Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar.
--- Ende Zitat ---
Die Sachverhalte sind vergleichbar. Ob der Rechtsgrund wegen fehlender Billigkeit oder wegen fehlendem Anpassungsrecht von Anfang an nicht bestand macht keinen Unterschied, der einen anderen Verjährungsbeginn rechtfertigt. Auch das OLG Brandenburg hat für seine Entscheidung nicht auf spezielle rechtliche Argumente abgestellt, die nur auf § 315 BGB gesondert passen würden.
RR-E-ft:
@reblaus
Danke für das Zitat aus der Entscheidung VIII ZR 36/06.
Für mich ist immer noch nicht ersichtlich, worin das Angebot des Versorgers liegen könnte/ sollte.
--- Zitat ---Original von reblaus
Das Angebot liegt in der Übersendung einer Jahresabrechnung, die auf der Grundlage zuvor einseitig veränderter Preise erstellt wurde
--- Ende Zitat ---
Wirklich?
--- Zitat ---Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.
--- Ende Zitat ---
\"Nicht anders kann es liegen\" schreiben Juristen regelmäßig, wenn ihnen eigentlich keine wirklich tragfähige Begründung einfällt. Ebenso eine rhetorische Floskel wie \"Wie man weiß...\".
Frage an den Ball- Senat:
Wie verhält es sich denn nun, wenn eine Verbrauchsabrechnung im Februar für den Zeitraum 01.01. bis 31.12. des Vorjahres kommt, das Entgelt im Vorjahr zum 01.04. erhöht und zum 01.10. wieder abgesenkt wurde undzwar unter die bis zum 01.04. des Vorjahres geltende Entgelthöhe und diese zum 01.01. des Folgejahres nochmals deutlich abgesenkt wurde ?!
Antwort:
--- Zitat ---In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.
--- Ende Zitat ---
Zum Lachen.
Das im Zeitpunkt der Jahresrechnung tatsächlich geltende Entgelt taucht in dieser schon gar nicht auf!
Ein Sumpf voller Frösche quakt trotzdem alles nach, weil es angeblich nicht anders liegen kann.
Die Übersendung einer Rechnung ist doch kein Angebot auf Vertragsänderung - auch nicht aus Sicht des Versorgers. Der meint nämlich, seine einseitige Entgeltfestsetzung sei allein durch die öffentliche Bekanntgabe gem. § 4 Abs. 2 AVBGasV für den Kunden längstens vor der Verbrauchsabrechnung verbindlich.
Erst seit der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) mögen einige Versorger überhaupt Kenntnis davon haben, dass das gem. § 4 AVBGasV einseitig neu festgesetzte Entgelt für den Kunden aber nur dann verbindlich ist, wenn es der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das entnehme ich jedenfalls vielen Versorgerschreiben und gerichtlichen Schriftsätzen der Versorgeranwälte.
Eine unwiderrufliche Willenserklärung zur Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 Abs. 2 BGB ist aus o. g. Gründen per definitionem kein Angebot im Sinne von § 145 BGB.
Erst recht ist die Übersendung einer Verbrauchsabrechnung kein Angebot auf Preisneuvereinbarung.
Wäre dies nämlich ein Angebot, könnte der Kunde ein solches entweder nicht annehmen oder diesem offen widersprechen, was dazu führen würde, dass das erhöhte Entgelt niemals in Geltung erwachsen könnte, insbesondere auch dann nicht, wenn es gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspräche, weil es darauf nicht ankäme, vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 Tz. 25.
Ein abgelehntes Angebot wird nicht zur vertraglichen Grundlage, worüber hoffentlich immer noch Konsens herrscht.
Die Entscheidung vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 betrifft aber gerade einen Fall, wo der Kunde den Verbrauchsabrechnungen (Angebot?) ausdrücklich widersprochen hatte und hiernach auf Zahlung verklagt wurde.
Sein Widerspruch soll aber für die Frage der Geltung der erhöhten Entgelte unbeachtlich sein, wenn die Erhöhung nur der Billigkeit entsprach, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Folglich kann es sich bei den dortigen Verbrauchsabrechnungen nicht um Angbote des Versorgers gehandelt haben, weil sonst der Widerspruch des Kunden eine völlig andere Rechtsfolge zeitigen würde: Nichtgeltung der erhöhten Entgelte ohne wenn und aber.
Die in einer Verbrauchsabrechnung zur Abrechnung gestellten Entgelte sind entweder kraft vorheriger vertraglicher Vereinbarung oder aber vorheriger der Billigkeit entsprechender Ausübung eines wirksamen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bereits verbindlich und geschuldet oder aber unverbindlich und nicht geschuldet.
Mit der Abrechnung wird eine vertragliche Schuld weder begründet noch geändert, allenfalls ist sie Voraussetzung für die Fälligkeit einer bereits bestehenden vertraglichen Schuld, vgl. § 27 Abs. 1 AVBGasV.
Es besteht kein Rechtssatz, wonach durch eine Leistung (Zahlung) eine Schuld für diese Leistung erst begründet wird. Dies stünde auch dem Allgemeinen Schuldrecht, dem geltenden Abstraktionsprinzip und dem Bereicherungsrecht gem. §§ 812 ff. BGB diametral entgegen.
Erst recht ist nicht ersichtlich, wie ein Kunde ein Erklärungsbewusstsein dahingehend haben könnte, dass durch eine Zahlung eine Schuld vertraglich erst begründet wird.
Schließlich hat eine Verbrauchsabrechnung auch nichts mit § 2 Abs. 1 und 2 AVBGasV zu tun. Eine Zahlung auf eine solche ebensowenig.
Von einer Kündigung eines Versorgungsvertrages und des nachfolgenden Neuabschlusses eines solchen gem. § 2 AVBGasV war gleich überhaupt gar keine Rede.
Dass bei bestehender gesetzlicher Versorgungspflicht gem. § 10 Abs. 1 EnWG der Versorger zur ordnungsgemäßen Kündigung nicht berechtigt war und den Vertrag nicht kündigen konnte, steht außer Frage. Das ist gerade der Grund dafür, weshalb ihm gegenüber Tarifkunden ein einseitiges Leistungbsetimmungsrecht eingeräumt wurde, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26.
Aus § 32 Abs. 7 AVBGasV ergibt sich zudem, dass die Kündigung der Schriftform bedurfte. Es gibt keinen nachträglichen (konkludenten) Neuabschluss eines Vertrages gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV, vgl. nur BGH, Urt. v. 28.03.2007- VIII ZR 144/06 Tz. 20.
Mangelndes Problembewusstsein ist immer bedauerlich. Sehr bedauerlich wären auch etwaig luststiftende Haft- Phantasien.
@Black
Die von Ihnen zitierte Entscheidung betrifft einen Sachverhalt, wo ein Kunde durch Vorbehaltserklärung zu erkennen gegeben hatte, dass er Kenntnis von einer möglichen Unbilligkeit hatte, wofür es auf den Verjährungsbeginn ankam.
Was sollte das denn nun für den Fall hergeben, dass kein Preisänderungsrecht bestand und die Preisneufestsetzungen allein deshalb unwirksam waren, BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 Tz. 25?
reblaus:
@RR-E-ft
Bei einer Abrechnung besteht immer die Möglichkeit, dass sich ein Fehler eingeschlichen hat. Der Ersteller der Abrechnung wird bei sorgfältiger Arbeit zwar davon ausgehen, dass die Abrechnung stimmt, er kann sich seiner aber keinesfalls sicher sein, da Fehler nun mal die Angewohnheit haben, unentdeckt zu bleiben. Solange die Abrechnung vom Empfänger nicht anerkannt wird, besteht Ungewissheit über das Bestehen oder die Höhe der Schuld.
Das gleiche gilt bei einer einseitigen Preisfestsetzung. Der Versorger kann zwar erwarten, dass seine Festsetzung der Billigkeit entspricht, aber er kann sich keinesfalls sicher sein. Daran ändert auch die frühere Hoffnung der Versorger nichts, sie hätten das Recht ihre Preise nach Belieben festzusetzen. Sie durften vielleicht darauf hoffen, wissen konnten sie es aber nicht, solange sie keinen sachkundigen Rat eingeholt hatten.
Trotz dieser Unsicherheiten übersendet der Versorger die Abrechnung. Sie ist ein Angebot seine finanziellen Ansprüche aus dem Abrechnungsjahr wie berechnet festzusetzen. Mit Zahlung nimmt der Kunde dieses Angebot im Wege des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses für das Abrechnungsjahr an.
BGH, Urt. v. 29.5.2000, Az. XII ZR 35/00
--- Zitat ---Eine Vereinbarung der Parteien über den Umfang der von dem Mieter zu zahlenden Nebenkosten kann auch durch jahrelange Zahlung stillschweigend getroffen werden (vgl. Palandt/Putzo, BGB 59. Aufl. § 535 Rdn. 37 a m.N.). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Parteien sich durch jahrelange Übung stillschweigend darauf geeinigt haben, die von der neuen Hauptvermieterin der Beklagten in Rechnung gestellten Nebenkosten auf die Klägerin abzuwälzen. Auch stillschweigend abgegebene Willenserklärungen sind auszulegen aus der Sicht des Erklärungsempfängers. Die Beklagte konnte das Verhalten der Klägerin nur dahin verstehen, daß die Klägerin mit der Abwälzung der erhöhten Nebenkostenabrechnungen einverstanden war.
--- Ende Zitat ---
Da der 8. Senat in VIII ZR 36/06 nicht ins Detail geht, kann ich nur vermuten dass es ihm statt der jahrelangen Übung im Falle einer Gasgrundversorgung zur konkludenten Vertragsänderung ausreicht, wenn der Kunde die einseitige Preisfestsetzung im Rahmen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses anerkannt hat, da im Gegensatz zum Mietrecht beim Gasbezug der konkludente Vertragsabschluss ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist.
Der Kunde hat die Abrechnung bezahlt und damit die Preisfestsetzung für den zurückliegenden Zeitraum anerkannt. Danach bezieht er weiterhin Gas. Dieses Verhalten kann unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2 AVBGasV nur die Erklärung beinhalten, dass er das jetzt bezogene Gas zu dem anerkannten Tarif erwerben möchte. Ansonsten müsste er der Preisfestsetzung für die Zukunft aktiv und in angemessener Zeit widersprechen.
RR-E-ft:
@reblaus
--- Zitat ---Original von reblaus
Bei einer Abrechnung besteht immer die Möglichkeit, dass sich ein Fehler eingeschlichen hat.
--- Ende Zitat ---
Vor allem, wenn die einzelnen Verbrauchsabrechnungen für jeden einzelnen Kunden individuell mit Taschenrechner und Bleistift erstellt werden, der Taschenrechner mit Solarzellen arbeitet und das Büro des überlasteten Mitarbeiters düster liegt, der Bleistift ständig neu angespitzt werden muss...
Es geht überhaupt nicht um eine Fehlerhaftigkeit der Abrechnung, die in §§ 21, 30 AVBGasV gesondert geregelt ist.
--- Zitat ---Original von reblaus
Da der 8. Senat in VIII ZR 36/06 nicht ins Detail geht, kann ich nur vermuten dass ....
--- Ende Zitat ---
Grandios, wenn man auf Vermutungen angewiesen ist. Das spricht für die Qualität der Entscheidung.
Möglicherweise geht man seiner eigenen Fantasie auf den Leim, wenn man angestrengt die gedankliche Lücke des Ball- Senats zu schließen sucht.
Offensichtlich ist eine einzelne Jahresverbrauchsabrechnung mit darin ausgewiesenen erhöhten Entgelten auch nicht mit einer jahrelangen Übung vergleichbar.
Ich habe § 812 BGB so verstanden, dass eine Leistung (Zahlung) entweder mit Rechtsgrund erfolgt, weil eine entsprechende Schuld bestand, die erfüllt wurde, oder aber rechtsgrundlos erfolgte, was einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch zur Folge hat.
Dass eine Abrechnung kein Angebot darstellen kann, hatte ich aufgezeigt.
Ein einseitiges Schuldanerkenntnis ist auch schon wieder etwas völlig anderes als eine vertragliche Neuvereinbarung. Durch ein solches Anerkenntnis könnte man allenfalls die zur Abrechnung gestellte Schuld anerkennen, wäre gleichwohl nicht verpflichtet, deshalb auch in der Zukunft das erhöhte Entgelt zu zahlen. Anerkennen kann man allenfalls die in der Rechnung ausgewiesene Schuld für einen bereits abgeschlossenen Zeitraum. Eine Zahlung ist aber regelmäßig auch kein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis. Sonst liefe § 812 Abs. 1 BGB faktisch leer.
Der BGH kann ersichtlich auch kein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis(Rechtsgeschäft) gemeint haben.
Er meint, es sei ein erhöhtes Entgelt durch eine Einigung für die Zukunft vertraglich vereinbart worden, weil es nicht anders liegen könne.
Was für eine bemerkenswerte juristische Begründung von hochbesoldeten und staatlich alimentierten Bundesrichtern.
§ 2 Abs. 2 AVBGasV betrifft ausdrücklich nur das Zustandekommen des Vertrages, wenn zuvor noch gar kein Vertrag bestand, vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Tz. 20.
Besteht aber bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis, findet § 2 AVBGasV überhaupt keine Anwendung mehr, weil die Norm dazu schon nichts regelt; der Weiterbezug von Energie ist mit keinem Erklärungsgehalt verbunden, ebenso wie das Schweigen auf Versorgerschreiben, vgl. BGH ebenda.
Die Frösche im Sumpf rufen möglicherweise deshalb Quak, weil sie das R so schlecht aussprechen können. Eigentlich sollte der Chor lautschallend \"Quark, Quark!\" rufen.
reblaus:
@RR-E-ft
--- Zitat ---Eine Zahlung ist aber regelmäßig auch kein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis. Sonst liefe § 812 Abs. 1 BGB faktisch leer.
--- Ende Zitat ---
Ich verstehe ja Ihren Missmut gegen den Vorsitzenden Ball. Die sind beim 8. Senat aber nicht für Mietrecht zuständig und dort ist es ständige Rechtsprechung, dass die Zahlung der Betriebskostenabrechnung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist (Palandt 62 § 556 RN 13).
Palandt 62 § 781 RN 3
--- Zitat ---Das deklaratorische Schuldanerkenntnis soll eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen, keine neue begründen und ist daher ein Schuldbestätigungsvertrag. Es setzt voraus, dass zwischen den Parteien Streit oder subjektive Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder rechtserheblichen Punkte besteht.
--- Ende Zitat ---
Für § 812 bleibt daher noch viel Platz. §§ 20, 31 AVBGasV verbietet nicht, dass die Parteien sich über die Jahresabrechnung anderweitig einigen.
reblaus:
--- Zitat ---Mit Zahlung nimmt der Kunde dieses Angebot im Wege des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses für das Abrechnungsjahr an.
--- Ende Zitat ---
Aus der Anerkennung der Preisfestsetzung für das Abrechnungsjahr in Verbindung mit dem danach fortgesetzten Gasbezug und zusätzlich im Fehlen eines Widerspruchs gegen die Preisfestsetzung für die Zukunft sieht der BGH eine Willenserklärung des Kunden die besagt, dieser Preis soll zukünftig unser Gaspreis sein.
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