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Autor Thema: Mindermeinung: gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus EnWG  (Gelesen 34680 mal)

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Offline RR-E-ft

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@Black

Wie wir wohl beide wissen, findet die sog. Preisneuvereinbarungsfiktion des VIII.ZS keine Stütze im Gesetz, so dass er sich auf eine Simsalabim- Formel "Nicht anders kann es liegen..." verlegen musste.

Rechtsdogmatisch kann in einer einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB, mit welcher einer Leistungsbestimmungspflicht iSv. § 315 Abs. 1 BGB entsprochen werden soll, kein auf Annahme (Zustimmung) gerichteter Antrag iSv. § 145 BGB gesehen werden, weil die Wirksamkeit der so getroffenen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nur von deren Billigkeit abhängen soll. Ich habe bisher noch keinen gefunden, der mir anhand der Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre erklären konnte, wie sich eine einseitige Leistungsbestimmung iSv. § 315 Abs. 2 BGB in einen annahmefähigen Antrag iSv. § 145 BGB umdeuten ließe, nachdem es sich nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont um eine einseitige Leistungsbestimmung handelt, deren Wirksamkeit sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB allein nach deren Billigkeit  bemisst und bemessen muss.

Immerhin war diese Rechtsdogmatik der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre  auch dem VIII.ZS in einem Urteil vom 20.7.05 Az. VIII ZR 199/04 noch geläufig:

Zitat
Aus der Sicht eines verständigen Mieters hat die Beklagte durch ihre Schreiben, in denen sie die zukünftig zu zahlende Miete festlegte, erkennbar auf der Grundlage der - unwirksamen - vertraglichen Regelung ihr einseitiges Bestimmungsrecht ausüben wollen. Hierin lag daher, vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend, kein Angebot zum Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung. Es war für sie bereits nicht ersichtlich, daß es ihnen frei stand, der Mieterhöhung zuzustimmen oder es auf ein etwaiges Mieterhöhungsverfahren ankommen zu lassen. Die Rechtslage mußte sich ihnen vielmehr so darstellen, als seien sie schon aufgrund der einseitigen Erklärung der Beklagten zur Zahlung verpflichtet. Deshalb durfte die Beklagte auch der Zahlung der erhöhten Miete keine Erklärungsbedeutung beimessen, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum rechtsfehlerfrei angenommen hat (vgl. OLG Karlsruhe WuM 1986, 166, 168; OLG Hamburg WuM 1986, 82; LG Hamburg WuM 1989, 580; LG München I WuM 1992, 490; LG Aachen WuM 1995, 545; LG Mannheim WuM 2000, 308; LG Bautzen WuM 2002, 497; LG Berlin GE 2003, 807; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 557 Rdnr. 4; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rdnr. 422; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2003), § 557 Rdnr. 33 f.; MünchKommBGB/Artz, 4. Aufl., § 557 Rdnr. 39; Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 2 MHG Rdnr. 123; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 10 MHG Rdnr. 8; Schmidt- Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 557 Rdnr. 22 f.).


Fehlt es nach dem objektiven Empfängerhorizont des Kunden somit bereits an einem Angebot des Versorgers auf Preisneuvereinbarung, kann ein solches auch nicht stillschweigend etwa durch Weiterbezug von Energie oder eine widerspruchs- und vorbehaltlose Bezahlung der Rechnung angenommen werden.
Einer Zahlung des erhöhten Rechnungsbetrages darf deshalb keine Erklärungswirkung beigemessen werden.

Die "herrschende" Rechtsprechung des BGH besteht insoweit in  ganzen zwei fragwürdigen und auch in der Literatur nicht unumstritten gebliebenen Entscheidungen des VIII. ZS (Urt. v. 13.6.07 Az. VIII ZR 36/06 und Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07).

Was zur etwaigen Verwirkung des Anspruchs auf Billigkeitskontrolle zu sagen ist, wurde unter Verweis auf die herrschende BGH- Rechtsprechung (der unterschiedlichsten Senate) ausgeführt.

Für mich ebenso nicht nachvollziehbar ist, wie der VIII. ZS auf der einen Seite von einem vereinbarten Preis sprechen kann und andererseits zugleich davon, dass der Allgemeine Tarif an den Maßstab der Billigkeit gebunden sei und deshalb eine Verpflichtung zur Preisänderung bestehe, wenn diese den Kunden günstig ist (vgl. BGH, B. v. 18.5.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 11).

Letzteres kann nur dann der Fall sein, wenn die vertragliche Hauptabrede in einer Leistungsbestimmungspflicht des Versorgers in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise besteht (wie in § 36 Abs. 1 EnWG iVm. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG enthalten und gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 StromGVV/ GasGVV über § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StromGVV/ GasGVV als Vertragsgegenstand in jeden Grundversorgungsvertrag einbezogen). 

Ein vereinbarter Preis kann nicht zugleich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sein. 
Ein Versorger kann nicht verpflichtet sein, einen vereinbarten Preis abzuändern, wenn dies für den Kunden günstig ist [zu deutsch: Verpflichtung zur Preissenkung].


Die sog. Preisvereinbarungsfiktion in Bezug auf den Anfangspreis findet m.E.  im Gesetz ebenso keine Stütze.

Auch wenn der Energielieferungsvertrag dem Kaufrecht unterfällt, so ist für den wirksamen Vertragsabschluss gem. § 154 BGB schon keine Preisvereinbarung erforderlich, wenn nur eine Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils besteht (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.06 Az. KZR 24/04 Rn. 21).

Ist der vom Grundversorger festzusetzende jeweilige  Allgemeine Tarif/ Preis an den Maßstab der Billigkeit gebunden und bildet die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise gem. § 36 Abs. 1 EnWG wegen §§ 1 Abs. 1Satz 2 iVm. §§ 6 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 StromGVV/ GasGVV auch  die vertragliche Preishauptabrede jedes Grundversorgungsvertrages, so wird auch der sog. Anfangspreis nicht vereinbart, sondern auch dieser bereits einseitig bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.05 Az. KZR 36/04 Rn. 10).

Es besteht dabei eine Verpflichtung zur Preisabsenkung, soweit sie dem Versorger bei Zugrundelegung der Kosten einer effizienten Betriebsführung möglich ist (ähnlich §§ 33,  29  Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GWB).

Bei Lichte betrachtet hat der VIII.ZS seine Preisvereinbarungsfiktion in Bezug auf den Anfangspreis (seit BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06) einfach auf die einseitige Preisänderung des Versorgers (seit 13.6.07 Az. VIII ZR 36/06)  übertragen, ohne je eine juristisch saubere Begründung geliefert zu haben ("nicht anders kann es liegen"). Ich meine mit vorgenannter Begründung, dass er jedesmal falsch lag. Ersichtlich kann es nämlich anders liegen.
« Letzte Änderung: 20. November 2014, 08:10:08 von RR-E-ft »

Offline RR-E-ft

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Nachzutragen bleibt, dass das Urteil vom 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 einen Fall betraf, wo der Kunde zu einem Sonderpreis local plus beliefert wurde, mithin außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht und außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der AVBEltV. Bei einem solchen Sondervertrag wird oder gilt tatsächlich ein Sonderpreis als vereinbart und bedarf es für die nachträgliche einseitige Änderung eines solchen vereinbarten Sonderpreises einer wirksamen Preisänderungsklausel im Vertrag.

Das lässt sich jedoch nicht auf Tarifkunden-Fälle übertragen, wo der Versorger gesetzlich wie vertraglich verpflichtet ist, den Kunden zum jeweiligen (vom Versorger festzusetzenden!) Allgemeinen Tarif zu versorgen, wo den Versorger hinsichtlich der jeweiligen Allgemeinen Tarife  eine Preisbestimmungspflicht trifft, der Versorger die jeweiligen Allgemeinen Tarife zu bestimmen und zu ändern hat, zu denen er alle betreffenden Kunden versorgen muss. 

BGH, Urt. v. 04.03.2008 Az.  KZR 29/06 Rn. 20:

Zitat
Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

BGH, Urteil vom 29.04.08 Az.  KZR 2/07 Rn. 29:

Zitat
kein Preisänderungsrecht entsprechend § 4 AVBGasV. Die Verordnung gibt dem Versorger kein allgemeines Preisanpassungsrecht, sondern das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen, zu denen der Versorger nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes [1998] jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hat (§ 1 Abs. 1 AVBGasV). Die Kläger sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch keine Tarif-, sondern Sondervertragskunden. Der Preis, den sie zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in § 2 Abs. 1 des Gasbezugsvertrages. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungsrecht des Versorgers weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.

« Letzte Änderung: 20. November 2014, 12:05:39 von RR-E-ft »

Offline tangocharly

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@RR-E-ft

Zitat
Bei Lichte betrachtet hat der VIII.ZS seine Preisvereinbarungsfiktion in Bezug auf den Anfangspreis (seit BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06) einfach auf die einseitige Preisänderung des Versorgers (seit 13.6.07 Az. VIII ZR 36/06)  übertragen, ohne je eine juristisch saubere Begründung geliefert zu haben ("nicht anders kann es liegen"). Ich meine mit vorgenannter Begründung, dass er jedesmal falsch lag. Ersichtlich kann es nämlich anders liegen.

" so schließt er (der Jurist) Messer scharf, nicht sein kann, was nicht sein darf".

Das wußte schon Chr. Morgenstern, als er den Palmström "eingehüllt in feuchte Tücher, prüfend die Gesetzesbücher" zu seinem "Beweis einer unmöglichen Tatsache" finden  ließ.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Meine Kritik zum angeblich vereinbarten Anfangspreis und zum angeblich vereinbarten Folgepreis in Fällen, in denen der Versorger gem. EnWG gesetzlich zur Preisbestimmung verpflichtet ist (Grundversorgung), deckt  sich vollständig mit der sehr lesenswerten Festschrift von Prof. Kurt Markert "Sonderzivilrecht für Energieversorger contra legem? - Kritische Anmerkungen zur neueren Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH bei der Anwendung der §§ 307, 315 BGB auf Strom- und Gaspreise" für Prof. Dr. Dr. Dres. h.c. Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag, erschienen im Beck- Verlag München 2011 auf S. 845 - 864 wieder.

 
http://www.beck-shop.de/Festschrift-Franz-Juergen-Saecker-70-Geburtstag/productview.aspx?product=9026714
http://www.beck-shop.de/fachbuch/inhaltsverzeichnis/Festschrift-Dr-Dres-Franz-Juergen-Saecker-9783406628634_1512201110524474_ihv.pdf
« Letzte Änderung: 24. November 2014, 15:57:00 von RR-E-ft »

Offline RR-E-ft

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Auch wenn man Ihnen folgend durchaus auch die Bestimmung des Anfangspreises dazu rechnet, so bestehen keinerlei weitere Rechte oder Pflichten des Versorgers zu Preisänderungen im Rahmen der Grundversorgung und zwar zumindest in der Zeit bis zum 30.10.2014 nicht.

@uwes

Hier liegen wir halt in einem zentralen Punkt auseinander.
Für mich besteht unzweifelhaft eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise aus § 36 Abs. 1 iVm. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG, auf welche § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.

Ihre Auffassung ist wohl  schwerlich mit dem Urteil des EuGH vom 23.10.14 Rs. C-459/11 u. C- 400/11 Rn. 42. vereinbar, wonach aus dem Wortlaut dieser Vorschriften hervorgeht, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden ergreifen und insbesondere dafür Sorge tragen, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht. Ihr Blick richtet sich womöglich irgendwie kurzsichtig wohl nur auf die grundversorgten Kunden, die bereits seit Juni 2004 ununterbrochen in laufenden Grundversorgungsverhältnissen stecken.

Dabei darf man das große Ganze nicht aus den Augen verlieren.

Für die schutzbedürftigen Haushaltskunden besteht nur dann ein angemessener Schutz, wenn sie einen gesetzlichen Anspruch auf Grundversorgung zu angemessenen Allgemeinen Preisen haben. Wenn ein Grundversorger zu hoch kalkulierte Allgemeine Preise veröffentlicht hat und ein schutzbedürftiger Haushaltskunde würde hiernach einen Grundversorgungsvertrag allein durch Energieentnahme aus dem Netz eingehen, so würde der Schutz ersichtlich versagen/ wäre nicht gewährleistet, wenn der Grundversorger nicht zu der ihm möglichen  Preissenkung verpflichtet wäre.

Wie sähe es denn  mit den Kunden in seit 2003 ununterbrochen bestehenden Grundversorgungsverhältnissen aus, hätte im Juni 2004 bereits  ein exzessiv hohes Preisniveau bestanden, die Großhandelspreise wären von da an nur drastisch gefallen und die Versorger hätten keinerlei Preissenkungen vorgenommen, weil sie ja schon  keine entsprechende Verpflichtung trifft.

So hätte der Film schließlich auch ablaufen können. Die Rechtslage muss aber zu jedem erdenklichen Szenario passen und den schutzbedürftigen Haushaltskunden den angemessenen Schutz gewährleisten.

Ich bin mit Prof. Markert (FS Säcker S. 848 ff.) der Auffassung, dass sich die Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers ebenso wie die Preisbestimmungspflicht des Netzbetreibers aus dem EnWG selbst ergibt, als gesetzliche Preisbestimmungspflicht unmittelbar der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt und dabei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie der Folgepreis, was ssich daraus ergibt, dass mit dem Vertragsabschluss kein Preis vereinbart wird, sondern die vertragliche Preishauptabrede sich vielmehr in der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht hinsichtlich der jeweiligen Allgemeinen Preise, zu denen der Kunden beliefert werden muss,  erschöpft.

Zutreffend verweist etwa auch OLG Oldenburg, Urt. v. 5.9.08 Az. 12 U 49/07 darauf, dass sich aus § 4 AVBGasV kein Preisanpassungsrecht ergibt, was bereits mit der Entstehungsgeschichte begründet wird.

Zitat
Überschrift und unmittelbarer Wortlaut der Vorschrift offenbaren nicht, dass der Verordnungsgeber in § 4 AVBGasV ein Preisanpassungsrecht schaffen wollte. Die Vorschrift trägt die Überschrift "Art der Versorgung". Die Art der Versorgung und die Anpassung von Tarifen sind gänzlich verschiedene Regelungsbereiche. Die Überschrift legt es daher für den unbefangenen Betrachter nicht nahe, dass es in dieser Vorschrift inhaltlich um tarifrechtliche Regelungen gehen soll. Dasselbe gilt für den Wortlaut. Nach §4 Abs. 1 S. 1 AVBGasV stellt das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Hiermit wird eine Pflicht (und nicht ein Recht) begründet, jedermann zu allgemeinen Tarifen zu versorgen. § 4 Abs. 2 AVBGasV macht die Änderung von Tarifen davon abhängig, dass zuvor eine öffentliche Bekanntmachung stattfindet. Auch hierdurch wird nicht ein Recht, sondern eine Verpflichtung geschaffen, nämlich die zur Veröffentlichung von Tarifänderungen als Wirksamkeitsvoraussetzung. Zwar gibt die Regelung in Abs. 2 nur dann einen Sinn, wenn der Versorger tatsächlich das Recht hat, Tarife nicht nur festzusetzen, sondern sie auch während eines bestehenden Vertrages zu ändern. Hieraus folgt aber keinesfalls der Rückschluss, dass der Verordnungsgeber damit dieses Recht zugleich schaffen wollte (so allerdings Ludwig, Recht der Energieversorgung, AVBEltV Rdn. 3 zur gleichlautenden Regelung in der AVBEltV; s.a. Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, § 4 AVBEltV/AVBGasV Rz. 4, 10, 11). Die Vorschrift hat durchaus auch dann einen Sinn, wenn sie lediglich an ein bereits bestehendes Tarifanpassungsrecht anknüpfen und dieses Recht mit der formellen Pflicht zur Veröffentlichung verknüpfen will. Zudem wäre es "gesetzestechnisch" mehr als ungewöhnlich, eine derart bedeutsame Regelung, die einen gewichtigen Eingriff in die beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten darstellt, so zu formulieren, dass sich ihre Bedeutung für das hier in Rede stehende Tarifanpassungsrecht nur über einen Rückschluss erschließt, der zudem noch nicht einmal zu einem eindeutigen Ergebnis führt.

Auch die Entstehungsgeschichte und der Regelungszusammenhang, in dem die Bestimmung steht, rechtfertigen nicht die Schlussfolgerung, dass der Verordnungsgeber hiermit mittelbar ein Preisanpassungsrecht begründen wollte.

Ermächtigungsgrundlage für die am 1. April 1980 in Kraft getretene AVBGasV war § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (RGBl I 1451; BGBl III 752) in der durch § 26 des Gesetzes vom 9. Dezember 1976 (BGBl I 3317) geänderten Fassung. In § 7 Energiewirtschaftsgesetz 1935 war der damalige Reichswirtschaftsminister ermächtigt worden, "durch allgemeine Vorschriften und Einzelanordnungen die allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Tarifpreise der Energieversorgungsunternehmen (§ 6 Abs. 1) …wirtschaftlich (zu) gestalten". Hiermit sollte auf einheitliche vertragliche Regelungen in den Verträgen zwischen Energieversorgern und den Abnehmern hingewirkt werden, die seinerzeit nur in Form von Musterbedingungen existierten, deren Verwendung durch die einzelnen Versorger nicht zwingend war. Ziel der Ermächtigung war es, die Abnehmer durch die Vorgabe von allgemeinen Bedingungen vor einem Missbrauch der Monopolstellung des Versorgers zu schützen. In der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift (Darge/Melchinger/Rumpf, Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft, 1936, S. 26,27) heißt es u.a.:

"Der Gesetzgeber kann sich aber nicht damit begnügen, die allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht nur formal festzusetzen. Er muss vielmehr auch materiell auf die Versorgungsbedingungen Einfluß nehmen können, um dafür Sorge zu tragen, daß der Gedanke der Versorgungspflicht durch abnehmerorientierte Fassung der Bedingungen auch verwirklicht wird. Diejenigen Abnehmergruppen, die auf die allgemeinen Versorgungsbedingungen angewiesen sind, stehen zum weitaus größten Teil einem Versorgungsmonopol gegenüber. Sie sind vor Mißbrauch der wirtschaftlichen Machtstellung des Unternehmers zu schützen. Die Erfahrungen der Praxis haben gezeigt, daß auf diesem Gebiet noch erhebliche Mängel bestehen. Daher muß dem Reichswirtschaftsminister eine Eingriffsmöglichkeit gegeben werden (§ 7)".

Die Ermächtigungsgrundlage unterschied zwei getrennte Bereiche. Zum einen betraf sie den Erlass von Vorschriften über die allgemeinen Bedingungen, nach denen ein Versorgungsunternehmen jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hatte. Zum anderen schaffte sie die Befugnis zum Erlass von Regelungen über die allgemeinen Tarifpreise. Die hier in Rede stehende Änderung von Preisen ist zweifelsohne dem zweiten Teil der Ermächtigung, und zwar den Regelungen über die „allgemeinen Tarifpreise“ zuzuordnen. Diese Unterscheidung ist mit der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes durch das Gesetz vom 9. Dezember 1976 (BGBl. I 3317) verdeutlicht worden. In Absatz 1 sind die Worte "allgemeine Bedingungen" entfallen, so dass sich die dortige Ermächtigung fortan auf den Erlass von Vorschriften über die allgemeinen Tarifpreise beschränkte. Die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung für die allgemeinen Bedingungen der Energieversorgungsunternehmen ist in Absatz 2 aufgenommen worden.

Zu einer Verordnung über die allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Gas kam es zunächst nicht. Der Generalinspektor für Wasser und Energie erklärte lediglich mit einer Anordnung vom 27. Januar 1942 die Allgemeinen Bedingungen der Gasversorgungsunternehmen (BGBl. III 752-1-7) für allgemeinverbindlich. Im zweiten - hier interessierenden - Bereich der Ermächtigung, also in dem zum Erlass von Regelungen über die Tarifpreise entsprach es bei Erlass des Energiewirtschaftsgesetzes 1935 allgemeiner Auffassung, dass ein Energieversorger auch ohne ausdrückliche Vorgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers ein faktisches Bestimmungsrecht habe und die Tarife nach den jeweiligen Gegebenheiten ändern könne. Der seinerzeit maßgebliche Kommentar von Darge/Melchinger/Rumpf, Energiewirtschaftsgesetz, 1936, führt hierzu in § 6 Ziff. 5e aus:

"Die allgemeinen Tarife gelten als Bestandteile der allgemeinen Versorgungsbedingungen, die den Vertragsinhalt bestimmen, und es besteht daher für sie wie für alle anderen Bedingungen die Möglichkeit der jederzeitigen Abänderung durch das Energieversorgungsunternehmen. Der Grund hierfür liegt in dem dauernden Fortschreiten der technischen Entwicklung, die auch fortlaufend Änderungen der Selbstkosten der Energieversorgungsunternehmen mit sich bringt. Die Änderungsbefugnis wirkt sich fast ausschließlich zugunsten der Abnehmer aus, indem Ersparnisse durch Betriebsverbesserungen in Form von Tarifermäßigungen weitergeben werden. Selbstverständlich sind aber auch Fälle denkbar, in denen die Entwicklung umgekehrt gehen kann, wie es z.B. bei der fortschreitenden Geldentwertung in den ersten Jahren nach dem Kriege der Fall war".

Das Preisanpassungsrecht des Versorgers wurde demgemäß als eine sich aus der Natur der Sache ergebende Befugnis angesehen. Denn wenn der Versorger verpflichtet war, jedermann zu allgemeinen Tarifpreisen zu versorgen, ergab sich hieraus zwingend, dass er befugt war, seine Preise bei wirtschaftlichen Veränderungen anzupassen. Dies machte eine ausdrückliche Regelung zur Begründung eines solchen Rechts entbehrlich. Ein Nachteil zu Lasten des Abnehmers wurde hierin nicht gesehen. Zum einen standen seinerzeit in Anbetracht der fortschreitenden technischen Entwicklungen Preisermäßigungen und nicht die hier in Rede stehenden Erhöhungen im Vordergrund. Zum anderen - und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt - geschah die Anpassung der Preise zunächst unter der Kontrolle der Behörden. Während des zweiten Weltkriegs kam es beim Gas zu einer Zwangsbewirtschaftung durch den Reichskommissar für die Preisbildung (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Präambel BTOGas III C S. 8].

Regelungen zum Preisrecht wurden nach dem Krieg erstmals 1959 in der Verordnung über allgemeine Tarife für die Versorgung mit Gas (Bundestarifordnung Gas, BGBl. I 1959, 46) getroffen. Hierin wurden die Gasversorgungsunternehmen verpflichtet, bis zum 31.3.1960 nach bestimmten Vorgaben allgemeine Tarife zu bilden. Über die Veränderung dieser Tarife bzw. ein Recht des Versorgers, während des laufenden Vertrages die Tarife anzupassen, enthielt diese Verordnung keine Bestimmungen. Zwar wurde im Zusammenhang der BTOGas die Frage problematisiert, unter welchen Voraussetzungen ein Gasversorger seine Preise ändern dürfe, ob es hierfür einer ausdrücklichen Regelung in den Verträgen bedürfe und wie sie inhaltlich ausgestaltet werden müsse. Wegen der hiermit verbundenen Schwierigkeiten wurde aber empfohlen, gegenüber Teuerungszuschlägen und Preisänderungsklauseln in allgemeinen Tarifen Zurückhaltung zu üben (vgl. Tegethoff/Büdenbender/Klinger a.a.O S. 19 - 21). Das grundsätzlich bestehende Recht, die allgemeinen Tarife zu ändern, wurde dagegen nicht in Zweifel gezogen.

Mit der 1979 erlassenen AVBGasV wollte der Gesetzgeber lediglich von der Ermächtigung in § 7 Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetzes in der Fassung vom 9. Dezember 1976 (BGBl. I, 3317) Gebrauch machen. Geregelt werden sollten nur die allgemeinen Bedingungen für die Belieferung, nicht aber die Tarifgestaltung. Zwar wird in der Eingangsformel nicht zwischen den beiden Absätzen der Ermächtigungsgrundlage unterschieden. Der Regelungsbereich der Verordnung wird aber in § 1 Abs. 1 AVBGasV eingegrenzt. Hiernach betrifft sie die allgemeinen Bedingungen, zu denen Gasversorgungsunternehmen nach § 6 des Energiewirtschaftsgesetzes jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu allgemeinen Tarifpreisen zu versorgen haben. Inhalt der Verordnung sollte damit der Anschluss und die Versorgung der Kunden sein, nicht aber die Preisgestaltung bzw. die Anpassung der Preise. Zwar ist in §1 Abs. 1 AVBGasV von "allgemeinen Tarifpreisen" die Rede. Dabei geht es aber ersichtlich nicht um die Bildung dieser Preise, sondern nur die Versorgung der Kunden zu diesen Preisen. Auch in den weiteren Vorschriften der Verordnung finden sich keine Bestimmungen über die Ausgestaltung von Tarifen und ihre spätere Veränderung.

Die Feststellung, dass es bei der AVBGasV nicht um Tarifrecht ging, ergibt sich auch unmittelbar aus der Fassung von §4 Abs. 1 AVBGasV. Vorbild und Grundlage für diese Vorschrift war Ziff. II Nr. 1 der bis dahin maßgeblichen Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung von Gas (BGBl. 752-1-7). Dort hieß es:

„Das Gaswerk stellt im Rahmen des § 6 EnerG zu den Preisen seiner allgemeinen Tarife, die Bestandteil dieser Bedingungen sind, zur Verfügung: Stadtgas …“.

In § 4 Abs. 1 AVBGasV heißt es hingegen:

„Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung“.

§ 4 AVBGasV macht daher im Gegensatz zur früheren Regelung die allgemeinen Tarife nicht zum Bestandteil der Verordnung. Bestimmungen hierzu waren vielmehr - wenn auch nur in Grundzügen - bereits an anderer Stelle getroffen worden, und zwar in der Bundestarifordnung Gas.

Im Übrigen wurde es bis 1980 keinesfalls als Mangel oder als eine Lücke angesehen, dass es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung über ein einseitiges Preisanpassungsrecht für Gasversorger bei laufenden Verträgen gab. Das grundsätzliche Recht zur Preisanpassung wurde für den Bereich der Grundversorgung vielmehr allgemein vorausgesetzt, und zwar folgend aus der Natur der Sache. Demgemäß bestand für den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bei Erlass der AVBGasV nicht einmal Handlungsbedarf. Letztlich hätte die Neubegründung eines solchen Rechts auch zu der zwangsläufigen Feststellung führen müssen, dass sämtliche vor 1980 vorgenommene Tarifänderungen ohne Rechtsgrundlage erfolgt waren.

55Vor diesem Hintergrund spricht daher nichts dafür, dass der Verordnungsgeber mit dem Verweis auf die „allgemeinen Tarife“ in § 4 AVBGasV ein Tarifanpassungsrecht begründen wollte. Er hat es vielmehr stillschweigend als bereits vorhanden vorausgesetzt bzw. es den Versorgern überlassen, dieses Recht jeweils in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen im Einzelnen auszugestalten.

Belegt wird dies schließlich durch die amtliche Begründung (Bundesratsdrucksache 77/79). Zu § 4 AVBGasV heißt es u.a.:

"Nach Absatz 1 sind die GVU verpflichtet, die Kunden zu den "jeweiligen" allgemeinen Tarifen und Bedingungen, wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeiten haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen, zumal Fiktionen bei Willenserklärungen und ihrem Zugang der Zielsetzung des § 10 Nr. 5 und 6 AGBGB widersprechen".

Regelungshintergrund war demgemäß (nur) die vor Erlass der Verordnung in der Literatur diskutierte Streitfrage, ob eine Tarifänderung ohne Kündigung des Vertrages durchgesetzt werden könne, nicht aber die Frage, ob eine Tarifänderung überhaupt möglich sei. Sinn der Vorschrift war es, sicherzustellen, dass Tarifänderungen ohne Kündigung der laufenden Verträge durchführbar waren (vgl. Schmidt-Salzer/Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, § 4 AVBEltV Rdn. 63- zu der insoweit gleichlautenden Regelung in der AVBEltV). Dagegen ging es nicht um die Tarifgestaltung bzw. um eine Regelung dazu, ob und wie die Tarife zu ändern waren. Es sollte lediglich eine Vorgabe dazu geschaffen werden, wie sich eine Tarifänderung auf den laufenden Vertrag auswirkt. Wäre es dagegen tatsächlich beabsichtigt gewesen, mit dieser Vorschrift auch ein Tarifänderungsrecht zu schaffen, so hätte es sich aufgedrängt, dies in der amtlichen Begründung ausdrücklich klarzustellen. Zum einen wäre dies deswegen geboten gewesen, weil sich ein entsprechender Wille weder aus der Überschrift noch aus dem Wortlaut der Vorschrift mit der für eine gesetzliche Regelung nötigen Klarheit erschließt. Hierzu kann auf die oben genannten Gründe Bezug genommen werden. Zum anderen hätte sich eine klarstellende Kommentierung deswegen aufgedrängt, weil es sich in diesem Fall um eine einschneidende Neuerung gehandelt hätte. Denn geht man davon aus, dass erst mit § 4 AVBGasV ein Preisänderungsrecht für die Gasversorger im Rahmen der Grundversorgung geschaffen worden ist, so zwingt dies zu der Feststellung, dass vor 1980 vorgenommene Preisanpassungen keine ausreichende Rechtsgrundlage hatten. Die Absicht, mit der Regelung eine bis dahin bestehende Lücke zu schließen oder auch nur eine Unklarheit zu beseitigen, wäre einer Erwähnung in der amtlichen Begründung wert gewesen.

Das Preisbestimmungsrecht bzw. die Preisbestimmungspflicht des kontrahierungspflichtigen Energieversorgers ergab sich von jeher zunächst aus der Natur der Sache, später unmittelbar aus dem EnWG (§ 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG), denn schon immer musste der Versorger die jeweiligen Allgemeinen Tarife zunächst festlegen, um sie dann öffentlich bekannt geben zu können  und hiernach jedermann bzw. jeden Haushaltskunden, der dies wollte, zu diesen jeweiligen Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen zu versorgen, undzwar noch bevor es überhaupt die entsprechenden Verordnungen gab.
Daran hat sich über nunmehr fast 80 Jahre nie etwas geändert.

Folgende Gedanken habe ich mir bisher allein gemacht:

Findet man in der Grundversorgung deshalb schon keinen vereinbarten Preis, sondern nur ein unmittelbar aus dem EnWG sich ergebendes Preisbestimmungsrecht (bei dem es sich bei genauer Betrachtung um eine Bestimmungspflicht iSd. § 315 Abs. 1 BGB  in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise handelt), so kommt es überhaupt nicht auf ein Preisänderungsrecht aus § 4 AVBGasV oder § 5 GasGVV an.

§ 4 Abs. 2 AVBV wollte ja kein Preisbestimmungsrecht begründen, sondern sicherstellen, dass die Ausübung der andernorts - nämlich im EnWG bestehenden - Preisbestimmungsrechts (Preisbestimmungspflicht!) als einseitige Willenserklärung für ihre Wirksamkeit nicht auf den Zugang beim einzelnen Bestimmungsgegner ankommt, sondern in Abweichung von  § 130 BGB  vielmehr die öffentliche Bekanntgabe des Versorgers die notwendige wie hinreichende Bedingung darstellt.

Durch eine Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 AVBGasV entfällt deshalb nicht das sich von Anfang an aus dem EnWG ergebende Preisbestimmungspflicht (Preisbestimmungsrecht)  in Bezug bauf die jeweiligen Allgemeinen Tarife/ Preise.

Der Versorger hätte vielmehr dasjenige Bestimmungsrecht, welches aus seiner Bestimmungspflicht in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Tarife/ Preise  folgt, nur nicht wirksam ausgeübt, jedenfalls dann nicht, wenn man § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV EU- richtlinienkonform auslegt und vom Versorger bei einer Erhöhung des Lieferpreises all jene Informationen nicht mit angemessener Frist im Vornherein den Kunden brieflich zur Verfügung gestellt wurden, auf welche es gem. EuGH, Urt. v. 23.10.14 Rs. C- 359/11 und Rs. C- 400/11 Rn. 46 f. ankommt. In diesem Fall kommt es weder auf Billigkeit noch Verwirkung des Anspruchs auf Billigkeitskontrolle an.

Hätte der Versorger hingegen die Informationspflichten, die sich aus dem EuGH- Urteil vom 23.10.14 Rn. 46 f. ergeben, bei einer einseitigen Tarifneubestimmung vollständig Genüge getan, so hätte er damit sein Bestimmungsrecht wirksam ausgeübt, und der hiergegen bestehende  Anspruch des Kunden auf auf Billigkeitskontrolle der einzelnen einseitigen Preisneufestsetzung (über den der Versorger bereits mit der Änderungsmitteilung vorab brieflich informieren musste!) konnte verwirken (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.14 Az. VII ZR 177/13, juris Rn. 13, mwN).

Wenn der jeweilige Allgemeine Preis insgesamt der Billigkeitskontrolle unterliegt, der Anspruch des Kunden auf Billigkeitskontrolle nach den neuen Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 24.01.14 Az. VII ZR 177/13 Rn. 13 mwN) nicht früher verwirkt als der mögliche Rückforderungsanspruch des betroffenen Kunden wegen Unbilligkeit verjährt, so gibt es wohl auch kein Problem.

Sonst  kann man sich noch akademisch darüber streiten, ob die Unwirksamkeit  nur bereits laufende Vertragsverhältnisse betrifft oder auch außnstehende Kunden, deren Vertrag erst später durch Energieentnahme zustande kam. Schließlich müssen alle entsprechenden Kunden zum gleichen jeweiligen Allgemeinen Tarif/ Preis versorgt werden und wenn die Preisänderungen gegenüber den allermeisten Bestandskunden unwirksam waren, wird man den neu hinzugekommenen Neukunden wohl keine höheren Allgemeinen Preise abverlangen können.   


Offline uwes

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Ihr Blick richtet sich womöglich irgendwie kurzsichtig wohl nur auf die grundversorgten Kunden, die bereits seit Juni 2004 ununterbrochen in laufenden Grundversorgungsverhältnissen stecken.

Vielen Dank für diese "nette" Bezeichnung. Ich hoffe einmal, sie ist nicht so etwas leicht arrogant gemeint, wie es sich lesen lässt.

Vielleicht mein Statement gegen Ihre Argumentation zugunsten der besonders "schutzwürdigen" Tarfifkunden.
Ich vertrete keine besonders schutzwürdigen Kunden, da meine Mandanten sämtlichst auch Eigentümer derjenigen immobilien sind, für die sie die Energielieferungen in Anspruch nehmen.

Sicherlich wird es jetzt auch mehr und mehr Mieter geben, die schutzwürdig sind und grundversorgt werden. Sie werden aber meiner "kurzsichtigen" Meinung nach nicht den überwiegenden Teil der Tarifkunden darstellen.

Ebenfalls recht kurzsichtig betrachte ich den Tenor der Entscheidung des EuGH vom 23.10.2014, in dem es - etwas verkürzt - heißt:
Zitat
Art. 3 Abs. 5 ... sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung
wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die
allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und
Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu
ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser
Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.

Es ist von einer nationalen Vorschrift die Rede die die "Möglichkeit" vorsieht "den Tarif dieser Leistungen zu ändern, aber nicht gewährleistet".... die den Transparenzanforderungen der RiLi(en) 2003/54/EG und 2003/55/EG entgegensteht. Von "besonders schutzwürdig" ist in dem Tenor nichts zu finden.

Jetzt komme ich, "kurzsichtig" genug und frage mich, warum sollte man jetzt eine Preisbestimmungspflicht annehmen, wenn doch gerade diese in der dem EuGH vorliegenden Form für europarechtswidrig gehalten wurde?

Ja - tatsächlich - da liegen wir derzeit mit unseren Meinungen weit auseinander.

Obwohl: Angenommen Ihr Lösungsansatz wäre richtig.

Hätten wir dann eine wesentlich andere Rechtslage als vor der EuGH - Entscheidung? Sie sehen den Versorger "preisbestimmungsverpflichtet". Das war er seit BGH VIII. Zivilrechtserfindungssenat auch schon.
Sie sehen als Rechtsmittel der Kunden die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.
Das hatten wir doch auch.
Keine Billigkeitskontrolle verhilft den Kunden des EVU zu der Erkenntnis, den nicht geänderten Energiepreisen auch dann zeitnah zu widersprechen, wenn der Versorger die Preise entgegen seiner Bestimmungspflicht nicht zugunsten der Kunden ändert.

Was würden wir mit Ihrem Lösungsansatz denn gewinnen? Ich bin dafür sicherlich nicht weitsichtig genug.

Ich frage Sie jetzt ganz ernsthaft:

Worin besteht der Unterschied, ob sich die "Preisbestimmungspflicht  wie von Ihnen vermutet im ENWG
Zitat
EnWG (§ 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG)
befindet oder wie bisher gesehen in den AVBen ?

Meine (kurzsichtige) Antwort: Wir hätten weiterhin das in den RiLien der EG 2003/54 und 55/EG normierte Schutzniveau nicht erreicht.
« Letzte Änderung: 25. November 2014, 18:07:26 von uwes »
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Vielleicht mein Statement gegen Ihre Argumentation zugunsten der besonders "schutzwürdigen" Tarfifkunden.
Ich vertrete keine besonders schutzwürdigen Kunden, da meine Mandanten sämtlichst auch Eigentümer derjenigen immobilien sind, für die sie die Energielieferungen in Anspruch nehmen.

Sicherlich wird es jetzt auch mehr und mehr Mieter geben, die schutzwürdig sind und grundversorgt werden. Sie werden aber meiner "kurzsichtigen" Meinung nach nicht den überwiegenden Teil der Tarifkunden darstellen.

@uwes

Man hört erfreut, wenn vornehmlich gut betuchte bzw. behauste Klientel vertreten wird.
Und es gibt auch etwas zum Schmunzeln. ;)

Von den Tarifkunden lebt keiner mehr, es sei denn diejenigen, die § 116 EnWG unterfallen.

Zitat
Unbeschadet des § 115 sind die §§ 10 und 11 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730), das zuletzt durch Artikel 126 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändert worden ist, sowie die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214), und die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676), zuletzt geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214), auf bestehende Tarifkundenverträge, die nicht mit Haushaltskunden im Sinne dieses Gesetzes abgeschlossen worden sind, bis zur Beendigung der bestehenden Verträge weiter anzuwenden. Bei Änderungen dieser Verträge und bei deren Neuabschluss gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen.

Gegenüber den noch vorhandenen Tarifkunden ergibt sich die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers immer noch aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998.
Die Tarifkunden, die keine Haushaltskunden geworden sind, sind wohl schon keine schutzbedürftigen Kunden im Sinne der Richtlinien.
Für diese gilt immer noch § 4 Abs. 2 AVBV und kann aus vorgenanntem Grunde noch nicht einmal gegen die Richtlinien verstoßen.
Ein weites Feld, das an dieser Stelle nicht beackert werden soll.

Möglicherweise vertreten Sie ausschließlich solche verbliebenen Tarifkunden iSd. § 116 EnWG.
Von diesen rede ich hier aber nicht.

Mir geht es an dieser Stelle ausschließlich um grundversorgte Haushaltskunden (also jene, die unmittelbar von dem Urteil des EuGH vom 23.10.14 Rs. C- 359/11 und C- 400/11 betroffen sind, vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 1 GasGVV/ StromGVV).

Die Haushaltskunden sind in § 3 Nr. 22 EnWG legaldefiniert.

Haushaltskunden sind Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den einen Jahresverbrauch von 10 000 Kilowattstunden nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen.

Die Richtlinien betreffen die Gewährleistung eines angemessenen Schutzes für schutzbedürftige Endkunden.

Im Sinne der Richtlinien sind alle Haushaltskunden schutzbedürftig.

Auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse kommt es für deren Schutzbedürftigkeit gar nicht an, sondern allein auf ihre geringe Nachfrage- und Verhandlungsmacht auf dem Energiemarkt, die sich nicht unbedingt dadurch bessert, dass man Immobilieneigentümer ist.

Deshalb wird diesen und nur diesen Haushaltskunden iSd. § 3 Nr. 22 EnWG ein unbefristeter Anspruch auf Versorgung zu angemessenen Preisen (Grundversorgung) gesetzlich eingeräumt.

Darum geht es an dieser Stelle nur:
Um die in § 36 Abs. 1 EnWG geregelte Grundversorgung (an welche die zeitlich befristete Ersatzversorgung des § 38 EnWG anknüpft).


Nur in diesem Bereich besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers (wenn man von verbunkerten verbliebenen Tarifkunden absieht).

Eine solche besteht nicht bei der Belieferung von Haushaltskunden im Rahmen der Vertragsfreiheit (Sondervertrag).

Nur durch die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des EnWG haben diese Haushaltskunden einen  Anspruch auf ein angemessene Allgemeine Preise und Preisabsenkungen bei überhöhten Allgemeinen Preisen und auf Weitergabe gesunkener Kosten gegen den Grundversorger (umfangreich Markert in FS für Säcker, aaO.)

Die Verordnungen regeln nur die Ausübung dieses (sich aus dem EnWG ergebenden) Preisbestimmungsrechts in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise.
Deren Bestimmungen sind mit den EU-Richtlinien nicht vereinbar.

Dies hat zur Folge, dass Versorger, die sich bei der Ausübung des Preisbestimmungsrechts bei einer Erhöhung des Lieferpreises allein nach dem Verordnungstext gerichtet und nur diesem entsprochen hatten, das Preisbestimmungsrecht nicht wirksam ausgeübt haben, so dass ihre Preiserhöhung allein deshalb unwirksam ist (so als hätten sie dabei die nach der Verordnung notwendige öffentliche Bekanntgabe vergessen und unterlassen).

Gleichwohl bleiben die Versorger gegenüber ihren grundversorgten Kunden unter den entsprechenden Umständen zur Senkung der Allgemeinen Preise verpflichtet und die betroffenen Kunden können ihren Anspruch darauf auch gerichtlich geltend machen und durchsetzen.

Das ist der Unterschied, den ich wohl schon weiter oben aufgezeigt hatte.

Das muss auch so sein, weil die schutzbedürftigen Kunden im Sinne der Richtlinien, die man in Deutschland als Haushaltskunden bezeichnet, sonst keinen angemessenen Schutz gewährleistet bekommen.

Die Grundversorgung ist für all jene, die im Zweifel auf diese angewiesen sind. (Das kann auch mal ein Dr. Thomas Middelhof sein.) 

Worin soll denn deren angemessener Schutz bestehen, wenn der Grundversorger nur überteuerte, unangemessen hohe Allgemeine Preise festgesetzt hatte,
bevor das Grundversorgungsverhältnis mit dem Kunden zustande kam?

Soll sich deren angemessener Schutz etwa  daraus ergeben, das die Verordnungstexte an der Stelle, wo es um die Ausübung eines Preisänderungsrechts geht, ungültig sind?

Dann lehnt sich der Grundversorger einfach nur zurück, weil für ihn ja die Allgemeinen Preise mehr als hoch genug sind, so dass er auf Preisänderungen zumindest auf Sicht der nächsten hundert Jahre gar nicht angewiesen ist.

Ich übertreibe ein wenig. Aber genau diese Fälle sind zu beobachten, dass Grundversorger rückläufige Beschaffungskosten selbst über Jahre nicht an Kunden weitergeben. Die Allgemeinen Preise nehmen schließlich auch nicht am Wettbewerb teil und stehen auch nicht durch einen solchen unter Druck, wenn der Versorger zugleich für Haushaltskunden auch sog. Wettbewerbsprodukte anbietet, insbesondere zumeist in Form  zweijähriger Verträge mit automatischer Verlängerung und Preisgarantie, die vor der Weitergabe gesunkener Beschaffungskosten schützt.

Gesunkene Beschaffungskosten sind wegen des zunehmenden Wettbewerbs auf dem Großhandelsmarkt zu verzeichnen, zu dem Haushaltskunden aber schon keinen eigenen Zutritt haben.


 







 
« Letzte Änderung: 25. November 2014, 22:51:37 von RR-E-ft »

Offline tangocharly

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Preisbestimmungsrecht (-pflicht) aus dem Begriff "Natur der Sache" ?

Immer dann, wenn einem Entscheider nichts Vernünftiges mehr einfällt, dann verfällt er auf die "Natur der Sache".

Der Begriff der „Natur der Sache" begegnet in der Rechtswissenschaft erheblichen Schwierigkeiten, über spekulative Abstraktion hinauszukommen. Das Institut der "Natur der Sache" soll als ein objektiv feststellbarer Ordnungsfaktor das Recht maßgeblich mit gestalten. Selbst wenn dem so sei, so zeigt dies noch nicht, wie sich die Konkretisierung von Normen aufgrund dieser allgemeinen Einsicht praktisch zu verändern hat und wo die methodischen und rechtsstaatlichen Grenzen für eine Hereinnahme der „Sache" zu suchen sind. Damit ist der „Natur der Sache" eine hinreichend erfassbare methodische Struktur noch nicht gegeben. Es stellt sich die Frage, ob eine Verhaltensnorm nach soziologischem Befund, der von subjektiver Wertung des Interpreten frei zu halten ist, im Geltungsbereich der zu konkretisierenden Rechtsordnung als geltendes Sittengesetz allgemein anerkannt und als verbindlich betrachtet wird. Der Begriff „Natur der Sache" bedarf  einer differenzierten Aussage. Sie muss das Ergebnis umgrenzbarer, in darstellbare Einzelschritte zerlegbarer Strukturanalysen werden. Umgrenzung wie Analyse müssen sich an die zu konkretisierende Rechtsnorm und an den von dieser markierten normativen Spielraum halten.
Will man dies in die Bestimmungen gem. §§ 36, 39 EnWG hinein lesen, dann muss man auch hinein lesen, dass die Monopolstrukturen der Energieversorgung noch längst nicht ausgemerzt sind. In der Gesetzestechnik ist es geläufig, dass die Grundnorm einen konturlosen Rahmen setzt, welcher in der nächsten Stufe mit konturierten Inhalten aufgefüllt wird. Da dies nun mit den entsprechenden Bestimmungen der AVB's und  GVV's offensichtlich gescheitert ist, bleibt halt nur noch der Normrahmen der §§ 36, 39 EnWG übrig.
Wollte man diesen Normrahmen nun mit dem Institut "Natur der Sache" ausfüllen, umgrenzen und konturieren, dann gelangt man zwangsläufig zu der Frage, ob dies wiederum mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinien vereinbart werden kann. Dort findet sich kein Hinweis darauf, dass es in der Natur der Sache liege, Preisanpassungen könnten beliebig einseitig erfolgen. Auch findet sich dort kein Hinweis darauf, dass  Letztverbraucher ihr Kontrollrecht (durch Schweigen) verlieren können sollen.
Kurzum, wollte der BGH nun mit der "Natur der Sache" und den Bestimmungen des EnWG zu einem Preisbestimmungsrecht gelangen, dann wird ihn wieder das Auslegungsproblem des Art. 267 AEUV tangieren. Denn diese Rechtsfrage ist vom Gerichtshof bis heute auch noch nicht entschieden.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Preisbestimmungsrecht (-pflicht) aus dem Begriff "Natur der Sache" ?

Immer dann, wenn einem Entscheider nichts Vernünftiges mehr einfällt, dann verfällt er auf die "Natur der Sache".

Wir müssen nicht unbedingt in die Zeit vor 1935 zurück.

Aus der Natur der Sache ergab sich das Preisbestimmungsrecht des Versorger, als es noch keine gesetzliche Versorgungspflicht im EnWG gab.
Zu dieser Zeit bestanden nur Konzessionsverträge, welche die Versorgungspflicht enthielten.

Die kodifizierten  Normen des EnWG über die Versorgungspflicht enthalten über all die Zeit m.E. incident  jeweils eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers:

Der Versorger muss denknotwendig diejenigen jeweiligen Allgmeinen Tarife erst einmal bestimmen (festsetzen), um sie hiernach jeweils öffentlich bekannt geben zu können und bekannt zu geben - als Vorauassetzung schließlich dafür, dass überhaupt Kunden zu den jeweiligen öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Tarifen des Versorgers versorgt werden können.

Die Kunden, die ihm Rahmen der Versorgungspflicht versorgt werden, werden nicht zu einem vereinbarten Preis versorgt, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Tarifen/ Preisen, die der Versorger wie aufgezeigt  jeweils festzusetzen hat. Auf ein solches gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht findet § 315 BGB unmittelbare Anwendung.


Als erstes bestand die gesetzliche Versorgungspflicht verbunden mit einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers.

§ 6 Abs. 1 und 2 EnWG 1935

Zitat
Versorgt ein Energieversorgungsunternehmen ein bestimmtes Gebiet, so ist es verpflichtet, allgemeine Bedingungen und allgemeine Tarifpreise öffentlich
bekanntzugeben
und zu diesen Bedingungen und Tarifpreisen jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen (allgemeine Anschluß- und
Versorgungspflicht).

Die allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht besteht nicht:
1. wenn der Anschluß oder die Versorgung dem Versorgungsunternehmen aus
wirtschaftlichen Gründen, die auch in der Person des Anschlußnehmers liegen
können, nicht zugemutet werden kann,
2. wenn der Anschlußnehmer die Mitteilung nach § 5 Abs. 2 unterlassen hat,
es sei denn, daß die Mitteilung ohne sein Verschulden unterblieben oder seit
Errichtung oder Erweiterung der Energieerzeugungsanlage ein Zeitraum von zehn
Jahren verstrichen ist.

§ 10 Abs. 1 EnWG 1998

Zitat
Energieversorgungsunternehmen haben für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine
Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine
Tarife für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekanntzugeben
und
zu diesen Bedingungen und Tarifen jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu
versorgen. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Anschluß oder die Versorgung für das
Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Unterschiedliche Allgemeine Tarife für verschiedene Gemeindegebiete sind nicht zulässig, es sei
denn, daß hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird, dadurch für keinen
Kunden eine Preiserhöhung entsteht und die Preisunterschiede für alle Kunden zumutbar sind.

§ 36 Abs. 1 EnWG 2005

Zitat
Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

Immer ist davon die Rede, dass die Versorgung zu den Preisen, die der Versorger öffentlich bekannt gemacht hat, erfolgen muss.
Öffentlich bekannt machen konnte er nur die zuvor von ihm festgestzten Preise.

Wie soll denn der Versorger seiner gesetzlichen Versorgungspflicht entsprechen, wenn er keine Allgemeinen Preise festsetzt und hiernach öffentlich bekannt gibt?
Ohne die Allgemeinen Preise festzusetzen kann der Versorger nicht jeden Haushaltskunden zu diesen Allgemeinen Preisen versorgen.

Fakt ist, dass der Versorger im Rahmen der Versorgungspflicht die Preise nicht mit den einzelnen Kunden verhandeln und abweichend von den jeweils festgesezten Preisen vereinbaren darf.

Der Kunde muss zu den Preisen versorgt werden, die der Versorger festgesetzt und bekannt gemacht hat.



   



« Letzte Änderung: 25. November 2014, 23:07:00 von RR-E-ft »

Offline RR-E-ft

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Ersichtlich wird das vielleicht im Falle eines Wechsels des Grundversorgers gem. § 36 Abs. 2 EnWG.

Wird ein anderer Versorger als der bisherige Grundversorger zum Stichtag als Grundversorger festgestellt, weil er zum Stichtag die meisten Haushaltskunden im Netzgebiet beliefert, und wechselt somit der Grundversorger im Netzgebiet, so ist der neue Grundversorger verpflichtet, Allgemeine Preise festzusetzen und öffentlich bekannt zu geben und hiernach zu diesen Allgemeinen Preisen jeden Haushaltskunden, der dies beansprucht,  zu versorgen. Da ist doch niemand anders, der anstelle des neuen Grundversorgers gem. § 36 Abs. 1 EnWG die Allgemeinen Preise festsetzt.

Und auch der neue Grundversorger kann seine Allgemeinen Preise nicht frei gestalten, sondern ist unmittelbar an den Maßstab der Billigkeit gebunden und hat dabei §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG zu beachten.
« Letzte Änderung: 26. November 2014, 07:28:08 von RR-E-ft »

Offline uwes

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@uwes

Man hört erfreut, wenn vornehmlich gut betuchte bzw. behauste Klientel vertreten wird.
Und es gibt auch etwas zum Schmunzeln. ;)

Von den Tarifkunden lebt keiner mehr, es sei denn diejenigen, die § 116 EnWG unterfallen.

Es macht wenig Freude, sich mit einem an sich sehr klug denkenden aber doch etwas in Arroganz abgleitenden Menschen ernsthaft zu unterhalten.
Ich werde damit jedenfalls nicht fortfahren.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Schade.

Offline berghaus

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Zitat
Von RR-E-ft:
"Von den Tarifkunden lebt keiner mehr, es sei denn diejenigen, die § 116 EnWG unterfallen."

Na , da hat ja das EnWG was Erfreuliches, dass es zumindest den Tarifkunden hilft, zu überleben, die dem § 116 unterfallen.

Ergänzung 22:00:    Mit  “…., es sei denn (von) denjenigen…… wäre es auch doppeldeutig geblieben!   ;)

Im Übrigen würde ich mich freuen, wenn die hochkarätige Diskussion fortgesetzt wird!

berghaus 26.12.14
« Letzte Änderung: 26. November 2014, 22:00:12 von berghaus »

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Ich vertrete keine besonders schutzwürdigen Kunden, da meine Mandanten sämtlichst auch Eigentümer derjenigen immobilien sind, für die sie die Energielieferungen in Anspruch nehmen.

Sicherlich wird es jetzt auch mehr und mehr Mieter geben, die schutzwürdig sind und grundversorgt werden. Sie werden aber meiner "kurzsichtigen" Meinung nach nicht den überwiegenden Teil der Tarifkunden darstellen.
Klar, gemeint sind die grundversorgten Haushaltskunden. @uwes, aber da liegt wohl ein Irrtum vor.

In Deutschland sind die Mieter die Mehrheit und dort dürften in Relation mehr Verbraucher grundversorgt Energie verbrauchen als bei den Eigentümern. Im Jahr 2008 lebten insgesamt 43 Prozent aller deutschen Haushalte in den eigenen vier Wänden. 57 Prozent waren Mieter.  Im übrigen Europa sieht das anders aus, z.B. wohnen in Spanien, Italien, Irland, Großbritannien  vier von fünf Bewohner in der eigenen Immobilie.

Offline RR-E-ft

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Haushaltskunden sind hauptsächlich private Haushalte. Und diese haben auf dem Energiemarkt selbst keine Nachfrage- und Verhandlungsmacht.
Mit denen setzt sich kein Energieversorger an einen Tisch  und redet über Preise und Vertragsbedingungen mit anschließend feierlicher Vertragsunterzeichnung wie bei einem Stahlkonzern.
Dafür ist es belanglos, ob die in einem eigenen Haus oder zur Miete wohnen. Sie sind schutzbedürftig, weil sie auf dem Energiemerkt so klein sind. Kleinkunden.
Um die kümmert sich auf dem Energiemarkt auch keiner, wenn sie sich nicht selber kümmern.
Diese Kleinkunden müssen auch aus Sicht der EU besonders geschützt werden, damit sie nicht unter die Räder kommen.   
« Letzte Änderung: 26. November 2014, 19:35:33 von RR-E-ft »

 

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