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Verträge ohne Kündigungsregelung

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Black:
An unterschiedlicher Stelle wurde hier die Auffassung vertreten ein Sondervertrag ohne vertragliche Kündigungsklausel in den AGB sei für den Versorger praktisch unkündbar.


--- Zitat ---Original von eislud

2. Wo ist ein Kündigungsrecht geregelt:
Man nimmt den Sondervertrag, sofern man überhaupt einen vorliegen hat, und die AGB und sonstigen Bedingungen aus 1., die Vertragsbestandteil geworden sind, und sucht dort nach einem Kündigungsrecht.

Ergibt sich daraus kein Kündigungrecht, besteht regelmäßig eben schon keine Möglichkeit für den Versorger, den Vertrag überhaupt zu kündigen.
(...)

3. Inhaltskontrolle eines Kündigungsrechtes:
Regelmäßig wird ein solches Kündigungsrecht wohl einer Inhaltskontrolle standhalten müssen.

Ergibt sich aus einem Kündigungsrecht nicht klar und deutlich, wann der Vertrag gekündigt werden kann, wird das Kündigungsrecht einer Inhaltskontrolle nicht standhalten und wird dann ersatzlos gestrichen.

--- Ende Zitat ---

Die Folge - so die Vorstellung - wäre ein Dauerschuldverhältnis mit unbegrenzter Laufzeit.
Dem steht jedoch schon § 309 Nr. 9 BGB entgegen.


--- Zitat ---§ 309 BGB
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam:

(...)

Nr. 9.  (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen)

bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat,
  a)  eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,


--- Ende Zitat ---


Eine solche Vertragsgestaltung ist also unwirksam, denn sie würde die Vertragsparteien unzulässig lange (länger als 2 Jahre) binden.

Als Folge würde der Vertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung um ein angemessenes beiderseitiges Kündigungsrecht ergänzt werden müssen. Die Ergänzung erfolgt durch sog.  ergänzende Vertragsauslegung (Siehe Palandt, Kommentar zum BGB, 2009, zu § 309, Rdn. 88 ).

RR-E-ft:
@Black

Ihrer Betrachtung fehlt es wohl  leider an der notwendigen Differenzierung.

Unwirksam ist nur eine Regelung, die den Vertragspartner des Verwenders von AGB länger als zwei Jahre bindet.

Eine solche besteht indes nur, wenn durch AGB das Kündigungsrecht des Vertragspartners des Klauselgegners über diese Zeit hinaus ausgeschlossen wird.

Steht dem Kunden ein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung des Vertrages zu, wird dieses also nicht durch AGB ausgeschlossen, so ist es unschädlich, wenn kein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung für den Lieferanten (des AGB- Verwenders) selbst besteht.

So kann auch in der Grundversorgung der Kunde das Vertragsverhältnis kurzfristig durch ordnungsgemäße Kündigung beenden, wohingegen der Grundversorger selbst gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV zu einer solchen Kündigung regelmäßig nicht berechtigt ist.

Gerade weil der Grundversorger den Grundversorgungsvertrag regelmäßig nicht selbst ordnungsgemäß kündigen darf, wurde in diesem Bereich mit § 5 GVV ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht vorgesehen, vermöge dessen der Grundversorger bei steigenden Kosten zu Preiserhöhungen unter Beachtung des billigen Ermessens gem. § 315 BGB berechtigt ist, bei rückläufigen Kosten aber ebenso zu Preissenkungen gesetzlich verpflichtet sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Rn. 23, 26).

Außerhalb der Grundversorgung können die Parteien - freilich unter Beachtung der §§ 305 ff. BGB - auch das Recht des Kunden zur ordnungsgemäßen Kündigung einschränken.  Sie müssen kein Preisänderungsrecht des Lieferanten vereinbaren und der Lieferant ist im Gegenzug  auch - anders als in der Grundversorgung - nicht gesetzlich verpflichtet, rückläufige Kosten durch Preissenkungen an den Kunden weiterzugeben [vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 - 2 HK.O 95/08].

So ist auch ein Sondervertrag zu einem vereinbarten Fixpreis bei einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren wirksam, wenn dem Kunden nur nach Ablauf von zwei Jahren und hiernach regelmäßig das Recht eingeräumt ist, den Vertrag ordnungsgemäß zu kündigen. Bei einer zwanzigjährigen Vertragslaufzeit dürfte nichts anderes gelten.

Der Lieferant selbst kann sich also grundsätzlich vertraglich binden wie er lustig ist, wenn er nur dem Kunden ein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung einräumt.

Es ist vielmehr anders herum zu fragen, ob dann, wenn der AGB- Verwender sich selbst kurzfristig aus dem Vertrag durch ordnungsgemäße Kündigung lösen kann, überhaupt ein sog. Preisänderungsvorbehalt in den AGB sachlich gerechtfertigt sein kann. Bindet sich der Lieferant nur kurzfristig, weil er sich die Möglichkeit offen hält, den Vertrag  ordnungsgemäß vor oder nach  Ablauf von zwei Jahren zu kündigen, so kann ein Preisänderungsvorbahlt in den AGB allein deshalb bedenklich sein (vgl. OLG Frankfurt/ Main, Urt. v. 08.02.2007 - 1 U 184/06):


--- Zitat ---Derartige „Anpassungsklauseln“ sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, nur in engen Grenzen zulässig, weil einseitige Anpassungen stets einen Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis darstellen (vgl. BGHZ 141, 153, 155). In materieller Hinsicht dürfen sie allein bezwecken, nicht unbedeutende Störungen des Äquivalenzverhältnisses zwischen den nach dem Vertrag beiderseits zu erbringenden Leistungen infolge unvorsehbarer, vom Verwender nicht veranlasster und nicht zu beeinflussender Umstände auszugleichen oder nachträglich im Regelungswerk entstandene Lücken zu füllen, für die das nach § 306 Abs. 2 BGB maßgebende dispositive Recht keine Regelung bereit hält (vgl. BGH a. a. O., 155-157). In formeller Hinsicht muss die Anpassungsklausel die Gestaltungsmöglichkeiten des Verwenders so konkretisieren, dass sein Vertragspartner erkennen kann, in welchen Bereichen er mit Änderungen zu rechnen hat [vgl. BGH a. a. O., 158]. Ein uneingeschränktes Abänderungsrecht, das den Vertragspartner des Verwenders dessen Beurteilung über die Richtigkeit und Notwendigkeit einer Anpassung ausliefert und über die Voraussetzungen wie den Umfang künftiger Zusatzbelastungen im Unklaren lässt, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam (vgl. BGHZ 136, 394, 401 f.; ähnlich Fricke VersR 2000, 257 ff. [unter III 1 a]; Präve VersR 2000, 138 ff. [unter IV 3 bei Fn. 60]). Eine Einschränkung der Anpassungsbefugnis des Verwenders durch die generalklauselartige Formulierung, die Anpassung müsse dem Vertragspartner „zumutbar“ oder „nicht unzumutbar“ sein, führt nicht zu einer ausreichenden Konkretisierung in diesem Sinne (vgl. BGHZ 141, 153, 158 – auch die vom BGH dort beurteilte Klausel enthielt die Schranke der Unzumutbarkeit; ähnlich, aber auf die materiellen Anpassungsvoraussetzungen abstellend OLG Celle OLGR 2006, 626 ff. [unter 1 c bb (3) der Entscheidungsgründe]).
--- Ende Zitat ---

Mit einer ergänzenden Vertragsauslegung mag man ggf. zum Bestehen eines ordentlichen Kündigungsrechts des Kunden gelangen. Eine solche muss jedoch nicht zu einem ordentlichen Kündigungsrecht des Lieferanten führen, insbesondere wenn ersichtlich oder durch Auslegung zu ermitteln ist, dass das Recht des Versorgers zur ordentlichen Kündigung wie in der Grundversorgung regelmäßig ausgeschlossen sein soll.

[Entscheidet sich der Kunde mit hohem Investitionsaufwand langfristig für Beheizung vermittels leitungsgebundener Gasversorgung oder Stromheizung so wird man annehmen, dass die Parteien das Recht des Versorgers, sich kurzfristig aus dem Vertragsverhältnis zu lösen, ausschließen wollten, weil ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Versorgers nicht im Interesse der Parteien gelegen haben kann).

Wer installiert schon eine elektrische Fußbodenheizung, wenn den Versorger schon nach kurzer Zeit vermittels ordnungsgemäßer Vertragskündigung keine Lieferpflicht mehr trifft. Nicht anders bei einem Gasanschluss zum Betrieb einer Gasheizung.

ESG-Rebell:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Der Lieferant selbst kann sich also grundsätzlich vertraglich binden wie er lustig ist, ...

Mit einer ergänzenden Vertragsauslegung mag man ggf. zum Bestehen eines ordentlichen Kündigungsrechts des Kunden gelangen. Eine solche muss jedoch nicht zu einem ordentlichen Kündigungsrecht des Lieferanten führen, insbesondere wenn ersichtlich oder durch Auslegung zu ermitteln ist, dass das Recht des Versorgers zur ordentlichen Kündigung wie in der Grundversorgung regelmäßig ausgeschlossen sein soll.
--- Ende Zitat ---
Nun gibt es zahlreiche Sonderverträge außerhalb der Grundversorgung, bei welchen weder ein Preisanpassungsrecht noch eine Kündigungsregelung wirksam einbezogen worden ist; etwa wegen nicht wirksamer Einbeziehung der AVB/GVV oder AGB des Versorgers.

Der Versorger kann nun argumentieren, durch diesen Mangel (den er freilich selbst verursacht hat) sei die Fortführung des Vertrags für ihn unzumutbar und ihm müsse im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung ein ordentliches Kündigungsrecht - wenn schon kein Preisanpassungsrecht - eingeräumt werden.

Wenn der Versorger zugleich auch Grundversorger des Kunden ist, wird letzterer natürlich zutreffend und schlüssig darlegen können, dass der Versorger ihn nur zum eigenen Vorteil in die wesentlich teurere Grundversorgung abschieben wolle.

Wie sind die Erfolgsaussichten dieser Argumention des Versorgers zu bewerten?

Gruss,
ESG-Rebell.

Black:

--- Zitat ---Original von ESG-Rebell
etwa wegen nicht wirksamer Einbeziehung der AVB/GVV oder AGB des Versorgers.

--- Ende Zitat ---

Wie muss ich mir das praktisch vorstellen? Der Versorger hat in seinen AGB Kündigungsrechte vorgesehen, aber diese AGB sind nicht wirksam einbezogen weil...?

RuRo:
@Black

Ihre Unbedarftheit zu diesem Thema nehme ich Ihnen nicht ab  :rolleyes: , zumal sie eine ähnliche Situationsbeschreibung vor Monaten noch als \"abstrus\" abgetan haben.

Ich meine ESG-Rebell so zu verstehen:

Faktisches Zustandekommen eines Sondervertrags unter Einbeziehung AVBGasV bzw. GasGVV

Klage des Versorgers – Versorger argumentiert auf Tarifkunde bzw. Haushaltskunde in der Grundversorgung. Gericht urteilt auf Sonderkundenvertrag.

Das war\'s. Die genannten Verordnungen taugen nicht als AGB\'s, sind auf ein Sondervertragskundenverhältnis nicht anwendbar und wenn doch einbezogen i.d.R. unwirksam. Damit keine Klauseln für Preisanpassungen und Kündigungen. Schlimm für den Grundversorger, ein großes Dilemma.

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