Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
reblaus:
Es geht nicht um Bereicherungsrecht in dieser Frage.
Die Kernfrage ist, ob dem Verbraucher bei der Zustimmung ein unbeachtlicher Motivirrtum unterlaufen ist. Dies wäre der Fall, wenn er eine abstrakte Preisvereinbarung getroffen hätte. Dann ist es irrelevant aus welchen Gründen er seine Zustimmung erteilt hat, und ob er über alle rechtlichen Umstände informiert war.
Eine abstrakte Preisvereinbarung kommt aber nach meiner Ansicht nicht in Frage.
Würde abstrakt ein neuer Preis vereinbart, wäre sofort die Frage zu stellen, warum? Es gibt schließlich ein vertragliches einseitiges Preisanpassungsrecht des Versorgers. Wird von diesem Recht abgewichen, beinhaltet dies, dass dieses Recht aufgegeben werden soll. So hat der Versorger die Gasentnahme des Kunden aber nicht verstanden, da er bei der nächsten Preiserhöhung von diesem Recht wieder Gebrauch macht.
Daher kann kein abstrakter Preis vereinbart sondern lediglich eine Vereinbarung darüber getroffen worden sein, dass die einseitige Preisfestsetzung des Versorgers in vertraglicher Weise vorgenommen wurde, und dieser Preis zum Vertragspreis werden soll. In diesem Fall wirkt sich der Irrtum über die Vertragsgrundlage direkt auf den vereinbarten Preis aus. Es gibt ihn nämlich gar nicht, und über nicht existente Dinge können keine Vereinbarungen getroffen werden.
Gas-Rebell:
--- Zitat ---Original von reblaus
Es geht nicht um Bereicherungsrecht in dieser Frage.
Die Kernfrage ist, ob dem Verbraucher bei der Zustimmung ein unbeachtlicher Motivirrtum unterlaufen ist.
--- Ende Zitat ---
Da tun sich für mich folgende Fragen auf:
1. Aus welchen Gründen ist das Bereicherungsrecht hier subsidiär zur Frage eines evtl. Motivirrtums zu sehen?
2. Kann die Nichtbeanstandung einer Rechnung mit erhöhten Preisen unter Weiterbezug von Gas überhaupt irgendeinen schlüssigen Erklärungsgehalt im Sinne von Zustimmung haben? (Stichworte: Angebot, Annahme, Erklärungsbewusstsein)
3. Als gesetzlich geregelte Ausnahme zur Unbeachtlichkeit des Motivirrtums wird ein Irrtum über wesentliche Eigenschaften angesehen. Gehen beide Parteien bei ihren Handlungen nicht davon aus, dass eine wesentliche Eigenschaft des Erhöhungsverlangens in dessen Rechtmäßigkeit besteht? Zum Beispiel auf Basis einer vermeintlich gültigen, jedoch sich im Nachhinein als unwirksam herausstellenden Preisanpassungsklausel?
4. Gab es da nicht auch mal (ich glaube in BGH X ZR 60/04) den Gedanken, dass Zahlungen auf Verbrauchsabrechnungen immanent unter einem konkludenten Vorbehalt erfolgen?
--- Zitat ---Würde abstrakt ein neuer Preis vereinbart, wäre sofort die Frage zu stellen, warum? Es gibt schließlich ein vertragliches einseitiges Preisanpassungsrecht des Versorgers. Wird von diesem Recht abgewichen, beinhaltet dies, dass dieses Recht aufgegeben werden soll. So hat der Versorger die Gasentnahme des Kunden aber nicht verstanden, da er bei der nächsten Preiserhöhung von diesem Recht wieder Gebrauch macht. .... Daher kann kein abstrakter Preis vereinbart sondern lediglich eine Vereinbarung darüber getroffen worden sein, dass die einseitige Preisfestsetzung des Versorgers in vertraglicher Weise vorgenommen wurde, und dieser Preis zum Vertragspreis werden soll.
--- Ende Zitat ---
Das verstehe ich nicht. Ich dachte, der Versorger habe aufgrund der unwirksamen Klausel gerade KEIN vertragliches Preisanpassungsrecht?
reblaus:
Das Bereicherungsrecht ist bei diesem Rechtsproblem nicht subsidiär sondern nicht einschlägig. Hier geht es um die Frage, ob und wenn ja wie ein Vertrag geändert wurde. Das Bereicherungsrecht ist nur anzuwenden, wenn klar ist, dass es keinen Rechtsgrund gab.
Eine Erfüllungshandlung kann nur im Rahmen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses eine Erklärung beinhalten. Dies nur dann, wenn Streit über die zu erfüllende Leistung besteht, oder zumindest eine beiden Seiten bekannte Ungewissheit vorliegt. Dann sagt der Erfüllende, dass er mit der Erfüllung diesen Streit beilegen oder die Ungewissheit beseitigen möchte. In der Einforderung der Leistung liegt das Angebot. Aufgrund von § 2 GasGVV überträgt der BGH diese Rechtsprechung bezüglich einer solchen Erfüllungshandlung auch auf Grundversorgungsverträge.
Der BGH hat entschieden, dass \"der zuvor einseitig erhöhte Preis\" zum Vertragspreis wird. Aufgrund der Einschränkungen bei der Auslegung von Erfüllungshandlungen ist dies nur dahingehend zu verstehen, dass der vereinbarte Preis die wesentliche Eigenschaft haben muss, zuvor einseitig erhöht worden zu sein. Es ist schließlich der Kern der Vereinbarung, dass die einseitige Preiserhöhung akzeptiert wird. Der BGH wiederholt diese Voraussetzungen im übrigen in drei Entscheidungen viermal. Diese wesentliche Eigenschaft ist auch deshalb erforderlich, weil ansonsten die Preisvereinbarung in der Grundversorgung dazu führen würde, dass das gesetzliche Preisanpassungsrecht nicht mehr angewendet würde. Mit der erstmaligen Vereinbarung eines abstrakten Preises würden die Parteien das bisherige Grundversorgungsverhältnis in ein Sondervertragsverhältnis umwandeln, weil sie vom gesetzlichen Preisänderungsrecht abweichen würden.
Zum Zeitpunkt der beabsichtigten Preisvereinbarung gehen beide Seiten davon aus, dass ein vertragliches Preisanpassungsrecht besteht. Diese Fehlinformation muss bei der Auslegung ihrer Willenserklärung berücksichtigt werden.
Christian Guhl:
--- Zitat ---Original von Gas-RebellIch dachte, der Versorger habe aufgrund der unwirksamen Klausel gerade KEIN vertragliches Preisanpassungsrecht?
--- Ende Zitat ---
Das sehen die Versorger anders. Vor einigen Stunden konnte man beim LG Hamburg einen ellenlangen Vortrag von Herrn Dr.Tüngler anhören, in dem doch tatsächlich behauptet wurde, auch bei unwirksamer Preisanpassungsklausel könnten die Versorger zumindest die gestiegenen Beschaffungskosten an die Kunden weitergeben. :rolleyes:
Gas-Rebell:
@ Christian Guhl
Sie meinen wahrscheinlich den Dr. Stefan Tüngler von Freshfields Bruckhaus Deringer. Welches Verfahren wurde da am LG verhandelt? Und was war die Begründung für seine Ansicht?
@ reblaus
Was bedeutet das nun summarisch in Bezug auf Streitigkeiten um Sonderverträge mit unwirksamer Preisanpassungsklausel?
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln