Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?

(1/8) > >>

reblaus:
Ich habe zu diesem Thema einen neuen Thread eröffnet.

@Black
Soweit in einem Sondervertrag wirksam vereinbart wurde, dass die Preise einseitig nach billigem Ermessen angepasst werden können, muss der Sockelpreis auch auf solche Verträge angewendet werden. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein gesetzliches oder vertragliches Preisanpassungsrecht vorliegt.

Ich stelle die Übertragbarkeit des Sockelpreises nur bei Sonderverträgen mit unwirksamer Preisanpassungsklauseln in Frage.

Ob den Versorgern die praktische Durchführung einer billigen Preisfestsetzung bereits hinreichend bekannt ist, und die Preisfestsetzungen daher auch der Billigkeit entsprechen, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Allein das Risiko eines Kalkulationsfehlers wird der Versorger auch in Zukunft nicht ausschließen können. Beim Kunden wird in jedem Fall immer eine subjektive Ungewissheit darüber vorhanden sein, ob der Versorger das auch alles richtig berechnet hat.

Ob in Zukunft keine subjektive Ungewissheit über die Wirksamkeit bereits vereinbarter Preisänderungsklauseln bestehen wird, bezweifle ich ebenfalls. In vielen Fällen dürften sich Versorger und Verbraucher an den Wortlaut von vor Jahren abgeschlossenen Verträgen gar nicht mehr erinnern, so dass allein deshalb eine Unkenntnis vorliegen dürfte. Alte Verträge schlummern doch irgendwo in Aktenordnern und werden gar nicht mehr hervorgeholt.

Selbst wenn über eine Preisänderungsklausel Klarheit herrscht, ist das Ergebnis entweder sie ist wirksam, dann ist der Sockepreis anwendbar. Lautet das Ergebnis aber, dass sie unwirksam ist, würde der Versorger seinen Preis einseitig mit dem Wissen anpassen, dass er dazu gar nicht berechtigt ist. Daraus kann kein Angebot zu einer Vertragsänderung entstehen.

RR-E-ft:
Preissockel ist bei Sonderverträgen der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis, der nur dann nachträglich einseitig abänderbar ist, wenn eine wirksame Preisänderungsklausel wirksam einbezogen wurde (BGH KZR 2/07,  VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07).

Kein Preissockel besteht hingegen, wenn bei Vertragsabschluss anstatt eines Preises vereinbart wurde, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen soll, was zur unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt.

Ob die Parteien sich bei Vertragsabschluss nun auf einen feststehenden  Preis oder aber auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht geeinigt haben, ist immer eine Auslegungsfrage (BGH KZR 36/04, KZR 24/04).

Eine wirksame Preisänderungsklausel setzt schon eine Verpflichtung zur Weitergabe nach Vertragsabschluss gesunkener Kosten voraus [BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08]. Bei nachträglich rückläufigen Kosten kann also eine vertragliche Verpflichtung bestehen, die Entgelthöhe unter die bei Vertragsabschluss vereinbarte Entgelthöhe abzusenken und zugunsten des Kunden anzupassen, ohne dass dem ein \"Preissockel\" im Wege stehen könnte. Dieser wäre unter den genannten Voraussetzungen aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtung teilweise abzutragen.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Frage wird sein, ob der BGH von den Grundsätzen der Entscheidung VIII ZR 199/04 bei unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen abweicht.

Darin hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass die Erhöhung in Ausübung eines (vermeintlich) bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrecht kein Angbot auf vertagliche Neuvereinbarung eines Entgelts ist, auch vorbehaltslose Überzahlungen deshalb aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB zurückverlangt werden können.

Bei Preisanpassungsklauseln, die der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten, stellt sich die Frage nach der Rückforderung wegen der Unwirksamkeit der Klausel und der Rechtsgrundlosigkeit der Erhöhung  nicht. Da sind dann ggf. andere Fragen zu stellen, etwa wie bei OLG Düsseldorf.
--- Ende Zitat ---

Black:
@ reblaus

Der Begriff des Sockelpreises ist etwas missverständlich, denn selbstverständlich gibt es gerade in Sonderverträgen einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis, der (zunächst) den Preissockel bildet.

Die Frage ist daher nicht ob der Gedanke des Sockelpreises auf Sonderverträge übertragbar ist, sondern ob in der unwidersprochenen Hinnahme von Preisanpassungen eine Veränderung dieses Sockels zu erkennen ist.

Im Übrigen ist mir unklar, warum Sie bei der relativ simpleren Frage der Billigkeit, bei der der Versorger nur Bezugskostensteigerungen direkt weitergeben darf eine latente Unsicherheit unterstellen die zur Neuvereinbarung führen kann und bei der juristisch schwierigeren Frage, ob eine Klausel AGB-rechtlich wirksam ist und die auch von Gerichten in verschiedenen Instanzen teilweise unterschiedlich gewertet wird, davon ausgehen, bei Unwirksamkeit des Preisanpassungsrechts sei dies dem Versorger die ganze Zeit bekannt gewesen.

Abwegig auch die annahme es herrsche bereits deshalb rechtliche Unsicherheit , weil der Kunde seinen Vertragsinhalt nicht aus dem Kopf hersagen könne und der Vertragstext in irgendeiner Schublade ruht.

RR-E-ft:
Ein Berliner Versorger hat die bestehende Rückzahlungspflicht im Falle unwirksamer Klauseln frühzeitig erkannt und aus Gründen kaufmännischer Vorsicht wohl Rückstellungen gebildet. Wenn keine entsprechenden Rückstellungen gebildet wurden, kann dies nicht zu Lasten der Kunden gehen. Der Berliner Versorger hatte übder Veranstaltungen des Branchenverbandes Gelegenheit, auch viele andere Versorger über die Konsequenzen unwirksamer Klauseln zu informieren.  

Ich meine auch, es macht keinen Unterschied, ob nun tatsächlich oder nur vermeintlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Vertragsverhältnis  besteht. Bei der (wenn auch nur vermeintlichen) Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts fehlt es immer schon an einem auf Annahme gerichteten Angebot zur Entgeltneuvereinbarung, so dass schon mangels eines solchen Angebots eine konkludente Annahme und in deren Folge eine Neuvereinbarung ausscheidet. Die Wirksamkeit eines einseitig bestimmten Entgelts richtet sich - bei wirksamen einseitigen  Leistungsbestimmungsrecht - ausschließlich nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB und nicht etwa nach §§ 145 ff. BGB. (Eine unwiderrufliche Willenserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB ist kein Antrag gem. § 145 BGB).


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Frage wird sein, ob der BGH von den Grundsätzen der Entscheidung VIII ZR 199/04 bei unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen abweicht.

Darin hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass die Erhöhung in Ausübung eines (vermeintlich) bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrecht kein Angbot auf vertagliche Neuvereinbarung eines Entgelts ist, auch vorbehaltslose Überzahlungen deshalb aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB zurückverlangt werden können.
--- Ende Zitat ---

In der Grundversorgung stellt der BGH für die fingierte Neuvereinbarung (die von mir aus v. g. Gründen angezweifelt wird)  entscheidend auf § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV ab (\"Nicht anders kann es liegen...\"), der jedoch bei Sonderverträgen gerade nicht gilt. Es gibt grundsätzlich keinen konkludenten Abschluss eines Sondervertrages. Schweigen gilt im nichtkaufmännischen Verkehr auch nicht als Annahme. Nunmehr führt der Senat selbst aus, dass bei rückläufigen Kosten gerade auch in der Grundversorgung eine Verpflichtung zur nachträglichen Preisabsenkung besteht, die durch keine Vereinbarung suspendiert werden kann, zumal wenn der Kunde die maßgebliche zwischenzeitliche Kostenentwicklung des Versorgers selbst gar nicht kennt.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
 Es gibt grundsätzlich keinen konkludenten Abschluss eines Sondervertrages. Schweigen gilt im nichtkaufmännischen Verkehr auch nicht als Annahme.
--- Ende Zitat ---

Vertreten Sie nicht an anderer Stelle die kühne These, dass auch der Kunde, der ohne Abschluss eines ausdrücklichen Sondervertrages einseitig zu Sondertarifen oder per Bestabrechnung beliefert wird als Sonderkunde anzusehen sei?

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln