung unter Vorbehalt gestellt wurden. Da bei einer Bezahlung einer normalen Forderung überhaupt kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zustande kommen kann, bedarf es dort gar keines Vorbehalts.

Weil die vorbehaltlose Zahlung der Gasabrechnung ein Saldoanerkenntnis darstellt, hat der BGH entschieden, dass es sich beim § 17 GasGVV um einen generellen konkludenten Vorbehalt handelt, dass Einwände die nicht zur Zahlungsverweigerung berechtigen durch das Anerkenntnis nicht ausgeschlossen werden.

Was Sie sich omminöses unter einer Kontokorrentabrede vorstellen, ist mir nicht ganz klar. Es ist nichts weiter als die Vereinbarung, dass die gegenläufigen Forderungen zu gewissen Zeitpunkten mit einander verrechnet werden sollen. Bis dahin soll keine Seite das Recht haben, die ihr zustehende Forderung geltend zu machen. Genau das wird doch im Grundversorgungsvertrag vereinbart. Der Kunde verpflichtet sich, die Abschläge zu bezahlen, und ist sich auch darüber im Klaren, dass er diese nicht unterjährig einfach wieder zurückverlangen kann. Der Versorger verpflichtet sich zur Gaslieferung, und weiß dass er bei einem Liquiditätsengpass nicht einfach an den Kunden miherantreten kann, seine offenen Forderungen jetzt zu bezahlen.

Es geht gar nicht um meinen Glauben. Es geht um das Verständnis von Rechtsnormen. Erst wenn dieses vorliegt kann man begreifen, warum der Sockelpreis mit dem Allgemeinen Schuldrecht vereinbar ist, warum die Rückforderungsansprüche der Kunden zumeist noch nicht verjährt sind, warum der Sockelpreis auf Rechtsverhältnisse mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln nicht anwendbar ist und warum bei der inzidenten Feststellung des billigen Preises im Gerichtsverfahren der Versorger mit seiner Zahlungsklage unterliegen muss.

Offline jofri46

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Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #76 am: 16. Oktober 2009, 21:12:42 »
Vielleicht interessiert hier auch noch, wie Abschlagszahlungen steuerrechtlich behandelt werden.

Richtlinie zu § 13 UStG:

\"Lieferungen von elektrischem Strom, Gas, Wärme und Wasser sind jedoch erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln. Die während des Ablesezeitraums geleisteten Abschlagszahlungen der Tarifabnehmer sind nicht als Entgelt für Teilleistungen anzusehen.\"

Offline reblaus

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Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #77 am: 16. Oktober 2009, 21:22:56 »
Danke jofri46.

Diese Richtlinie bestätigt genau meine Ansicht.

Offline RR-E-ft

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Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #78 am: 16. Oktober 2009, 23:51:54 »
Zitat
Original von reblaus
Weil die vorbehaltlose Zahlung der Gasabrechnung ein Saldoanerkenntnis darstellt, hat der BGH entschieden, dass es sich beim § 17 GasGVV um einen generellen konkludenten Vorbehalt handelt, dass Einwände die nicht zur Zahlungsverweigerung berechtigen durch das Anerkenntnis nicht ausgeschlossen werden.

Wo und wann soll der BGH dies denn entschieden haben?

Bei § 17 GVV handelt es sich um einen Einwendungsauschluss, wie bereits bei § 30 AVBV. Dieser bezieht sich nur auf das Zahlungsverlangen des Versorgers, so dass die Zahlungen auch bei einer Fehlerhaftigkeit der Rechnung grundsätzlich erst einmal  (vorläufig ) geleistet werden müssen, so dass hierdurch ein Rückforderungsanspruch des Kunden aus § 812 BGB entstehen kann.

(BGH X ZR 60/04 befasst sich an genannter Stelle  mit der Darlegungs- und Beweislast im Rückforderungsprozess und nicht etwa damit, dass ein Rückforderungsanspruch wegen eines - wie auch immer gearteten - Anerkenntnisses bereits ausgeschlossen sei).

Im Falle eines  Saldoanerkenntnisses [welches ein Kontokorrentverhältnis und dieses wiederum eine Kontokorrentabrede voraussetzen] entsteht hingegen gerade keinerlei Rückforderungsanspruch gem. § 812 BGB.  

Bei manchen Versorgern sind die Abschläge inklusive Mehrwertsteuer, bei anderen nicht. Sollte das Unternehmen erst mit Rechnungslegung selbst umsatzsteuerpflichtig sein, könnte da wohl ein Zusatznutzen generiert werden.

Mit der Abschlagszahlung erfüllt der Kunde die Forderung auf Abschlagszahlung. Er erfüllt nicht eine Teilschuld im Hinblick auf die künftige Verbrauchsabrechnung, weil jene Forderung aus der Verbrauchsabrechnung erst zukünftig festgestellt werden muss. Es erfolgt eine Rechnungslegung durch den Versorger und dabei verrechnet er die bereits geleisteten Abschlagszahlungen, letzteres möglichst zutreffend. Selbst wenn geleistete Abschlagszahlungen nicht berücksichtigt wären, wäre dies aus oben genannten Gründen wohl schon kein Fall einer \"offensichtlichen\" Fehlerhaftigkeit, die den Kunden zur Zahlungsverweigerung berechtigen könnte.

Viele Gasversorger haben die Rechnungslegung wohl bewusst auf Ende April gelegt, so dass die Jahresrechnung die Kunden im Mai ereilt. Die monatlichen Abschläge Juni, Juli, August, September decken bereits 1/4 des prognostizierten zukünftigen Jahresverbrauchs ab, obschon es mit dem Heizen bei den Kunden meist erst im Oktober losgeht... Weißte Bescheid.

Zitat
Zum Beispiel war der Winter 2007/2008 sehr warm. So kann es passieren, dass Sie eine Abrechnung mit einer Gutschrift bekommen – wir aber gleichzeitig Ihren Abschlag erhöht haben. Steigen dann auch noch parallel die Gaspreise, kann dies sogar zu einer Verdopplung Ihres Abschlags führen. Warum wir das so machen? Damit Sie nicht von einer hohen Nachzahlung überrascht werden.

Offline reblaus

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Kostenfolge bei Preisfestsetzung durch Gericht wg. Unbilligkeit
« Antwort #79 am: 17. Oktober 2009, 09:22:02 »
@RR-E-ft
Haben Sie sich schon mal gefragt, warum bei der Energierechnung ein solcher Einwendungsausschluss besteht? Warum es bei der Fälligkeit auf die Rechnungsstellung und nicht auf die Leistungserbringung ankommt? Glauben Sie die Juristen im Wirtschaftsministerium wollten, die Gasabrechnung deshalb anders regeln als bei allen anderen Verträgen, damit ein bisschen Leben in die Bude kommt, und es den Energieanwälten nicht zu langweilig wird?

Das ganze Konstrukt macht doch ausschließlich dann Sinn, wenn die Abrechnung mittels eines Kontokorrent erfolgt.

Mit dem Einwendungsausschluss ist der Kunde gehindert, das Saldoanerkenntnis aus fadenscheinigen Gründen zu verweigern. Einen anderen Nutzen kann der Versorger daraus nicht ziehen. Er hat dadurch keine Möglichkeit seine Forderung schneller geltend zu machen, da ihm der Urkundenprozess dadurch nicht offensteht. Die Einwendung der Unbilligkeit eröffnet schließlich weiterhin die Möglichkeit die Zahlung zu verweigern. Die Billigkeit kann im Urkundenprozess aber nicht geprüft werden. Das normale Klageverfahren würde hingegen keine Sekunde verzögert werden, wenn der Kunde, dessen Abschläge nicht vollständig abgerechnet wurde, einen Bankbeleg vorlegt, dass seine Zahlung dem Versorgerkonto gutgeschrieben wurde (für den Fall, dass hier Ihre Auffassung zutreffend sein sollte).

Der Einwendungsausschluss hat für den Versorger einen prozessualen Vorteil. Nur die in § 17 GasGVV genannten Einwendungen verhindern bei ihrem Vorliegen das Fälligwerden der gesamten Forderung. Bei allen anderen Einwendungen wird eine eingeklagte Forderung nur insoweit gekürzt als sie aufgrund der Einwendung zu Unrecht besteht. Wobei wir wieder beim ursprünglichen Thema wären.

Warum gibt es solche Vorschriften nicht auch bei anderen Verträgen? Sind kleine Handwerksunternehmen nicht mindestens so schutzwürdig, Ihre Forderungen zumindest vorläufig einklagen zu können, um Liquiditätsprobleme auszuschließen? Kann die Energiewirtschaft Zahlungsverzögerungen im üblichen Umfang weniger verkraften, als andere Branchen?

Auch dass die Forderung erst 14 Tage nach Zusendung der Abrechnung fällig wird, hat ausschließlich mit dem Kontokorrent zu tun, da die Abrechnung im Gegensatz zu Werkverträgen oder Dienstverträgen Voraussetzung für die Forderung ist. Ein Anspruch kann aber nicht früher fällig werden, als seine Voraussetzungen erfüllt sind.

Von der Standardlösung abweichende Regelungen haben fast immer einen Sinn. Diesen Sinn müssen Sie noch erkennen.

Der Versorger hat einen Anspruch auf Zahlung des Abschlags, den der Kunde erfüllt. Da stimme ich Ihnen zu. Diese Abschlagsforderung wächst auf einem Konto des Versorgers als Verbindlichkeit an, die der Versorger dann in voller Höhe zu bezahlen hätte, wenn der Kunde gar keine Energie verbraucht. Mit der Verbrauchsabrechnung wird die Verbindlichkeit aus den Abschlägen mit der Forderung aus den Energielieferungen verrechnet. Der Saldo ist auszugleichen. Eine Überzahlung wird unverzüglich zur Zahlung fällig, eine Nachzahlung erst 14 Tage nach Zusendung der Abrechnung, um den Kunden die Prüfung zu ermöglichen.

Genau das ist ein Kontokorrent.

Auch beim Saldoanerkenntnis sind Ansprüche nach § 812 BGB möglich. Das Anerkenntnis kann sich immer nur auf die Tatsachen stützen, die vom Willen der Parteien umfasst waren, damit mussten sie bekannt sein. Fällt der Rechtsgrund der Zahlung aus anfänglich unbekannten Gründen später weg, so entsteht ein Bereicherungsanspruch.

Das Saldoanerkenntnis ist kein konstitutives sondern ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.

 

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