Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
BGH-Urteile v. 15. 7. 09
reblaus:
@kampfzwerg
Dass Sie in Frage gestellt haben, ob es ein gesetzliches Preisanpassungsrecht für Sonderverträge gibt, konnte aus ihren Beiträgen niemand erkennen. Die Diskussion ging darum, ob das gesetzliche Preisanpassungsrecht der Grundversorgung auf Sonderverträge übertragen werden kann. Diese Diskussion setzt aber die Einigkeit voraus, dass es ein gesetzliches Preisänderungsrecht für Sonderverträge nicht gibt. Ansonsten würde dieses eine Übertragung verhindern, bzw. eine Übertragung wäre überflüssig.
Sie sollten in Zukunft Ihre Beiträge so abfassen, dass solche Verständnisschwierigkeiten erkannt werden können. Dann kann man Ihnen die Diskussionsgrundlagen soweit erläutern, dass Sie der Diskussion folgen können.
@nomos
Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Anwendung der Monopolrechtsprechung beim § 315 BGB sachgerechter gewesen wäre. Ebenso haben Sie Recht, dass der Verordnungsgeber angesichts dieser Massenklagen schon längst hätte tätig werden müssen, um die GasGVV so abzufassen, dass sich aus dem Text heraus ein klares Prüfschema für die Billigkeit der Gaspreise ergibt.
Der BGH hat 2007 aber andes entschieden, und die Monopole sind im Jahre 2009 weitgehend beseitigt. Bei der Bundesregierung hat man die politische Kraft nicht aufgebracht, im Sinne der Verbraucher tätig zu werden. Mit diesen Tatsachen müssen wir uns abfinden.
Deshalb wird sich der Schwerpunkt der juristischen Auseinandersetzung wieder auf die Billigkeitskontrolle verlagern, einem Feld bei dem die Verbraucher schmerzliche Niederlagen erfahren mussten. Vielleicht ein Grund für die reflexhafte Abwehr der neuesten BGH-Rechtsprechung. Die Aufgabe wird daher in Zukunft darin bestehen, die falschen Angaben der Versorger bei Ihren Geschäftszahlen aufzudecken und sie zu zwingen, die tatsächlichen Verhältnisse offenzulegen. Dies wird mit mühseliger Rechenarbeit verbunden sein.
Wir können uns statt weiterer Prozesse aber auch dem Wettbewerb anvertrauen. Wenn Sie die Idee mit Armanigas gesponnen finden (RR-E-ft hat die Funktionsweise von Luxusmarken für Neureiche sehr gut geschildert) und Ihre Nachbarn lieber durch Ihre Persönlichkeit als durch Ihr Geld beeindrucken wollen, so steht die Chance weit besser, dass demnächst Aldi in den Gasmarkt einsteigt, als dass Armani seine Kunden davon überzeugt, nun auch mit Luxusgas prahlen zu müssen.
RR-E-ft:
@nomos
Ich habe versucht aufzuzeigen, dass das bayerische Stadtwerk bei sich vor Ort, wo es auch Grundversorger ist und eine marktbeherrschende Stellung inne hat, durch kartellrechtliche Bestimmungen auch bei Sonderverträgen in der Vertragsfreiheit eingeschränkt ist.
Weiter habe ich versucht aufzuzeigen, dass dieses bayerische Stadtwerk, wenn es Energielieferungen auf dem Hamburger Markt anbietet, wo es über keine marktbeherrschende Stellung verfügt, nicht in der Vertragsfreiheit beschränkt ist und beschränkt sein soll.
Ich sehe keine Veranlassung dafür, dass sich der Staat in Marktbereichen wo die Vertragfreiheit uneingeschränkt gilt, in die Preisgestaltung einmischt, etwa zwischen dem bayerischen Stadtwerk und einem Kunden in Hamburg und möge dieser Kunde auch Haushaltskunde sein.
Es muss dort möglich sein, dass die Parteien den Vertragspreis frei vereinbaren wie auch die übrigen Vertragsbedingungen. Dem Lieferanten muss es insbesondere freistehen, ob er nun einen Vertragsabschluss mit Preisänderungsklausel oder ohne Preisändrungsklausel anbietet. Wenn er Formularverträge mit Preisänderungsklausel verwendet, so trägt er das unternehmerische Risiko, dass diese Klauseln wirksam sind.
Ebenso freistehen muss es meines Erachtens den Lieferanten, ob sie mit ihren Kunden ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht vertraglich vereinbaren, dass zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führt.
Wird eine vertragliche Verpflichtung des Lieferanten zur Wahrung des durch die Preisvereinbarung bei Vetragsabschluss gebildeten Äquivalenzverhältnis anhand der Kostenentwicklung des Lieferanten nach Vertragsabschluss vereinbart, so ergeben sich allein daraus die oben aufgezeigten Möglichkeiten zur gerichtlichen Kostenkontrolle.
Ich weiß nicht, warum und wie ein Gericht den vom bayerischen Stadtwerk im Rahmen der Vertragsfreiheit auf dem Hamburger Markt angebotenen Energiepreis auf seine Angemessenheit hin kontrollieren sollte, wie ein Gericht in der Lage sein sollte, einen \"gerechteren\" Preis zu ermitteln, als gerade den, den die Vertragspartner bei Vertragsabschluss in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit und Privatautonomie kraft Einigung frei vereinbart haben.
Wollen Sie einen solchen bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit (keine marktbeherrschende Stellung des Lieferanten!)vereinbarten Preis gerichtlich oder sonst kontrollieren und wenn ja warum und wie?
Um die dadurch betroffene grundgesetzlich geschützte Vertragfreiheit sowohl des Kunden als auch des Lieferanten einzuschränken, bedarf es schon gehöriger Gründe. Der Staat müsste seine Bürger bevormunden, zu welchen Preisen und Bedingungen sie Energielieferungsverträge nur abschließen dürfen. So etwas gab es in Deutschland (nach 1945 und mit Ausnahme der DDR) wohl bisher noch nicht.
Warum sollte ein Gericht oder eine staatliche Behörde etwa das Hamburger Unternehmen Lichtblick dazu verpflichten können, einem Haushaltskunden in Bietigheim- Bissingen einen bestimmten Preis anzubieten und den Haushaltskunden sodann zu diesem Preis mit Energie zu beliefern?!
Lichtblick unterliegt nun einmal keiner gesetzlichen Versorgungspflicht und kann deshalb frei entscheiden, ob und wo es wem zu welchen Konditionen Energie anbietet, insbesondere zu welchen Preisen und ob mit oder ohne Preisänderungsklausel. Die Kunden können frei entscheiden, ob sie ein solches Angebot des Hamburger Unternehmens annehmen oder eben nicht. Das muss auch so sein, weil es sonst gar keinen Wettbewerb geben kann.
Und deshalb wäre auch das Mondpreis- Angebot von Armani Gas nicht illegal. Es ist nur so lange auf dem Markt, wie es dafür auch Nachfrager gibt. Ich habe es so verstanden, dass Sie dieses Angebot wegen eines Verstoßes gegen §§ 2, 1 EnWG für illegal hielten.
Christian Guhl:
@Reblaus
Abweichungen in der Rechtsprechung zwischen den verschiedenen Senaten sind dennoch vorhanden :
--- Zitat ---Original von reblausBGH Urt. 29.04.2008, Az. KZR 2/07 [/I]
b) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel schließlich auch nicht entgegen, dass sie dem gesetzlichen Leitbild des (bis zum 7. November 2006 geltenden) § 4 Abs. 1 und 2 AVB-GasV entspräche.
--- Ende Zitat ---
Nach meinem Wörterbuch Deutsch-Jurist/Jurist-Deutsch heißt diese Aussage im Urteil des Kartellsenats doch nichts anderes, als das Klauseln, die unwirksam sind, nicht deshalb wirksam werden, wenn sie dem gesetzlichen Leitbild entsprechen. Im Umkehrschluß : Klauseln, die den § 4 AVB Gas entsprechen, sind unwirksam.
enerveto:
@RR-E-ft - Danke für die ausführliche Differenzierung!
Das freut auch den \"grundversorgten Kunden\":
--- Zitat ---@RR-E-ft
Der Kunde kann wohl im Wege der Stufenklage Auskunft über die sachlichen und zeitlichen Maßstäbe von Preisanpassungen und die Kostenentwicklung sowie eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Angaben und ggf. entsprechend des Ergebnisses dieser Auskunft eine Anpassung des Preises zu seinen Gunsten verlangen, im Zweifel schon kurze Zeit nach Vertragsabschluss, wenn zu den Anpassungszeitpunkten keine besonderen vertraglichen Abreden bestehen.
Da es sich bei der vertraglichen Anpassungspflicht um eine Vertragspflicht des Lieferanten handelt, wird der Kunde wohl auch noch nachträglich Schadensersatz beanspruchen können, wenn sich eine Verletzung dieser Vertragspflicht des Lieferanten nachweisen lässt (möglicherweise auch im Rahmen einer Stufenklage, nämlich Auskunft über die Kostenentwicklung, eidesstattliche Versicherung des Finanzvorstands, und in der nächsten Stufe Zahlung eines entsprechenden Schadensersatzes).
Da es sich um die Vertragspflicht handelt, das Äquivalenzverhältnis anhand der eigenen Kostenentwicklung nach Vertragsabschluss zu wahren, wäre es wohl auch rechtsmissbräuchlich sich gegen das Auskunftsverlangen auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu berufen.
Das geht dann gerade nicht. Wer eine vertragliche Verpflichtung eingeht muss deren Erfüllungskontrolle auch zulassen und ermöglichen.
Für die Grundversorgung hat der BGH eine enstprechende Verpflichtung gerade auch wiederholt bestätigt, worauf auch versorgerseits verwiesen wird.
--- Ende Zitat ---
\"Einheizpreis\" ist auch treffend! :D
--- Zitat ---@RR-E-ft
Wenn jeder Lieferant jeden Kunden zum Einheizpreis beliefern muss, gibt es keinen Wettbewerb.
--- Ende Zitat ---
Auf abgeschotteten Energie-Oligopolmärkten besteht wohl kein wirksamer Wettbewerb, und deshalb gibt es \"Einheizpreise\".
(54. Sondergutachten der Monopolkommision)
reblaus:
@Christian Guhl
Ihre Deutung wäre dann zutreffend, wenn der BGH das Wort \"entspricht\" statt dem Wort \"entspräche\" verwendet hätte. Da er aber das Wort \"entspräche\" verwendet hat, ist der Satz als Behauptung des Versorgers zu verstehen, die sich der BGH nicht zu eigen macht. Weiter unten erläutert er warum die Klausel dem Leitbild des § 4 AVBGasV nicht entspricht.
--- Zitat --- BGH Urt. 29.04.2008, Az. KZR 2/07 Tz. 26 Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist, und enthält damit gerade dasjenige zu einer ausgewogenen Regelung notwendige Element, das der von der Beklagten vorgegebenen vertraglichen Anpassungsklausel fehlt.
--- Ende Zitat ---
Der Leitbildgedanke ist keine Generalbehauptung die nun jeder Versorger aufstellen kann, und schon ist seine Preisänderungsklausel jeglicher Kontrolle entzogen. Es muss im Gegenteil jede individuelle Klausel daraufhin geprüft werden, ob sie den Vorgaben der GasGVV haargenau entspricht. Weicht sie auch nur in einem Punkt ab, ist sie unwirksam.
Sie machen den Fehler, die Gründe des BGH die zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel geführt hat, zu verallgemeinern.
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