Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen

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vn-mini:
Mich würde interessieren, ob das OLG Koblenz seine Auffassung zur wundersamen Preisvereinbarung durch Schweigen aufrecht erhalten würde auch vor dem Hintergrund,  dass ein hiesiger Gasversorger aus Anlass einer Preisanhebungs-Protestwelle Ende 2005/Anfang 2006 in der örtlichen Presse verbreiten ließ, dass es gleichgültig sei, ob man gegen die Preisanpassung opponiere oder nicht. Derjenige, der sich nicht äußere, verliere dadurch keine Rechte und werde genau so behandelt wie der Protestler.

Black:

--- Zitat ---Original von reblaus
@Black
Sie müssen da aber schon ein Urteil beibringen, bei dem der BGH eine Preisvereinbarung in der vorbehaltlosen Zahlung angenommen hat, bei dem die Parteien davon ausgingen, dass sich der Preis aus einer Klausel ergebe, die sich nachträglich als unwirksam herausgestellt hat. Entweder will der Kunde einen Preis vereinbaren oder aber er glaubt, der Preis sei längst vereinbart, aber wie beides kombiniert werden kann, verstehe ich ehrlich gesagt nicht.
--- Ende Zitat ---

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.06.2007, VIII ZR 36/06 entschieden, dass ein vorbehaltslos gezahlter Preis zum \"vereinbarten Preis\" wird. Diese Entscheidung bezieht sich zwar auf § 315 BGB, aber da sich eine solche Aussage nicht aus § 315 BGB selbst herleiten läßt, müßte auch ein aufgrund von Sondervertragsklauseln gezahlter Preis zum vereinbarten Preis werden.

berghaus:

--- Zitat --- von Black:
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.06.2007, VIII ZR 36/06 entschieden, dass ein vorbehaltslos gezahlter Preis zum \"vereinbarten Preis\" wird.
--- Ende Zitat ---

Könnte es dann aber nicht so sein, daß dieser \'neu vereinbarte Preis\' nur für die Jahresrechnung gilt, die man vorbehaltlos bezahlt, bzw., die man nicht in angemessener Zeit beanstandet hat?

Kommt dann eine neue Jahresrechnung, kann oder könnte man sich doch wieder auf den Vertragspreis (von z.B.1997) berufen.

berghaus

RR-E-ft:
@berghaus

Die Frage ist, ob die Vertragspartner sich nach Vertragsabschluss (nachträglich) auf einen erhöhtes Entgelt geeinigt haben, welche nach dieser vertraglichen Neuvereinbarung dann weiter fortgilt und also vertraglich fortan geschuldet wäre.

Verträge und vertragliche Vereinbarungen kommen durch Angebot und Annahme zustande. Für eine solche vertragliche Neuvereinbarung der Entgelthöhe bedarf es zunächst des Zugangs eines Angebotes eines Vertragsteils und sodann der fristgerechten Annahme durch den anderen Vertragsteil gem. §§ 145 ff. BGB.

Das soll nach der BGH- Rechtsprechung dann nicht der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner davon ausging, zu einseitigen Entgeltänderungen ohne Zustimmung des anderen Vertragsteils berechtigt zu sein und von diersem nur dieses (vermeintliche) einseitige Änderungsrecht ausgeübt wurde, weil darin schon kein Angebot auf Abschluss einer Entgeltneuvereinbarung liegt.

@Black

Die merkwürdige Konstruktion des 8. Zivilsenats ist rechstdogmatisch nicht haltbar, weil eine einseitige unwiderrufliche Willenserklärung, mit welcher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird per se kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB sein kann:

Die Geltung der Bestimmung soll nämlich aus Sicht desjenigen, der das Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausübt, allein davon abhängen, ob die einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, nicht aber davon, ob der andere Vertragsteil die Annahme erklärt. Die einseitige Leistungsbestimmung soll gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB selbst im Falle eines ausdrücklichen Widerspruchs Geltung beanspruchen können (so ausdrücklich der Fall der Entscheidung BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).

Hingegen wird ein Angebot gem. § 145 BGB nicht nur im Falle einer nicht fristgerechten Annahme, sondern erst recht im Falle eines ausdrücklichen Widerspruchs nicht in vertragliche Geltung versetzt.

Eine angebotenen Preisänderung, der ausdrücklich widersprochen wurde, könnte folglich auch dann niemals in vertragliche Geltung erwachsen, selbst wenn sie als einseitige Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspräche. Die Rechtsfolgen eines Angebotes gem. § 145 BGB einerseits und einer unwiderruflichen Erklärung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 Abs. 2 BGB andererseits sind also klar zu unterscheiden, so dass das eine auch nicht in das andere umgedeutet werden kann. Die merkwürdige Konstruktion des 8. Zivilsenats steht offensichtlich im Widerspruch zum geltenden Schuldrecht (Allgemeiner Teil des BGB über Verträge einerseits  und einseitige Leistungsbestimmungsrechte andererseits).

Ein Richter, der dies aufgrund seiner juristischen Ausbildung und Erfahrung erkennt, darf dieser Entscheidung des BGH in diesem Punkt nicht folgen. So habe ich die sehr erfahrene Vorsitzende Richterin am Landgericht Dortmund Frau Marlies Bons-Künsebeck verstanden.

Grob ausgedrückt:

Auch eine institutionalisierte Rechtsbeugung würde eine unzulässige Rechtsbeugung darstellen, wäre dem Richter also bei Strafe verboten.

Black:
Man kann dieses Konstrukt des BGH sicherlich dogmatisch kritisieren, Fakt ist, dass es sich hierbei um Rechtsprechung handelt, die in den unterinstanzlichen Gerichten angenommen und angewendet wird, sich damit also verfestigt.

Wenn man nicht im Elfenbeinturm der theoretischen juristischen Lehre leben möchte, sondern praktische Rechtsstreitigkeiten austragen will, sollte man dies einkalkulieren. Der bewußt vom BGH abweichende Richter dürfte die absolute Ausnahme bleiben und wird selbst dann wohl in der nächsten Instanz aufgehoben werden.

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