Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?

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RR-E-ft:
Der Theorienstreit stellt sich wohl wie folgt dar:

1.

Einige meinen, zum wirksamen Abschluss eines Grundversorgungsvertrag bedürfe es jedenfalls der Einigung auf den Anfangspreis, welche zugleich die Billigkeitskontrolle des vereinbarten Anfangspreises ausschließe. Ein vorsorglicher Widerspruch gegen die Allgemeinen Tarife vor oder bei Abschluss des Grundversorgungsvertrages hindere die zum wirksamen Abschluss eines Grundversorgungsvertrages erforderliche Einigung auf einen Preis. Ein Grundversorgungsvertrag könne deshalb dabei nicht wirksam zustande kommen (Dissens).

2.

Andere wiederum meinen, zum wirksamen Abschluss eines Grundversorgungsvertrages bedürfe es keiner Preisvereinbarung, wenn nur ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers besteht, gleichviel woraus sich dieses ergibt (Gesetz/ Vertrag). Dies folgern sie u.a. aus BGH KZR 36/04 Tz. 9 ff., BGH KZR 29/06 Tz. 20 (vgl. obige Beiträge). Die Parteien seien  sich demnach  bei Vertragsabschluss einig darüber, dass die Belieferung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen des Grundversorgers erfolgen soll, die der Grundversorger am Maßstab der Billigkeit nach Vertragsabschluss einseitig festzusetzen gleichermaßen berechtigt und verpflichtet sein soll und die deshalb der Billigkeitskontrolle unterliegen. Eine vertragliche Preisvereinbarung und  eine gleichzeitig bestehende Leistungsbestimmungspflicht am Maßstab der Billigkeit nach Vertragsabschluss passen nicht recht zueinander und lassen sich logisch wenig miteinander in Übereinklang bringen, insbesondere wenn die Anpassungspflicht an Tatsachen anknüpfen soll, die zeitlich vor Vertragsabschluss begründet liegen sollen.

Für einen wirksamen Vertragsabschluss bedarf es entweder einer Preisvereinbarung oder eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts eines Vertragsteils.
Ist das eine oder das andere im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben, gibt es keinen Dissens (BGH KZR 24/04, KZR 8/05).

Sowohl die Vertreter von Meinung 1. wie auch von Meinung 2. gehen davon aus, dass der Grundversorgungsvertrag gem. § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV allein durch Entnahme von Energie (durch einen Haushaltskunden) aus dem Netz zustande kommt. Sie messen nur den damit fingierten Erklärungen einen unterschiedlichen Gehalt bzw. Inhalt bei.

3.

Diejenigen, die meinen, der Abschluss eines Grundversorgungsvertrages scheitere bei einem Widerspruch gegen den Anfangspreis an der notwendigen Einigung auf einen Preis (siehe Punkt 1), sehen den Kunden hiernach in der zeitlich befristeten Ersatzversorgung (kein Vertrag, sondern gesetzliches Schuldverhältnis ), undzwar gerade nur weil infolge des Widerspruches keine Einigung auf den Anfangspreis erfolgt sei.

Folglich ist der Preis dabei nicht vertraglich vereinbart, sondern unterliegt wohl gem. §§ 3 Abs. 1 , 17 Abs. 1 Satz 3 GVV der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.  

Der Grundversorger legt die Preise der Ersatzversorgung einseitig fest. § 38 Abs. 1 Satz 3 EnWG bestimmt lediglich, dass für Haushaltskunden die Preise der Ersatzversorgung die Allgemeinen Preise der Grundversorgung  gem. § 36 Abs. 1 EnWG nicht übersteigen dürfen. Sie dürfen sie jedoch unterschreiten. In welcher Höhe der Grundversorger die Preise der Ersatzversorgung festsetzt, ist demnach dessen Ermessensentscheidung.

Bevor die gesetzliche Regelung über die Ersatzversorgung geschaffen wurde, behalf sich die Rechtsprechung bei einer fehlenden Einigung auf einen Preis bei Abschluss eines Energieliefervertrages bei bereits in Gang gesetzter Austauschbeziehung über eine ergänzende Vertragsauslegung, die zum einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers gem. §§ 316, 315 BGB und zur Gesamtpreiskontrolle gem. § 315 BGB führte, um eine Rückabwicklung der bestehenden Leistungsbeziehung allein nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu vermeiden, so z.B. bei BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90.

Es spricht nichts dagegen, Ersatzversorgungsfälle, die auf einem Preiswiderspruch beruhen sollen, ebenso zu behandeln, mithin Gesamtpreiskontrolle wegen fehlender vertraglicher Einigung auf einen vom Versorger einseitig festgesetzten Preis zu Beginn der Lieferbeziehung (also konkret zu Beginn der Ersatzversorgung).

Die Ersatzversorgung endet nach längstens drei Monaten.

4.

Wenn es zutreffen sollte, dass der Abschluss des Grundversorgungsvertrages im Falle eines vorsorglichen Widerspruches an der fehlenden Einigung auf einen Anfangspreis scheitere (siehe unter Punkt 1), dann gelte wohl das gleiche auch nach Ablauf der dreimonatigen Ersatzversorgung. Es muss deshalb wohl als ausgeschlossen angesehen werden, dass nach Ablauf der Ersatzversorgung, in die der betroffene Haushaltskunde  nur wegen fehlender Preisvereinbarung infolge eines Widerspruches geraten sein soll (siehe unter Punkt 3) , ohne Aufgabe des Widerspruches nach Ablauf der Ersatzversorgung dann plötzlich doch ein Grundversorgungsvertrag wirksam abgeschlossen werden könne, dann plötzlich eine wirksame Preisvereinbarung zustande käme, was noch drei Monate zuvor gerade nicht der Fall gewesen sein soll (siehe unter Punkt 1).


Es kann demnach durch Entnahme von Energie aus dem örtlichen Verteilnetz nach wirksamer Kündigung eines zuvor bestehenden Sondervertrages ohne Abschluss eines neuen Sondervertrages und bei vorsorglichem Widerspruch des Kunden gegen die Allgemeinen Tarife nur entweder

a) ein Grundversorgungsvertrag auch ohne Preisvereinbarung  wirksam zustande gekommen sein (vgl. unter Punkt 2)

b) kein Grundversorgungsvertrag wegen fehlender Einigung auf einen Preis wirksam zustande gekommen sein, was in die Ersatzversorgung führt (vgl. Punkte 1, 3 und 4) oder

c) ein Grundversorgungsvertrag mit Preisvereinbarung wirksam zustande gekommen sein, weil der Widerspruch als \"unbeachtlich\" verworfen wird.

Black:
Eine gute Zusammenfassung von RR-E-ft.

Es bleibt aus meiner Sicht zu ergänzen, dass eine Billigkeitskontrolle der Ersatzversorgung abgelehnt werden könnte, da § 315 BGB nur auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbar ist.

Ein Widerspruch gegen die Grundversorgung nach Ablauf der Ersatzversorgungsfrist dürfte unbeachtlich sein, wenn die Leistung weiterhin in Anspruch genommen wird. Dies ist vergleichbar, als wenn jemand in eine Bahn einsteigt und mitfährt und dabei laut verkündet, die Verkehrsbedingungen und Preise nicht zu akzeptieren. Auch hier nimmt die h.M. einen Zahlungsanspruch der Bahn aus dem Beförderungsvertrag an.

RR-E-ft:
Ein eindeutiger Widerspruch des Kunden gegen die Grundversorgung als solcher kann wohl nicht unbeachtlich sein.

Wenn der Kunde unzweifelhaft erklärt, dass er nach Ende der Ersatzversorgung keine Belieferung im Rahmen der Grundversorgung will, ist der Versorger wohl gehalten, für die Sperrung des Anschlusses zum Ende der Ersatzversorgung zu sorgen, wenn kein anderweitiger Vertragsabschluss nachgewiesen wird. Die weitere Leistung des Versorgers könnte sonst auf eine für den Versorger  ersichtliche Nichtschuld erfolgen, da der Kunde weder gesetzlich Anspruch auf weitere Ersatzversorgung hat, noch eine Grundversorgung auf vertraglicher Grundlage begehrt, eine solche sogar ausdrücklich ablehnt. Dies beinhaltet auch die Ablehnung, für die Leistungsbereitstellung verbrauchsunabhängige Grundpreise weiter zu zahlen.

Der Kunde könnte sich deshalb nach Ende der Ersatzversorgung ggf. auf § 814 BGB berufen.

Der Fall, wo der Kunde ausdrücklich keine Belieferung innerhalb der Grundversorgung will, ist ganz klar von dem Fall zu unterscheiden, wo der Kunde eine Grundversorgung begehrt, sich jedoch eine Billigkeitskontrolle der Allgemeinen Preise der Grundversorgung vorbehalten will, wodurch er einen bestehenden Anspruch auf Grundversorgung nicht verliert (§ 17 Abs. 1 Satz 3 GVV).

Der Versorger kann deshalb gehalten sein, den wahren Willen des Kunden durch entsprechende Nachfrage zu ergründen, um Missverständnisse zu vermeiden bzw. bestehende Missverständlichkeiten aufzuklären.

Wenn ein Zug der Bahn in den Bahnhof einfährt, Bahnchef Grube auf den Bahnsteig tritt und ein Bahnhofsbesucher diesen erkennt und an diesen mit der Erklärung  herantritt, ohne Bezahlung mit dem Zug mitfahren zu wollen und der Bahnchef dies nicht ablehnt, sondern nach dieser eindeutigen Erklärung sogar  den Zutritt in den Zug gewährt, um mitzureisen indem er dem Mann die Tür aufhält, liegt wohl kein entgeltlicher Beförderungsvertrag vor, unabhängig von der Frage, ob der Bahnchef sich etwaig zu Lasten seines Unternehmens einer Untreue schuldig gemacht hat.

reblaus:
@RR-E-ft
Sie übersehen dabei das widersprüchliche Verhalten des Kunden. Zum einen verkündet er zwar sein fehlendes Einverständnis mit dem festgelegten Preis, zum anderen entnimmt er aber Gas aus dem Netz. Letzteres ist wohl unstreitig ein Vertragsschluss. Die Gasentnahme kann nach meiner Ansicht dahingehend interpretiert werden, dass der zuvor gegen den Preis erhobene Widerspruch zurückgenommen wird.

bolli:

--- Zitat ---Original von reblaus
Sie übersehen dabei das widersprüchliche Verhalten des Kunden. Zum einen verkündet er zwar sein fehlendes Einverständnis mit dem festgelegten Preis, zum anderen entnimmt er aber Gas aus dem Netz. Die Gasentnahme kann nach meiner Ansicht dahingehend interpretiert werden, dass der zuvor gegen den Preis erhobene Widerspruch zurückgenommen wird.
--- Ende Zitat ---
Da sind wir mal wieder bei den stillschweigenden Willenserklärungen, die sich jeder schön so auslegen kann, wie er möchte.
Ich für meinen Teil bestreite diese Auslegung und halte meine Widersprüche permanent aufrecht, auch wenn ich \'gezwungenermaßen\' weiterhin Gas entnehme. Auf dem monopoliserten Markt bleibt mir (leider) nichts anderes übrig (und Black, kommen Sie mir bitte nicht wieder mit dem Energieträgerwechsel.) Ich möchte auch gar nichts geschenkt, ich möchte nur mein gesetzliches Recht auf einen angemessenen (billigen) Preis gewahrt sehen.

@Black
Für mich ist es durchaus ein Unterschied, ob ich von einem Gut der Daseinsvorsorge, welches ich (zumindest in Winterszeiten) zwingend zum Heizen benötige, etwas entnehme und verlange, dass dem Gesetzgeberwillen nach einer billigen Preisfestsetzung dieses Gutes in monopolisierten Märkten und bei einseitigem Preisbestimmungsrecht Rechnung getragen wird oder ob ich z.B. wider besseres Wissen mit der Bahn fahre, ohne zu bezahlen, statt zu Fuß zu gehen oder den Bus zu benutzen. Schließlich hat der Gesetzgeber für die Benutzung der Bahn und deren Vergütung meines Wissens kein Gesetz erlassen, welches jedermann ein Recht auf Benutzung der Bahn zu angemessenen Preisen ermöglicht, und noch einige Rahmenbedingungen des Bahnverkehrs (ohne Netz) gleich mit regelt, oder ?

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