Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen

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RR-E-ft:
Die Frage ist, ob die deutsche Richterschaft tatsächlich nur an ihre Karriere denkt oder sich aber als unabhängiger kritischer Bewahrer des geltenden Rechts versteht, so wie es im Grundgesetz vorgesehen ist.  

Wohin führen wohl unkritische, karriereorientierte deutsche Richter und Juristen, die das Recht vergessen?!

Ein Klassiker.

Ich teile Ihre Einschätzung über die heutige deutsche Richterschaft nicht.
Wer einen eigenen Kopf zum Denken mitbekommen hat, benutzt ihn in der Regel auch.

Aber gewiss ist es am Kunden, vorzutragen, dass die zur Abrechnung gestellten und geleisteten Entgelte weder bei Vertragsabschluss noch später vertraglich vereinbart wurden und dafür auch auf die Entscheidung BGH VIII ZR 199/04 ausdrücklich hinzuweisen und diese in die eigene Argumentation einzubeziehen. Das mag hie und da bisher verabsäumt worden sein. Und ich möchte auch nicht ausschließen, dass die merkwürdige Konstruktion des 8. Zivilsenats auf reiner Rechtsvergessenheit beruht. Ich halte dies sogar für überwiegend wahrscheinlich. Weit weniger wahrscheinlich - und für einen Juristen fast undenkbar - erscheint, dass sich der Senat bewusst über das geltende Allgemeine Schuldrecht hinweggesetzt hat. Wer letzteres behaupten wollte, der sollte es auch beweisen können.

Suspekt ist mir persönlich, wer die Anwendung des geltenden Allgemeinen Schuldrechts als rein theoretische juristische Lehre aus einem angeblichen Elfenbeinturm verdächtig macht. Wer so redet, vergisst seine Ausbildung und will diese wohl vergessen machen.

reblaus:
@Black
Sie können eine Preisbestimmung, die auf einer unwirksamen Vertragsklausel beruht, nicht mit einer fehlerhaften Preisbestimmung nach § 315 BGB vergleichen.

Vergleichbar wären die Fälle nur dann, wenn der Versorger die Preisbestimmung, zu der er durch eine wirksame Vertragsklausel berechtigt war, fehlerhaft vorgenommen hätte. In diesem Falle beziehen sich die von Ihnen angenommenen konkludenten Willenserklärungen nur auf die Festsetzung eines Preises.

Im Falle der unwirksamen Vertragsklausel müssen die Willenserklärungen aber zusätzlich umfassen, dass dem Versorger überhaupt das Recht eingeräumt werden soll, Preise einseitig festsetzen zu dürfen, denn dieses Recht besteht bisher gar nicht. Diese Willenserkärung wollen die Parteien aber mit Sicherheit nicht abgeben, weil sie irrigerweise der Meinung sind, dass ein solches Recht bestehe.

Es ist sicherlich äußerst ratsam, diesen Unterschied intensiv und detailliert auszuarbeiten. Die Erdgaspreise in den 90er Jahren lagen unter 2,5 ct./kWh. Und die meisten Sonderverträge werden aus den 90er Jahren oer gar früher stammen. Selbst wenn nur die letzten drei Abrechnungen zurückgefordert werden können, könnte dies bei manchem Versorger bis zu einem Jahresumsatz ausmachen, wenn sämtliche Kunden von diesem Recht Gebrauch machen würden. Welcher Richter will für die Insolvenz eines Gasversorgers verantwortlich sein?

Bisher sind mir nur Vertragsklauseln von Banken bekannt, durch deren Unwirksamkeit Kunden massenhaft Rückerstattungsansprüche zugesprochen bekamen. Für Banken sind Gebühren aber nur ein Nebengeschäft.

@RR-E-ft
Die Frage stellt sich, ob der BGH die Preisänderung überhaupt als Angebot angesehen hat, oder ob er das Angebot erst in der Übersendung der Jahresabrechnung sieht, die der Preisbestimmung erst Monate nachfolgt. Soweit der Saldo der Abrechnungen ausgeglichen wird, wirkt dies als deklaratorisches Schuldanerkenntnis (so ständige Rechtsprechung bei Betriebskostenabrechnungen). In BGH Az. XII ZR 35/00 wurde in einer jahrelangen (6x) unbeanstandeten Bezahlung von Nebenkosten, die laut Vertrag nicht umzulegen waren, eine stillschweigende Vertragsänderung angenommen.

RR-E-ft:
@reblaus

Insolvenzgefahr mag die Folge sein, wenn sich unternehmerische Risiken tatsächlich in entsprechendem Umfang realisieren, bisher gebildete Rückstellungen zu gering sind, von den Gesellschaftern auch keine Kapitalerhöhung zu erreichen ist (Nachschuss), Kreditlinien nicht zur Verfügung stehen. Zudem bestehen Regeressansprüche gegen die Rechtsberater. Dafür ist man Unternehmer geworden. Die unternehmerische Betätigung birgt neben unternehmerischen Chancen auch unternehmerische Risiken. Oftmals wurde bewusst die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt. Das hat jedoch mit der Frage, ob entsprechende Ansprüche bestehen, schlicht und ergreifend nichts zu tun. Den Kunden darf das unternehmerische  Risiko unwirksamer Entgeltbestimmungsvorbehalte in den Verträgen gerade nicht übergewälzt werden, vgl. nur BGH VIII ZR 199/04.

Worauf der 8.Senat seine merkwürdige Konstruktion überhaupt stützen will, ist nicht ersichtlich. Das ließ er nämlich (etwa mit Bedacht?) im Dunklen. Hätte er sich der Mühe einer detaillierten Begründung unterzogen, hätte wohl auffällig werden müssen, dass die Auffassung in Anbetracht des geltenden Allgemeinen Schuldrechts nicht haltbar ist.

In der Entscheidung vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 verweist er (immerhin) auf einen angbelichen konkludenten Vertragsabschluss gem. § 2 AVBGasV, obschon nach seiner eigenen Rechtsprechung ein konkludenter Vertragsabschluss gerade dann ausgeschlossen ist, wenn ein Vertragsverhältnis bereits besteht (vgl. nur BGH, B. v. 15.01.2008 - VIII ZR 351/06):



--- Zitat ---Diese Richtung kommt einem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens nur dann nicht zu, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (Senatsurteile vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089, unter II 1 b aa und bb sowie VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63, unter II 1 a und b; Senatsurteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450, unter II 2 a).
--- Ende Zitat ---

Besteht bereits ein Vertragsverhältnis fehlt dem Abnehmer für eine konkludente Neuvereinbarung das Erklärungsbewusstsein, vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Rn. 20:


--- Zitat ---Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an.

Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.
--- Ende Zitat ---

Ein Umstand, der auch der Rechtsvergessenheit anheim gefallen sein mag.

reblaus:
@RR-E-ft
Da bin ich ja ganz bei Ihnen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es einigen Mut erfordert, damit ein Richter diese Konsequenz auch ausspricht.

RR-E-ft:
@reblaus

Es gab in Deutschland gewiss schon Zeiten, wo es von einem Richter weit mehr Mut erforderte, dem geltenden Recht auch Geltung zu verschaffen. Die Richtetr werden dafür ausgebildet und staatlich alimentiert, dass sie ein Rückgrad haben und dieses nicht verbiegen müssen. Besser A. in der Hose als mit dem A. an der Wand.

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