Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Kartellrecht

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reblaus:
@Thomas S.
Das ist mir genau so beim Surfen auf den Bildschirm geflattert, wie im übrigen schon die Entscheidung des Bundeskartellamts zur Gasversorgung Süddeutschland. Ich bin nicht der Urheber. Die Urheberin betreibt die Seite http://www. carteldamageclaims.com. Bei dem Aufsatz handelt es sich um eine ergänzende Erläuterung ihrer Erklärungen auf der Seite Private Kartellrechtsdurchsetzung – Schadensersatzansprüche – Rechtsgrundlagen unter (…) 7. GWB Novelle „mehr“. Ich habe mit dem Unternehmen nichts zu tun und bekomme auch keine Provision.

Aber eine clevere Marktlücke haben die schon entdeckt. Solche Schadensersatzprozesse kann der Kleinverbraucher nie in Eigenregie betreiben. Lesen Sie mal durch, was die Zement-Kartell-Teilnehmer wegen jedem Minibeschluss für Achterbahnfahrten durch die Instanzen machen. Und die sind Hungerleider im Vergleich zu den Teilnehmern des Gaskartells. Dort übersteigen die kumulierten Jahresumsätze der Mutterkonzerne das BIP mittlerer Industriestaaten.

RR-E-ft:
@reblaus

Ihr Ansatz kann ggf. dann erfolgversprechend sein, wenn ein Versorger einen Bezugskostenanstieg auf vertragliche Regelungen in einem langfristigen Bezugsvertrag mit nur einem Vorlieferanten stützt, der wiederum wegen Verstoß gegen Art. 81 EGV, § 1 GWB unwirksam ist und mit ihm die Regelung über Preisänderungen.

Gleiches gilt, wenn im Übrigen Bezugsverträge bestanden, die nach ihrem Bezugsmengen- Laufzeit- Gerüst demnach kartellrechtswidrig waren.

Solche Verträge verstießen nach der Auffassung des BKartA gegen Art. 81 EGV und § 1 GWB. Diese Auffassung wurde vom OLG Düsseldorf und wohl auch vom BGH in der Entscheidung vom 10.02.2009 - KVR 67/07 bestätigt.

Dies wird jedoch im Ergebnis nicht zu einem statischen Gaspreis führen.

Die Großhandelspreise für Erdgas im Inland bemessen sich wegen der großen Importabhängigkeit weiter nach dem Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze (Erdgasimportpreis aufgrund der [Erd-] Ölpreisbindung in den langfristigen Importverträgen).

Die langfristigen Erdgasimportverträge mit Russland usw. wurden vom Bundeskartellamt ausdrücklich ausgenommen. Diese bleiben unangefochten bestehen.

Die Preisentwicklung bei den Großhandelspreisen für Erdgas und damit auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt  muss aber auch unabhängig davon bereits bei der Billigkeitskontrolle von einseitigen Gaspreiserhöhungen beachtet werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Man könnte fast meinen, der achte Zivilsenat des BGH habe damit auf Kritik reagiert, wonach der Gasbezug zu \"Wünsch- Dir- was\"- Preisen nicht mit dem Energiewirtschaftsgesetz vereinbar ist.

Aus dem Jahresabschluss 2006 des Erdgasimporteurs Verbundnetz Gas AG Leipzig:



--- Zitat ---Für das Geschäftsjahr 2006 weist die VNG einen Jahresüberschuss von 154,8 Mio. € aus, der sich gegenüber dem Vorjahr (93,7 Mio. €) deutlich erhöhte. Die Ertragslage hat sich insbesondere im Kerngeschäft signifikant verbessert. Die Umsatzerlöse wuchsen gegenüber dem Vorjahr um rund 31 Prozent auf 5,0 Mrd. €. Der Anstieg resultiert insbesondere aus der vertragsgemäßen Anpassung der Verkaufspreise an die Entwicklung der Ölproduktpreise und aus einem Mehrabsatz.

Die infolge der Ölpreisentwicklung ebenfalls gestiegenen Bezugspreise konnten durch die Optimierung des Gaseinkaufs teilweise kompensiert werden. Darüber hinaus wurde der Mehrabsatz des ersten Quartals 2006 überwiegend aus Speichervorräten gedeckt, die in der Vergangenheit zu günstigeren Einkaufspreisen angelegt wurden.
--- Ende Zitat ---


Aus dem Jahresabschluss 2007 der E.ON Ruhrgas AG:


--- Zitat ---Bezugs- und Absatzrisiken

Der Bezug von Erdgas und dessen Absatz in Deutschland und in Europa unterliegen den auf den regionalen und internationalen Energiemärkten üblichen Preis- und Mengenrisiken. Um diese Marktrisiken zu begrenzen und zu steuern, finden bei E.ON Ruhrgas bewährte Instrumente wie Liefervereinbarungen mit Mengenflexibilitäten, Preisgleitklauseln und Preisüberprüfungsbestimmungen Anwendung.

Die für eine sichere Erdgasversorgung notwendigen langfristigen Importverträge machen es erforderlich, dass die Importunternehmen die eingekauften Gasmengen - zumindest in wesentlichen Teilmengen - auch langfristig absetzen können. Um mögliche Risikokonzentrationen infolge von Lieferanten- oder Kundenabhängigkeiten von vornherein zu vermeiden, betreibt E.ON Ruhrgas eine Preispolitik nach den Regeln der Wettbewerbspreisbildung und strebt eine breite Diversifizierung der nationalen und internationalen Erdgasbezugsquellen an.

Weitere externe Risiken ergeben sich aus dem politischen, rechtlichen und regulatorischen Umfeld der E.ON Ruhrgas, dessen Änderung zu Planungsunsicherheiten führen kann. E.ON Ruhrgas verfolgt das Ziel, durch intensiven und konstruktiven Dialog mit Behörden und Politik sachlich, kompetent und aktiv die Rahmenbedingungen mit zu gestalten. Derzeit sind vor allem folgende Themen relevant:

Das Bundeskartellamt hat E.ON Ruhrgas mit Verfügung vom 13. Januar 2006 die Durchführung bestimmter bestehender langfristiger Gasvertriebsverträge mit Weiterverteilern und den Abschluss gleicher oder gleichartiger Verträge untersagt. E.ON Ruhrgas hat gegen diese Abstellungsverfügung des Bundeskartellamtes Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. In diesem Hauptsacheverfahren hat sich E.ON Ruhrgas im Wesentlichen nur noch gegen das vom Bundeskartellamt verfügte sogenannte Wettbewerbsverbot gewendet, wonach es E.ON Ruhrgas selbst im Rahmen des vom Bundeskartellamt vorgegebenen Mengen- und Zeitgerüstes verboten ist, am Wettbewerb um bestimmte Teilmengen zur Belieferung von Stadtwerken teilzunehmen. Am 4. Oktober 2007 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beschwerde von E.ON Ruhrgas zurückgewiesen. E.ON Ruhrgas bedauert die Entscheidung des Gerichts, die das volkswirtschaftlich schädliche Wettbewerbsverbot bestätigt. Nach sorgfältiger Analyse der Entscheidungsgründe hat E.ON Ruhrgas Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben, um eine grundsätzliche Klärung der Frage der Zulässigkeit des Wettbewerbsverbotes herbeizuführen.

Am 22. Dezember 2007 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung in Kraft getreten, das zu einer Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht im Strom- und Gasmarkt führt (§ 29 GWB). Unternehmen, die allein oder gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung auf diesen Märkten inne haben, dürfen keine Entgelte oder sonstigen Geschäftsbedingungen fordern, die ungünstiger sind als die vom Unternehmen auf vergleichbaren Märkten. Ferner dürfen die Unternehmen keine Entgelte fordern, welche die Kosten in unangemessener Weise überschreiten. Des Weiteren sieht das Gesetz unter anderem vor, dass die Anordnungen der Kartellbehörden grundsätzlich sofort vollziehbar sind. Bei Anwendung dieses Gesetzes erwartet E.ON Ruhrgas eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf den heimischen Energiemärkten. Schon das Gesetzesvorhaben ist deshalb auch von nahezu allen Seiten, wie beispielsweise der Monopolkommission, erheblich kritisiert worden.

Die EU-Kommission hat im Mai und Dezember 2006 bei mehreren Energieversorgungsunternehmen in Europa Nachprüfungen durchgeführt, darunter auch bei der E.ON Ruhrgas. Im Nachgang zu den Nachprüfungen initiierte die EU-Kommission auch Auskunftsersuchen zu verschiedenen regulatorischen und energiebezogenen Fragestellungen bei E.ON Ruhrgas, die zwischenzeitlich beantwortet worden sind. Die EU-Kommission hat mit Entscheidung vom 18. Juli 2007 ein Kartellverfahren wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen Art. 81 EG-Vertrag gegen E.ON Ruhrgas und Gaz de France eingeleitet (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 30.07.2007; MEMO/07/316). Die Kommission weist darauf hin, dass die Verfahrenseinleitung nicht bedeutet, dass abschließende Beweise für einen Verstoß vorliegen.

Aus den Aktivitäten der EU, den Maßnahmen des Bundeskartellamts oder potenziellen Regelungsänderungen nationaler Gesetze können sich künftig Ertragsrisiken für E.ON Ruhrgas ergeben, deren Höhe sich heute nicht abschätzen lässt.
--- Ende Zitat ---

reblaus:
Ich wusste gar nicht, dass die E.ON ihren Jahresabschluss von Werbetextern erstellen lässt. Mutmaßlich die Gleichen, die auch die Reisekataloge der TUI formulieren.

Ich wende mich nicht gegen die Preisbindung an Rohöl vor der Grenze zur Bundesrepublik. Dieser Preismechanismus ist durch das zerschlagene Gaskartell nicht beeinflussbar gewesen. Lediglich die Bindung der inländisch entstandenen Preisbestandteile an den Preis für leichtes Heizöl dürfte auf das Gaskartell zurückzuführen sein.

Die Preisbindung des Rohstoffs Gas an den Preis für Rohöl und der einheitliche Lieferort \"Grenze Deutschland\" halte ich solange für gerechtfertigt, als wir auf wenige Gasförderer angewiesen sind. Sollte irgendwann einmal die Nabuccoleitung den Eintritt von Katar oder vielleicht auch eines gemäßigten Irans in den Markt erlauben, und verfügen wir in einigen Jahren über die technischen Anlagen für die Anlandung von verflüssigtem Gas wird sich diese Preisbindung durch eine Vielzahl von Anbietern von selbst erledigen.

Statische Preise halte ich auf lange Sicht sogar für sehr nachteilig. Die Knappheit eines Gutes muss sich in einem höheren Preis niederschlagen, nur dadurch werden Innovationen wirtschaftlich, durch die das Wirtschaftsgut substituiert oder der Verbrauch vermindert werden kann.

Wichtig erscheint mir aber, dass in einem Rechtsstreit auf die Tatbestandsvoraussetzungen eines kartellrechtswidrigen Bezugsvertrages explizit hingewiesen wird. Zwar sollten die Gerichte den vorgetragenen Sachverhalt von Amts wegen darauf prüfen, was aber mangels Erfahrung mit solch seltenen Fällen in der Regel nicht geschehen wird.

In einem von Ihnen erläuterten Fall wurden bis auf die Mindestbezugsmenge sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen in das Verfahren eingebracht. Die erforderliche Mindestbezugsmenge von 250 MWh entspricht in etwa dem Verbrauch von 2.500 Einfamilienhaushalten, sollte daher von einem Regionalversorger spielend erreicht werden. Trotzdem hat sich das Gericht mit der Rechtsfrage nicht auseinandergesetzt.

Dies erscheint mir typisch zu sein, da die Versorger die wesentlichen Angaben zu ihren Verträgen selbst vortragen, um ihre Preiserhöhungen zu rechtfertigen.

RR-E-ft:
@reblaus

Unsere Zivilprozessordnung kennt keine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen. Wird ein Sachvortrag nicht bestritten, gilt er als zugestanden, wurde er hingegen bestritten, muss er von der darlegungs- und beweisbelasteten Partei bewiesen werden ( vgl. etwa § 138 ZPO).

reblaus:
Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt.

Wenn der vorgetragene Sachverhalt ergibt, dass zwei von drei Tatbestandsmerkmalen eines kartellrechtswidrigen Vertrages erfüllt sind, kann das Gericht aus dem fehlenden Sachverhalt nicht den Schluss ziehen, dass ein kartellrechtswidriger Vertrag nicht vorliegt. In diesem Fall ist das Vorliegen eines kartellrechtswidrigen Vertrages nicht bewiesen. Dies trifft aber die beweisbelastete Partei. Den Verbraucher nur insoweit, als er sich darauf beruft, dass Preiserhöhungen nichtig sind.

Beruft sich der Versorger bei seiner Preiserhöhung auf die Steigerung seiner Bezugskosten, muss er diese Preissteigerung nachweisen. Hierbei ist inzident zu prüfen, ob diese Preissteigerung überhaupt in wirksamer Weise vereinbart wurde. Dann trifft nach meiner Auffassung den Versorger die Beweislast für einen wirksamen Lieferantenvertrag. Und in diesem Falle ist die Beweiswürdigung durch das Gericht fehlerhaft, wenn es trotz starker gegenteiliger Hinweise davon ausgeht, der Liefervertrag sei wirksam, zumal dann wenn der fehlende Sachverhalt geradezu den typischerweise vorliegenden Fall darstellt.

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