Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?

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reblaus:

--- Zitat ---BGH Urt. v. 19.11.2008, Az. VIII ZR 138/07

Soweit die Beklagte in der Folgezeit auf der Grundlage von § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkun-den (AVBGasV vom 21. Juni 1979, BGBl. I S. 676), die auf den Streitfall noch Anwendung findet, einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, hat der Kläger bis zum Ende des Jahres 2004 die auf diesen (erhöhten) Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist auch über von der Beklagten bis zum 31. Dezember 2004 geforderte - gegenüber dem bei Vertragsschluss geltenden allgemeinen Tarif erhöhte - Preise konkludent (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AVBGasV) eine vertragliche Einigung der Parteien zustande gekommen (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 36).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH Urt. v. 8.07.2009, Az. VIII ZR 314/07

Soweit die Beklagte in der Folgezeit gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, haben die Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem sie weiterhin Gas bezogen haben, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist entgegen der Auffassung der Revision auch über die von der Beklagten vor dem 1. Oktober 2004 geforderten - gegenüber dem bei Vertragsschluss geltenden allgemeinen Tarif erhöhten - Preise konkludent eine vertragliche Einigung der Parteien zustande gekommen (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 36; Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 16).
--- Ende Zitat ---

Laut Black wiederholt der BGH geradezu gebetsmühlenhaft Überflüssiges, wie die rot gekennzeichneten Textstellen aus den weiteren Entscheidungen zum Preissockel bestätigen.

In drei Entscheidungen erwähnt der 8. Zivilsenat viermal, dass es sich um den zuvor einseitig erhöhten Preis handelt, über den die Parteien eine Vereinbarung treffen, und dennoch soll diese Rechtsprechung für jeden Preis gelten, den das EVU in seinen Jahresabrechnungen gefordert hat. Wer das aus den Entscheidungen herausliest, und später tatsächlich richtig liegt, dem kann wahre Nähe zum BGH beschieden werden.

Zum Kündigungsrecht bei Sonderverträgen ist ein wegweisender Artikel von Frau RA Holling hier veröffentlicht.

Hintergrund der Problematik ist, dass bei Dauerschuldverhältnissen ein generelles ordentliches Kündigungsrecht gesetzlich nicht geregelt ist. Deshalb greift die Rechtsprechung auf die Spezialregelungen im Miet-, Arbeits- und Gesellschaftsrecht zurück, bei denen gesetzliche Kündigungsmöglichkeiten bestehen, und wendet diese für andere Dauerschuldverhältnisse entsprechend an.

RA Lanters:
wobei zu beachten wäre, dass in den meisten sonderverträgen ausdrücklich ein recht zur ordentlichen kündigung vereinbart ist. dies fehlt aber gerade in den mietverträgen. auf dieses vertraglich vereinbarte kündigungsrecht kann sich der versorger meiner meinung nach berufen...

jofri46:
@RA Lanters

Das sehe ich ebenso.

In dem Aufsatz von Frau RAin Holling heißt es: \"Die Kündigung eines Sondervertrages unterliegt den gleichen Rahmenbedingungen und Begründungserfordernissen wie eine Preiserhöhung...\". Gemeint ist damit wohl eine außerordentliche Kündigung. Das Recht zur ordentlichen (fristgemäßen) Kündigung, wie es auch in meinem Sondervertag vereinbart ist, sehe ich davon nicht berührt.

In dem Aufsatz von Frau RAin Holling heißt es weiter: \"Wenn der Versorger seine Kündigung mit einer angeblich unwirksamen Preisänderungsklausel begründet, muß er konkret darlegen, welches Gericht rechtskräftig eine wortgleiche Klausel bereits für unwirksam erklärt hat...\". Soll ich bei einer solchermaßen begründeten (außerordentlichen) Kündigung den Versorger auffordern, die Unwirksamkeit seiner Preisänderungsklausel zu belegen, wenn ich bereits vorher mit der Begründung \"unwirksame Preisänderungsklausel\" meine Zahlungen gekürzt habe?

reblaus:
@RA Lanters
Ich teile Ihre Auffassung, dass ein vertraglich vereinbartes Kündigungsrecht in jedem Fall gültig ist. Soweit RAin Holling auf die Spezialvorschriften für das Wohnraummietrecht zurückgreift, halte ich dies für zu weitgehend. Ich glaube, dass nur § 542 BGB und für die Kündigungsfristen § 580a BGB analog anwendbar sind.

Soweit die AVBGasV oder die GasGVV ergänzend Vertragsbestandteil wurden, sind Kündigungsrecht und Fristen in § 36 AVBGasV bzw. § 20 GasGVV bestimmt.

@jofri46
Ihre Bedenken wegen der außerordentlichen Kündigung bestehen zu Recht. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung muss sich an der Tatsache festmachen lassen, ob eine Klausel unwirksam ist oder nicht. Es kann nicht gefordert werden, dass dies von einem Gericht zuvor entschieden worden ist.

Faktisch dürfte dies aber nur in solchen Fällen eine Rolle spielen, in denen eine ordentliche Kündigung vertraglich ausgeschlossen wurde.

jofri46:
@reblaus
Für eine außerordentliche Kündigung sind m. E. die §§ 313, 314 BGB heranzuziehen. Interessant dürfte dann die Regelung des § 314 Abs. 3 werden, wonach der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Hat da mancher Versorger sein außerordentliches Kündigungsrecht nicht schon \"verwirkt\"?

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