Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
BGH-Urteile v. 15. 7. 09
nomos:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@nomos
Als Sondervertragspreis kann grundsätzlich auch ein \"Mondpreis\" angeboten werden. Wer sich mit einem Lieferanten (freiwillig) auf einen solchen einigt, kann diesen (mit Armani Gas deluxe) vereinbarten Preis nicht als unbillig rügen. ...
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft, ist ja gut, ich werde mich mit keinem Lieferanten auf einen Sondervertrag mit \"Mondpreisen\" einigen und habe daher auch keinen Grund und auch nicht die Absicht einen solchen zu rügen. Zwingen lassen werde ich mich dazu auch nicht.
Die §§ 1 und 2 EnWG sind dann für Versorger die nur Sonderverträge anbieten Makulatur.
RR-E-ft:
@nomos
--- Zitat ---§ 2 Abs. 1 EnWG:
Energieversorgungsunternehmen sind ihm Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Sinne des § 1 EnWG verpflichtet.
--- Ende Zitat ---
Armani Gas ist als reiner Energielieferant wohl schon überhaupt nicht gesetzlich zu einer Versorgung verpflichtet.
Im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet sind vor allem Grundversorger und Netzbetreiber.
§ 41 EnWG mag einen Sonderfall darstellen. Es ist indes nichts dafür ersichtlich, welche Sanktionen bei einem Verstoß gegen § 41 EnWG überhaupt bestehen sollen. Armani Gas hat § 40 EnWG zu beachten.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen:
Das gilt für alle Sonderverträge, unabhängig davon, ob der Lieferant sonst auch Grundversorger ist.
Denn es handelt sich um eine Betätigung außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht, wo der Grundsatz der Vertragsfreiheit herrscht (der seinerseits durch zu beachtende kartellrechtliche Grundsätze bei regional marktbeherrschenden Unternehmen eingeschränkt sein kann).
Ein bayerisches Stadtwerk mag in seinem Grundversorgungsgebiet auch bei Sonderverträgen als regional marktbeherrschendes Unternehmen durch kartellrechtliche Bestimmungen in der Vertragsfreiheit eingeschränkt sein. Bietet dieses bayerische Stadtwerk indes Strom oder Gas in Hamburg an, dann ist die Tätigkeit auf dem dortigen Markt wegen fehlender marktbeherrschender Stellung nicht durch kartellrechtliche Bestimmungen eingeschränkt, so dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit uneingeschränkt gilt.
Zu welchen Bedingungen und Preisen das bayerische Stadtwerk nun Strom und Gas in Hamburg wem anbieten möchte, steht ihm deshalb grundsätzlich vollkommen frei. Es kann sich auch wieder vollkommen aus Hamburg zurückziehen.
Vereinbart das bayerische Stadtwerk nun mit einem einzelnen Kunden in Hamburg, dass es nach Vertragsabschluss den zu zahlenden Preis für die Energielieferungen einseitig bestimmen soll, dann ist dieser vertragliche Energiepreis deshalb durch den Hambúrger Kunden von Anfang an gem. § 315 BGB gerichtlich kontrollierbar, undzwar nur deshalb weil der Lieferant sein Sondervertragsangebot entsprechend gestaltet hat.
Wird dabei bei Abschluss eines Sondervertrages hingegen ein Preis vereinbart und daneben die Verpflichtung des Lieferanten nach Vertragsabschluss das Äquivalenzverhältnis entsprechend seiner eigenen Kostenentwicklung zu wahren, dann kann der Hamburger Kunde bei rückläufigen Kosten nach Vertragsabschluss eine Preisabsenkung gerichtlich durchsetzen, undzwar auch wieder nur deshalb, weil der Lieferant eine entsprechende Vertragsgestaltung angeboten hatte.
Dafür ist es vollkommen egal, ob der vereinbarte Preis für Hamburger Verhältnisse nun vergleichsweise hoch oder vergleichsweise niedrig war. Ein Kostenrückgang beim Lieferanten nach Vertragsabschluss ist kraft vertraglicher Verpflichtung durch eine Preisabsenkung an den Kunden weiterzugeben.
Hat der Lieferant etwa ein Kostensenkungsprogramm in seinem Haus aufgelegt, dann muss er den entsprechenden Kunden durch Preissenkungen an dessen Erfolg beteiligen undzwar nur deshalb, weil er eine entsprechende Vertragsgestaltung angeboten hat.
Bei solchen Vertragsgestaltungen kann niemals auf die Marktentwicklung abgestellt werden, sondern es kommt immer auf die konkrete Kostenentwicklung beim Lieferanten an, mithin ggf. gerichtliche Kostenkontrolle. Alles selbstverständlich vollkommen freiwillig, weil der Lieferant es ja so für sich gewählt hatte.
Wohl auch von Black aktuell so empfohlen. Ronny findet es wohl auch gut.
E.ON- Kunden, die von Kostensenkungsprogrammen bei E.ON in der Zeitung lesen wohl auch.
nomos:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Armani Gas ist als reiner Energielieferant wohl schon überhaupt nicht gesetzlich zu einer Versorgung verpflichtet.
--- Ende Zitat ---
Ihr Armani Gas ist doch auch als reiner Energielieferant ein Energieunternehmen nach dem EnWG und so im Sinne des § 1 verpflichtet. Erst wer Gas liefert ist da wohl auch ein Lieferant. So eindeutig sind halt Gesetze gestrickt.
Da könnte eine ordentliche Verordnung doch mindestens für den Bereich der Haushaltskunden mehr Klarheit schaffen. Daran fehlt es halt.
Immerhin gibt es noch den Lichtblick Europa für die Verbraucher und da wird vorgegeben, dass die Mitgliedstaaten wenigstens dafür Sorge zu tragen haben, dass mindestens die Haushaltskunden über eine Grundversorgung verfügen müssen und denen das Recht auf eine Versorgung mit angemessenen, leicht und eindeutig vergleichbaren und transparenten Preisen einzuräumen ist.
Wenn ich mir die Richtlinien insgesamt durchsehe, dann bin ich ziemlich sicher, dass Mondpreise bei Haushaltskunden außerhalb dieser Grundversorgung mit Europarecht nicht zu vereinbaren sind. Verantwortlich für die Umsetzung sind die Mitgliedsstaaten und da hat Deutschland offensichtlich noch viel zu tun.
RR-E-ft:
@nomos
Grundversorgung für Haushaltskunden haben wir doch, aber eben nicht von Armani Gas.
Bei Armani Gas wird bisher noch jeder Neukunde mit einer Flasche Champus, einem Reisegutschein über 2.000 €sowie einem Stehempfang der Geschäftsführung begrüßt, werden jeden Monat unter allen Kunden luxuriöse Gewinne verlost. Dort wird man nur Kunde, wenn man über die besondere Kreditkarte verfügt und damit vor staunendem Publikum zeigen möchte, dass man im Monat für 10.000 € Gas verbrennt und durch den Abzug jagt, den Swimmingpool im Park hinterm Haus ganzjährig mit Gas beheizt. Man muss auch mal jönne könne. Es möchte schließlich auch nicht jeder beim Discounter einkaufen oder Kleider von der Stange tragen oder gar nicht maßangefertigte Schuhe anziehen. Die Bedürfnisse der Menschen sind nun einmal verschieden. Bevor man bei Armani Gas Energie für Krethi und Plethi billig anbieten muss, stellt man das Geschäft wohl lieber ein. Billige Energie ist bei deren Kunden nämlich verpönt.
Nicht Ihr Ding? Unproblematisch. Sie müssen dort nicht Kunde werden.
Die durch Art. 2 GG geschützte Vertragsfreiheit ist ein hohes Gut.
Grundsätzlich ist niemand verpflichtet, mit einem anderen Verträge einzugehen (negative Vertragsfreiheit), es sei denn es besteht ein Kontrahierungszwang. Das sieht man in Europa in Bezug auf die Grundrechte wohl hoffentlich einheitlich. Sonst droht uns möglicherweise auch die Zwangsehe (nicht uns beiden persönlich miteinander).
Wo keine gesetzliche Versorgungspflicht besteht, besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit, die im Übrigen wohl auch Voraussetzung für jeden Wettbewerb ist. Wenn jeder Lieferant jeden Kunden zum Einheizpreis beliefern muss, gibt es keinen Wettbewerb.
Und wie es sich diesbezüglich bei Sonderverträgen verhält, habe ich versucht darzustellen. Der Lieferant ist grundsätzlich frei, ob er überhaupt etwas auf dem Markt anbietet und zu welchen Konditionen er es auf dem Markt anbietet, so wie das bayerische Stadtwerk mit seinem Energie- Angebot in Hamburg. Wenn nun in Sonderverträgen ein Preis vertraglich vereinbart ist, dann gilt dieser Preis kraft Vereinbarung und die Einigung über den Preis bildet die Richtigkeitsgewähr.
Kein Richter wüsste einen für beide Vertragspartner passenderen (gerechteren) Preis zu bestimmen, als die Vertragspartner selbst.
Sonst hätte der Kunde in Hamburg für seine leitungsgebundenen Energielieferungen mit dem bayerischen Stadtwerk den Vertrag schon nicht abgeschlossen und den Preis nicht vereinbart, umgekehrt genauso. Der Vertrag wurde nur deshalb abgeschlossen, weil beide Vertrgspartner ihn wollten undzwar so wollten und nicht anders, sonst wären sie sich nicht gerade darin einig geworden.
An diesem zunächst im Rahmen der Vertragsfreiheit vereinbarten Preis gibt es deshalb - zurecht - nichts zu rütteln. Manche nennen das den Preissockel. (Merke: Grundversorgung ist ausdrücklich keine Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit.)
Die Bestimmung eines \"gerechten Preises\" (z.B. \"fairer Gaspreis\") sieht die Justiz deshalb grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe an und fühlt sich mit einer entprechenden Aufgabe auch überfordert, zumal die maßgeblichen Umstände auch kurzfristigen Veränderungen unterworfen sind.
Wir haben eine Vorstellung davon, dass bei vollkommenen Wettbewerb (einem Ideal) sich der Preis bei den Grenzkosten einstellt, ohne wirksamen Wettbewerb die Preise erheblich höher liegen weil sie eine Monopolrente enthalten und empfinden es zudem als ausgesprochen ungerecht, dass durch geringen Wettbewerb ermöglichte überhöhte Preise zu überhöhten Gewinnen führen, die insbesondere bei kommunal beherrschten Unternehmen bisher ordnungspolitisch bedenklich dazu verwendet werden, defizitäre Bereiche quer zu subventionieren.
Die Entscheidungen des BGH besagen im Kern, dass es ein Recht zu einseitigen Preisänderungen sowieso jedenfalls begrenzt auf den Umfang nachträglich gestiegener Kosten nur um den Preis der Verpflichtung zur Preisanpassung zugunsten der Kunden bei rückläufigen Kosten nach gleichen Maßstäben geben kann und dass in einem solchen Fall die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle für den Kunden darüber besteht, ob dem vom Lieferanten im konkreten Vertragsverhältnis tatsächlich auch Rechnung getragen wurde.
Insoweit tragen sie weiter.
Interessant wird es deshalb erst, wenn der Lieferant sich vertraglich verpflichtet, nach Vertragsabschluss das durch diese Preisvereinbarung gebildete Äquivalenzverhältnis auch durch die Weitergabe nach Vertragsabschluss eingetretener Kostenreduzierungen zu wahren.
Es geht dann nicht um den Schutz vor überhöhten Preisen (denn der zunächst vereinbarte Preis trägt die Richtigkeitsgewähr in sich selbst), sondern nur um die Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung zur Wahrung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses, das auf der getroffenen Preisvereinbarung beruht.
Der Kunde kann wohl im Wege der Stufenklage Auskunft über die sachlichen und zeitlichen Maßstäbe von Preisanpassungen und die Kostenentwicklung sowie eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Angaben und ggf. entsprechend des Ergebnisses dieser Auskunft eine Anpassung des Preises zu seinen Gunsten verlangen, im Zweifel schon kurze Zeit nach Vertragsabschluss, wenn zu den Anpassungszeitpunkten keine besonderen vertraglichen Abreden bestehen.
Da es sich bei der vertraglichen Anpassungspflicht um eine Vertragspflicht des Lieferanten handelt, wird der Kunde wohl auch noch nachträglich Schadensersatz beanspruchen können, wenn sich eine Verletzung dieser Vertragspflicht des Lieferanten nachweisen lässt (möglicherweise auch im Rahmen einer Stufenklage, nämlich Auskunft über die Kostenentwicklung, eidesstattliche Versicherung des Finanzvorstands, und in der nächsten Stufe Zahlung eines entsprechenden Schadensersatzes).
Da es sich um die Vertragspflicht handelt, das Äquivalenzverhältnis anhand der eigenen Kostenentwicklung nach Vertragsabschluss zu wahren, wäre es wohl auch rechtsmissbräuchlich sich gegen das Auskunftsverlangen auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu berufen.
Das geht dann gerade nicht. Wer eine vertragliche Verpflichtung eingeht muss deren Erfüllungskontrolle auch zulassen und ermöglichen.
Der E.ON- Konzern schließt gerade tausendfach Verträge ab, die eine solche vertragliche Verpflichtung enthalten. Andere Versorger behaupten, eine solche Verpflichtung bestehe schon länger gegenüber den Kunden allein durch die verwendeten Preisänderungsklauseln, die gerade nur wegen dieser bestehenden vertraglichen Verpflichtung wirksam sind.
Für die Grundversorgung hat der BGH eine enstprechende Verpflichtung gerade auch wiederholt bestätigt, worauf auch versorgerseits verwiesen wird.
Gewinne der Energieversorger (nachzulesen in den Geschäftsberichten) steigen ja insbesondere wohl auch deshalb, weil man Kostensenkungen bisher nicht entprechend an die Kunden weitergibt.
RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall haben milliardenschwere Kostensenkungsprogramme aufgelegt, für deren erfolgreiche Umsetzung sich die Kunden mit entsprechenden Verträgen wohl nun interessieren müssten. Wer sich an den steigenden Gewinnen aufgrund nicht (vollständig) weitergegebener Kostensenkungen stört, dem wird wohl etwas in die Hand gelegt. Perform to win für die Kunden.
Fraglich, wie die Aktionäre wohl darauf reagieren werden.
Der Clou scheint mir zu sein, dass das alles auf freiwilliger Basis erfolgt.
Wo sich E.ON Hanse noch 2005 zierte, dann wegen der fehlenden Wechselmöglichkeit der Kunden seine Kalkulation doch noch irgendwie offen legen wollte (§ 315 BGB als \"Auslaufmodell\" angeblich in der Endphase wegen der bald bestehenden Möglichkeit des Lieferantenwechsels, E WIE EINFACH als Wettbewerbsplacebo), verpflichten sich jetzt alle E.ON Vetriebsgesellschaften (bis auf ETE) und viele andere Versorger freiwillig vertraglich gegenüber ihren Kunden, Kostensenkungen durch Preisanpassungen weiterzugeben und ermöglichen den Kunden erst dadurch die gerichtliche Kostenkontrolle. Selbst der BDEW lobt die Rechtssicherheit.
Wie gesagt, Black empfiehlt es wohl. Und Ronny findet es wohl auch gut.
nomos:
RR-E-ft, ich habe doch nicht geschrieben, dass ich Ihren tollen Beispielsgaslieferanten \"Armani Gas\" als Grundversorger sehe.
Sicher gibt es für dieses \"Energiesuperexclusivangebot\" auch den einen oder anderen Kunden. Den typischen Haushaltskunden wird man dort nicht finden. Wer sich Schuhe das Stück für 2000 EURO leisten will und kann, bitte. Ich kann gerne Bezugsquellen nennen. Porsche ist vor Ort, da gibt es nicht nur Sportwagen, sondern auch die passenden Accessoires.
Darum geht es doch nicht. Die Vertragsfreiheit ist nicht grenzenlos. Schranken befinden sich aus gutem Grund sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht. Es geht dabei um Schutz, dabei oft um den Schutz und die Wahrung der Interessen der Leistungsempfänger auf der schwächeren Seite. Man findet sie z.B. in der Versicherungs- und Kreditwirtschaft. Im EnWG ist § 6 ein Beispiel dafür. Im BGB finden sich z.B. die §§ 134 und 138; 307 ff , 315 kann man auch dazuzählen.
Im GWB findet sich § 26 Abs. 2 .......
Die Energieversorgung ist nicht mit dem Verkauf von Würstchen an der Imbissbude zu vergleichen.
Es geht auch nicht um Mondpreise, sondern um unfaire Bedingungen, dazu gehören auch unfaire Preise. Der Staat hat die Pflicht den schwächeren Bürger als Verbraucher von Haushaltsenergie zu schützen. Es geht nicht um den Schutz der Großindustrie die Energieversorgungsverträge grenzenlos frei und global abschliessen.
Nochmal, alleine dieses Forum zeigt auf, dass es hier in Deutschland erhebliche Defizite gibt. Was spricht gegen eine klare einheitliche Verordnung für die Bedingungen der Versorgung von Haushaltskunden mit Energie, die sich ausdrücklich nicht nur auf die Grundversorgung beschränkt? Wettbewerb wird damit nicht verhindert, im Gegenteil. Klare Bedingungen fördern ihn.
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