Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Kontrolle des Gesamtpreises
RR-E-ft:
@Black
Sie sind es, der das Pferd von hinten aufzäumt:
Am Anfang war das Wort.
Das Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB selbst ergibt sich nicht aus § 315 BGB, sondern entweder aus dem Vertrag selbst, weil hinsichtlich des zu zahlenden Entgelts eben bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Verkäufers vereinbart wurde, oder aber aus einem Gesetz.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, dann und nur dann kommt § 315 BGB unmittelbar und direkt zur Anwendung und zwar zur Kontrolle der Ausübung des bestehenden Leistungsbestimmungsrechts, welches zugleich eine Verpflichtung enthält, die entsprechende Leistung bei oder nach Vertragsabschluss der Billigkeit entsprechend (neu) zu bestimmen.
Vorliegend ist Gegenstand des Leistungsbestimmungsrechts die vertragliche Haupt- Gegenleistung, nämlich das vom Kunden zu zahlende Entgelt. Mithin besteht aus § 315 BGB eine gesetzliche Verpflichtung, dieses Entgelt nach Vertragsabschluss der Billigkeit entsprechend neu festzusetzen, vgl. nur Palandt, BGB, § 315 Rn. 12 und BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rn. 23, 26.
Black:
Dann vertreten wir die gleiche Auffassung (in diesem Punkt) und zäumen das Pferd richtig auf. Die Antwort ging daher auch eher an sweet sue.
Insoweit ist es müßig am § 315 BGB ergründen zu wollen ob sich das Bestimmungsrecht auf einen neuen Gesamtpreis oder einen Preisänderung Delta bezieht. Hierzu muss man sich den Vertrag selbst ansehen und braucht nicht zu überlegen was der § 315 BGB mit Leistung meint.
RR-E-ft:
@Black
Da wäre ich mir nicht sicher. Die Kollegin hat sauber subsumiert.
Hoffentlich besteht Konsens insoweit, dass ohne einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB - vorbehaltlich einer dem Transparenzgebot des § 307 BGB entsprechenden, gem. § 305 BGB wirksam in den Vertrag einbezogenen Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag - der eine Vertragsteil nicht einseitig die vom anderen Vertragsteil zu erbringende Leistung neu bestimmen darf, dass dann beide Vertragsteile gleichermaßen an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden sind (§§ 145 ff. BGB).
Das würde bedeuten, dass der Versorger zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis weiter liefern muss, vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2008 (12 U 49/07):
--- Zitat ---Für den Tarifkundenbereich ist höchstrichterlich entschieden (BGHZ 172, 315, 320 = NJW 2007, 2540, 2541), dass § 4 AVBGasV Abs. 1 und 2 (und auch die Nachfolgeregelung in § 5 Abs. 2 S. 1 GasGVV) gesetzliche Regeln enthalten, die dem Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB gewähren.
--- Ende Zitat ---
Repetitorium:
--- Zitat ---§ 315 BGB kommt dann und nur dann direkt zur Anwendung, wenn ein Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss vertraglich vereinbart wurde oder sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB aus einem Gesetz ergibt. Die Anwendung der Norm setzt also anderweitig (im Vertrag oder aus einem Gesetz) ein einseitiges Leistungbestimmungsrecht voraus.
Was bedeutet es aber nun, dass § 315 BGB direkt zur Anwendung kommt?
Es bedeutet, dass der zur Leistungsbestimmung berechtigte Vertragsteil bei oder nach Vertragsabschluss verpflichtet ist, eine der Billigkeit entsprechende Ermessensentscheidung zur Leistungbestimmung unter Abwägung der gegenläufigen Interessen beider Vertragsteile unter umfassender Würdigung des Vertragszwecks zu treffen, und dass die Einhaltung dieser Verpflichtung vermittels des Verfahrens nach § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfbar ist.
Obschon es als Bestimmungsrecht bezeichnet ist, geht es in § 315 BGB doch allein um eine daraus folgende gesetzliche Verpflichtung und deren Kontrolle im Rahmen von § 315 Abs. 3 BGB. Betrifft das Leistungbsestimmungsrecht die vertragliche Haupt- Gegenleistung des anderen Vertragsteils, dann gilt das Vorgesagte in Bezug auf diese vertragliche Haupt- Gegenleistung.
--- Ende Zitat ---
Black:
Sauber subsummieren alleine bringt es auch nicht immer.
--- Zitat ---Original von sweet sue
Und die Leistungsbestimmung des Preises ist eine Bestimmung einer primären Leistungspflicht im ganzen, wer sagt denn, dass es nur um \"Preisaufschläge\" geht?
--- Ende Zitat ---
1.) Ich vertrete diese Auffassung und lege im Rahmen dieser Diskussion dar, warum ich sie für richtig halte.
2.) Der BGH in seiner Entscheidung VIII ZR 36/06, in der er den vereinbarten Preissockel unbeachtet läßt und nur die Erhöhung nach § 315 BGB einer Prüfung für zugänglich erklärt.
Diese Entscheidung ist nur unter folgenden Gesichtspunkten erklärbar:
- auch der BGH (besser gesagt der betroffene Senat) legt das vertragliche Preisbestimmungsrecht gerade nicht als Bestimmung einer primären Leistungspflicht im ganzen aus.
oder
- der BGH hat einfach weniger Ahnung vom Schuldrecht AT als Sie
--- Zitat ---Original von RR-E-ft Hoffentlich besteht Konsens insoweit, dass ohne einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB - vorbehaltlich einer dem Transparenzgebot des § 307 BGB entsprechenden, gem. § 305 BGB wirksam in den Vertrag einbezogenen Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag - der eine Vertragsteil nicht einseitig die vom anderen Vertragsteil zu erbringende Leistung neu bestimmen darf, dass dann beide Vertragsteile gleichermaßen an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden sind (§§ 145 ff. BGB).
--- Ende Zitat ---
Sie können unbesorgt sein, denn in diesem Thread geht es primär um das Preisanpassungsrecht und die Preiskontrolle im Rahmen der Grundversorgung. Den Bereich Sonderkundenverträge und Einbeziehung des § 315 BGB diskutieren wir doch paralel an anderer Stelle.
RR-E-ft:
@Black
--- Zitat ---Original von Black
Bevor ich jetzt vertieft antworte, Ihnen ist schon bekannt, dass die AVBGasV seit 2006 (!) durch die GasGVV ersetzt wurde? Auch unter Beachtung aller Übergangsfristen dürfte nunmehr auch der letzte Vertrag umgestellt sein.
--- Ende Zitat ---
Das war jetzt schon die oben bedeutungsvoll angekündigte vertiefte Antwort?
Gretchenfrage: Wie halten Sie es denn nun mit Preisabschlägen in laufenden Vertragsverhältnissen?!
Was entnehmen Sie denn aus der Entscheidung BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 23, 26, mal abgesehen von der Erkenntnis, dass ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie nach wie vor nicht besteht?
Apropos unbesorgt. Ich erhalte auch die Ergänzungslieferungen zu den einschlägigen Kommentierungen und nicht erst dadurch war hier irgendwie auffällig geworden, dass das Energiewirtschaftsgesetz 2005 neu verkündet wurde und in dessen Gefolge weitere Verordnungen in Kraft getreten sind. Immerhin hatte ich selbst weiter oben § 116 EnWG erwähnt.
Da es sich jedoch bei dem hier maßgeblichen § 315 BGB um eine Bestimmung des Schuldrechts AT handelt, an der sich seit Inkrafttreten des BGB nichts geändert hat, meine und hoffe ich insoweit jedenfalls wohl up to date zu sein.
Saubere Subsumption und eine saubere rechtsdogmatische Arbeitsweise sind Grundvoraussetzungen jeder Rechtsfindung.
Wer unter Missachtung des Abstraktionsprinzips Einigung durch Angebot und Annahme sowie einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in einem Vertragsverhältnis miteinander vermengt, der kann m. E. zu keiner juristisch sauberen Lösung gelangen.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln