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Autor Thema: Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?  (Gelesen 181620 mal)

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Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #225 am: 27. August 2009, 15:47:41 »
Das ist nun einmal das Problem des Individualprozesses.


Kunde A klagt, hat aber einen schlechten Anwalt, die Klage ist leider unschlüssig und wird abgewiesen.

Kunde B wird verklagt und schließt einen Vergleich ab.

Kunde C wird verklagt und gewinnt. Der Tarif ist unbillig.

Kunde D klagt und gewinnt auch, allerdings setzt sein gesetzlicher Richter einen anderen Preis als billig neu fest.


Soll nun der Erfolg des Kunden C aufgrund der Gleichbehandlungspflicht das klageabweisende Urteil A und den titulierten Vergleich B beseitigen?

Soll B keine Vergleiche über den von ihm zu zahlenden Tarif abschließen dürfen, weil er wegen der Gleichbehandlung vorher alle anderen Kunden befragen müßte? Oder soll der Vergleich B nun für alle Kunden gelten?

All dies verbietet schon unser Prozessrecht.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #226 am: 27. August 2009, 15:52:09 »
@reblaus

Ich wüsste nicht, welcher Vergleich bei Erhebung einer Feststellungsklage des Kunden wegen Unbilligkeit des Tarifs geschlossen werden sollte.

Die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 36 EnWG besagt, dass alle grundversorgten Kunden zu den Allgemeinen Preisen versorgt werden müssen, die wiederum gesetzlich an  den Maßstab der Billigkeit gebunden sind, was das Recht des Versorgers zur Erhöhung wie die Verpflichtung des Versorgers zur Absenkung nach gleichen Maßstäben einschließt, undzwar gegenüber allen grundversorgten Kunden gleichermaßen, ohne dass es dabei auf individuelle Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden ankommen kann und darf.

Ich gebe Ihnen recht, dass der einzelne Kunde nicht auf das Prozessverhalten und -geschick anderer Kunden verwiesen werden kann. Das ist auch nicht notwendig, wenn jeder Kunde die Möglichkeit hat, eine entsprechende gerichtliche Entscheidung selbst zu suchen, da schließlich der ihm gegenüber geltend gemachte, vom Versorger veröffentlichte Allgemeine Tarif jeweils  das Ergebnis des selben Preisbestimmungsverfahrens unter Berücksichtigung der selben preisbildenden Kostenfaktoren ist, an dem der Kunde nicht teilnimmt und das er von sich aus nicht nachvollziehen kann (vgl. BGH KZR 36/04 Tz. 9 ff.).

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #227 am: 27. August 2009, 16:04:13 »
@RR-E-ft
In der Sammelklage gegen die Badenova hat das Gericht einen Vergleich vorgeschlagen, dass die Beklagte auf 15% der vorgenommenen Preiserhöhungen verzichten solle. Der Vergleich wurde abgelehnt. Aber warum soll kein Vergleich auf einen für beide Seiten akzeptablen Preis möglich sein.

Wir haben Vertragsfreiheit.

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #228 am: 27. August 2009, 16:06:31 »
Fazit: Auch wenn eine Gleichbehandlung vielleicht wünschenswert wäre scheitert Sie an den Besonderheiten des Individualprozesses.

Weitere Beispiele gefällig?

Kunde A klagt auf Feststellung der Unbilligkeit. Der Versorger erkennt an.

Kunde B wurde vom Versorger verklagt, er erscheint nicht zum Termin und es ergeht ein VU zu Gunsten des Versorgers.

Wenn beide Urteile bezogen auf einen Tarif wirksam werden, widersprechen sie dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #229 am: 27. August 2009, 16:07:22 »
@reblaus

Sobald man im Rahmen der Vertragsfreiheit (für die Zukunft) einen individuellen Preis vereinbart, ist man gerade  kein Tarifkunde mehr. Und die Billigkeit eines Allgemeinen Tarifs entscheidet sich gewiss auch nicht auf dem Bazar.

@Black

Gerade weil Entscheidungen nur inter partes gelten, muss jeder Kunde selbst auf Feststellung klagen, bzw. sich auf Unbilligkeit berufen  können, so ja auch BGH X ZR 60/04.

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #230 am: 27. August 2009, 16:09:48 »
Dann besteht Einigkeit darüber, dass nur gerichtlich bestimmte billige Preise das Tarifgefüge ändern?

Offline RR-E-ft

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« Antwort #231 am: 27. August 2009, 16:14:15 »
Das Tarifgefüge ändert der Grundversorger kraft seines gesetzlichen Preisbestimmungsrechts, welches eine Preisbestimmungspflicht einschließt, und dessen Allgemeine Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und deshalb vom betroffenen Kunden selbst gerichtlich auf ihre Billigkeit hin kontrolliert werden können. Die Änderungen erfolgen aufgrund öffentlicher Bekanntgaben des Versorgers.

Im Rahmen von gerichtlichen Auseinadersetzungen um die Billigkeit kann es zu gerichtlichen Ersatzbestimmungen kommen, die grundsätzlich nur inter partes gelten, die der Versorger jedoch ggf. zum Anlass nimmt, alle anderen betroffenen Kundenverhältnisse auch nochmals aufzugreifen.

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #232 am: 27. August 2009, 16:17:40 »
Zitat
Original von RR-E-ft

@Black

Gerade weil Entscheidungen nur inter partes gelten, muss jeder Kunde selbst auf Feststellung klagen, bzw. sich auf Unbilligkeit berufen  können, so ja auch BGH X ZR 60/04.

Und gerade deshalb sind im Streit um den gleichen Tarif eine Vielzahl von Einzelentscheidungen möglich, die dem Gedanke einer Gleichbehandlung entgegenstehen.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #233 am: 27. August 2009, 16:27:58 »
Wenn es um die gerichtliche Kontrolle der einheitlichen (von Individulavereinbarungen völlig unbeeinflussten) Ermessensentscheidungen des Grundversorgers gegenüber seinen grundversorgten Kunden (die Tarife zu erhöhen, abzusenken oder aber stabil zu halten) aufgrund der selben objektiven Tatsachenbasis geht, sollte die gerichtliche Billigkeitskontrolle nicht zu divergierenden Gerichtsentscheidungen führen können, insbesondere dann nicht, wenn in §§ 102, 103 EnWG eine Konzentration der Verfahren bei besonderen  Gerichten oder gar Kammern erfolgt. Das ist ja gerade der Sinn der Konzentration.

Wenn (fiktive) Individualvereinbarungen, die schon auf die allein gerichtlich zu kontrollierenden Ermessensentscheidungen des Grundversorgers gar keinen Einfluss hatten (!), notwendigerweise außen vor bleiben und außen vor bleiben müssen, kommt das Gericht idealerweise bei der vorzunehmenden Prüfung der konkreten Ermessensentscheidung aufgrund objektiver Tatsachenbasis jedes mal zum gleichen Ergebnis.

Ob die Ermessensentscheidung des Versorgers zum 01.08.2005 geänderte Allgemeine Tarife in Kraft zu setzen angesichts dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG der Billigkeit entsprach oder nicht, bemißt sich nach objektiven Kriterien nicht danach, wann welcher Kunde dagegen ggf. Widerspruch eingelegt hat.

Offline Black

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« Antwort #234 am: 27. August 2009, 16:54:21 »
Sie sollten eigentlich wissen, dass es im Zivilprozess keinen Amtsermittlungsgrundsatz gibt.

Die \"objektive Tatsachenbasis\" der gerichtlichen Entscheidung hängt also (fast) allein vom jeweiligen Parteivortrag ab. Trotz aller Konzentrationsmöglichkeiten sind damit divergierende Entscheidungen immer möglich und zulässig.

Es ist ja gerade das Grundprinzip unseres Zivilrechts dass eine Einzelentscheidung ergeht. Man kann daher nicht das generelle Zivilrecht verbiegen wollen nur um eine einzelne Theorie eines kleinen Sonderrechtsgebietes stützen zu wollen.
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« Antwort #235 am: 27. August 2009, 16:58:58 »
Es besteht gewiss eine objektive Tatsachenbasis.

Den Parteivortrag zur objektiven Tatsachenbasis hat doch wohl der insoweit allein darlegungs- und beweispflichtige Grundversorger, dessen konkrete Ermessensentscheidung gerichtlich kontrolliert werden soll,  allein in der Hand. Nur wenn er die Karten nicht auf den Tisch legt, in jedem Verfahren anders dazu vorträgt, welche konkrete Abwägung zu seiner konkreten Ermessensentscheidung geführt haben soll, stünden divergierende Entscheidungen zu besorgen. Die spezielle Kammer wird ihm möglicherweise konträre Einlassungen in anderen (parallel gelagerten) Verfahren entgegenhalten.

(Wer sich am fehlenden Amtsermittlungsgrundsatz stört, hätte ggf. eine gesetzliche Sonderzuweisung an spezielle Kammern der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu denken.)

Offline Black

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« Antwort #236 am: 27. August 2009, 17:13:07 »
Auch das schließt divergierende Entscheidungen nicht aus.

Die Tatsache, dass übereinstimmende Entscheidungen auch möglich oder  wahrscheinlich sind stützen noch nicht die Annahme eines Gleichbehandlungsgrundsatzes als rechtsverbindliches absolutes Insititut.

Im Umkehrschluss widerlegt aber bereits ein Fall der Durchbrechung durch zulässige divergierende Entscheidungen diese Annahme.

Das gesamte Zivilrecht ist auf die Individualentscheidung und nicht auf kundenübergreifende Massenentscheidungen aufgrund von Gleichbehandlungsgrundsätzen ausgelegt. Ihre Theorie ist systemwidrig.
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Offline nomos

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« Antwort #237 am: 27. August 2009, 17:25:31 »
Zitat
Original von RA Lanters
Ein verbraucherfreundliches Urteil eines mutigen Richters, insbesondere die Stelle, dem der Richter darlegt, dass mit vorbehaltloser Zahlung keine Einigung auf den höheren Preis zustande kommt, beindruckt.
AG Dannenberg, Teil-Urt. v. 18.08.09, Az. 31 C 202/09 Ansprüche wegen unwirksamer Klauseln

Zitat
Die streitgegenständlichen Preiserhöhungen wurden von den Parteien auch nicht konkludent vereinbart. Eine Einigung durch unbeanstandetes Zahlen der Preiserhöhung ist nicht gegeben. Indem die Klägerin weiterhin Strom bezog, ohne in angemessener Zeit eine Oberprüfung der Billigkeit der Preiserhöhung zu verlangen, ist keine konkludente Einigung der Parteien über die von der Beklagten geforderten Preise zustande gekommen.
    Das war ein wahrlich
unabhängiger Richter. Bei seiner Entscheidungsfindung nur an Recht und Gesetz gebunden.

Nichts für ungut für diesen Zwischenbeitrag, aber so eine Unterbrechung tut einfach gut.  :) [/list]

Offline RR-E-ft

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« Antwort #238 am: 27. August 2009, 17:25:45 »
@nomos

Das gehört nun wirklich nicht hierher. Es gibt Punkte in der Entscheidung, die Zweifel gebieren. Aber wenn ein Gericht eine verbraucherfreundliche Entscheidung trifft, dann war es ein unabhägiges Gericht, wenn eine Entscheidung zu Lasten der Kunden ausgeht, waren es unverständige Schwarzkittel.


@Black

In Anbetracht der gesetzlichen Verpflichtung aus  §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG wäre zu hinterfragen, was sytsmewidrig wäre.

Zweifelsohne ist die gerichtlich objektiv zu kontrollierende Ermessensentscheidung des Grundversorgers, die er gegenüber allen grundversorgten Kunden einheitlich getroffen hat,  unbeeinflusst von Individualvereinbarungen mit einzelnen Kunden. Zu kontrollieren ist deshalb immer die selbe Ermessensentscheidung des Grundversorgers, unabhängig von (fiktiven) Individualvereinbarungen, die diese gerichtlich objektiv zu kontrollierende Ermessensentscheidung schon nicht beeinflussen konnten und durften, gerade wegen der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG.

Offline reblaus

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« Antwort #239 am: 27. August 2009, 17:30:09 »
Selbst wenn unterschiedliche Gerichte zeitgleich mit der Preisbestimmung befasst sind, so ist der Versorger doch immer das Bindeglied zwischen den Verfahren. Es liegt in seiner Hand, auf andere anhängige Verfahren hinzuweisen, so dass es in solch seltenen Fällen den Gerichten möglich wäre das Ermessen einheitlich wahrzunehmen und eine Preisspaltung zu vermeiden.

Im Falle dass auch dadurch kein einheitlicher Preis zu erreichen wäre, hat der Versorger den günstigeren Tarif zu übernehmen.

 

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