Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
Münsteraner:
--- Zitat ---Original von reblaus
--- Zitat ---Ihr Unternehmen hat mich vom xxx bis zum xxx mit Gas versorgt. Grundlage hierfür war der zwischen uns am xxx geschlossene Erdgasliefervertrag. Wie ich kürzlich den Medien entnommen haben, hat der Bundesgerichtshof die Preiserhöhungsklauseln in solchen Lieferverträgen dann für unwirksam erklärt, wenn der Versorger lediglich berechtigt und nicht verpflichtet ist, Preissenkungen nach den gleichen Maßstäben wie Preiserhöhungen weiterzugeben.
In unserem Vertrag war eine solche unwirksame „Kann“-Bestimmung enthalten. Dies hat zur Folge, dass die Jahresabrechnungen seit 1999 von Ihnen fehlerhaft erstellt wurden, da Sie mit Preisen rechneten, die wir vertraglich nie vereinbart haben. Aus diesem Grund habe ich seit 1999 die in der beiliegenden Aufstellung ersichtlichen Beträge ohne Grund bezahlt.
Bitte überweisen Sie den überzahlten Betrag in Höhe von xxx bis zum xxx auf mein unten angegebenes Konto.
Bitte beachten Sie, dass meine Ansprüche aus 1999 demnächst zu verjähren drohen. Ich kann Ihnen daher keine längere Frist einräumen, und wäre zur Wahrung meiner rechtlichen Interessen anderenfalls zur unverzüglichen Klageerhebung gezwungen.
--- Ende Zitat ---
--- Ende Zitat ---
@ reblaus
Vielen Dank für den zusätzlichen Vorschlag. Wenn ich diesen mit dem Entwurf von Gas-Rebell vergleiche, dann fällt mir auf:
1. Ihre Sprache klingt deutlich weniger juristisch, Sie zitieren weder Paragraphen noch Urteile.
2. Im Hinblick auf § 307 BGB führen Sie lediglich die \"Kann\"-Formulierung als Nichtigkeitsgrund an, nicht jedoch auch Verstöße gegen das Transparenzgebot.
3. Sie führen nicht auch eine Einrede nach § 315 BGB ins Feld, ebenso wenig wie das Argument kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch mit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB.
Gibt es dafür jeweils Ihrerseits bestimmte Gründe?
4. Sie verwenden darüber hinaus die Formulierung \"erst kürzlich aus den Medien erfahren\" zu haben. Was ist jedoch, wenn der Verbraucher bereits Ende 2007 das Widerspruchsmusterschreiben des BdEV benutzt hat, in dem um Mitteilung gebeten wird, woraus der Versorger das Recht zur einseitigen Preiserhöhung ableite und insofern auf die BGH-Rechtssprechung zu § 307 BGB und zur Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln verwiesen wird? Inwieweit hat das Einfluss auf die Frage der Kenntnis im Sinne der Verjährung bzw. auch des fehlenden Rechtsgrundes der Zahlung (§ 812 BGB)?
5. Schließlich: Was wäre eigentlich eine angemessene Frist für den Eingang der Rückzahlungsforderung?
reblaus:
@münsteraner
Wer zuviel mit Paragrafen um sich wirft, betreibt unnötige Wichtigtuerei. Die Leute in der Rechtsabteilung kennen die einschlägigen Gesetze.
Der Schwerpunkt bei den nichtigen Klauseln liegt doch ganz eindeutig bei den \"Kann-Bestimmungen\". Abgesehen davon, welcher Verbraucher kann wirklich beurteilen, dass seine Klausel gegen das Transparenzgebot verstößt?
Wenn ein Gericht bereits die Preiserhöhungsklausel, die auch im eigenen Vertag verwendet wurde, für unwirksam erklärt hat, gibt es keine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB mehr. Wer die Preise überhaupt nicht erhöhen darf, braucht bei einer Erhöhung auch die Billigkeit nicht zu beachten. Den Preishöhenmissbrauch können Sie sowieso nicht nachweisen, es sei denn der Versorger hätte einen grenzdebilen Anwalt, oder die Chefsekretärin würde aus Eifersucht geheime Geschäftsunterlagen veröffentlichen.
Warum legen Sie sich bei dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel fest? Das nutzt Ihnen doch gar nichts. Dem Versorger nutzt es schon, wenn Sie nämlich Ihr Recht nicht sofort verfolgen. Aus dem Musterschreiben kann doch allenfalls die Vermutung des Verbrauchers hervorgehen, dass die Klausel unwirksam ist, definitive Kenntnis hat der Laie erst, wenn ein Gericht entsprechend entschieden hat.
@Christian Guhl
Man verlangt von keinem Verbraucher, dass er juristisch erklären kann, was er gerade tut. Sie müssen keine Kenntnis davon haben, dass Sie einen Vertrag ändern, wenn Sie Gas entnehmen. Fragen Sie mal an der Supermarktkasse die Kunden. Die Hälfte wird entrüstet verneinen, dass sie gerade einen Vertrag abgeschlossen haben, als sie Ihre Ware bezahlt haben.
\"Ich habe nur meinen Einkauf bezahlt, mehr habe ich nicht getan\" wird man Ihnen antworten. Sie benötigen lediglich eine laienhafte Vorstellung davon, was erforderlich ist, einen Vertrag zu schließen.
Bei der Grundversorgerung ist noch nicht einmal das notwendig. Dort ordnet die Verordnung als Rechtsfolge an, dass Sie einen Vertrag schließen, wenn Sie Gas entnehmen. Die meisten Strom- und Gaskunden haben von dieser gesetzlichen Rechtsfolge keinerlei Ahnung.
Auf Ihren Sondervertrag findet dieses Sockelpreisprinzip zumindest dann keine Anwendung, wenn die Klausel unwirksam ist. Anderes glaubt nur Black.
Es gibt nach meiner Interpretation des BGH keine Möglichkeit für den Versorger, zwischenzeitlich vorgenommene Preiserhöhungen dem Kunden gegenüber als einvernehmliche Vertragsänderungen durchzusetzen. Sie sind nur verpflichtet, den anfänglichen Vertragspreis zu bezahlen, und haben Anspruch darauf, überzahlte Beträge zurückzufordern, und zwar 10 Jahre lang, wie das AG Dannenberg überzeugend entschieden hat.
@Bolli
Sie können einer wirksam vorgenommenen Kündigung so lange widersprechen, wie sie wollen. Es interessiert niemanden. Eine Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Ihr Widerspruch wirkt nur als willkommene Empfangsbestätigung.
Sie versuchen das Gesetz zu Ihrem Vorteil zu verbiegen. Das führt direkt in die Niederlage vor Gericht.
Münsteraner:
@ reblaus
Danke für die Hinweise. Das hilft weiter.
--- Zitat ---Aus dem Musterschreiben kann doch allenfalls die Vermutung des Verbrauchers hervorgehen, dass die Klausel unwirksam ist, definitive Kenntnis hat der Laie erst, wenn ein Gericht entsprechend entschieden hat.
--- Ende Zitat ---
Wann wurde eigentlich erstmals gerichtlich entschieden, dass Preiserhöhungsklauseln mit \"Kann\"-Formulierung nichtig seien, sodass ab da Kenntnis vorauszusetzen ist?
--- Zitat ---Es gibt nach meiner Interpretation des BGH keine Möglichkeit für den Versorger, zwischenzeitlich vorgenommene Preiserhöhungen dem Kunden gegenüber als einvernehmliche Vertragsänderungen durchzusetzen. Sie sind nur verpflichtet, den anfänglichen Vertragspreis zu bezahlen,
--- Ende Zitat ---
Eine Möglichkeit hat zumindest mein Versorger bei mir ausprobiert. Nachdem ich (Sondervertragskunde) seinerzeit (damals zuerst nur) den Unbilligkeitseinwand erhoben hatte, teilte man mir mit, dass man - um gezahlte Abschlagsbeträge tatsächlich nur der Hauptforderung zurechnen zu können - eine separates Erdgas-Vertragskonto für mich eröffnen müsse und schickte mir in der Anlage dazu einen kompletten Antrag für einen neuen Sondervertrag mit AGB etc.. Offenbar in der \"tricky\" Absicht, damit einen neuen Anfangspreis auf höherem Niveau festzuzurren.
Ich habe dem natürlich verhement widersprochen und einer Änderung der Vertragskontonummer nur unter der Bedingung zugestimmt, dass kein neuer oder geänderter Vertrag zustande kommt. Aber bei wieviel Kunden wurde auf diese (für mich äußerst hinterhältige) Weise noch versucht, ihnen einen neuen Vertrag unterzuschieben? Und wieviel Ahnungslose sind darauf reingefallen? Frage an unsere Juristen: Inwieweit stehen in einem solchen Fall Anfechtungsmöglichkeiten wegen Irrtums oder auch wegen Täuschung zur Verfügung? Und inwieweit könnte das Verschweigen der Rechtsfolgen eines neuen Vertrags ggf. sogar Tatbestände des § 263 StGB erfüllen?
reblaus:
Der Versorger ist nicht verpflichtet, auf die Rechtsfolgen eines neuen Vertragsabschlusses hinzuweisen. Anfechtungsmöglichkeiten oder gar Strafanzeigen wegen Betrugs sind nur dann gegeben, wenn der Kunde getäuscht wurde. Eine Täuschung ist zwar auch durch Verschweigen möglich. Dies aber nur dann wenn eine Informationspflicht bestanden hat.
Der Energieverbraucher ist kein kleines, drolliges Dummerchen, den man entmündigen müsste, damit er sich nicht selbst schädigt. Dies sollte dem Verbraucher klar sein. Wer sich über den Tisch ziehen lässt, ist selber schuld. Wenn man alles unterschreibt, was einem vor die Nase gehalten wird, ist man bald pleite.
Die einschlägige Entscheidung im Gasbereich ist beim BGH meines Wissens am 29.04.2008 ergangen. Dort können Sie zumindest nachlesen, ob und wieweit ältere Entscheidungen zitiert werden.
Münsteraner:
--- Zitat ---Original von reblaus
Der Energieverbraucher ist kein kleines, drolliges Dummerchen, den man entmündigen müsste, damit er sich nicht selbst schädigt. Dies sollte dem Verbraucher klar sein. Wer sich über den Tisch ziehen lässt, ist selber schuld.
--- Ende Zitat ---
Genau hier liegt der Knackpunkt. Um die juristischen Fallen zu entdecken, muss der Verbraucher rechtlich gebildet sein. Wer aber ist das schon? Wer ist ohne fundierte juristische Vorbildung in der Lage, gegen trickreiche Rechtsabteilungen der Versorger zu bestehen? Doch wohl kaum jemand. Von Waffengleichheit kann da sicher keine Rede sein.
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