Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?

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courage:
@ reblaus stellte die obige Eingangsfrage und er hat sie verneint;

Im Gegensatz zu @ reblaus verhält sich das LG Köln vom 01.04.2009, 90 O 90/08, Rz 38,39, wie folgt:


--- Zitat --- ... Von einer ungeachtet etwaiger Unbilligkeit verbindlichen vertraglichen Preisabrede geht der Bundesgerichtshof in seinen weiteren Erwägungen dieses Urteils bereits dann aus, wenn der Kunde einseitige Preisänderungen des Versorgers hingenommen und insbesondere die darauf basierenden Jahresabrechnungen nicht beanstandet hat. Maßgeblich ist
danach, dass der Kunde ungeachtet der Preiserhöhung und Abrechnung auf der Grundlage der erhöhten Preise vom Gasversorger weiterhin Gas bezogen hat, ohne in angemessener Zeit eine Billigkeitsüberprüfung zu fordern. Ob und ggfs. wie die Jahresabrechnungen bezahlt worden sind, ist unerheblich, da der Bundesgerichtshof entscheidend auf den Erklärungswert des weiteren Gasbezugs in Kenntnis (oder potentieller Kenntnis) der geänderten Preise abstellt. Hierin sieht das Gericht das Zustandekommen einer konkludenten Preisvereinbarung.

Diese Erwägungen gelten nach Auffassung der Kammer gleichermaßen für den Fall, dass die einseitig vom Versorgungsunternehmen vorgenommene Preisanpassung auf der Grundlage einer unwirksamen  Preisänderungsklausel vorgenommen wurde. Auch in dieser Konstellation liegt in der Mitteilung der Änderung, spätestens durch Abrechnung auf der Grundlage der geänderten Preise, ein auf entsprechende Preisanpassung gerichtetes Verlangen des Versorgers, auf welches sich der Kunde durch unbeanstandeten Weiterbezug des Gases einlässt. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs sind unabhängig vom \"Aufhänger\" der potentiellen Beanstandung übertragbar.
--- Ende Zitat ---

Wer hat denn nun Recht?

RR-E-ft:
Anders als das LG Köln u.a. sehen es - meines Erachtens zutreffend -  u.a. LG Gera, Urt. v. 07.11.08, OLG Hamm, Urt. v. 29.05.09 und LG Mannheim, Urt. v. 20.08.09.
Für letztgenannte Auffassung spricht m. E. BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 199/04.

Man sieht, dass die Gerichte in dieser Frage bisher Gegensätzliches für Recht erkennen.

reblaus:
@Courage
Der BGH hat in drei Entscheidungen zum Sockelpreis insgesamt viermal darauf hingewiesen, dass der zuvor einseitig erhöhte Preis zum Vertragspreis wird.

Bei einem Sondervertrag mit unwirksamer Preisanpassungsklausel gibt es aber keinen zuvor einseitig erhöhten Preis. Das LG Köln hält diesen vierfachen Hinweis des BGH für unwesentliches Geschwätz, und meint der BGH habe den Sockelpreis allein auf § 2 Abs. 2 GasGVV gestützt. Auf den Aufhänger des zuvor einseitig erhöhten Preises käme es nicht an, und wenn der BGH dies noch so oft wiederhole.

Den Entscheidungen des BGH lagen Grundversorgungsverhältnisse zugrunde. Die GasGVV regelt nur Grundversorgungsverhältnisse. Welche Folgen eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 2 GasGVV auf Sonderverträge hat, hat uns das LG Köln nicht mitgeteilt. Wird aus dem vormaligen Sondervertrag ein Grundversorgungsvertrag? Beinhaltet die Vereinbarung eines abstrakten von vertraglichen Vereinbarungen losgelösten Preises nicht zwingend den Verzicht auf die weitere Anwendung des (vermeintlich) vorhandenen einseitigen Preisbestimmungsrechtes? Wenn dies so vereinbart wurde, warum greift der Versorger später wieder auf die Preiserhöhungsklausel zurück. Woher nimmt das Gericht die Gewissheit, dass der Kunde überhaupt einen Vertragswillen hatte, und nicht einfach nur seinen vorhandenen Vertrag erfüllen wollte?

Diese Rechtsauffassung wirft nur Fragen auf, und gibt keien Antworten.

bolli:
Gibt es Erkenntnisse darüber, ob und wann eines der OLG-Urteile, die sich bisher mit dieser Thematik befasst haben (ich meine es wären Frankfurt, Dresden und Hamm) als Revision vor dem BGH zur Entscheidung ansteht ?

Black:

--- Zitat ---OLG Frankfurt 13.10.2009, 11 U 28/09 (Kart)
Es ist nicht einzusehen, weshalb eine im Tarifkundenverhältnis veröffentlichte Preiserhöhung Gegenstand einer konkludenten Vereinbarung mit dem Letztverbraucher sein kann, die ohne (wirksame) vertragliche Befugnis erklärte Preiserhöhung im Sonderkundenvertrag dagegen nicht. Zwar kann es fraglich sein, ob das Versorgungsunternehmen mit einer mitgeteilten Preiserhöhung überhaupt eine auf einen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgeben will. Aus der maßgeblichen Sicht des Kunden macht der Versorger vielmehr von einem (wirklichen oder nur vermeintlichen) einseitigen Recht zur Preisbestimmung Gebrauch, zu der es keiner vertraglichen Einigung
mit dem Kunden bedarf. Im Falle eines Sonderkundenvertrages kann sich das einseitige Preisbestimmungsrecht – wie vorliegend – aus einer Bezugnahme in allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die §§ 4 AVBGasV, 5 GasGVV oder aus einer besonders vereinbarten anderen Preisanpassungsbefugnis ergeben. Der Fall des Sonderkundenvertrages liegt insoweit jedoch nicht anders als derjenige eines Tarifkundenvertrages. Dort gibt das Versorgungsunternehmen die Preisänderung öffentlich bekannt, ohne dabei ein Angebot zum Abschluss einer Vereinbarung abgeben zu wollen. Gleichwohl sind die beanstandungslose Hinnahme der auf erhöhten Tarifen basierenden
Jahresrechnung sowie der Weiterbezug von Gas ohne Überprüfung der Billigkeit in angemessener Zeit als Zustimmung des Tarifkunden und als vertragliche Einigung über den geänderten Preis zu werten
--- Ende Zitat ---

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