Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
RR-E-ft:
Hier lesen.
Sind Preisänderungsklauseln im Sondervertrag unwirksam, so waren auch alle darauf gestützten einseitigen Preisänderungen unwirksam. Es gilt also der bei Vertragsabschluss vereinbarte Erdgas- Sonderpreis (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 - 2 HK.O 95/08].
Erfolgte Mehrzahlungen über den vertraglich vereinbarten Preis hinaus begründen einen Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dieser Rückforderungsanspruch unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährung, wobei es für den Beginn der Verjährung auf das subjektive Element der Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit ankommen kann.
Wurde in 1997 ein Sondervertrag abgeschlossen, könnte demnach auch weiter der dabei vertraglich vereinbarte Preis gegolten haben. Alle darüber hinausgehenden Mehrzahlungen können einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und Schadensersatz aus culpa in contrahendo, mithin auf Rückzahlung, begründen.
Dieser Rückzahlungsanspruch, der bereits jeweils mit der - konkret zu errechenden - Zuvielzahlung entstanden war, unterliegt der Verjährung, für deren Beginn es auf die Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit ankommen kann.
Kenntnis haben die Kunden oft erst durch Pressemitteilungen der Versorger selbst. Zuvor hatten ihnen die Versorger oftmals sogar mitgeteilt, dass die Forderungen zu recht bestünden. Die Kunden konnten deshalb zuvor selbst gar keine Kenntnis von der teilweisen Rechtsgrundlosigkeit ihrer Zahlungen haben. Oftmals buchten die Versorger auch rechtsgrundlos Beträge von den Bankkonten der Kunden ab.
Demnach kann im konkreten Fall ein weitergehender Anspruch als nur für die letzten drei Jahre bestehen, der sich zudem nicht erst aus der Differenz zu den vor drei Jahren geltenden Preisen ergibt.
Nun beginnt das große Rechnen, zum Beispiel hier.
--- Zitat ---Ich erkläre der Dame, dass die Preisänderungsklausel in meinem Vertrag zwar nicht Wort für Wort identisch sei, sich für mich aber eigentlich sinngemäß genau so anhört. Und deshalb möchte ich gerne wissen, wie ich meine Ansprüche genau formulieren muss. Inzwischen hat die Frau eine eigene Kopie unseres Zeitungsartikels neben sich liegen.
Schließlich bekomme ich erklärt, wie es geht: „Sie müssen der Aggerenergie schriftlich mitteilen, dass Sie Geld zurück haben wollen.“ Kein Problem, denke ich mir, doch dann kommt der Nachsatz: „Und Sie müssen auch selbst ausrechnen, wie viel Sie von uns zurückhaben wollen.“ Wie soll das denn genau gehen?
Das frage ich auch die Mitarbeiterin der Aggerenergie im Gummersbacher Beratungszentrum, wo ich eine halbe Stunde später Rat in derselben Sache einhole. Die Mitarbeiterin rät mir, die Erdgasrechnungen der letzten drei Jahre zur Hand zu nehmen. „Für eine Rückforderung kommen ja ohnehin nur die letzten drei Jahre in Betracht“, ist sie offenbar gut informiert. Also brauche ich die Unterlagen von 2006, 2007 und 2008. Ausgehend vom Arbeitspreis, der 2006 gegolten habe, könnte ich dann ausrechnen, was ich unter Umständen zu viel bezahlt hätte.
--- Ende Zitat ---
Wer so rechnet, fordert möglicherweise zuwenig zurück.
Wer möglichst weit zurück Geld zurückfordern will, darf nicht behaupten, dass er es ja schon lange gewusst habe...
Wer es schon immer gewusst hat, bekommt gleich gar nichts zurück, § 814 BGB.
Aggerenergie möchte nicht mit allen 45.000 Kunden einzeln darüber sprechen. Regionalgas wohl auch nicht mit allen 60.000 betroffenen Kunden.
Ein Dialog scheint nicht machbar. Die Versorger geben sich, mit dem geltenden Recht konfrontiert, oft zugeknöpft und sprachlos. Der Regionalgas- Geschäftsführer kündigte wohl gar öffentlich an, den ganzen Laden einfach \"dichtmachen\" zu wollen, wenn Kunden mit Forderungen kommen.
WattWurm:
Danke, Herr Fricke, dass Sie sich so schnell, ausführlich und übersichtlich des Themas angenommen haben.
Grüße vom WattWurm
antischorn:
Vielen Dank Herr Fricke für den ausführlichen Beitrag!
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Dieser Rückzahlungsanspruch, der bereits jeweils mit der - konkret zu errechenden - Zuvielzahlung entstanden war, unterliegt der Verjährung, für deren Beginn es auf die Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit ankommen kann.
Kenntnis haben die Kunden oft erst durch Pressemitteilungen der Versorger selbst. Zuvor hatten ihnen die Versorger oftmals sogar mitgeteilt, dass die Forderungen zu recht bestünden. Die Kunden konnten deshalb zuvor selbst gar keine Kenntnis von der teilweisen Rechtsgrundlosigkeit ihrer Zahlungen haben.
--- Ende Zitat ---
Das ist falsch. Der Verjährungsbeginn knüpft an die Tatsachenkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände an. Es ist für den Verjährungsbeginn dagegen nicht maßgeblich, ob der Gläubiger aus den Tatsachen die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht (Palandt, BGB, zu § 199, Rdn. 26)
Tatsachenkenntnis ist Kenntnis der Klausel selber. Die Kenntnis davon, dass eine Preisanpassungsklausel rechtlich unwirksam ist, ist aber keine Tatsachenkenntnis sondern eine rechtliche Schlussfolgerung.
Vergl. BGH, 29.01.2008, XI ZR 160/07 in NJW 2008, 1729 (1732) zur Verjährung bei Unkenntnis von der Unwirksamkeit eines Kaufvertrages.
--- Zitat --- Ein Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch verfolgt, hat Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung und vom Fehlen des Rechtsgrundes, d. h. von den Tatsachen, aus denen dessen Fehlen folgt, weiß (Staudinger/ Frank Peters, BGB Neubearb. 2004 § 199 Rdn. 46). Dies war hier der Fall. Der Kläger wusste seit dem 30. März 2001, dass die Hauptschuldnerin durch die Überweisung vom selben Tag, also durch seine Leistung, die Klagesumme erlangt hatte. Er kannte auch die Tatsachen, aus denen sich die Formunwirksamkeit des auf den 14. Oktober 2000 datierten Kaufvertrages ergab. Dass er hieraus auch den Schluss auf die Unwirksamkeit des Vertrages und das Fehlen des Rechtsgrundes gezogen hat, ist für die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände nicht erforderlich (MünchKomm/ Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 25).
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft:
@Black
Für den Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB anspruchsbegründend ist zweifelsohne die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung. Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes hat man in Fällen wie den hier zur Diskussion stehenden aber erst, wenn man Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel hat.
Was die anspruchsbegründenden Tatsachen für einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo sind, liegt auch auf der Hand. Der Kunde muss unter weiteren Voraussetzungen durch die Verwendung einer unangemessen benachteiligenden AGB- Klausel (Preisänderungsklausel) beim Vertragsabschluss und durch deren spätere Anwendung einen Schaden erlitten haben.
Auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kommt es für den Verjährungsbeginn an.
Ich fasse Ihr Zitat mal etwas weiter (Rn. 26)
--- Zitat ---
Das Berufungsgericht hat auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. (vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, WM 2007, 639, 641 Tz. 23 ff. für BGHZ 171, 1 vorgesehen) rechtsfehlerfrei bejaht.
Der Kläger hatte seit dem 30. März 2001 Kenntnis von den die Bürgschaftsforderung und den gesicherten Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners. Ein Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch verfolgt, hat Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung und vom Fehlen des Rechtsgrundes, d.h. von den Tatsachen, aus denen dessen Fehlen folgt, weiß (Staudinger/Frank Peters, BGB Neubearb. 2004 § 199 Rdn. 46).
Dies war hier der Fall. Der Kläger wusste seit dem 30. März 2001, dass die Hauptschuldnerin durch die Überweisung vom selben Tag, also durch seine Leistung, die Klagesumme erlangt hatte. Er kannte auch die Tatsachen, aus denen sich die Formunwirksamkeit des auf den 14. Oktober 2000 datierten Kaufvertrages ergab. Dass er hieraus auch den Schluss auf die Unwirksamkeit des Vertrages und das Fehlen des Rechtsgrundes gezogen hat, ist für die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände nicht erforderlich (MünchKomm/Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 25). Die etwaige Unkenntnis des Klägers von der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung beruhte im Übrigen, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, auf grober Fahrlässigkeit.
--- Ende Zitat ---
An die Stelle der im betreffenden Fall maßgeblichen Kenntnis von der Formunwirksamkeit eines Vertrages, tritt für die hier diskutierten Fälle die maßgebliche Kenntnis von der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel.
Ich erlaube mir einmal mehr, Ihnen das Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.11.2008 nahezulegen.
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