Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verträge ohne Kündigungsregelung
ESG-Rebell:
--- Zitat ---Original von reblaus
Wenn er den bisher angebotenen Vertrag aus seinem Vertriebsprogramm nimmt, weil z. B. die Preisanpassungsklausel unwirksam ist, so liegt in der Kündigung dieser Verträge kein Rechtsmissbrauch.
--- Ende Zitat ---
So verhält es sich wohl bei der Erdgas Südwest GmbH. Meines Wissens wurden vielen, wenn nicht allen Sondervertragskunden gekündigt.
Die ehemaligen Tarife PG1 und PG2 (später SG1 und SG2) werden nicht mehr angeboten. Die Sondertarife heißen nun \"natürlichgas XXX\". Für die in die Grundversorgung gekündigten Kunden hat die ESG zeitgleich einen Allgemeinen Tarif \"Heizgas\" eingeführt, dessen Entgelt rund 130% des günstigsten Sondertarifs beträgt.
Somit dürften sich die ESG-Rebellen zumindest inzwischen tatsächlich in der Grundversorgung befinden.
Im Streitfall wird die ESG daher folglich auf Zahlung des vollen Allgemeinen Tarifs klagen; auch und insbesondere wenn der Kunde bereits vor der Änderungskündigung die Entgelte aus dem Sondervertrag nicht oder nur teilweise gezahlt hatte. Der zum Zeitpunkt der Kündigung verlangte Allgemeine Tarif soll dann wohl alleine deshalb als konkludent vereinbart gelten, weil der Kunde weiter Erdgas bezogen hat, ohne den angebotenen Sondervertrag angenommen zu haben.
Gruss,
ESG-Rebell.
reblaus:
Gegen die Ansprüche auf Zahlung des Grundversorgungstarifs werden sich die Kunden wohl nur schwer wehren können. Allerdings steht ihnen offen, diese Forderung mit ihrer Gegenforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung zu verrechnen. Hier sehe ich nach wie vor sehr gute Chancen, dass alle Beträge, die innerhalb der letzten 10 Jahre über den ursprünglich vereinbarten Vertragspreis hinaus bezahlt wurden, zurückgefordert werden können.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von reblaus
Gegen die Ansprüche auf Zahlung des Grundversorgungstarifs werden sich die Kunden wohl nur schwer wehren können.
--- Ende Zitat ---
Der Kunde kann wohl vor Beginn der Grundversorgung bereits die Allgemeinen Preise der Grund- und Ersatzversorgung gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV als unbillig rügen.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26
Die Vorschrift [§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV] bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07 Tz. 28
Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, wie oben bereits ausgeführt, weiter, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. April 2009, aaO, Tz. 25).
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 56/08 Tz. 20
Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.
--- Ende Zitat ---
Dazu besteht bereits eine kontroverse Diskussion an anderen Stellen im Forum, die hier nicht neu aufgemacht werden braucht und soll.
Diese Möglichkeit besteht - möglicherweise eingeschränkt - jedenfalls auch nach Abschluss des Grundversorgungsvertrages.
--- Zitat ---LG Dortmund, Urt. v. 20.08.2009
Ein fälliger Zahlungsanspruch der Klägerin auf Zahlung restlichen Kaufpreises für die erbrachte Lieferung von Gas kommt in beiden Fällen nur in Betracht, wenn die Klägerin bei Ausübung eines gesetzlich normierten oder vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes die Bestimmung gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen getroffen hat. Dafür darlegungs- und beweisverpflichtet ist die Klägerin, da ihr ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zukommt. Dies gilt auch für Preisänderungen ab dem 01.03.2007. Auch insoweit ist die Vorschrift des § 315 BGB anzuwenden. Eine konkludente Vereinbarung der geänderten Preise durch Entnahme der Energie in Kenntnis der Preisänderungen und trotz unentgeltlicher Wechselmöglichkeit liegt nicht vor. Angesichts der fortlaufend erfolgten Zahlungskürzungen des Beklagten ist die unveränderte Energieentnahme durch den Beklagten aus Sicht der Klägerin keineswegs als Annahme eines Angebots auf Änderung des Preises zu sehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Neuregelung des § 5 Abs. 3 GasGGV geboten. Die Regelung begründet für den Kunden das Recht, bei einseitiger Preiserhöhung den Vertrag zu kündigen. Eine Pflicht zur Kündigung ergibt sich für ihn hieraus nicht.
--- Ende Zitat ---
Verloren hat dabei wohl nur, wer ohne Widerspruch und ohne Vorbehalt auf Verbrauchsabrechnungen des Grundversorgers vollständige Zahlungen geleistet hat.
--- Zitat ---Original von reblaus
Allerdings steht ihnen offen, diese Forderung mit ihrer Gegenforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung zu verrechnen. Hier sehe ich nach wie vor sehr gute Chancen, dass alle Beträge, die innerhalb der letzten 10 Jahre über den ursprünglich vereinbarten Vertragspreis hinaus bezahlt wurden, zurückgefordert werden können.
--- Ende Zitat ---
Eine Aufrechnung mit Gegenansprüchen des grundversorgten Kunden gegen den Grundversorger, auch mit solchen aus ungerechtfertigter Bereicherung aus früheren Vertragsverhältnissen, ist hingegen gem. § 17 Abs. 3 GVV regelmäßig ausgeschlossen, was zur Folge haben kann, dass solche Gegenansprüche gesondert - ggf. im Rahmen einer Widerklage - gerichtlich verfolgt werden müssen.
reblaus:
@RR-E-ft
Das Aufrechnungsverbot des § § 17 Abs. 3 GasGVV wollte ich nicht in Frage stellen. Die Verrechnung ist natürlich vorzunehmen, nachdem der Gegenanspruch rechtskräftig festgestellt wurde.
Der BGH stellt die Anwendbarkeit von § 315 BGB ganz gewiss nicht in Frage. Bei Ihren Zitaten sollten Sie aber nicht verheimlichen, dass das Prinzip der Preisfestsetzung nach billigem Ermessen den BGH nicht daran gehindert hat, zu bestimmen, dass eine vertragliche Preisvereinbarung durch Gasentnahme die billige Preisfestsetzung verdrängen kann. Wenn eine Preisvereinbarung schon durch eine Erfüllungshandlung erfolgen kann, so dürfte nur ein grenzenloser Optimist darauf hoffen, dass der BGH eine vertragliche Preisvereinbarung bei der Vereinbarung eines Liefervertrages ausschließt. Man sollte sich solchen Hoffnungen nicht zu sehr hingeben.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von reblaus
Das Aufrechnungsverbot des § § 17 Abs. 3 GasGVV wollte ich nicht in Frage stellen. Die Verrechnung ist natürlich vorzunehmen, nachdem der Gegenanspruch rechtskräftig festgestellt wurde.
--- Ende Zitat ---
Dann sollte man tunlichst darauf hinweisen.
Nachdem ein Gegenanspruch rechtskräftig festgestellt wurde, bedarf es keiner Verrechnung, da die gerichtlich festgestellte Gegenforderung (zeitnah und vollständig) auch im Wege der Zwangsvollstreckung gesondert durchgesetzt werden kann. Voraussetzung dafür ist ein rechtskräftiger Zahlungstitel über die Gegenforderung. Ein solcher müsste auch bei einer Aufrechnung im Zahlungsprozess des Versorgers bereits bestehen, bevor die Aufrechnung erklärt und über den Zahlungsanspruch des Grundversorgers entschieden wird. Wer über einen rechtskräftigen Zahlungstitel gar wegen Rückforderungen aus Überzahlungen über einen Zeitraum von 10 Jahren hinweg verfügt, der will diese rechtskräftige titulierte Forderung wohl so schnell als möglich realisieren und dafür erst recht nicht in der teuren Grundversorgung verbleiben, um etwa sukzessive mit Forderungen des Grundversorgers aufrechnen zu können, was sich wirtschaftlich als reichlich blöd erweisen könnte.
Auf die möglicherweise bestehende Einschränkung des Unbilligkeitseinwandes wurde hingewiesen, ebenso wie auf die kontroverse Diskussion dazu an anderer Stelle im Forum,die sich zB. hier findet.
Sowohl die Unbilligkeitseinrede gegen die Allgemeinen Preise der Grundversorgung wie auch das Bestehen von (Gegen-) Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung wie auch die Aufrechnung mit solchen sind indes \"andere Baustellen\" und werden hier im Forum an anderer Stelle auch längstens gesondert so umfangreich wie kontrovers diskutiert. Etwa hier.
Over and out.
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