Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
reblaus:
@Black
--- Zitat ---Original von Black Das LG Dresden erklärt ausführlich, dass es die Rechtsprechung des BGH im Tarifkundenbereich (Hinnahme von Preisanpassungen = neue Preisvereinbarung) auf Sonderverträge übertragbar hält.
--- Ende Zitat ---
Wenn das LG Dresden das so erklärt, dann muss es das so auch ausführen. Es hat jedoch nicht die Rechtsprechung des BGH übertragen, sondern nur das Ergebnis dieser Rechtsprechung. Der BGH hat nämlich folgendes entschieden.
--- Zitat ---BGH Urt. v. 13.06.07 Az. VIII 36/06, Tz. 36 Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.
--- Ende Zitat ---
Unbestreitbar sieht der BGH in der Jahresabrechnung das Angebot zur Preisänderung. Das LG Dresden geht aber, wie von RR-E-ft detailliert dargelegt wurde, fehlerhaft davon aus, dass nicht die Jahresabrechnung das Angebot darstellt, sondern dieses bereits in der Bekanntgabe der einseitigen Preiserhöhung zu sehen sei. Dies widerspricht der Auffassung des BGH.
RR-E-ft:
@reblaus
Zwar eine Nuance, aber auch diese Auffassung des VIII. Zivilsenats halte ich für äußerst fragwürdig, worauf Black zutreffend hinweist.
Lediglich der erstmalige Vertragsabschluss kann gem. § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV konkludent zustande kommen.Das betrifft jedoch auch ausschließlich nur die Tarifkundenbelieferung/ Grundversorgung, nicht aber Sonderverträge.
Besteht bereits ein Vertragsverhältnis, so soll doch - zutreffend- selbst ein Schweigen des Kunden auf ein Versorgerschreiben und der Weiterbezug von Energie keinerlei Erklärungsgehalt beigemessen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Tz. 20). Ich bin nach wie vor mit dem Kartellsenat des BGH davon überzeugt, dass § 4 AVBGasV ein Tarifbestimmungsrecht enthält und der Allgemeine Tarif gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist, nur bei Sonderverträgen ein vereinbarter Preis besteht, deshalb entgegen dem VIII.Zivilsenat des BGH nicht allein die Änderung einer Billigkeitskontrolle unterliegt.
Besteht allerdings bereits ein Vertrag, führt eine Vertragsdurchführung nicht zur Änderung dieses Vertrages.
Bei Sonderverträgen gilt aufgrund fehlender anderweitiger gesetzlicher Regelungen (wie § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV) das allgemeine Vertragsrecht, wonach der Grundsatz gilt, dass Schweigen so wie die widerspruchslose Hinnahme und sogar Begleichung von Rechnungen kein darüber hinausgehender Erklärungswille zu entnehmen ist (BGH NJW-RR 2007, 530; OLG Hamm 29.05.2009).
Die gegenteile Auffassung (LG Dresden/ Black und andere Freunde des Gaswerks) verkennt, dass Sonderverträge außerhalb der Tarifkunden-/ Grundversorgung gesetzlich überhaupt nicht geregelt waren und geregelt sind, wenn man mal von § 41 EnWG absieht. Insbesondere aus § 310 Abs. 2 BGB ergibt sich nichts anderes, als diese Regelung sich allein auf die Inhaltskontrolle von AGB- Klauseln in Energielieferungeverträgen bezieht.
reblaus:
@RR-E-ft
Im Ergebnis stimme ich mit Ihnen überein, dass der vom VIII Zivilsenat geschaffene Sockelpreis so einfach nicht umzusetzen ist, wie man sich das gedacht haben mag. Vielleicht ist dies der Grund warum der BGH nicht einfach klipp und klar erklärt hat, welche Tatbestandsvoraussetzungen wie zu subsumieren sind, damit ein solcher Sockelpreis vereinbart wurde.
In jedem Fall haben wir jetzt eine Flut von Urteilen, bei denen sich jedes Gericht in Ermangelung konkreter Handlungsanweisungen seinen eigenen Reim aus dem unergründlichen Ratschluss des BGH macht. Insoweit fühle ich mich mit meiner persönlichen Theorie mit dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis in diesem Umfeld durchaus wohl. Fälscher als der Blödsinn den das LG Dresden verzapft hat, kann meine Idee auch nicht sein. Es scheint wenigstens so, dass diese Frage demnächst höchstrichterlich entschieden wird.
Die Frage was eigentlich mit dem Sockelpreis passiert, wenn der Versorger innerhalb der \"angemessenen\" Widerspruchsfrist seine Preise erneut erhöht, und wie lange diese Frist überhaupt anzusetzen ist, wurde gerichtlicherseits noch überhaupt nicht thematisiert.
Wird die Idee mit dem Sockelpreis konsequent weiter gedacht, so zwingt sie den Versorger seine Kostensteigerungen unverzüglich weiterzugeben, weil eine verzögerte Weitergabe gegenüber nach der Erhöhung hinzu gekommenen Neukunden unbillig wäre. Eine Vorwegnahme bereits absehbarer aber später erfolgender Preiserhöhungen ist wegen der Benachteiligung abwandernder Kunden nicht möglich. Im Ergebnis enspricht nur die zeitgleiche Weitergabe von Bezugskosten an die Endkunden der Billigkeit.
Wenn der BGH gemeint hat, solange er seine Idee im Ungefähren lässt, würden die Verbraucher schon klein beigeben und die befürchtete Klageflut ausbleiben, so hat er sich gründlich getäuscht. Die schwammigen Ausführungen machen aus einer Flut einen Klagetsunami.
RR-E-ft:
@reblaus
Fakt ist, dass eine vertragliche Preisvereinbarung einserseits und ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht andererseits als gleichberechtigte Alternativen für einen Vertragsabschluss zur Verfügung stehen und sich denknotwendig gegenseitig ausschließen (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).
Eine künstliche Aufspaltung in einen vereinbarten Ausgangspreis und einen einseitig bestimmten Folgepreis führt - jedenfalls in Konstellationen Allgemeiner Tarife - nach zutreffender Feststellung des Kartellsenats des BGH immer zu willkürlichen Zufallsergebnissen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 9 ff.). Für diesen zutreffenden Befund ist es vollkommen ohne Belang, ob das einseitige Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB nun vertraglich vereinbart wurde oder sich aber aus einem Gesetz ergibt.
Der Fehler hat sich in der Entscheidung vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 \"eingeschlichen\", wo der Senat nicht sauber zwischen einem dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht unterliegenden Allgemeinen Tarifpreis und einem demgegenüber vertraglich vereinbarten Sondervertragspreis unterschieden hatte. Diese Rechtsprechung, wurde brachial konsequent fortgesetzt (Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 und Urt. v. 19.11.2008 VIII ZR 138/07), auch wenn es immer weiter in eine falsche Richtung ging.
Spätestens bei der nun zu entscheidenden Frage der Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel wird dies offenbar.
Der Kartellsenat des BGH sieht - zutreffend - eine unangemessene Benachteiligung bereits dann, wenn im Sondervertrag eine AGB- Preisänderungsklausel keine Verpflichtung zur Preissenkung bei rückläufigen Kosten vorsieht, weil auch gegenüber Tarifkunden eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung besteht (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26).
In der mündlichen Verhandlung vor dem VIII. Senat am 17.06.2009 berief sich der Vertreter des Gasversorgungsunternehmens zur Rechtfertigung der inkriminierten Klausel, die keine solche Verpflichtung enthält, bezeichnenderweise darauf, dies hätte eine Besserstellung der Sondervertragskunden zur Folge, schließlich seien nach der Rechtsprechung dieses Senats doch mit den Tarifkunden die Preise zumeist (konkludent) vereinbart, so dass sie keiner Billigkeitskontrolle mehr unterlägen, folglich von Tarifkunden unter Berufung auf § 315 BGB auch keine nachträgliche Preissenkung verlangt werden könnten..., was freilich mit der Entscheidung des Kartellsenats des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26 unvereinbar erscheint.
--- Zitat ---Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,
--- Ende Zitat ---
So blind kann gar niemand sein, um diesen eklatanten Wertungswiderspruch nicht zu erkennen. Es scheint wohl so, als ließe die Branche nun mit Chuzpe den Senat quasi am Nasenring durch die Arena führen.
reblaus:
--- Zitat ---AG Dannenberg Teil-Urt. v. 18.08.2009 Az. 31 C 202/09
III.
Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Maßgeblich abzustellen ist gem. § 199 I Nr. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Klägerin. Diese erfolgte hier mit Veröffentlichung in der EJZ im Jahre 2008. In dem Jahr begann die 3-jährige Verjährungszeit zu laufen, die noch nicht abgelaufen ist. Die Klägerin musste nicht zu einem früheren Zeitpunkt subsumieren, dass die Abrechnungen fehlerhaft gewesen sind, da dies nicht ohne weiteres erkennbar war.
--- Ende Zitat ---
Interessant ist, dass das Gericht nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung der unwirksamen Klausel sondern auf die Kenntniserlangung der fehlerhaften Abrechnungen abstellt. Dadurch hängt die Verjährung nicht von der Kenntnis des Wortlauts der Klausel sondern von der Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung ab. Das hat zur Folge, dass die Rückforderungsansprüche der letzten zehn Jahre nicht verjährt sind.
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