Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
BGH-Urteile v. 15. 7. 09
Kampfzwerg:
--- Zitat ---Zitat:
BGH Urt. 29.04.2008, Az. KZR 2/07
b) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel schließlich auch nicht entgegen, dass sie dem gesetzlichen Leitbild des (bis zum 7. November 2006 geltenden) § 4 Abs. 1 und 2 AVB-GasV entspräche.
Allerdings kann den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ebenso wie den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden, obwohl sie für Sonderverträge nicht gelten, \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" zukommen (BGHZ 138, 118, 126 ff.). Indessen ist eine solche Funktion den Vorschriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden nicht pauschal beizumessen, sondern jeweils für die einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen. Damit wird auch dem Umstand angemessen Rechnung getragen, dass nach § 310 Abs. 2 BGB zwar die §§ 308, 309 keine Anwendung auf Verträge über die Versorgung von Sonderabnehmern mit Gas finden, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden abweichen, die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB jedoch nicht ausgeschlossen ist.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---Original von reblaus
Nein, hat er nicht. Er hat dies lediglich in Bezug auf die dort streitige Klausel getan. Grundsätzlich hat er die Leitbildfunktion anerkannt.
--- Ende Zitat ---
KANN…zukommen.
M.E. hat er die Leitbildfunktion nur eingeschränkt unter bestimmten Umständen, ausschliesslich für Tarifkundenverträge – und vorbehaltlich der Prüfung jeder einzelnen Bestimmung – anerkannt.
Das hört sich für mich nicht nach „grundsätzlicher Anerkennung“ an.
Und für Sonderverträge gelten weder die alten gesetzlichen AVBGas noch die neuen GasGVV.
Grundsätzlich ging es in diesem Urteil um die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel.
Fakt: Diese war unwirksam.
Aber eine Leitbild- Diskussion gibt es doch ebenfalls schon in einem anderen Thread.
Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
--- Zitat ---Original von reblaus
Es geht nicht um die unveränderte Übernahme des § 5 GasGVV, sondern um die Übernahme aller Rechte und Pflichten aus der Grundversorgung, die Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben.
--- Ende Zitat ---
Nicht? Nach meiner Meinung geht es genau darum. Im Urteil steht wörtlich „unverändert übernimmt“. Allerdings den alten § 4 AVBGas.
Und schon kann man zuzüglich zu anderen - ohnehin schon sehr umfassenden Sachfragen - darüber streiten, ob denn dann wohl auch der entsprechend neue § 5 GasGVV gemeint sein könnte.
Kein Wunder, dass viele die Lust verlieren mitzudiskutieren, wenn von einer theoretischen Frage nahtlos zur nächsten theoretischen Frage übergegangen wird, und auch noch das ganze Juristendeutsch ;-)
Man fragt sich, bei allem Interesse, doch auch manchmal, worin denn für Otto-Normal-Verbraucher-und-Forumsteilnehmer der PRAKTISCHE MEHRWERT besteht sollte.
--- Zitat ---Original von reblaus
@Kampfzwerg
Ich habe Sie stets so verstanden, dass Sie die Existenz des gesetzlichen Preisanpassungsrechtes in der Grundversorgung bestreiten.
Wenn Sie aber nur die Existenz eines gesetzlichen Preisanpassungsrechtes für Sonderverträge bestritten haben (So verstehe ich Sie jetzt), hieße das ja, dass Sie sich zur Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechtes der Grundversorgung in Sonderverträge per Vertrag gar nicht geäußert hätten.
Wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, haben Sie lediglich eine kleine rechtstechnische Anmerkung gemacht.
--- Ende Zitat ---
Ich weiss nicht, ob ich „eine kleine rechtstechnische Anmerkung“ gemacht habe – aber ich weiss jetzt, dass Sie mich ursprünglich völlig missverstanden hatten.
Das mag einiges erklären. Ich, an Ihrer Stelle, hätte mich in diesem [Edit:ersten!] Fall des Bestreitens für einen völligen Deppen gehalten.
Vielleicht verstehen wir uns ja jetzt (offensichtlich ;) ) und auch in Zukunft besser.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von Opa Ete
@RR-FT
na das klingt doch schon ganz anders, ich dachte sie wollten behaupten,
dass die EVUs ihre eigenen Preise auf Billigkeit geprüft haben, das Ergebnis hätten wir gewusst.
--- Ende Zitat ---
Eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB meint immer eine gerichtliche Billigkeitskontrolle. Und ein Gerichtsverfahren kommt nur in Gang, wenn sich ein Kläger findet, der einen entsprechenden Antrag stellt, über den ein Gericht nur dann zu entscheiden hat und entscheiden kann. (\"Wo kein Kläger, da kein Richter\").
nomos:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Es besteht auch die Möglichkeit, einen Sondervertrag abzuschließen, ohne sich dabei auf einen Preis zu einigen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man statt dessen vereinbart, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen soll. Dann findet auf einen solchen Vertrag die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 1 und 3 BGB von Anfang an unmittelbare Anwendung. Dass die Leistung nach Vertragsabschluss vom Lieferanten bestimmt werden soll, muss dabei aber ausdrücklich vereinbart werden und der Lieferant muss also wie der Kunde zu einer solchen Vereinbarung bereit sein, so dass man sich darauf bei Vertragsabschluss einigen kann. Das findet sich seltener.
--- Ende Zitat ---
Ja klar, so ist das laut BGH, Gesetz hin oder her. Der grundversorgte Kunde hat beim Aufdrehen seiner Gasheizung per Fiktion sich schon auf den ersten Preis mit dem Versorger geeinigt. Beim Normsondervertrag muss er das ausdrücklich tun und ....
.. die E-wie-einfach-Variante kommt noch dazu. Man nimmt den \"billigen Preis\" des örtlichen Grundversorgers als Referenz .. usw..
Man gewinnt in der Diskussion aktuell wohl keine weiteren Erkenntnisse. Kommt Zeit kommt Rat. Mal sehen, wie diese neuen von den Versorgern vermutlich bald angebotenen Normsonderkundenverträge aussehen werden und wie lange sie ohne Streit bestehen.
Kampfzwerg:
--- Zitat --- Original von Ronny
Ist es aus Ihrer Sicht denn immer noch streitig, woraus sich das gesetzliche Preisanpassungsrecht ableitet, wenn Sie diese Passage des BGH-Urteils gelesen haben?
Zitat: (Randnummer 18 BGH VIII ZR 56/0 :\"Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht weiter zu Recht angenommen, dass § 5 Abs. 2 GasGVV, auf den die streitige Preisanpassungsklausel Bezug nimmt und der bestimmt, dass Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen jeweils zum Monatsersten und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden, dem Grundversorger ebenso wie die Vorläuferregelung des § 4 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zuerkennt.\"
--- Ende Zitat ---
Der Punkt dürfte inzwischen geklärt sein.;)
Das Zauberwort heisst ABLEITUNG! Ableitungen sind natürlich immer subjektive Deutungen, sprich Meinungen. Daher ist der Sachverhalt - in Bezug auf Sonderverträge - natürlich streitig, da es für diese generell \"kein gesetzliches\" Preisänderungsrecht gibt!
--- Zitat --- Original von Ronny
@ Kampfzwerg
Haben Sie sonst noch Kritikpunkte an den Urteilen des BGH?
--- Ende Zitat ---
Sehr allgemeine Frage:)
An \"den Urteilen des BGH\" generell nicht unbedingt.
Das BGH Urteil vom 29.04.2008, Az. KZR 2/07 (Sondervertragskunde) fand ich richtig, verbraucherfreundlich und nachvollziehbar, soweit es mir als Nicht-Juristen möglich war.
Das BGH-Urteil vom 15.07.09, Az.VIII ZR 225/07 (Sondervertragskunde) grundsätzlich ebenfalls, soweit es die eigentliche Thematik und Ursache des Rechtsstreits betraf.
(Die Preisänderungsklausel im konkreten Sondervertrag Tarif \"GASAG Aktiv\" war unwirksam, so dass keine einseitige Preisänderung darauf gestützt werden konnte.)
Auslöser für diese derzeitigen sehr heftigen, theoretischen Diskussionen hier im Forum ist doch \"lediglich\" eine \"anscheinend versorgerfreundlich\" auszulegende, nebenbei erfolgte Meinungsäußerung des Gerichts.
--- Zitat --- Original von Ronny
Mein Fazit:
Der Bundesgerichtshof hat eine Vielzahl offener Fragen geklärt. Man mag mit diesen beiden Entscheidungen einverstanden sein oder auch nicht. Es wäre jedoch vernünftig, die Rechtsprechung des höchsten deutschen Zivilgerichtes zu akzeptieren. Dies bleibt aber natürlich jedem selbst überlassen.
--- Ende Zitat ---
mein Fazit: ich bin sehr froh, dass in bestimmten Bereichen des Forums,
z.B. hier: http://forum.bdev.de/board.php?boardid=40
nur unter bestimten Voraussetzungen gepostet werden kann. ;)
Und was als sinnvoll empfunden wird, oder nicht- wieder einmal: sehr subjektiv.
RR-E-ft:
@nomos
Als Sondervertragspreis kann grundsätzlich auch ein \"Mondpreis\" angeboten werden. Wer sich mit einem Lieferanten (freiwillig) auf einen solchen einigt, kann diesen (mit Armani Gas deluxe) vereinbarten Preis nicht als unbillig rügen.
Wenn ein Monopolanbieter (insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge) hingegen einen \"Mondpreis\" anbietet bzw. fordert, dann liegt darin der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.
Der Grundversorger darf m. E. hingegen keinen \"Mondpreis\" aufstellen, weil ja die Allgemeinen Preise der Grundversorgung schon gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und durch Aufstellen Allgemeiner Preise der Grundversorgung auch die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG erfüllt werden muss. Der Grundversorger erfüllt mit der Aufstellung Allgemeiner Preise mithin entsprechende gesetzliche Verpflichtungen und muss diese erfüllen.
Jeder Lieferant, der außerhalb der Grundversorgung Verträge (= Sonderverträge) anbietet, erfüllt mit diesen Angeboten keine gesetzlichen Verpflichtungen. Er muss schon keine Verträge anbieten, kann Preismodelle ebensogut auf den Markt werfen, wie er sie auch wieder vom Markt nehmen kann. Er kann auch selbst entscheiden, wem er Vertragsangebote unterbreitet, ob er in seine Vertragsangebote Laufzeitregelungen oder überhaupt Preisänderungsklauseln aufnimmmt und welchen Inhalt diese haben. Das Risiko der Unwirksamkeit solcher Klauseln ist dabei ein ganz normales unternehmerisches Risiko.
Was für alle Sonderverträge gilt.
Wer als Lieferant freiwillig Sonderverträge mit einseitigem Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB anbietet, unterstellt sich damit auch freiwillig der Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB. Er hat deshalb die Wahl, ob und in welchem Umfang auf seine Sonderverträge § 315 BGB zur Anwendung kommt oder nicht.
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