Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen

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RR-E-ft:
Man könnte meinen, dass LG Dresden habe nicht die BGH- Rechtsprechung beachtet, wonach ein Schreiben mit welchem ein (vermeintlich bestehendes) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt wird kein auf Annahme gerichtetes Angebot sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 199/04):


--- Zitat ---Aus der Sicht eines verständigen Mieters hat die Beklagte durch ihre Schreiben, in denen sie die zukünftig zu zahlende Miete festlegte, erkennbar auf der Grundlage der - unwirksamen - vertraglichen Regelung ihr einseitiges Bestimmungsrecht ausüben wollen. Hierin lag daher, vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend, kein Angebot zum Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung. Es war für sie bereits nicht ersichtlich, daß es ihnen frei stand, der Mieterhöhung zuzustimmen oder es auf ein etwaiges Mieterhöhungsverfahren ankommen zu lassen. Die Rechtslage mußte sich ihnen vielmehr so darstellen, als seien sie schon aufgrund der einseitigen Erklärung der Beklagten zur Zahlung verpflichtet. Deshalb durfte die Beklagte auch der Zahlung der erhöhten Miete keine Erklärungsbedeutung beimessen, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum rechtsfehlerfrei angenommen hat
--- Ende Zitat ---

Es ist gewiss rein gar nichts dafür ersichtlich, dass Sondervertragskunden von Energieversorgungsunternehmen eine andere verständige Sicht hätten als andere Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen, etwa Mieter. Dies gilt wohl umso mehr, wo der betroffene Kunde des Energieversorgers auch Mieter ist. Sollte dessen verständige Sicht nämlich insoweit auseinderfallen, hätte er wohl eine Bewusstseinsspaltung (Schizophrenie) zu besorgen.

Man könnte weiter meinen, dass LG Dresden habe nicht die Rechtsprechung des BGH beachtet, wonach dem Schweigen des Kunden und seinem unverändert fortgesetzten Energiebezug dann, wenn bereits ein Vertragsverhältnis besteht, kein Erklärungsgehalt beigmessen werden kann und darf.

BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Tz. 20:


--- Zitat ---Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312;
BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an.

Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden.

Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.
--- Ende Zitat ---

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Man könnte meinen, dass LG Dresden habe nicht die BGH- Rechtsprechung beachtet, wonach ein Schreiben mit welchem ein (vermeintlich bestehendes) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt wird kein auf Annahme gerichtetes Angebot sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 199/04)
--- Ende Zitat ---

Das LG Dresden erklärt ausführlich, dass es die Rechtsprechung des BGH im Tarifkundenbereich (Hinnahme von Preisanpassungen = neue Preisvereinbarung) auf Sonderverträge übertragbar hält.


--- Zitat ---Original von LG Dresden
Diese Ausführungen [des BGH] beruhen nicht auf den Besonderheiten eines Gaslieferungsvertrages zu den allgemeinen Tarifen, sondern auf den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung - konkludenter - Willenserklärungen.
--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
@Black

Vom Pferde aufzäumen:

Konkludent erfolgen konnte allenfalls eine Annahmeerklärung gem. § 151 BGB.

Voraussetzung für eine Annahme (auch konkludent) ist jedoch zunächst ein wirksames Angebot.

Und dazu sagt der BGH in der Entscheidung vom 20.07.2005 - VIII ZR 199/04 zutreffend, dass ein Schreiben, mit welchem ein (vermeintlich bestehendes) einseitiges Entgeltneufetsetzungsrecht ausgeübt wird, nicht als Antrag auf Entgeltneuvereinbarung angesehen werden kann und darf.

Eine Willenserklärung mit welcher ein (vermeintliches) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, kann denknotwendig kein Antrag auf Neuvereinbarung gem. § 145 BGB sein.   Wo es aber schon an einem solchen Antrag gem. § 145 BGB  fehlt, stellt sich nicht erst die Frage nach dessen (konkludenter) Annahme.

Black:
Sie stellen ja bekanntermaßen die BGH Rechtsprechung zur Neuvereinbarung des Lieferpreises bei unbeanstandeter Hinnahme von Preisanpassungen in Frage.

Die zunehmende Zahl von unterinstanzlichen Gerichten, die diese BGH Entscheidung zu Tarifkundenverträgen ihrer eigenen ntscheidung zgrunde legt und auf Sonderkundenverträge überträgt tut dies nicht. Insoweit bleibt unverständlich warum Sie einerseits kritisieren, diese Gerichte würden die BGH Rechtsprechung zur Erhöhung des Wohnraummietzinses (!) ignorieren und andererseits die speziellere BGH Rechtsprechung zur Energiepreisanpassung selbst ablehnen.

Falls es Sie beruhigt, gibt es ja auch Gerichte, die eine Verwirkung statt eine vertragliche Vereinbarung annehmen (LG Hannover, Urteil vom 28.10.2008, Az: 21 O 104/06). Das Ergebnis - Ausschluss der Rückzahlung -ist freilich das Gleiche.

Dogmatisch gesehen habe ich auch kein Problem, die Ankündigung einer Preisanpassung als Erklärung des EVU mit dem Inhalt \"ab Datum XY wollen wir nur noch zu Preis XY liefern\" zu erkennen.

RR-E-ft:
@Black


--- Zitat ---Original von Black
Dogmatisch gesehen habe ich auch kein Problem, die Ankündigung einer Preisanpassung als Erklärung des EVU mit dem Inhalt \"ab Datum XY wollen wir nur noch zu Preis XY liefern\" zu erkennen.
--- Ende Zitat ---

Sie scheinen sich wohl sowieso recht wenig durch rechtsdogmatische Skrupel auszuzeichnen.

Und dass soll dann ein Antrag auf einvernehmliche Entgeltneuvereinbarung sein?

Ein Lieferant, der sich mit einer solchen Absicht trägt, muss sich erst der bestehenden vertraglichen Verbindlichkeit entledigen, indem er den bestehenden Vertrag kündigt, wenn eine Kündigung durch ihn zulässig ist. Andernfalls ist er an den bestehenden Vertrag weiter gebunden. Es geht nicht darum, was der Lieferant will oder wünscht, sondern was er kraft vertraglicher Vereinbarung dem Kunden schuldet, nämlich die Belieferung zu dem vereinbarten Preis, der nicht einseitig abänderbar ist.

Oder soll der Kunde etwa selbst schreiben, \"Ab Datum XY wollen wir nur noch zu Preis XY Gas beziehen.\" und dieser vom Kunden genannte, für den Kunden sehr vorteilhafte  Wunsch-  Preis gilt dann als vereinbart, wenn der Lieferant ohne Widerspruch weiter Gas liefert, wenn nicht schon zuvor eine konkludente Annahme nach HGB erfolgte?

Bitte Urteilsbegründung OLG Hamm vom 29.05.2009 lesen!

Das OLG Hamm beantwortet die Fragen m. E. fundiert und zutreffend. Lediglich an der Stelle, wo es dazu neigt, eine Preisanpassungsklausel für zulässig zu halten, ist dem zu widersprechen, da auch die betroffene Klausel eine nachträgliche Erhöhung des Gewinnanteils am Vertragspreis ermöglichts und deshalb eine unangemessene Benachteiligung der Kunden darstellt.

Die Entscheidung des OLG Hamm zeichnet sich dadurch aus, dass sie der verständigen Sicht auch  des durchschnittlichen Verbrauchers die o. g. Schizophrenie erspart.

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