Das mit dem (konkludent) vereinbarten Anfangspreis bei (konkludentem) Abschluss eines Tarifkundenvertrages (auf den VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07 abstellen), ist so so eine Sache, über die man sich trefflich streiten kann. Die Einigung geht beim (konkludenten) Abschluss eines Tarifkundenvertrages wohl nur dahin, dass die Belieferung zu den
jeweiligen Allgemeinen Tarifen (Preisen) erfolgen soll, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und vom Verorger jeweils für eine Zeitperiode einseitig festgesetzt werden. In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass bei Verträgen zu Preisen nach Art eines Allgemeinen Tarifs eine Einigung auf einen konkreten Preis für den wirksamen Vertragsabschluss nicht notwendig ist, wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, welches sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben kann (so auch BGH KZR 36/04 Tz. 9 ff.).
BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 10
Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird. Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.
Durch
jüngere Entscheidungen des BGH tritt der Aspekt der
gesetzlichen Bindung der Allgemeinen Tarife (Preise) an den Maßstab der Billigkeit verstärkt in den Vordergrund bzw. Fokus.
Kartellsenat des BGH bereits im April 2008:
BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26
Die Vorschrift [§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV] bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist
Nunmehr VIII.Zivilsenat des BGH
Mitte Juli 2009:
BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07 Tz. 28
Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, wie oben bereits ausgeführt, weiter, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. April 2009, aaO, Tz. 25).
BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 55/08 Tz. 20
Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.
Der Gesetzgeber hat gewollt, dass (grundversorgte) Tarifkunden zu den jeweiligen Allgemeinen Tarifen (Preisen) beliefert werden, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und vom Versorger durch öffentliche Bekanntgabe einseitig festgesetzt werden und die der Kunde auf ihre Billigkeit hin kontrollieren lassen kann. Zutreffender müsste es wohl heißen:
Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann. Die
Allgemeinen Preise der Grundversorgung beruhen auf Ermessensentscheidungen des Grundversorgers, undzwar ausschließlich auf diesen.
Diese jüngste Rechtsprechung des BGH wurde möglicherweise noch nicht ausreichend reflektiert.
Daraus ergibt sich m. E. Folgendes:
Im Zeitpunkt des (konkludenten) Abschlusses eines Tarifkundenvertrages kann wegen gestiegener Kosten seit der letzten Tariffestsetzung bereits ein Recht des Versorgers bestehen, die Allgemeinen Tarifpreise nach billigem Ermessen zu erhöhen.
Das bereits im Zeitpunkt des (konkludenten) Vertragsabschlusses bestehende Erhöhungsrecht zur Anpassung nach billigem Ermessen wird nicht durch eine Einigung auf einen Preis im Zeitpunkt des (konkludenten) Vertragsabschlusses ausgeschlossen, auch wenn die Kostensteigerungen vor dem (konkludenten) Vertragsabschluss liegen. Die Erhöhung erfolgt nach der Ermessensentscheidung des Grundversorgers gegenüber allen grundversorgten Kunden einheitlich undzwar durch öffentliche Bekanntgabe, unabhängig davon, wann der konkrete Grundversorgungsvertrag (konkludent) zustande kam.
Im Zeitpunkt des (konkludenten) Abschlusses eines Tarifkundenvertrages kann wegen rückläufiger Kosten seit der letzten Tariffestsetzung ebenso bereits eine Absenkungspflicht nach billigem Ermessen bestehen, die ebenso nicht durch eine Einigung auf einen Preis im Zeitpunkt des (konkludenten) Vertragsabschlusses ausgeschlossen ist, wenn die Kostensenkungen vor dem (konkludenten) Vertragsabschluss lagen. Die Absenkungspflicht besteht gegenüber allen grundversorgten Kunden und erfolgt nach der Ermessensentscheidung des Grundversorgers gegenüber allen grundversorgten Kunden einheitlich undzwar durch öffentliche Bekanntgabe, unabhängig davon, wann der konkrete Grundversorgungsvertrag (konkludent) zustande kam.
Der im Zeitpunkt des (konkludenten) Abschlusses eines Grundversorgungsvertrages gem. §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG veröffentlichte Allgemeine Tarif (Preis) kann deshalb entgegen gesetzlicher Verpflichtung bereits unbillig sein, wenn seit der vorherigen Tariffestsetzung die Kosten derart rückläufig waren, dass bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur Absenkung des Allgemeinen Tarifs (Preises) zu einem Zeitpunkt vor dem (konkludenten) Abschluss des Grundversorgungsvertrages bestand.
Die Allgemeinen Tarife, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind, werden gegenüber allen (auch potentiell) grundversorgten Kunden gem. §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG einheitlich festgesetzt.
Ich meine, die Frage, ob der im Zeitpunkt des (konkludenten) Abschlusses eines Grundversorgungsvertrages gem. §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG nach dem Ermessen des Grundversorgers festgesetzte Allgemeine Tarif (Preis) gerade der Billigkeit entsprach oder auch nicht, mit anderen Worten: ob die Ermessensentscheidung des Grundversorgers, den Allgemeinen Tarif (Preis) zu erhöhen, abzusenken oder stabil zu halten, der Billigkeit entsprach oder nicht, ist gegenüber allen grundversorgten Kunden einheitlich zu beantworten, uanbhängig davon, wann der Grundversorgungsvertrag (konkludent) abgeschlossen wurde.
Diese Auffassung begründe ich damit, dass der Grundversorger seine am Maßstab der Billigkeit von einem Gericht objektiv zu kontrollierende Ermessensentscheidung (den Allgemeinen Tarif (Preis) zu erhöhen, abzusenken oder stabil zu halten) gegenüber allen (auch potentiell) grundversorgten Kunden einheitlich trifft und in diese Ermessensentscheidung der Umstand, wann der konkrete Grundversorgungsvertrag (konkludent) geschlossen wurde, gar keinen Eingang findet, die objektiv zu kontrollierende Ermessensentscheidung des Grundversorgers deshalb weder beeinflussen konnte noch durfte.
Bestand wegen der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit bereits vor dem (konkludeneten) Abschluss des Grundversorgungsvertrages eine gesetzliche Verpflichtung, den Allgemeinen Tarif (Preis) gem. §§ 2 Abs. 1, 36 Abs. 1 EnWG durch öffentliche Bekanntgabe abzusenken, so wirkt sich ein Verstoß gegen diese gesetzliche Verpflichtung zu Lasten aller grundversorgten Kunden
gleichermaßen aus, unabhängig davon, wann der konkrete Grundversorgungsvertrag (konkludent) abgeschlossen wurde.