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Autor Thema: Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit  (Gelesen 7144 mal)

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Offline Black

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« am: 14. Januar 2009, 11:31:39 »
Ein verbreiteter Irrtum, ist die Rechtsauffassung allein schon aufgrund einer erhobenen Unbilligkeitseinrede sei eine Versorgerforderung nicht fällig.

Das ist falsch.

Aus § 315 BGB ergibt sich nur, dass eine Forderung  dann nicht fällig wird, wenn sie unbillig ist. Auf den Widerspruch kommt es für die Fälligkeit gar nicht an.

Es findet sich weder im Gesetz, noch in der Kommentierung oder der Rechtsprechung eine entsprechende Aussage, dass allein der Widerspruch selbst schon die Fälligkeit entfallen läßt. Wer so etwas behauptet mag Quellen anführen.

Das bedeutet:

1. Eine billige Forderung ist trotz Widerspruch fällig.

2. Eine unbillige Forderung ist auch ohne Widerspruch nicht fällig.

Jetzt kann man natürlich Fragen, wozu es dann den Widerspruch gibt, wenn eine unbillige Forderung auch ohne Widerspruch nicht fällig werden soll. Ganz einfach, weil der BGH sagt, dass eine unwidersprochene Forderung zu einer akzeptierten (vereinbarten) Forderung wird. Diese vereinbarte Forderung wird dann wiederum fällig. Klingt kompliziert? Ist aber so.

Wer also der Meinung ist einer unbilligen Forderung ausgesetzt zu sein sollte Widerspruch einlegen um ein Fälligwerden zu verhindern. Aber mit dem Widerspruch allein macht ein Kunde aus einer billigen Forderung noch keine nicht-fällige Forderung.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline nomos

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #1 am: 14. Januar 2009, 11:53:46 »
@Black, das klingt nicht nur kompliziert - es wird verkompliziert.

Ich gehe immer noch davon aus:

Wenn ein Leistungsbestimmungsrecht vorliegt und in Anspruch genommen wird, ist die Bestimmung des Gaspreises durch den Versorger vorläufig verbindlich. Mit Erhebung der Einrede wird die Bestimmung unverbindlich. Solange Streit über die Billigkeit der Bestimmung herrscht, ist die Gaspreisforderung nicht fällig. Fälligkeit tritt dann erst mit einem rechtskräftigen Urteil ein.

Was die sogenannte \"automatisch vereinbarte Forderung\" betrifft, da darf man sich schon über die Gesetzesauslegung wundern.  Was war doch gleich der Wille des Gesetzgebers? War der Zweck der Schutz des Schwächeren vor Missbrauch oder war das Ziel die Gewinnsicherung der Energieversorger?

Offline jroettges

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #2 am: 14. Januar 2009, 11:55:32 »
Zitat
....Aber mit dem Widerspruch allein macht ein Kunde aus einer billigen Forderung noch keine nicht-fällige Forderung.

Vermutlich richtig.

Erst wenn ein Tarifunde die Zahlungen um den seiner Auffassung nach \"unbilligen\" Teil kürzt, wird die Sache griffig.

Dann ist es Sache des Versorgers, eine Klärung bei Gericht herbeizuführen, wobei die durch den 8. Zivilsenat des BGH aufgestellten Grundsätze greifen würden.

Solange der Versorger - kein Kunde sollte so dumm sein - nicht vor Gericht geht, sind die Einbehalte des Kunden nicht fällig.

Mein unmaßgebliche Meinung dazu!

Offline Black

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #3 am: 14. Januar 2009, 12:06:19 »
Zitat
Original von nomos

Ich gehe immer noch davon aus:

Wenn ein Leistungsbestimmungsrecht vorliegt und in Anspruch genommen wird, ist die Bestimmung des Gaspreises durch den Versorger vorläufig verbindlich. Mit Erhebung der Einrede wird die Bestimmung unverbindlich. Solange Streit über die Billigkeit der Bestimmung herrscht, ist die Gaspreisforderung nicht fällig. Fälligkeit tritt dann erst mit einem rechtskräftigen Urteil ein.?

Und worauf stützen Sie diese Ansicht?

In der Kommentierung zu § 315 BGB steht:

\"Die Bestimmung ist unverbindlich, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht\" (Palandt, 2009, § 315, 16)

Es findet sich weder im Gesetz, noch in der Kommentierung oder der Rechtsprechung eine entsprechende Aussage, dass allein der Widerspruch selbst schon die Fälligkeit entfallen läßt. Wer so etwas behauptet mag Quellen anführen.


Zitat
Original von nomosWas die sogenannte \"automatisch vereinbarte Forderung\" betrifft, da darf man sich schon über die Gesetzesauslegung wundern.  Was war doch gleich der Wille des Gesetzgebers? War der Zweck der Schutz des Schwächeren vor Missbrauch oder war das Ziel die Gewinnsicherung der Energieversorger?

Dazu kann man stehen wie man will, das ist jedenfalls aktueller Stand höchstrichterlicher Rechtsprechung und muss HIER nicht noch einmal diskutiert werden.
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Offline RuRo

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #4 am: 14. Januar 2009, 13:04:38 »
Zitat
Original von Black
Ein verbreiteter Irrtum, ist die Rechtsauffassung allein schon aufgrund einer erhobenen Unbilligkeitseinrede sei eine Versorgerforderung nicht fällig.

Das ist falsch.

Das ist wohl richtig. Da sind wir ausnahmsweise einer Meinung.

Stellt das Gericht die Angemessenheit des Versorgerpreises und damit die Richtigkeit der Rechnungstellung fest, wird die, bis dahin strittige Forderung zur fälligen Forderung von Anfang an. Aber auch erst dann.
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Offline nomos

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #5 am: 14. Januar 2009, 14:34:08 »
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von nomos Ich gehe immer noch davon aus:
Wenn ein Leistungsbestimmungsrecht vorliegt und in Anspruch genommen wird, ist die Bestimmung des Gaspreises durch den Versorger vorläufig verbindlich. Mit Erhebung der Einrede wird die Bestimmung unverbindlich. Solange Streit über die Billigkeit der Bestimmung herrscht, ist die Gaspreisforderung nicht fällig. Fälligkeit tritt dann erst mit einem rechtskräftigen Urteil ein.?
Und worauf stützen Sie diese Ansicht?
In der Kommentierung zu § 315 BGB steht:
\"Die Bestimmung ist unverbindlich, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht\" (Palandt, 2009, § 315, 16)
Es findet sich weder im Gesetz, noch in der Kommentierung oder der Rechtsprechung eine entsprechende Aussage, dass allein der Widerspruch selbst schon die Fälligkeit entfallen läßt. Wer so etwas behauptet mag Quellen anführen.
    @black, unverbindlich ist nicht gleichbedeutend mit nichtig. Es ist eine Form der Unwirksamkeit, die nur durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beseitigt werden kann. Sie finden darüber sicher auch etwas im Palandt oder anderen Kommentaren.  
Zitat
Original von nomos Was die sogenannte \"automatisch vereinbarte Forderung\" betrifft, da darf man sich schon über die Gesetzesauslegung wundern.  Was war doch gleich der Wille des Gesetzgebers? War der Zweck der Schutz des Schwächeren vor Missbrauch oder war das Ziel die Gewinnsicherung der Energieversorger?
Zitat
Original von Black Dazu kann man stehen wie man will, das ist jedenfalls aktueller Stand höchstrichterlicher Rechtsprechung und muss HIER nicht noch einmal diskutiert werden.
    @black, das mag in einem juristischen Seminar so sein. HIER handelt es sich aber um ein Verbraucherforum und da ist die Diskussion über diese Rechtsprechung geradezu eine Notwendigkeit. Man muss nicht alles kritiklos hinnehmen und akzeptieren, auch wenn es vom BGH kommt.  

    Sie beziehen sich wohl auf diesen Satz:

Ein von dem Gasversorger einseitig erhöhter Tarif wird zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde die auf dem erhöhten Tarif basierende Jahresabrechnung des Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas von diesem bezieht, ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu beanstanden.

Entlarvend ist hier schon die Sprache. Es ist nicht die Rede von einer Vereinbarung zwischen Verbraucher und Versorger. Das fehlt es wohl schon an den korrespondierenden Willenserklärungen. Der Preis wird zum vereinbarten Preis per Richterrecht. Das mag man jetzt als juristischen Fakt betrachten und muss das auch in seiner Wirkung zunächst so hinnehmen. Als Bürger muss man das aber noch lange nicht akzeptieren. Wie war das mit dem Volk? Hier besteht Korrekturbedarf und der Gesetzgeber ist gefordert!

Die Billigkeit ist erst erreicht, wenn alle Umstände bekannt und angemessen berücksichtigt sind.
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Offline Schwalmtaler

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #6 am: 14. Januar 2009, 14:41:24 »
@ Black

durch Widerspruch §315 BGB wird die Billigkeit angezweifelt.
Diese kann nur durch ein rechtskräftiges Urteil erklärt werden. Bis zu diesem Urteil ist die Billigkeit nicht klar und damit auch der Betrag nicht fällig!

Ihr eigenes Zitat:
\"Die Bestimmung ist unverbindlich, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht\" (Palandt, 2009, § 315, 16)

Aus ihrem Zitat lässt sich dies im Umkehrschluss deuten. Solange die Billigkeit nicht nachgewiesen ist, bleibt die Forderung strittig und damit nicht fällig!

Man kann auch sagen: Durch den Widerspruch wird die Fälligkeit einer Forderung bis zur gerichtlichen Klärung ausgesetzt!

Offline Black

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #7 am: 14. Januar 2009, 14:46:52 »
Zitat
Original von nomos
Zitat
Original von Black Dazu kann man stehen wie man will, das ist jedenfalls aktueller Stand höchstrichterlicher Rechtsprechung und muss HIER nicht noch einmal diskutiert werden.
    @black, das mag in einem juristischen Seminar so sein. HIER handelt es sich aber um ein Verbraucherforum und da ist die Diskussion über diese Rechtsprechung geradezu eine Notwendigkeit.
Das mag am Stammtisch so sein, dass man wild durcheinanderschwatzt und vom hundertsten ins tausendste kommt, aber ein Forum ist nach Themen gegliedert, damit spätere Leser anhand des Themas einen Überblick gewinnen.

Und die Frage wie die Ansicht des BGH zum Preissockel zu bewerten ist, ist nicht Teil dieses Themas (und auch schon hinreichend diskutiert).


Zitat
Original von SchwalmtalerBis zu diesem Urteil ist die Billigkeit nicht klar und damit auch der Betrag nicht fällig!  

Die Streitigkeit einer zivilrechtlichen Forderung hat keinen Einfluss auf ihre Fälligkeit. Daher erhält der Kläger bei Obsiegen neben der titulierten Hauptforderung auch Verzugszinsen zugesprochen.


Zitat
Original von SchwalmtalerAus ihrem Zitat lässt sich dies im Umkehrschluss deuten. Solange die Billigkeit nicht nachgewiesen ist, bleibt die Forderung strittig und damit nicht fällig!

Strittigkeit über den Bestand einer Forderung führt nicht zum Wegfall der Fälligkeit. Das sind verschiedene paar Schuhe.

Wenn Sie wegen des Unbilligkeitseinwandes Ihre Zahlungen kürzen und der Versorger Sie daraufhin verklagt und gewinnen sollte, dann kann er aus dem Urteil nicht nur die Forderung selbst, sondern auch Mahnkosten und Verzugszinsen verlangen (sofern er dies mit beantragt hat).
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Offline nomos

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #8 am: 14. Januar 2009, 15:03:07 »
Zitat
Original von Black
Das mag am Stammtisch so sein, dass man wild durcheinanderschwatzt und vom hundertsten ins tausendste kommt, aber ein Forum ist nach Themen gegliedert, damit spätere Leser anhand des Themas einen Überblick gewinnen.

Und die Frage wie die Ansicht des BGH zum Preissockel zu bewerten ist, ist nicht Teil dieses Themas (und auch schon hinreichend diskutiert).
    @black, es mag sein, dass am Stammtisch \"durcheinandergeschwatzt\" wird. Ein Stichwort reicht. Wer das nicht erörtern möchte sollte das Stichwort vermeiden, in jeder Diskussion. Es war Ihr \"ganz einfacher\" Hinweis:

\"Ganz einfach, weil der BGH sagt, dass eine unwidersprochene Forderung zu einer akzeptierten (vereinbarten) Forderung wird. Diese vereinbarte Forderung wird dann wiederum fällig. Klingt kompliziert? Ist aber so.\"

Sorry, das ist nicht einfach, sondern für meinen Geschmack etwas zu oberkompliziert.  Fragen Sie mal betroffene Verbraucher was sie von der höchstrichterlich festgestellten Akzeptanz halten. ;)
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Zitat
Original von Black
Wenn Sie wegen des Unbilligkeitseinwandes Ihre Zahlungen kürzen und der Versorger Sie daraufhin verklagt und gewinnen sollte, dann kann er aus dem Urteil nicht nur die Forderung selbst, sondern auch Mahnkosten und Verzugszinsen verlangen (sofern er dies mit beantragt hat).
    @black, das steht aber erst nach einem Urteil fest. Solange sollte man die Widersprüchler nicht als \"Säumige Zahler\" titulieren. Das war doch der Ursprung dieser Diskussion?
Eon Verschickt Gerichtliche Mahnbescheide  ;) [/list]

Offline Black

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #9 am: 14. Januar 2009, 15:17:28 »
Zitat
Original von nomos
 Ein Stichwort reicht. Wer das nicht erörtern möchte sollte das Stichwort vermeiden, in jeder Diskussion. Es war Ihr \"ganz einfacher\" Hinweis:

\"Ganz einfach, weil der BGH sagt, dass eine unwidersprochene Forderung zu einer akzeptierten (vereinbarten) Forderung wird. Diese vereinbarte Forderung wird dann wiederum fällig. Klingt kompliziert? Ist aber so.\"

Sorry, das ist nicht einfach, sondern für meinen Geschmack etwas zu oberkompliziert.  

Jura ist kein Ponyhof, sondern manchmal eben kompliziert.

Das \"Stichwort\" habe ich in Kontext zu der Aussage getroffen, das eine unbillige Forderung auch ohne Widerspruch nicht fällig wird. Das Stichwort belegt aber warum dann trotzdem der Widerspruch notwendig ist.
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Offline RR-E-ft

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #10 am: 14. Januar 2009, 15:29:11 »
Rechtlich ist die Lage so:

Der Versorger kann nur dann die Preise einseitig erhöhen, wenn ein Recht dazu besteht.

Der Versorger hat ein solches Recht zu beweisen, welches ihn dem Grunde nach zur einseitigen Preisneufestsetzung berechtigt.

Selten aber nicht ausgeschlossen ist, dass die Parteien bereits bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1  BGB hinsichtlich des zu zahlenden Preises vertraglich vereinbart hatten. Dann unterliegt der Gesamtpreis von Anfang an der Billigkeitskontrolle.

Anders soll es nach Auffassung des achten Zivilsenats des BGH sein, wenn sich das Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB aus einem Gesetz ergibt, wie dies gegenüber Tarifkunden und grundversorgten Kunden der Fall ist.

Dabei sollen nach Auffassung des achten Zivilsenats des BGH nur die nachträglichen Änderungen des Preises der Billigkeitskontrolle unterliegen.
Der geänderte Preis soll sogar zu einem neu vereinbarten Preis werden können, wenn der Änderung nicht widersprochen werde, insbesondere der erhöhte Preis vorbehaltlos gezahlt worden sei.

Dogmatisch lässt sich dies nicht erklären, nachdem eine Willenserklärung, mit welcher gem. § 315 Abs. 2 BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden soll, schon kein auf Annahme gerichtetes Angebot im Sinne des § 145 BGB darstellt, so dass es für eine Neuvereinbarung durch Einigung schon am Angebot fehlt. Zudem fehlt dem Kunden das Erklärungsbewusstsein zu einer solchen Einigung. Er weiß schon nicht, dass etwas neu vereinbart werden soll. Dies gilt erst recht, wenn der Versorger darauf hinweist, dass er ein einseitiges Preisneufestsetzungsrecht auszuüben gedenkt.

Der Kartellsenat des BGH wiederum sieht bei einem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht aus § 315 BGB eine sich ergebende gesetzliche Verpflichtung, die Entgelte nachträglich abzusenken, wenn es die Kostenentwicklung zulässt und dies den Kunden günstig ist (BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07 Rdn. 23, 26), so dass ein \"vereinbarter Preissockel\" demnach nicht bestehen kann. Der geltende Preis wäre danach immer das Ergebnis der Ermessensentscheidungen des zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Versorgers, die Preise zu erhöhen, abzusenken oder aber stabil zu halten. Diese Ermessensentschediungen unterlägen der Billigkeitskontrolle.

Letzteres leuchtet mir ein:

Kraft des gesetzlichen Leistungsbetimmungsrechts ist der Versorger berechtigt, bei steigenden Kosten die Preise zu erhöhen, und gesetzlich verpflichtet, bei sinkenden Kosten die Preise abzusenken. Er bestimmt die zu zahlenden jeweiligen Preise, weil nur er die Entwicklung der dafür maßgeblichen Kosten kennt. Schließlich verpflichtet § 2 Abs. 1 EnWG die gesetzlich zur Leistungsbestimmung berechtigten Grundversorger, zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung im Interesse der Allgemeinheit, was bei der Billigkeitskontrolle Berücksichtigung finden muss (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Offensichtlich bestehen auch beim BGH zwei Betrachtungsweisen, die sich beide mehr oder minder  begründen lassen, aber nach den einfachen Gesetzen der Logik nicht miteinander vereinbar sind.

Grundsätzlich gilt:

Im Falle eines bestehenden Leistungsbestimmungsrechts ist die einseitig bestimmte Leistung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Unbilligkeit muss einredeweise geltend gemacht werden.

Ob eine Verbindlichkeit als Vorausetzung einer Fälligkeit vorliegt oder aber nicht, ist vom Gericht zu entscheiden, welches die Billigkeit zu prüfen hat.

Diese Prüfung kann ergeben, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entsprach und damit von Anfang an verbindlich war oder aber, dass die Billigkeit nicht nachgewiesen sei und deshalb auch die Voraussetzungen einer Verbindlichkeit nicht nachgewiesen sei. Im ersten Fall kann sich der Kunde von Anfang an in Verzug befunden haben, so dass auch Verzugszinsen geschuldet sein können. Dies hat aber ebenso auch zur Folge, dass eine berechtigte und von Anfang an fällige Forderung (infolge der Verbindlichkeit)  der regelmäßigen Verjährung unterliegt und deshalb verjähren kann.

Im Fall der Unbilligkeit und Unverbindlichkeit bestand hingegen schon keine verbindliche Forderung und kein entsprechender Zahlungsanspruch, so dass ein solcher auch nicht verjähren kann.

Ganz anders verhält es sich in den Fällen, wo schon kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, namentlich bei Sonderabkommen, wo sich ein solches Recht nicht aus einem Gesetz ergibt, es deshalb einer hinreichend konkreten Preisänderungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedarf (BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07 und Urt. v. 17.12.2008 VIII ZR 274/06).

Mangels Preisänderungsrecht gilt dabei  der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis weiter [LG Gera, Urt. v. 07.11.08 2 HKO 95/08], es sei denn, die Parteien hätten später durch Angebot und Annahme im Sinne von §§ 145 ff. BGB einen anderen Preis neu vereinbart.

Offline RuRo

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #11 am: 14. Januar 2009, 15:45:06 »
@black
Ich ziehe den Hut. Sie haben es zum wiederholten Male geschafft, die engagierten Kräfte des Forums mit einem überflüssigen Thema zu beschäftigen.

@RR-E-ft
Sie haben es auch zum wiederholten Male geschafft, die Basics des Preiswiderstands auf den Punkt zu bringen. Jetzt sollten das alle Verbraucher auch noch lesen, bookmarken, nochmal lesen, dann wäre im Sinne der gemeinsamen Sache schon viel erreicht und gewonnen.
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Offline Black

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #12 am: 14. Januar 2009, 16:08:39 »
Zitat
Original von RuRo
@black
Ich ziehe den Hut. Sie haben es zum wiederholten Male geschafft, die engagierten Kräfte des Forums mit einem überflüssigen Thema zu beschäftigen.

Ich halte dieses Thema nicht für überflüssig, Vielen Teilnehmern hier fehlt es, trotz wiederholter Aufklärung, an simpelstem zivilrechtlichen Grundwissen, z.B. zur Fälligkeit einer Forderung. Da werden haarsträubende Auffassungen vertreten:

Zitat
Original von Schwalmtaler
@ Black
durch Widerspruch §315 BGB wird die Billigkeit angezweifelt.
Diese kann nur durch ein rechtskräftiges Urteil erklärt werden. Bis zu diesem Urteil ist die Billigkeit nicht klar und damit auch der Betrag nicht fällig!

Zitat
Original von nomos
Wenn ein Leistungsbestimmungsrecht vorliegt und in Anspruch genommen wird, ist die Bestimmung des Gaspreises durch den Versorger vorläufig verbindlich. Mit Erhebung der Einrede wird die Bestimmung unverbindlich. Solange Streit über die Billigkeit der Bestimmung herrscht, ist die Gaspreisforderung nicht fällig. Fälligkeit tritt dann erst mit einem rechtskräftigen Urteil ein.

Zitat
Original von jroettges
Solange der Versorger - kein Kunde sollte so dumm sein - nicht vor Gericht geht, sind die Einbehalte des Kunden nicht fällig.Mein unmaßgebliche Meinung dazu!

Diese Auffassungen werden dann in verschiedensten Threads verbreitet und jedesmal wird das erneut durchgekaut. Da ist es besser zusammenzufassen:

Zitat
Original von Black
Ein verbreiteter Irrtum, ist die Rechtsauffassung allein schon aufgrund einer erhobenen Unbilligkeitseinrede sei eine Versorgerforderung nicht fällig. Das ist falsch.

Zitat
Original von RuRo
 Da sind wir ausnahmsweise einer Meinung. Stellt das Gericht die Angemessenheit des Versorgerpreises und damit die Richtigkeit der Rechnungstellung fest, wird die, bis dahin strittige Forderung zur fälligen Forderung von Anfang an. Aber auch erst dann.

Zitat
Original von RR-E-ft
Diese Prüfung kann ergeben, dass die Leistungsbestimmung der Billigekeit entsprach und damit von Anfang an verbindlich war oder aber, dass die Billigkeit nicht nachgewiesen sei und deshalb auch die Voraussetzungen einer Verbindlichkeit nicht nachgewiesen sei. Im ersten Fall kann sich der Kunde von Anfang an in Verzug befunden haben, so dass auch Verzugszinsen geschuldet sein können.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline jofri46

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #13 am: 14. Januar 2009, 20:54:22 »
Nur weil mit dem Begriff \"Fälligkeit\" rechtstechnisch unzutreffend umgegangen wird, erscheinen mir die damit vertretenen Auffassungen nun nicht gleich als haarsträubend.

Von rechtsdogmatischen Erläuterungen einmal abgesehen:

Mit dem Unbilligkeitseinwand ist die Höhe der Forderung strittig und damit zugleich auch deren Fälligkeit. Ob die Forderung nun (laienhaft) als nicht fällig bezeichnet oder deren Fälligkeit (lediglich) bestritten wird: Der Kunde zahlt nicht, zumindest nicht in der verlangten Höhe.

Das Risiko für den Kunden liegt darin, dass er im gerichtlichen Streitverfahren unterliegt und dann mit Prozesskosten und (Verzugs-)Zinsen belastet wäre.

Das Prozeßkostenrisiko hat auch der Versorger, ganz abgesehen von der Präjudizwirkung einer für ihn ungünstigen Entscheidung, was ungleich schwerer wiegen dürfte.

Offline nomos

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Unbilligkeitseinrede und Fälligkeit
« Antwort #14 am: 14. Januar 2009, 23:24:58 »
Zitat
Original von Black

Ich halte dieses Thema nicht für überflüssig, Vielen Teilnehmern hier fehlt es, trotz wiederholter Aufklärung, an simpelstem zivilrechtlichen Grundwissen, z.B. zur Fälligkeit einer Forderung. Da werden haarsträubende Auffassungen vertreten:

Zitat
Original von nomos
Wenn ein Leistungsbestimmungsrecht vorliegt und in Anspruch genommen wird, ist die Bestimmung des Gaspreises durch den Versorger vorläufig verbindlich. Mit Erhebung der Einrede wird die Bestimmung unverbindlich. Solange Streit über die Billigkeit der Bestimmung herrscht, ist die Gaspreisforderung nicht fällig ...  ....
@black, das Thema ist nicht überflüssig, da gebe ich Ihnen Recht, aber was ist mit  § 17 (1) Satz 1, 2 und 3 der GasGVV?

Was bleibt denn da jetzt unberührt und was berechtigt den Versorgten?

... und manche Juristen haben so \"haarsträubende Auffassungen\" mindestens mal gehabt.   ;)

 

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