Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Kontrolle des Gesamtpreises
Ronny:
@Fricke
Rechtsdogmatisch sauber hergeleitet, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nichts mit Angebot und Annahme zu tun hat. Dazu hätte es zwar nicht unbedingt so vieler Wort bedurft, weil es aus dem Begriff einseitiges Leistungsbestimmungsrecht recht eindeutig hervorgeht, dass eine Annahme nicht erforderlich ist, aber sei´s drum.
Ich verstehe nur nicht den genauen Zusammenhang mit dem BGH-Urteil vom 13.06.2007. Sie schreiben:
--- Zitat --- In der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) hat der BGH meines Erachtens, nachdem er das Bestehen eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB zutreffend festgestellt hatte, die Rechtsnorm des § 315 BGB juristisch unzutreffend angewendet. Möglicherweise geschah dies mit Rücksicht auf ein bestimmtes, beabsichtigtes Ergebnis, wie einige hier meinen. Eine ergebnisorientierte Rechtsanwandung ist jedoch unzulässig
--- Ende Zitat ---
In wiefern genau hat denn der BGH § 315 BGB nun falsch angewendet? Was meinen Sie denn konkret?
Ronny
RR-E-ft:
@Ronny
Wir kommen der Sache wohl zusammen immer näher.
--- Zitat ---Original von Ronny
@Fricke
Rechtsdogmatisch sauber hergeleitet, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nichts mit Angebot und Annahme zu tun hat. Dazu hätte es zwar nicht unbedingt so vieler Wort bedurft, weil es aus dem Begriff einseitiges Leistungsbestimmungsrecht recht eindeutig hervorgeht, dass eine Annahme nicht erforderlich ist
--- Ende Zitat ---
Danke, dass mir eine rechtsdogmatisch saubere Arbeitsweise bescheinigt wird.
--- Zitat ---Original von Ronny
Ich verstehe nur nicht den genauen Zusammenhang mit dem BGH-Urteil vom 13.06.2007. In wiefern genau hat denn der BGH § 315 BGB nun falsch angewendet? Was meinen Sie denn konkret?
--- Ende Zitat ---
Ich meine, aus der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) Rdn. 36 eine Fiktion herausgelesen zu haben, der Kunde, der einer einseitigen Preisneufestsetzung gem. § 315 BGB nicht widerspreche, vereinbare damit den zuvor einseitig neu festgesetzten Preis.
--- Zitat ---Handelte es sich dagegen bei den vor der streitgegenständlichen Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 geltenden Tarifen der Beklagten um Tarife, die in der Vergangenheit durch von der Beklagten gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV einseitig vorgenommene Preiserhöhungen zustande gekommen sind, war § 315 BGB - wie oben unter II 2 b bereits ausgeführt - auf diese Preiserhöhungen zunächst unmittelbar anwendbar. Der Kläger hätte diese - wie auch die streitgegenständliche Preiserhöhung - gemäß § 315 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen können. Der Berücksichtigung der etwaigen Unbilligkeit vergangener Preiserhöhungen im Rahmen der Überprüfung der hier streitgegenständlichen Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 steht aber entgegen, dass der Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresabrechnungen (vgl. § 24 Abs. 1 AVBGasV) unbeanstandet hingenommen hat.
...
Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb im Rahmen einer weiteren Preiserhöhung nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden.
--- Ende Zitat ---
Eine solche (Neu-) Einigung setzt Angebot und Annahme gem. § 145 ff. BGB voraus. Es gibt jedoch bei rechtsdogmatisch sauberer Betrachtung weder eine Angebotserklärung gem. § 145 BGB, noch eine Annahmeerklärung, folglich gar keine Einigung auf den neu festgesetzten Preis.
Ich meine deshalb, dass die Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) gerade auf keiner rechtsdogmatisch sauberen Arbeitsweise gründet.
Wenn der neu festgesetzte Preis vereinbart wäre, könnte denknotwendig aus § 315 BGB keine Verpflichtung zur Preisabsenkung bestehen, wenn eine solche für den Kunden günstig ist. Das wiederum widerspräche jedoch gerade dem Wesen des Bestimmungsrechts.
Repetitorium:
--- Zitat ---Original von Ronny
Rechtsdogmatisch sauber hergeleitet, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nichts mit Angebot und Annahme zu tun hat. Dazu hätte es zwar nicht unbedingt so vieler Wort bedurft, weil es aus dem Begriff einseitiges Leistungsbestimmungsrecht recht eindeutig hervorgeht, dass eine Annahme nicht erforderlich ist
--- Ende Zitat ---
Blitzgescheit. Nur sagen Sie das mal bitte den Richtern des achten Zivilsenats! Ich bin sogar der Auffassung, Studenten im Grundstuduim hätte man so etwas zurecht nicht durchgegehen lassen. Es wurde \"gezaubert\". Ein juristischer Kardinalfehler, auf dem die Entscheidung gründet.
Derart \"Zauberei\" ist unzulässig. Die bewusste \"Zauberei\" durch Richter, um das Ergebnis ihrer Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu führen, findet auch noch eine andere Bezeichnung. Deshalb verstehe ich nicht, dass hier einige die Auffassung vertreten können, der BGH werde ergebnisorientiert entscheiden, und sich mit einer entsprechenden Hoffnung tragen. Wer auf eine institutionalisierte Rechtsbeugung hofft, der ist für mich jedenfalls inakzeptabel, wofür ich um Verständnis bitte.
Ich gehe (vielleicht etwas zu oberlehrerhaft) davon aus, dass die Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) wohl auf einer zu oberflächlichen gedanklichen Durchdringung der juristischen Problemstellung und einer rechtsdogmatisch leider unsauberen Arbeitsweise gründete und der Senat nun selbst jedenfalls Veranlassung sieht, die Sache nochmals neu zu durchdenken. Die zweimalige Verschiebung des Verkündungstermins lässt jedenfalls auf die dafür notwendige Gründlichkeit hoffen.
Black:
Leider fehlte mir bislang etwas die Zeit, die Grundsatzdiskussion fortzusetzen, daher erstmal nur kurz hierzu:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ich meine, aus der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) Rdn. 36 eine Fiktion herausgelesen zu haben, der Kunde, der einer einseitigen Preisneufestsetzung gem. § 315 BGB nicht widerspreche, vereinbare damit den zuvor einseitig neu festgesetzten Preis.
--- Ende Zitat ---
Das habe ich auch so verstanden. Der BGH will damit wohl nach Ablauf einer nicht näher benannten Frist einen Widerspruch für die Vergangenheit ausschließen. Dogmatisch läßt sich das wohl nicht mit einer vertraglichen Vereinbarung begründen. Denkbar wäre eine Verwirkung bei unbeanstandeter Hinnahme oder ähnliches... dem BGH ging es wohl darum den Streitgegenstand/Prüfungsrahmen begrenzen zu können.
RR-E-ft:
@Black
Eine solche Fiktion ist mit einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht, also der gesetzlichen Regelung des § 315 BGB, ersichtlich völlig unvereinbar.
Von Verwirkung steht in der Entscheidung nichts. Deren rechtsdogmatische Voraussetzungen wurden ja auch gar nicht geprüft. Ein Urteil muss klar und aus sich heraus nachvollziehbar sein und darf keinen Raum für Vermutungen lassen. Denkbar wäre sonst fast alles.
--- Zitat ---Original von Black
dem BGH ging es wohl darum den Streitgegenstand/Prüfungsrahmen begrenzen zu können.
--- Ende Zitat ---
Wissen Sie, was Sie dem BGH da unterstellen? Sind Sie sich dessen wirklich bewusst?
In der Literatur ist bisher allenfalls Ulli B. aus Elbflorenz mit einer solchen Unterstellung hervorgetreten, wobei dieser nicht so deutlich formulierte.
Den Streitgegenstand bestimmt gem. § 308 ZPO allein der Kläger undzwar mit seinem Antrag. Den kann sich das Gericht also nicht aussuchen oder nach eigenem Gutdünken zurechtbiegen. Es steht nicht zur Dispostion eines Gerichts, worüber es zu entscheiden hat und worüber nicht. Im konkreten Fall soll der Streitgegenstand angeblich gem. § 308 ZPO beschränkt gewesen sein....
Der Prüfungsrahmen ergibt sich immer aus den anzuwendenden Vorschriften des materiellen Rechts, die der Gesetzgeber vorgibt und die ein Gericht auch nicht selektiv anwenden darf.
Wenn es dem BGH tatsächlich darum gegangen sein sollte, um die Anwendung des § 315 BGB herumzukommen, also das maßgebliche Recht auf einen konkret zur Entscheidung stehenden Fall tatsächlich nicht anzuwenden, dann wüsste man wohl, worum es sich handelt.
Ich halte es in Ansehung von Art. 20 III GG für gänzlich ausgeschlossen, dass der BGH sich bewusst dafür entscheidet, geltendes Recht nicht anzuwenden, dessen Anwendung zu beschränken oder einzuschränken, das geltende Recht zu verkürzen.
Halten Sie so etwas etwa ernsthaft für möglich?!
Ein Gericht legt sich Streitgegenstand und Prüfungsrahmen mit Rücksicht auf ein gewünschtes Ergebnis selbst zurecht?
Es wäre ein ungeheuerlicher Vorgang. Alle, die wir dem Recht besonders verpflichtet sind, hätten uns wohl entschieden dagegen auszusprechen.
Ergebnisorientierte, selektive Rechtsanwendung durch Gerichte widerspräche den rechtsstaatlichen Grundsätzen und damit unserem Grundgesetz. Ich hoffe, dass darüber wenigstens Konsens unter allen dem Recht besonders verpflichteten Kollegen besteht, auch wenn man sonst in der Sache verschiedene Ansichten vertreten mag.
tangocharly:
@ RR-E-ft
--- Zitat ---Den Streitgegenstand bestimmt gem. § 308 ZPO allein der Kläger und zwar mit seinem Antrag.
--- Ende Zitat ---
Richtig. Wenn der Kläger seine Kaufpreisforderung (§ 433 II BGB) einklagt, dann ist damit der Streitgegenstand spezialisiert.
Nun kommt der Einwand § 315 BGB. Der kommt - in dieser Konstellation - vom Bekl.
Was folgt nun ? Das Gericht muß, um zu einem Gestaltungsurteil zu kommen, die Billigkeit der Forderung des Klägers prüfen.
Der Streitgegenstand ist zwar immer noch der Gleiche. Das Gericht ist nun aber mit den gegen die Forderung sprechenden, rechtshemmenden und/oder rechtsvernichtenden Einwendungen und Einreden (der Gegenseite) befaßt, und zwar zusätzlich.
Da der Begriff der \"Billigkeit\" nirgends gesetzlich definiert ist (mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. in §§ 1 Abs.1 und 2 Abs. 1 EnWG 2005), gelangt das Gericht zu der Frage, ob ihm ein Beurteilungsspielraum zur Seite steht. Ein solcher Spielraum setzt einen Rahmen voraus. In diesem Rahmen müssen sich die tatbestandlichen Kriterien bewegen. Diese Kriterien will dann das Gericht seinem Urteil zu Grunde legen.
An diesem Punkt kommt die Darlegungslast des Klägers ins Spiel (die bekanntlich beim § 315 BGB bei diesem liegt).
Wenn der Kläger nix vorträgt, dann gibt es nix zu beurteilen und da bewegt sich auch nix im Spielraum.
Wenn der Klg, nicht nix, sondern nicht viel vorträgt, dann stellt sich dem Gericht die Frage, ob diese wenigen Kriterien in den von ihm angenommenen Spielraum passen.
So verstehe ich @Black. Er dürfte die Auffassung vertreten, dass der vom VIII. BGH-Senat (02.10.1991) gesetzte Rahmen der vollständigen Kosten- und Gewinnkontrolle viel zu weit sei und der VIII. Senat (13.06.2007) diesen Rahmen jetzt eingrenzen will (Marktpreise).
Da aber auch der VIII. Senat nicht einfach einen anderen Rahmen definieren kann (so eben mal aus dem hohlen Bauch heraus), braucht selbiger eben Definitionskriterien.
So, und jetzt sind wir beim \"Substitutionswettbewerb\" angelangt (den Rest erspare ich mir, weil, wie ich annehme, allseitig bekannt).
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