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Autor Thema: Mindermeinung: gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus EnWG  (Gelesen 34679 mal)

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@RR-E-ft, bitte zur Kenntnis nehmen, es geht hier jetzt nicht um Sinn oder Unsinn der KA sondern um die Auswirkung auf das Ergebnis unter dem letzten Strich.
Das Ergebnis ist eben gerade nicht für alle Grundversorger gleichermaßen, unabhängig von ihrer Rechtsform und Eigentümerstruktur und davon, ob sie mit dem Netzbetreiber gesellschaftlich verbandelt sind oder nicht.

Auch die Berater der Stadtwerke wissen das längst:

Zitat
Konzessionsabgaben sind für Kommunen insofern von Vorteil, als sie steuerfrei vereinnahmt werden können. Insbesondere auch vor diesem Hintergrund bietet die Optimierung des Konzessionsabgabenaufkommens eine Möglichkeit für Kommunen, bestehende Einnahmequellen zu sichern bzw. neu zu erschließen.

Warum die Kommunen mit ihren Stadtwerken den Beratern hier so wenig folgen ist ein Rätsel

Offline RR-E-ft

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Offline RR-E-ft

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Meine Thesen nochmals in kleinen Schritten

Es geht bei  der Grundversorgung  nicht nur und nicht vorrangig  um den Schutz der Kunden in laufenden Vertragsverhältnissen.

Es geht um den Schutz besonders schutzbedürftige Kunden, die im Bedarfsfall auf die Grundversorgung angewiesen sind.

Wegen dieser besonders schutzbedürftigen Kunden gibt es die Grundversorgungspflicht aus § 36 Abs. 1 EnWG.
Diese begnügt sich nicht damit, dass die betroffenen Kunden überhaupt versorgt werden müssen, etwa zu einem marktüblichen Preis.

Den Grundversorger trifft eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht.
Er muss Allgemeine Preise bestimmen und veröffentlichen und alle betroffenen Kunden zu den von ihm bestimmten und hiernach veröffentlichten Preisen versorgen.

Diese Allgemeinen Preise darf er nicht frei bestimmen.

Auf diese gesetzliche Preisbestimmungspflicht findet vielmehr § 315 Abs. 1 BGB unmittelbare Anwendung.

Der Grundversorger ist gem. § 2 Abs. 1 EnWG im Rahmen des § 36 Abs. 1 EnWG zu einer Versorgung im Sinne des § 1 EnWG verpflichtet.
Gem. § 1 Abs. 1 EnWG besteht der Zweck in einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.

Damit ist es unvereinbar, dass der Grundversorger Allgemeine Preise bestimmt, die wie in anderen Wirtschaftszweigen auf Profitmaximierung abzielen "was der Markt gerade hergibt" (vgl. schon BGH Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III.2 a).

Selbst als für die auf der Grundlage der gesetzlicher Preisbestimmungspflicht vom Versorger gebildeten Allgemeinen Tarife zusätzlich noch eine behördliche Preisaufsicht und Preisgenehmigungspflicht bestand, mit welcher gesetzlich höchstzulässige Allgemeine Tarife genehmigt wurden,  bestand daneben immer auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der vom Versorger einseitig bestimmten Allgemeinen Tarife gem. § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.03 Az. VIII ZR 111/02 unter II 1 b. mw.N, Urt. v. 5.7.05 Az. X ZR 60/04 unter II 1 c. mwN).

Mit dem Wegfall der behördlichen Tarifgenehmigungspflicht entfiel die immer daneben bestehende Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht,
sondern blieb ausdrücklich weiter unberührt, siehe auch § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV/ GasGVV.

Dem besonders schutzbedürftigen Kunden, der im Bedarfsfall auf diese Verorgung angewiesen ist, ist deshalb jeweils ein vom Grundversorger bestimmter, solcher Allgemeiner Preis zu bieten,
der ihm eine möglichst preisgünstige, effieziente, verbraucherfreundliche... Energieversorgung gewährleistet (vgl. BGH Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III.2 a.)

Nur dadurch, dass den besonders schutzbedürftigen Kunden, die im Bedarfsfall auf die Grundversorgung angewiesen sind, vom Grundversorger eine Versorgung zu einem jeweils derart bestimmten (angemessenen) Preis geboten wird, kann deren angestrebter Schutz überhaupt nur gewährleistet werden.

Einem grundversorgten Haushaltskunden nutzt es im Zweifel nicht viel, wenn er sich zwar gegen einseitige Preisänderungen (Preiserhöhung) im laufenden Vertragsverhältnis  auf ein fehlendes Preisänderungsrecht berufen kann, der Grundversorger jedoch mit Verweis auf eine eingetretene wirtschaftliche Unzumutbarkeit der weiteren Belieferung zu ungeänderten Preisen kurzfristig das bestehende Versorgungsverhältnis durch ordnungsgemäße Kündigung beenden kann, dem betroffenen Kunden hiernach im Bedarfsfall nur eine Versorgung zu einem -  unter dem Gesichtspunkt der Profitmaximierung gebildeten -  "Mondpreis" bietet.

Ebenso versagt der Schutz der besonders schutzbedürftigen Kunden, die im Bedarfsfall auf die Versorgung angewiesen sind, wenn den Grundversorger keine Rechtspflicht trifft, die Allgemeinen Preise abzusenken, wenn dies dem Versorger in Anbetrracht der Kosten- und Erlöslage in der Grundversorgung bei  einer effizieneten Betriebsführung möglich und den Kunden günstig ist.

Sonst  wird den besonders schutzbedürftigen Kunden, die  im Bedarfsfall auf die Versorgung angewiesen sind, insgesamt keine möglichst preisgünstige, effiziente, verbraucherfreundliche  Grundversorgung gewährleistet.     

« Letzte Änderung: 08. November 2014, 10:49:58 von RR-E-ft »

Offline Black

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@Black

Was für ein schöner Trugschluss.

Ich behaupte mal spitz, der Grundversorger nimmt mit seinen Grundversorgungspreisen überhaupt nicht am Wettbewerb teil, muss er auch nicht.

Die meisten Grundversorger nehmen außerhalb der Grundversorgung mit sog. Wettbewerbsprodukten am Wettbewerb teil.
Bei solchen Wettbewerbsprodukten werden deshalb die Preise auch schneller gesenkt als in der Grundversorgung.

Es gibt keinen mir bekannten Hinweis des Gesetzgebers, dass die Grundversorgung ausserhalb des 1998 in der Energiewirtschaft eingeführten Wettbewerbs stehen soll. Für die Ersatzversorgung mag man das vertreten können, da diese nur eine zeitlich befristete Notsituation überbrücken soll und nicht auf Dauer angelegt ist.

Die Grundversorgung steht auch schon rein praktisch im Wettbewerb, da jeder Kunde, der sich für die Grundversorgung entscheidet, sich eben nicht über ein Sonderprodukt des Wettbewerbers versorgen lässt. Derzeit sind das bundesweit noch immer ca. 40 % des Marktes.

Die Grundversorgung ist ja auch kein Sozialtarif für besonders bedürftige Kunden, die sich den normalen Wettbewerbspreis nicht leisten können, denn es gibt ja keinen Zugang über einen besonderen Bedürftigkeitsnachweis. Wenn man die Grundversorgung besonders günstig - vielleicht sogar kostenneutral - anbieten würde, wäre es noch unatraktiver für die Kunden die Grundversorgung zu verlassen und der Wettbewerb käme zum Erliegen. Das wäre nur möglich, wenn nur sozialschwache Personen einen Anspruch auf die Grundversorgung hätten.

Der umgekehrte Ansatz wäre, die Grundversorgung möglichst teuer zu kalkulieren, damit sie nicht zur Regelversorgung wird und die Kunden möglichst schnell in Sonderverträge (Wettbewerb) wechseln. Das OLG Nürnberg hat mal so etwas vertreten (OLG Nürnberg, 21.12.2010, 1 U 2329/09). Das hätte aber widerum den Nachteil, dass sozial schwache Kunden, die keine Sonderverträge am Markt erhalten, doppelt benachteiligt wären. Es bedürfte bei diesem Ansatz auch keiner Preiskontrolle, da der Preis ja eher unnatraktiv hoch sein müsste.

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Meine Überlegungen haben den Zweck der Grundversorgung als Ausgangspunkt:

Die Gewährleistung einer möglichst preisgünstigen Versorgung für besonders schutzbedürftige Kunden.

Besonders schutzbedürftige Kunden sind die Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG.
Schutzbedürftig sind sie, weil sie sich die benötigte Energie wegen ihrer geringen Nachfragemenge nicht selbst  auf dem Großhandelsmarkt beschaffen können.
Deshalb wurde diesen ein gesetzlicher Anspruch auf Grundversorgung eingeräumt.

Nachdem es sich bei den Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers um diejenigen besonders schutzbedürftigen Kunden im Sinne der EU- Richtlinien handelt, brauchen sich Kunden, die unter § 3 Nr. 22 EnWG fallen, nicht besonders ausweisen, um ihre besondere Schutzbedürftigkeit erst noch nachzuweisen.

Ganz besonders schutzbedürftig sind solche Haushaltskunden, die nicht aus Bequemlichkeit in der Grundversorgung sind,
sondern aus bestimmten Gründen nicht zu einem Sondervertrag wechseln können.

Nur Haushaltskunden können durch bloße Energieentnahme aus dem Netz einen Grundversorgungsvertrag begründen, § 2 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV.
Haushaltskunden, die einen Sondervertrag abgeschlossen haben und  deren Lieferant ausfällt, werden zeitlich befristet im Rahmen der Ersatzversorgung versorgt.
Nicht- Haushaltskunden haben hingegen nur Anspruch auf eine zeitlich befristete Ersatzversorgung.

Insbesondere wenn der Grundversorger den Haushaltskunden im Netzgebiet außerhalb der Grundversorgung auch günstigere Sonderverträge anbietet, spricht nichts dafür, dass der Wettbewerb die Allgemeinen Preise der Grundversorgung kontrollieren kann. Es steht sogar zu besorgen, dass ein Grundversorger, der sich mit seinen Sonderprodukten in einem scharfen Wettbewerb wähnt, versucht, seine Sonderprodukte über die Grundversorgung querzusubventionieren.

Ob die Allgemeinen Preise der Grundversorgung durch den Wettbewerb kontrolliert und begrenzt werden, ist keine Frage des Gesetzgebers, da sich eine solche Wirkung nicht gesetzlich anordenen, allenfalls ausschließen lässt.

Bei der Belieferung von Haushaltskunden differenziert das Bundeskartellamt laut VKU nunmehr im Strom- und Gasbereich  sachlich zwischen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden. Dafür sprächen empirische Indizien zu Preisabständen, Wechselverhalten und Anbieterstruktur. Wegen der positiven wettbewerblichen Entwicklungen würden die Märkte für Sondervertragskunden bundesweit abgegrenzt. Dagegen bleibe es bei den Grundversorgungskunden räumlich bei der netzbezogenen Abgrenzung, bei der jeder Grundversorger in seinem Gebiet dann ein Monopol habe.

Die Preisgestaltungen der Grundversorger erscheinen in Anbetracht der Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG oft sehr fragwürdig.

==============

Ein Beispiel:

http://www.stadtwerke-jena.de/fileadmin/user_upload/Preisblaetter/Strom/S_Jena/JEN_PB_GV_P.pdf

Soweit der Vertriebsanteil am Grundpreis 55,04 €/a betragen soll und somit mehr als doppelt so hoch ausfällt wie der Grund- und Abrechnungspreis des Netzbetreibers(!), ist dies nicht nachvollziehbar und kann die Kostenstruktur nicht zutreffend widerspiegeln und somit wohl  auch nicht sachlich gerechtfertigt sein.

Es steht zu besorgen, dass in den Grundpreis eine verbrauchsunabhängige und somit nicht leistungsorientierte besonders hohe Vertriebsmarge eingepreist wurde.

Zum Vergleich:

Bei den Stadtwerken Mühlhausen/Thür  beträgt der Vertriebsanteil am Grundpreis 17,40 €/a,  bei den Stadtwerken Nordhausen 15,38  €/a und bei den nahen Stadtwerken Eisenberg/Thür gar nur 10,50 €/a.

Grundversorgte Kunden mit geringem Verbrauch, die sich um Energieeinsparung bemühen, werden durch eine hohe verbrauchsunabhängige Vertriebsmarge systematisch  benachteiligt.

Zudem beruht eine hohe verbrauchsunabhängige Vertriebsmarge nicht auf einer Leistung des Vertriebs, nachdem sich die zu honorierende Leistung eines Vertriebs nach dem Absatz/ der Absatzmenge bemisst.

Der Vertriebsanteil am Arbeitspreis in Höhe von 7,121 Ct/ kWh liegt etwa doppelt so hoch wie der Großhandelspreis für Strom (derzeit ca. 3,60 Ct/ kWh) und kann deshalb auch nicht recht überzeugen.
Die Handelsspanne zwischen Goßhandelspreis und Vertriebsanteil des Grundversorgers pro abgesetzter Einheit erscheint zu groß.

Während der Stromerzeuger ein Kraftwerk errichten, betreiben, ggf. Brennstoff kaufen und Strom erzeugen muss, um den Großhandelspreis von 3,60 Ct/ kWh zu erzielen, ist nicht ersichtlich,
was der Vertrieb noch bedeutsames leisten muss, um die Differenz aus Vertriebsanteil am Arbeitspreis und Großhandelspreis zu erzielen.

Dafür, dass der Strom vom Stromerzeuger zur Abnahmnestelle des Kunden transportiert wird, bekommt schließlich schon der Netzbetreiber ein sattes Entgelt in Höhe von 4,990 Ct/ kWh.

Gemessen an den Leistungen des Stromerzeugers und des Netzbetreibers und deren Vergütungen erscheint die Vergütung, die sich der Vertrieb für eine nicht recht ersichtliche Leistung beimessen möchte, doch irgendwie überhöht. Der Grundversorger nimmt schließlich nur eine Zwischenhändlerfunktion (vergleichbar einem Makler/Vermittler) ein, nachdem die Haushaltskunden die Energie nicht selbst auf dem Großhandelsmarkt etwa  vom Stromerzeuger beschaffen können, um diese vom Netzbetreiber zur Abnahmestelle transportieren zu lassen. Beschafft wird der Strom, den die Stromerzeuger wegen des bestehenden Überangebots ohnehin händerringend loswerden wollen. Dieser - gemessen an der Gesamtleistung Stromversorgung- gering erscheinende eigene Beitrag des Grundversorgers sollte wohl mit 0,5 Ct/ kWh (einem "Vertriebspfennig") angemessen abgegolten sein.

Nicht nachvollziehbar erscheint  ein Vertriebsanteil beim Grundpreis in Höhe über  53,68 €/a bei Doppeltarifkunden,
zumal andererseits der Vertriebsanteil am NT- Arbeitspreis in Höhe von lediglich 0,991 Ct/kWh ersichtlich nicht ausreichen kann,
um auch nur die entsprechenden Strombeschaffungskosten abzudecken.

Auf die Grundversorgung angewiesenen  Haushaltskunden mit geringem Jahresverbrauch in Jena,  nutzt es ersichtlich nichts,
dass andernorts etwa in Nordhausen oder Eisenberg der Vertriebsanteil am Grundpreis der Grundversorgung weit geringer liegt.
Es sei denn, eine Missbrauchskontrolle gem. § 29 GWB oder eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB zwingt den Grundversorger in Jena,
seine Preisgestaltung bei den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung abzuändern. 




 
« Letzte Änderung: 13. November 2014, 11:18:57 von RR-E-ft »

Offline Black

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@Black

Meine Überlegungen haben den Zweck der Grundversorgung als Ausgangspunkt:

Die Gewährleistung einer möglichst preisgünstigen Versorgung für besonders schutzbedürftige Kunden.

Das wäre vielleicht ein sozialstaatlich löbliches Ziel, aber so ist die Grundversorgung derzeit nicht gestaltet. Die Grundversorgung stellt in erster Linie einen Kontrahierungszwang des GV dar, um jedem Bürger grundsätzlich Zugang zur Energieversorgung zu gewähren.

Die Preisgünstigkeit nach § 1 EnWG ist nur eines von sehr vielen dort genannten  Zielen des EnWG, wobei diese Ziele auch noch miteinander in Konkurrenz stehen, weil zum Beispiel Versorgungssicherheit oder Umweltfreundlichkeit auch zu Lasten der Preisgünstigkeit gehen können (und umgekehrt).

Daraus lässt sich kein einklagbares Recht herleiten, ein Gericht möge die Preisgünstigkeit prüfen, genau so wie ein Gericht nicht die Umweltfreundlichkeit oder Verbraucherfreundlichkeit (alles Ziele des § 1 EnWG). Bei der Preisgünstigkeit versuch die Mindermeinung daher ja auch den "Umweg" über das BGB zu nehmen, namentlich § 315 BGB, der aber nur auf einseitige Änderungen des ursprünglichen Anfangspreises anwendbar ist.

Dem Gesetzgeber ist im Übrigen die Sockelrechtsprechung des BGH - immerhin nun schon einige Jahre ständige Praxis der Rechtsprechung - bekannt. Wenn der BGH den Gesetzgeber lediglich "falsch verstanden hat", wäre es ein Leichtes für den Gesetzgeber gewesen, im Zuge einer der bisherigen Änderungen des EnWG z.B. im Rahmen des § 36 EnWG klarzustellen, dass der Gesamtpreis der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Der Gesetzgeber hätte dies auch im Zuge der gerade vollzogenen Novellierung der Preisanpassungsregelungen in der Strom/GasGVV klarstellend regeln können. Auch das ist nicht passiert.

Schon vor diesem Hintergrund halte ich es für abwegig zu behaupten, der BGH habe das gesetzgeberische Ziel der Grundversorgung und die daraus vom Gesetzgeber gewollten  resultierenden Kontrollpflichten der Rechtsprechung falsch verstanden.



Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline PLUS

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@Black

Meine Überlegungen haben den Zweck der Grundversorgung als Ausgangspunkt:

Die Gewährleistung einer möglichst preisgünstigen Versorgung für besonders schutzbedürftige Kunden.

Das wäre vielleicht ein sozialstaatlich löbliches Ziel, aber so ist die Grundversorgung derzeit nicht gestaltet.
Wenn die Grundversorgung so nicht gestaltet ist, dann stellt sich die Frage deren Verfassungswidrigkeit im Sozial- und Rechtsstaat Deutschland. Die Grundversorgung ist verpflichtende Daseinsvorsorge und für die Erfüllung ist im Sozial- und Rechtsstaat der Staat verantwortlich.

Zitat
Daseinsvorsorge
Unter Daseinsvorsorge (auch „öffentliche Daseinsvorsorge“) versteht man elementare Leistungen, Dienstleistungen und Infrastruktur, die der Staat oder ein öffentlich-rechtlicher Träger allen BürgerInnen als „Grundversorgung“ zur Verfügung stellt. Die Definition, wie umfangreich diese Grundversorgung sein muss, kann variieren. In der Regel zählen zur Daseinsvorsorge aber mindestens: Ver- und Entsorgung (Gas, Wasser, Strom, Abfall), Bildungseinrichtungen, Gesundheitseinrichtungen, Verkehrswege, öffentliche Verkehrsmittel und eine funktionierende öffentliche Verwaltung.
Quelle: DGB-Lexikon

Eine Rechtspflicht der öffentliche Hand zur Daseinsvorsorge die mit Art 1 Abs. 1 GG beginnt. Und dann beginnt ein weites Feld mit vielen Artikeln und §§ ...
Gewinnerzielungsabsicht und deren Grenzen im Bereich der Daseinsvorsorge,  Kostenüberschreitungsverbot, Quersubventionierung, zweckentfremdete Verwendung der Mittel etc.... Aber ja, auch dazu findet sich schon einiges im Forum.

Offline uwes

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Dem Gesetzgeber ist im Übrigen die Sockelrechtsprechung des BGH - immerhin nun schon einige Jahre ständige Praxis der Rechtsprechung - bekannt.
Die Sockelpreisrechtsprechung dürfte nach EuGH vom 23.10.2014 Geschichte sein. Ohne Preisänderungsrecht auch keine Zustimmung durch Schweigen zu einem neuen "Vertragspreis". Die Begrenzung der Rückwirkung wurde schon vom EuGH abgelehnt. Somit kann der BGH an dieser Rechtsprechung, die eine solche Begrenzung bewirken soll, nicht festhalten. Ein Festhalten hieran wäre europarechtswidrig.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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@Black

Meine Überlegungen haben den Zweck der Grundversorgung als Ausgangspunkt:

Die Gewährleistung einer möglichst preisgünstigen Versorgung für besonders schutzbedürftige Kunden.

Das wäre vielleicht ein sozialstaatlich löbliches Ziel, aber so ist die Grundversorgung derzeit nicht gestaltet. Die Grundversorgung stellt in erster Linie einen Kontrahierungszwang des GV dar, um jedem Bürger grundsätzlich Zugang zur Energieversorgung zu gewähren.


@Black

Wenn ich Sie recht verstanden habe, sind Sie der Meinung, Haushaltskunden hätten bisher keinen (klagbaren) Anspruch auf Versorgung zu angemessenen Preisen gegenüber dem Grundversorger.


Haushaltskunden sind  schutzbedürftige Kunden, weil sie keinen direkten Zugang zum Großhandel haben. Diesen muss deshalb durch einen Versorger letzter Instanz (in Deutschland: "Grundversorger") eine Versorgung zu angemessenen Preisen gewährleistet werden.

Auf eine soziale Bedürftigkeit kommt es dafür, dass es sich bei den Haushaltskunden gem. § 3 Nr. 22 EnWG in ihrer Gesamtheit  um solche schutzbedürftigen Kunden handelt, überhaupt nicht an.

Entscheidend ist wohl, dass sie aufgrund ihres geringen Jahresverbrauchs nicht am Großhandel teilnehmen können und deshalb auf einen "Vermittler" angewiesen sind, damit auch sie an den Früchten des Wettbewerbs auf dem Großhandelsmarkt teilhaben können.



Siehe auch EuGH, Urt. v. 23.10.14 Rs. 359/11 Tz. 39 ff.:

Zitat
39 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Zweck der genannten Richtlinien die Verbesserung der Funktionsweise des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts ist. Ein nichtdiskriminierender, transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang ist Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts (vgl. in diesem Sinne Urteil Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 31).

40      Den Bestimmungen der Richtlinien 2003/54 und 2003/55 liegen Belange des Verbraucherschutzes zugrunde (vgl. in diesem Sinne Urteil Enel Produzione, C‑242/10, EU:C:2011:861, Rn. 39, 54 und 56). Diese Belange stehen in engem Zusammenhang sowohl mit der Liberalisierung der in Rede stehenden Märkte als auch mit dem ebenfalls mit diesen Richtlinien verfolgten Ziel, eine stabile Elektrizitäts- und Gasversorgung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 59 bis 65).

41      Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2003/54 und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/55 enthalten insoweit die Bestimmungen, die die Erreichung des in der vorstehenden Randnummer angeführten Ziels ermöglichen.

42      Zum einen geht aus dem Wortlaut dieser Vorschriften hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden ergreifen und insbesondere dafür Sorge tragen, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, wozu auch Maßnahmen gehören, mit denen diesen Kunden geholfen wird, einen Ausschluss von der Energieversorgung zu vermeiden. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten nach dem jeweiligen Art. 3 Abs. 3 der genannten Richtlinien einen Versorger letzter Instanz benennen.

43      Vorliegend handelt es sich bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lieferverträgen, wie die deutsche Regierung in ihren Erklärungen geltend macht, um Verträge, die von Versorgern geschlossen wurden, die gegenüber den Kunden, die darum ersucht haben, als Versorger letzter Instanz handeln.


Dass den schutzbedürftigen Endkunden( die der deutsche Gesetzgeber als "Haushaltskunden" in § 3 Nr. 22 EnWG legaldefiniert hat) eine Versorgung zu angemessenen Preisen zu gewährleisten ist und dafür ein Versorger letzter Instanz bestimmt werden kann (den der deutsche Gesetzgeber "Grundversorger" genannt hat), ergibt sich wohl bereits aus den EU- Richtlinien.


Die Kontrolle der Preisgestaltung der Grundversorger scheint doch irgendwie Konsens zu sein.

Die meisten Grundversorger sind im VKU organisiert und dieser führt in seinem "Positionspapier zur Energielieferung für einkommensschwache Haushalte" vom 24.06.13 auf Seite 4/9 selbst aus:

Zitat
Die Grundversorger sind insbesondere bei der Preisgestaltung nicht frei, sondern unterliegen der Preiskontrolle nach § 315 BGB. Die Kosten für einen gesonderten Tarif für einkommensschwache Haushalte können weder aus Wettbewerbsgründen noch aus Gründen des § 315 auf andere Kunden umgelegt werden.

Wenn Grundversorger in ihrer Preisgestaltung nicht frei sind, ihre Preisbestimmungen vielmehr der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen, so richtet sich die Angemessenheit des vom - Grundversorger genannten-  Energieversorgungsunternehmens gestalteten Allgemeinen Preises nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei die Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG zwingend in die Betrachtung mit einbezogen werden muss (vgl. schon BGH, Urt. v. 2.10.1991 Az. VIII ZR 240/90 unter III. 2 a, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 43). 

Die "Preissockelrechtssprechung" kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil sie in Abhängigkeit von individuellen Widersprüchen der Kunden zu angeblich mit dem Grundversorger unterschiedlich vereinbarten Preisen führt. Unterschiedlich hoch vereinbarte Preise verstoßen dabei jedoch gegen das gesetzliche Preisspaltungsverbot aus § 36 Abs. 1 EnWG.  Gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG  dürfen auch Bestands- und Neukunden in der Grundversorgung (unabhängig von individuellen Widersprüchen) nicht zu unterschiedlichen Preisen versorgt werden.

Zitat
Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Jeder Hausshaltskunde ist im Rahmen der Grundversorgung zu dem jeweiligen Allgemeinen Preis zu versorgen, den der Versorger entsprechend gesetzlicher Verpflichtung zunächst gestaltet, sodann öffentlich bekannt gegeben und im Internet veröffentlicht hat, so dass für individuelle Preisvereinbarungen in diesem Bereich keinerlei Raum bleibt.

Der Grundversorger nimmt bei der Gestaltung der jeweiligen Allgemeinen Preise, zu welcher er gesetzlich verpflichtet ist, keinerlei Rücksicht darauf, ob betroffene Kunden in der Vergangenheit einzelnen Preisfestsetzungen widersprochen hatten. Wenn der Grundversorger aber schon bei der Gestaltung der Allgemeinen Preise keinerlei Rücksicht auf Preiswidersprüche einzelner Kunden nimmt und nehmen darf, so darf auch die Billigkeitskontrolle der vom Grundversorger vorgenommenen Preisgestaltungen keine Preiswidersprüche einzelner Kunden berücksichtigen, weil sonst der Prüfungsmaßstab (Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB) nicht dem Prüfungsgegenstand (Gestaltung des Allgemeinen Preises durch den Grundversorger) entsprechen würde. Es verhielte sich so ähnlich, als wollte man eine Temperatur mit einem Zollstock kontrollieren.

Ein angemessener Schutz, wie ihn EU- Recht verlangt, besteht nicht schon dann, wenn die schutzbedürftigen Kunden überhaupt versorgt werden müssen. Wenn nämlich die vom Grundversorger gestalteten Allgemeinen Preise unangemessen überhöht sind, ist dies nicht der Fall.

Es muss deshalb gewährleistet sein, dass jeder Haushaltskunde, der in die Grundversorgung gerät, zu angemessenen Preisen versorgt wird. Dafür muss die Angemessenheit der jeweiligen Preise der Grundversorgung kontrollierbar sein und muss den betroffenen Kunden deshalb eine Kontrollmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden, um die vom Grundversorger vorgenommene Preisgestaltung auf Angemessenheit kontrollieren zu können.

Angemessenheit steht synonym für Billigkeit iSd. § 315 BGB.   



     
« Letzte Änderung: 15. November 2014, 18:05:25 von RR-E-ft »

Offline Black

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Wenn ich Sie recht verstanden habe, sind Sie der Meinung, Haushaltskunden hätten bisher keinen (klagbaren) Anspruch auf Versorgung zu angemessenen Preisen gegenüber dem Grundversorger.

Nicht über § 315 BGB oder §§ 1, 2, 36 EnWG.

Der einzig denkbare Weg wäre vielleicht § 19 GWB mit den entsprechend hohen Anforderungen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Grundversorger können die Allgemeinen Preise gem. § 36 Abs. 1 EnWG selbst dann unangemessen gestalten, wenn sie keine marktbeherrschende Stellung haben. Denn ihnen fällt kraft Gesetzes die Gestaltungsmacht hinsichtlich der Allgemeinen Preise der Grundversorgung.

Für die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB kommt es nur darauf an, dass der Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG (unter Beachtung von §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG) die Allgemeinen Preise (vor deren Veröffentlichung und Anwendung) zu gestalten hat.

Deshalb ist der Grundversorger in seiner  Preisgestaltung nicht frei ist, sondern vielmehr an den Maßstab der Billigkeit gebunden. Der VKU spricht in seinem o. g. Positionspapier davon, dass Grundversorger einer Preiskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen.

Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB und kartellrechtliche Preismissbrauchskontrolle bestehen nebeneinander, wenn dem Versorger eine marktbeherrschende Stellung zukommt.

In der Grundversorgung nimmt das Bundeskartellamt weiter eine Monopolstellung der Grundversorger für die Netzgebiete an, in denen sie Grundversorger sind.

Demnach würde auch § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB greifen.

Zitat
Einem Unternehmen ist es verboten, als Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas (Versorgungsunternehmen) auf einem Markt, auf dem es allein oder zusammen mit anderen Versorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung hat, diese Stellung missbräuchlich auszunutzen, indem es

1.
    Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die ungünstiger sind als diejenigen anderer Versorgungsunternehmen oder von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten, es sei denn, das Versorgungsunternehmen weist nach, dass die Abweichung sachlich gerechtfertigt ist, wobei die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nur in Verfahren vor den Kartellbehörden gilt, oder
2.
    Entgelte fordert, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten.

Kosten, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden, dürfen bei der Feststellung eines Missbrauchs im Sinne des Satzes 1 nicht berücksichtigt werden. Die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.

Beim enreg-Workshop am 12.11.14 in Berlin war jedoch zu erfahren, dass entsprechende Kontrollen dehalb unterbleiben, weil sie die Kartellbehörden personell überfordern, diese zum Führen der Verfahren personell nicht in der Lage sind.

Gem. § 33 Abs. 1 GWB haben jedoch Betroffene [Kunden] schon dann einen Unterlassungsanspruch, wenn ein Verstoß gegen § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB droht. Ein solcher droht, wenn der Abstand zwischen Grundversorgeranteil am Allgemeinen Preis der Grundversorgung und Großhandelspreis auf dem vorgelagerten Markt unangemessen hoch ist.

Schließlich können auch qualifizierte Verbraucherverbände gem. § 33 Abs. 2 Nr. 2a GWB entsprechende Ansprüche geltend machen.

Zitat
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(2) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
    rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn ihnen eine erhebliche Zahl von betroffenen Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 angehört und sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
    Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in

    a)
        die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
    b)
        das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. Bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 der Zivilprozessordnung kann insbesondere der anteilige Gewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigt werden. Geldschulden nach Satz 1 hat das Unternehmen ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.
(4) Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Schadensersatz gefordert, ist das Gericht an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen wurde. Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 ergangen sind. Entsprechend Artikel 16 Absatz 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gilt diese Verpflichtung unbeschadet der Rechte und Pflichten nach Artikel 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
(5) Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Absatz 3 wird gehemmt, wenn ein Verfahren eingeleitet wird

1.
    von der Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder
2.
    von der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union wegen eines Verstoßes gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

§ 204 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
   
 
« Letzte Änderung: 19. November 2014, 16:01:59 von RR-E-ft »

Offline Black

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Die Sockelpreisrechtsprechung dürfte nach EuGH vom 23.10.2014 Geschichte sein. Ohne Preisänderungsrecht auch keine Zustimmung durch Schweigen zu einem neuen "Vertragspreis". Die Begrenzung der Rückwirkung wurde schon vom EuGH abgelehnt. Somit kann der BGH an dieser Rechtsprechung, die eine solche Begrenzung bewirken soll, nicht festhalten. Ein Festhalten hieran wäre europarechtswidrig.

Warten wir es ab.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Stillschweigende Einigung auf einen neuen Vertragspreis ist rechtsdogmatisch schon deshalb nicht vertretbar, weil in einer einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB, mit welcher einer Leistungsbestimmungspflicht iSd. § 315 Abs. 1 BGB entsprochen werden soll, kein auf Annahme (Zustimmung) gerichteter Antrag gem. § 145 BGB gesehen werden kann.

Denn wenn bei bestehender Leistungsbestimmungspflicht iSd. § 315 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der getroffenen Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nach der gesetzlichen Regelung allein von deren Billigkeit abhängen soll, kann und darf es nicht erst auf eine (stillschweigende) Annahmeerklärung ankommen.

Der Anspruch auf Billigkeitskontrolle kann allenfalls verwirken. Verwirkung setzt aber Zeit- und Umstandsmoment voraus und kann innerhalb der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist nur noch unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. auch Fricke, ZNER 2011, 130 ff. m.w.N.).

BGH, Urt. v. 23.01.14 Az. VII ZR 177/13 = NJW 2014, 1230:

Zitat
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, RdE 2013, 369 Rn. 13; Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 20 - Stromnetznutzungsentgelt IV, jew. m.w.N.). Allein der Ablauf einer gewissen Zeit nach Entstehung des Anspruchs vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 213/07, BauR 2010, 618 Rn. 25 = NZBau 2010, 236 = ZfBR 2010, 353). Unterliegt ein Rückforderungsanspruch der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB), kann eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, aaO Rn. 13; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11, BauR 2013, 117 Rn. 20 = NZBau 2012, 783 = ZfBR 2013, 39, jew. m.w.N.). Denn dem Gläubiger soll die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch rechtlich geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, aaO Rn. 13).

Warum den Grundversorger bei einer Geltendmachung der Unbilligkeitseinrede erst am Ende der kurzen dreijährigen Verjährungszeit ein unzumutbarer Nachteil entstehen soll, ist ebenso wenig ersichtlich, wie die Schutzbedürftigkeit eines Versorgers, der die Allgemeinen Preise um des eigenen Vorteils willen unangemessen hoch kalkuliert.
« Letzte Änderung: 19. November 2014, 15:16:07 von RR-E-ft »

Offline Black

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Stillschweigende Einigung auf einen neuen Vertragspreis ist rechtsdogmatisch schon deshalb nicht vertretbar, weil

Wie wir beide wissen, ist es nicht nur vertretbar, sondern herrschende Rechtsprechung. Da kann man anderer Meinung sein, aber man sollte doch die eigene Weltsicht nicht für die einzig Vertretbare halten. Denn bekanntlich lebt unser Rechtssystem davon, dass im Fall von widersprechenden Rechtsauffassungen die Rechtsprechung als Schiedsrichter das letzte Wort spricht.

Wer in Ansehung einer ständigen Rechtsprechung behauptet, die echte Rechtslage sei in Wahrheit ganz anders, verhält sich ähnlich den Personen, die behaupten die gesamte Bundesrepublik sei rechtlich gesehen null und nichtig, nur wisse das leider niemand.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline uwes

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Wie wir beide wissen, ist es nicht nur vertretbar, sondern herrschende Rechtsprechung.
.... noch.....
und nur in einer konkreten Fallgestaltung, die auch noch als einzige Ausnahme des von dem von Herrn Kollegen Fricke richtig zitierten Grundsatzes gesehen werden muss, dass Schweigen des Verbrauchers keinerlei Erklärungswert hat.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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