Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
reblaus:
@jofri46
Wenn der Versorger erst monatelang kapriziös darauf hinweist, dass das Urteil, welches er kassiert hat, nur einen Einzelfall beträfe, ist die angemessene Frist vermutlich abgelaufen. § 314 BGB ist aber nur einschlägig, wenn dem Versorger kein ordentliches Kündigungsrecht zusteht. Es ist ihm nämlich immer zumutbar, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten, wenn er das Recht zu einseitigen Preiserhöhungen verliert.
Wenn dem EVU überhaupt kein ordentliches Kündigungsrecht zusteht, ist nach der einschlägigen Rechtsprechung sowieso die ergänzende Vertragsauslegung einschlägig. In diesem Fall wird wohl das gesetzliche Preisänderungsrecht herangezogen werden.
Christian Guhl:
--- Zitat ---Original von reblaus
Der Versorger muss nichts konkludent anerkennen.
--- Ende Zitat ---
Aber dem Kunden wird laufend unterstellt, dass er etwas konkludent anerkannt hat.
--- Zitat ---Original von reblausEr muss sich nur auf die gesetzliche Rechtsfolge Ihrer Gasentnahme berufen.
--- Ende Zitat ---
Welche Rechtsfolge ist denn das ? Lt. Black kommt überhaupt kein Grundversorgungsvertrag zustande, wenn dem Anfangspreis widersprochen wird. Der Versorger liefert aber ausdrücklich im Rahmen der Grundversorgung. Vertragsloser Zustand ?
--- Zitat ---Original von reblausSie können sein Schweigen, oder den Verzicht die Gaszufuhr zu sperren nicht anderweitig interpretieren.
--- Ende Zitat ---
Nein ? Aber der Versorger kann das Schweigen des Kunden oder den Verzicht auf Zahlungsverweigerung als Zustimmung zu einer rechtswidrigen Preisänderung interpretieren ? Hätte der Kunde etwas von dieser Rechtsfolge geahnt, hätte er bestimmt nicht gezahlt. Doch da Durchschnittskunden keine kleinen Black´s,Ronny´s,RR-E-ft´s oder Rebläuse sind, zahlen sie ihre Rechnung und denken : \"Wenn etwas damit nicht in Ordnung ist, werden die Gerichte schon dafür sorgen, dass ich mein Geld zurückbekomme. Wir leben ja in einem Rechtsstaat.\" Dann aber kommt der BGH (mit einem Richter, der schon mal ein Honorar von den Energieversorgern bekommen hat), macht eine lange Nase und sagt : \"Schön blöd, dass du deine Rechnungen widerspruchslos bezahlt hast. Die waren nämlich alle falsch !Aber weil du dich nicht beschwert hast, ist dein Geld jetzt futsch. Das haben jetzt die Versorger und brauchen es auch nicht zurückzugeben, obwohl sie gegen Gesetze verstoßen haben.\"
reblaus:
@Christian Guhl
Die Problematik mit den konkludenten Willenserklärungen ist nicht ganz einfach zu verstehen.
Bei eine Willenserklärung kommt es nie darauf an, was der Erklärende gesagt hat, sondern immer darauf was der Empfänger der Erklärung verstanden hat. Wenn der Empfänger etwas anderes verstanden hat, als der Erklärende gesagt hat, so kann der Erklärende die Willenserklärung anfechten. Bei der Auslegung ist der Empfänger aber nicht frei, sondern er hat den tatsächlichen Willen des Erklärenden zu erforschen. Nur wenn ihm lediglich eine Deutung der Mitteilung möglich ist, ist die Erklärung wirksam abgegeben worden.
Dies ist besonders wichtig, wenn eine Handlung als Willenserklärung gedeutet wird. Bezahlt der Kunde eine Rechnung, so ist immer die Deutung möglich, dass der Kunde lediglich seine vertragliche Pflicht erfüllen und gar keine Willenserklärung zu dem Vertragsverhältnis abgeben wollte. Lediglich in dem Fall, dass über die Rechnung zuvor offener Streit geherrscht hat, oder eine Abrechnung eine Unklarheit enthält, die der Kunde kennt oder kennen musste, ist die Zahlung dieser Rechnung so zu werten, dass er die Rechnung damit anerkennt und der Streit beendet werden soll oder dass er auf die Aufklärung der Unklarheit verzichtet. Genau dies geschieht, wenn der Kunde eine Jahresabrechnung bezahlt, bei der eine zuvor einseitig vorgenommene Preiserhöhung eingeflossen ist. Mit der Zahlung ist die Aussage verbunden, dass die Unklarheit, ob die Preiserhöhung der Billigkeit entspricht für die Abrechnung keine Rolle mehr spielen soll. Die Zahlung kann bei verständiger Würdigung nicht anders interpretiert werden. Da der Kunde aber unter gewissen Umständen gesetzlich verpflichtet ist, auch eine möglicherweise unrichtige Abrechnung erst einmal zu bezahlen, bevor über den Widerspruch entschieden wurde, sagt der BGH, dass die Willenserklärung der Zahlung erst dann vollständig abgegeben wurde, wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist.
Sieht man von der Wartefrist ab, ist dies das Rechtsinstitut des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Dieses wirkt aber nur für die Jahresabrechnung, die bezahlt wurde. Zukünftige Vereinbarungen können damit nicht getroffen werden. Aber mit der Zahlung wurde der einseitig erhöhte Preis vom Kunden eindeutig für die Vergangenheit akzeptiert.
Jetzt zieht der BGH die Tatsache heran, dass nach der GasGVV der Kunde einen Grundversorgungsvertrag abschließen kann, indem er einfach Gas aus dem Netz entnimmt. Es kommt dann ein Vertrag zu den allgemeinen Tarifen des Versorgers zustande. Genau das gleiche passiert, wenn der Kunde eine einseitig vorgenommene Preiserhöhung für die Vergangenheit akzeptiert hat, und in Zukunft wieder Gas entnimmt. Dadurch vereinbart er diesen Preis auch für die Zukunft. Er kennt die Preiserhöhung, er hat sie akzeptiert und kann sich in Zukunft nicht darauf berufen, dass er das nicht auch für das neu entnommene Gas getan hat.
Wenn der Versorger Sie in die Grundversorgung eingruppieren möchte, sie dem Preis widersprechen, und der Versorger die Belieferung nicht unterbricht, haben Sie zwei Möglichkeiten, wie Sie diese Handlung des Versorgers interpretieren können. Zum einen können Sie annehmen, dass der Versorger Ihren Widerspruch akzeptiert, und eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises vereinbart wird, oder Sie können es dahingehend interpretieren, dass der Versorger von einem Vertragsschluss durch Gasentnahme aus dem Netz ausgeht. Somit haben Sie keine eindeutig bestimmte Willenserklärung des Versorgers. Eine Vereinbarung in Ihrem Sinne kommt damit nicht zustande.
@Black
Apropos, was kommt den Ihrer Ansicht nach durch die Gasentnahme rechtstechnisch zustande? Wird der Sondervertrag zu neuen Konditionen fortgesetzt oder schließen die Parteien einen Grundversorgungsvertrag ab? Mit § 2 GasGVV kann schließlich nur ein Grundversorgungsvertrag abgeschlossen werden. Meinen Sie, dass der Kunde mit jeder Zahlung einer Jahresabrechnung den Willen hat, seinen Sondervertrag zu kündigen, um in die Grundversorgung zu fallen?
Sollten Sie an dem Sondervertrag festhalten, inwieweit müsste diese Analogie dann Auswirkungen auf andere Dauerschuldverhältnisse haben?
bolli:
--- Zitat ---Original von reblaus
Wenn der Versorger Sie in die Grundversorgung eingruppieren möchte, sie dem Preis widersprechen, und der Versorger die Belieferung nicht unterbricht, haben Sie zwei Möglichkeiten, wie Sie diese Handlung des Versorgers interpretieren können. Zum einen können Sie annehmen, dass der Versorger Ihren Widerspruch akzeptiert, und eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises vereinbart wird, oder Sie können es dahingehend interpretieren, dass der Versorger von einem Vertragsschluss durch Gasentnahme aus dem Netz ausgeht. Somit haben Sie keine eindeutig bestimmte Willenserklärung des Versorgers. Eine Vereinbarung in Ihrem Sinne kommt damit nicht zustande.
--- Ende Zitat ---
Nein, ich widerspreche !!!
Also, da muss ich mal deutlich widersprechen. Mir ist klar, dass die obige Begründung als Basis für die derzeitige Sichtweise einiger, die versuchen, den Sockelpreis auch in der gesetzlichen Grundversorgung zu begründen, heran gezogen wird. Aber das ist schlicht nicht korrekt.
ICH widerspreche einer Kündigung meines Sondervertrages mit anschließender Eingruppierung in der gesetzlichen Grundversorgung und dem damit verbundenen höheren Preis, weil ich der Meinung bin, dass der Preis nicht billig ist. Der Versorger droht mir keine Sperrung an, falls ich den (aus meiner Sicht zuhohen) Tarif nicht zu zahlen bereit bin und weiter Gas entnehme und ich habe schlicht keine andere Möglichkeit, als mich für Heizung und Warmwasser mit Gas beliefern zu lassen. Andere in meinem Gebiet ansässige Versorger bieten lediglich Sonderverträge, deren Preis ich durch eine aktive Vertragsannahme tatsächlich akzeptieren würde.
Also bleibt mir doch nur der Weg der gesetzlichen Grundversorgung mit dem Unbilligkeitseinwand.
Und hier konstruiert man nun ein Vertragsverhältnis MIT Anerkenntnis des Preises, weil ich Gas entnehme. Meinen vorherigen und auch späteren Widerspruch wegen Unbilligkeit der Preise interpretiert man freundlicherweise, wie es einem passt, nämlich, dass ich halt ein willenloser Mensch bin, der einmal widerspricht, dann halt seinen Widerspruch aufgibt und Gas entnimmt und damit den (aus Verbrauchersicht) zu hohen Preis akzeptziert und später halt neu widerspricht. Manchmal kann man sich auch in einem Rechtsstaat nur wundern, was als Recht interpretiert wird. ?(
Leider kommt dann wieder der Spruch zum Tragen: \"Auf hoher See und vor Gericht bist du in Gottes Hand.\" Und diese Hand scheint derzeit eher andere zu schützen X(
Christian Guhl:
@Reblaus
Das ist ja alles einleuchtend. Aber mit der Realität hat es wenig zu tun !Nicht ein einziger (Sondervertrags-)Kunde (jedenfalls nicht die, ohne juristische Ausbildung) ahnt, das er mit bezahlen der Rechnung einer Vertragsänderung zustimmt. Er wird hinters Licht geführt, in dem der Versorger ihm vorgaukelt, dass die Preisänderungsklausel zu den vorgenommenen Preiserhöhungen berechtigt. Hier wird die Arglosigkeit der Verbraucher von den Versorgern ausgenutzt um ihnen Schaden zuzufügen ! Und das segnet der BGH jetzt ab ? Seit mind. 2-3 Jahren ist den EVUs bekannt, das die von ihnen verwendeten Klauseln unwirksam sind. Trotzdem wird dies den Kunden gegenüber heftig abgestritten und das Gegenteil behauptet. Wenn ein Kunde der Rechnung widerspricht und die Zahlung kürzt, wird er massiv unter Druck gesetzt. Wer sich dieser Nötigung nicht aussetzen will und alles zahlt, soll nun einer Preisneufestsetzung zugestimmt haben ? Ich könnte mir das ja noch unter der Voraussetzung vorstellen, dass auf den Rechnung (in Fettschrift) steht : \"Achtung ! Die zwischen uns vereinbarte Preisänderungsklausel berechtigt uns wahrscheinlich nicht zu den vorgenommenen Preiserhöhungen. Mit bezahlen der Rechnung stimmen sie jedoch den Erhöhungen zu und verzichten auf die Möglichkeit, diese zurückzufordern. Sollten sie damit nicht einverstanden sein, benutzen sie bitte den beigefügten Vordruck und widersprechen den Preisänderungen.\" ;)
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