Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?  (Gelesen 11667 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RuRo

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 655
  • Karma: +0/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #15 am: 21. September 2009, 20:04:39 »
Zitat
Original von Cremer
Nun wäre allerdings zu hinterfragen, ob §2 Abs. 7 grundsätzlich gilt.

Natürlich gilt diese Vorschrift, es heißt ja unbeschadet.

Allerdings wird in den Konzessionsverträgen (Wegenutzungsverträge) zwischen Netzbetreiber und Kommune die Zwei-Monats-Regel unterschiedlich ausgestaltet. Vielfach wird auf die Lastmessung von 30 kW verzichtet.

Stromverbräuche bis 30.000 kWh/a werden konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden abgerechnet.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline nomos

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.448
  • Karma: +0/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #16 am: 09. März 2010, 09:42:07 »
Zitat
Original von reblaus
Ich habe noch kein Urteil gelesen, in dem das so entschieden wurde.

Der Meinungsstreit geht momentan darum, ob nur der Kleinverbrauchstarif der Grundversorgungstarif darstellt, und alle anderen Tarife für größere Gasabnahmen Sondertarife sind, weil hierfür auch nur die geringeren Konzessionsabgaben bezahlt werden.

Wenn man dem folgen würde, wäre jeder Tarif der Bestabrechnung anbietet, ein Sondertarif.
    Hier wurde gefolgt ...
Zitat
Für ihre Kunden hat die Klägerin mehrere Preisgruppen aufgestellt, nämlich E O, E 1, E 2 und ES. Der Erdgasverkaufspreis der Klägerin ist branchenüblich unterteilt in einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis, der für jede vom Kunden abgenommene Kilowattstunde (kWh) berechnet wird und in einen Leistungspreis (Grundpreis), der unabhängig von der abgenommen Menge an Erdgas gebildet wird.
Für die Preisgruppen E 0 bis 2 (Abnahmemengen bis 9.297 kWh) sowie ES (Abnahmemenge über 10.000 kWh jährlich) ist das Verhältnis von Leistungspreis und Arbeitspreis unterschiedlich. in der Preisgruppe ES ist der Arbeitspreis niedriger, der Leistungspreis hingegen höher. Diese Preise entwickeln sich im Tarifsystem der Klägerin gegenläufig. Per 01.10.2004 betrug der Preis in der Tarifgruppe ES 3,14 ct/kWh netto (= 3,64 ct/kWh brutto).

Die Beklagten wurden durch die Klägerin in die Sonderpreisregelung ES eingestuft, wobei für die Tarifeinstufung und Jahresverbrauchsabrechnung bis zum 31.10.2007 das Prinzip der sog. Bestpreisabrechnung galt. Nach diesem Prinzip wird der Verbrauch eines Haushaltskunden nach dem jeweils für ihn günstigsten Tarif abgerechnet.

OLG Oldenburg, 06.Zivilsenat 6 U 164/09 12.02.2010[/list]

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #17 am: 09. März 2010, 11:52:43 »
Siehe auch OLG Dresden, Urt.v. 26.01.10

Auch das OLG Dresden folgt u. a. auch dem KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06. Die Entscheidung des Kammergerichts ist durch den Beschluss des BGH vom 26.01.10 VIII ZR 312/08 rechtskräftig geworden.

Ein Tarifkundenvertrag soll laut BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 314/07 dadurch geprägt sein, dass sich Kunde und Versorger auf die Belieferung zu einem bestimmten, feststehenden Allgemeinen Tarif bei Vertragsabschluss einigen, aus dieser Einigung ein vertragliches Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erwächst und dieses Äquivalenzverhältnis künftig durch einseitige Preiseänderungen wegen veränderter Kosten zu wahren ist.

Eine Bestpreisabrechnung, wonach der Kunde immer erst am Ende eines Abrechnungszeitraumes in einen von mehreren Tarifen eingeordnet wird, ist hiermit wohl unvereinbar. Bei einer solchen steht der zur Abrechnung zu stellende Preis erst nach den erfolgten Energielieferungen fest. Normalerweise ist es so, dass der Tarifkunde durch die Vereinbarung eines festen Tarifs die zu Abrechnung zu stellenden Preise bereits kennt, bevor die Energielieferungen erfolgen. Es bedürfte deshalb dafür wohl einer besonderen Vertragsabsrede zu einer Bestpreis- Praxis und allein eine solche weicht von den gesetzlichen Regelungen der AVBGasV/ GasGVV ab und lässt den Vertrag wohl deshalb zu einem Sondervertrag werden, bei dem es auf eine vertragliche Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ankommt.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #18 am: 10. März 2010, 12:19:23 »
Wenn ein Kunde ohne weitere Vereinbarung einfach Energie aus dem Netz entnimmt, kommt damit ein Grundversorgungsvertrag zu den veröffentlichen Allgemeinen Tarifen des Grundversorgers und den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen der GVV zustande.

Wenn der Versorger nun seine \"Allgemeinen Tarife\" als Bestabrechnung:

Kleinverbrauch
Grundtarif (G)
toller Tarif (G1)
ganz toller Tarif (G2)

aufgebaut hat und die Tarife G1 und G2 gar keine Tarife der Grundversorgung sein sollten, dann haben wir einen Kunden mit Grundversorgungsvertrag, dem irrtümlich und fehlerhaft Sondervertragspreise berechnet wurden.

Eine Berechnung falscher Preise kann jedoch den Vertragsstatus selbst nicht verändern. Sonst könnte das EVU ja auch umgekehrt einen Sonderkunden einseitig in die Grundversorgung umstufen, indem es einfach Tarifpreise abrechnet.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #19 am: 10. März 2010, 12:53:08 »
Woraus soll denn der Kunde in Ihrem Beispielsfall ersehen können, dass G1 und G2 keine Allgemeinen Tarife der Grundversorgung sein sollen, wenn der Grundversorger selbst öffentlich bekannt macht, dass die Belieferung durch ihn auch zu diesen erfolgt und abgerechnet wird?

Wenn die Tarife G 1 und G2 als Tarife der Grundversorgung veröffentlicht wurden, der Kunde bei Abschluss des Vertrages keinen Tarif gewählt hatte, der Versorger ihn in einen solchen eingestuft hatte, dann ist ein Grundversorgungsvertrag zu einem solchen Tarif abgeschlossen worden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 16). In der bis 1998 geltenden BTOGas war ein Wahlrecht des Tarifkunden zwischen mehreren Allgemeinen Tarifen vorgesehen. Traf der Tarifkunde keine Wahl, konnte ihn der Versorger in einen Tarif einstufen. Dem Kunden verblieb hiernach die Möglichkeit, innerhalb bestimmter Frist noch nachträglich rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Wahlrecht auszuüben. War die Frist fruchtlos verstrichen, stand der Tarif fest,  zu dem die Belieferung zu erfolgen hat.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #20 am: 10. März 2010, 13:14:55 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Woraus soll denn der Kunde in Ihrem Beispielsfall ersehen können, dass G1 und G2 keine Allgemeinen Tarife der Grundversorgung sein sollen, wenn der Grundversorger selbst öffentlich bekannt macht, dass die Belieferung durch ihn auch zu diesen erfolgt und abgerechnet wird?

Kann er nicht sehen, da ja auch der Versorger selbst davon ausging, dass es sich bei allen diesen Tarifen um seine Allgemeinen Tarife handelt. Ich bezog mich auf den Fall, dass ein Gericht nur den \"teuersten\" Tarif G als Allgemeinen Tarif ansieht.


Zitat
Original von RR-E-ftWenn die Tarife G 1 und G2 als Tarife der Grundversorgung veröffentlicht wurden, der Kunde bei Abschluss des Vertrages keinen Tarif gewählt hatte, der Versorger ihn in einen solchen eingestuft hatte, dann ist ein Grundversorgungsvertrag zu einem solchen Tarif abgeschlossen worden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 16)., .

Sehe ich auch so. Ich dachte nur, Sie vertreten die Auffassung ein Kunde in derartiger Konstellation (Versorgung nach G1 wegen Bestabrechnung) sei Sonderkunde?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #21 am: 10. März 2010, 13:26:00 »
Geht man mit BGH KZR 2/07 davon aus, dass dem Versorger nach der gesetzlichen Regelung nicht nur ein Tarifänderungsrecht, sondern auch ein Tarifbestimmungsrecht zufällt, wonach dieser also entscheidet, zu welchen Allgemeinen Tarifen der Kunde beliefert wird, dann ist die Annahme in BGH VIII ZR 36/06 und in VIII ZR 138/07 Tz. 16 unhaltbar, dass sich Versorger und Tarifkunde bereits bei Vertragsabschluss auf einen feststehenden Tarif einigen und hierdurch das vertragliche Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgelegt wird.

Es verhält sich dann nicht anders, als hätten die Parteien von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart, worauf ja auch der Wortlaut des § 4 Abs. 1 AVBV und § 5 Abs. 1 GVV hindeuten. Dies hätte, wie bei der vertraglichen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, jedoch die Gesamtpreiskontrolle zur Folge (so auch BGH X ZR 60/04 unter II. 1).

Der VIII. Zivilsenat stellt immer auf das gesetzliche Tarifänderungsrecht ab, ohne dabei das bestehende gesetzliche  Tarifbestimmungsrecht zu berücksichtigen. Das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht unterscheidet auch den Tarifkundenvertrag von einem Sondervertrag, bei sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf einen feststehenden Preis einigen (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, BGH v. 26.01.10 VIII ZR 312/08 Rn. 2).

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #22 am: 10. März 2010, 13:36:11 »
Bei einer Bestabrechnung stehen die Preisstufen/Mengenstufen von Anfang an fest. Das würde ich nicht mit einseitiger Leistungsbestimmung durch den Versorger gleichsetzten.

Eine einseitige Leistungsbestimmung läge vor, wenn der Versorger nachträglich nach freiem Ermessen (unter Beachtung des § 315 BGB) die Einstufung in K,G,G1, etc. vornehmen könnte. Durch vorher veröffentlichte Verbrauchsschwellenwerte ist ein solches Ermessen aber nicht möglich.

Es ist vielmehr der Kunde, der entscheidet zu welchem Tarif er abgerechnet wird, denn allein der Kunde entscheidet, wieviel Energie er abnehmen möchte. Der Versorger hat hierauf keinen Einfluss.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #23 am: 10. März 2010, 13:48:50 »
Die Praxis sei der Prüfstein aller Theorie.

Und in der Praxis sieht es so aus, dass die Versorger die Allgemeinen Tarife Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G oftmals zu einem einheitlichen Basistarif BT zusammengeführt haben und später weitere Basistarife hinzusetzten (EWE, Erdgas Schwaben usw.)

Die Schwellen, ab welchem Jahresverbrauch  ein bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses feststehender Tarif zur Anwendung kommt, liegen mithin keinesfalls statisch fest.
Von einem bei Vertragsabschluss vereinbarten Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann deshalb auch keine Rede sein.

Die aufgezeigte Praxis kann nur dann zulässig sein, wenn dem Versorger ein gesetzliches Tarifbestimmungsrecht zufällt.
Ein Fall, bei dem im laufenden Jahr die Schwellenwerte verschoben wurden, befindet sich gerade bei dem OLG Dresden in der Berufung.

Wärend der VIII. Zivilsenat immer nur auf ein Tarifänderungsrecht abstellt, stellt der Kartellsenat des BGH auf ein Tarifbestimmungsrecht ab (BGH KZR 2/07 Rn. 26, 29).
Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht sind zwei Dinge (BGH KZR 2/07 Rn. 26).

Offline ub40

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 21
  • Karma: +0/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #24 am: 07. April 2010, 22:29:26 »
Folgendes Beispiel:

Ein Versorger stuft einen Häuslebauer (der vorher nur Kleinabnehmer war) nach der Anmeldung der Erstellung des Hausanschlusses selbst ein. Außer der Anmeldung des Hausanschlusses erhält der Kundes nichts als die Jahresrechnung zur Haushaltsvollversorgung....
Im Laufe der Jahre ändert sich die Bezeichnung des \"Produktes\".
Die Abrechnung erfolgt gemäß einem Produkt, dass als \"Sondervertragsregelung außertariflich\"auf den Jahresrechnungen oder als \"Sonderpreisregelung oder-produkt\" in einer Tabelle deutlich abgesetzt von allgemeinen Tarifen (mit ebenfalls zwei mengenabhängigen Staffelungen) in Preisblättern ausgewiesen ist,
wenn außerdem aus diesem Sonderpreisprodukt eine automatische Überleitung in ein mit neuem Namen versehenes Sonderpreisprodukt mit des Fußnote \"Vertragsabschluss erforderlich; Mindestlaufzeit 1Jahr\" erfolgt und im Anschreiben darauf hingewiesen wird, dass alternativ  zu den Konditionen des allgemeinen Preise versorgt werden könne.

Was muß dieser Kunden annehmen: dass er Sondervertrags- oder Tarifkunde ist?
Der Versorger hat sich (wohlweisslich) im Widerspruchsverfahren trotz Aufforderung nicht dazu geäussert....
Wie ist das mit dem Tarifbestimmungsrecht zu verstehen, wenn hier stehts Automatismen ablaufen...(die man nun beginnt zu hinterfragen)

Offline Netznutzer

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.524
  • Karma: +4/-4
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #25 am: 08. April 2010, 00:13:20 »
Zitat
\"Sondervertragsregelung außertariflich\"auf den Jahresrechnungen oder als \"Sonderpreisregelung oder-produkt\" in einer Tabelle deutlich abgesetzt von allgemeinen Tarifen

Hier würde ich meinen, hat der Versorger ein echtes Problem. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Grundversorgung stattfindet. Somiut ein, m.E. ein Normsondervertrag. Dieser erlangt prinzipiell nur dann Geltung, wenn die Vertragspartner den Sondervertrag durch Unterschrift wirksam in Kraft setzen. Ich frage mich, was der Versorger machen will, wenn man die Zahlung verweigert. Auf der einen Seite hat der Versorger in seiner Abrechnung ausdrücklich klargestellt, dass keine Grundversorgung erfolgt, auf der anderen hat er keinen wirksamen Verrag mangels Unterschrift = Annahme.

Gruß

NN

Offline tangocharly

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.139
  • Karma: +5/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #26 am: 08. April 2010, 01:14:45 »
M.E. muss bei der Differenzierung der Frage Tarifbestimmungsrecht / Tarifänderungsrecht, jedenfalls unter dem Blickwinkel des § 315 BGB, auf Folgendes hingewiesen werden.

Wenn der VIII. Senat vom Tarifänderungsrecht spricht, dann ist das aus seiner Sicht folgerichtig. Denn sonst kriegt er die Kurve zu seiner ominösen Sockelpreis-Theorie ja nicht.

Wenn der Kartellsenat vom Tarifbestimmungsrecht spricht, dann meint dieser Senat damit nur, wie der Tarif gebildet, d.h. kalkuliert und dann bestimmt wird.

Eines wird sich jedenfalls nicht mit dem Begriff Tarifbestimmung ins Spiel bringen lassen, nämlich die Frage, wie das EVU „seine Kinder“ zu nennen beliebt. Denn das stellt keine Leistungsbestimmung dar, sondern eine Verpackung (vielleicht auch nur Etikettenschwindel).

Anders ausgedrückt:
Wenn es um die Prüfung der (einseitigen ermessensgebundenen) Leistungsbestimmung geht, dann befasst sich diese Prüfung mit der rechten Spalte einer Tabelle, nämlich dort wo die Euronen und Cents stehen.

Die Billigkeitsprüfung befasst sich jedenfalls nicht mit der linken Spalte einer Tabelle, nämlich dort wo der Versorger „seine Kinder“ aufführt.

Ob der Versorger seine Tarife „Genialpreis“ nennt oder „Ich-mach-dich-arm-Preis“, das interessiert energiewirtschaftrechtlich (mit Verlaub) keine S....

Worte sind Schall und Rauch. Und das Billigkeitsurteil steckt nicht in diesen Begriffen, sondern darin, was hinter diesen Worten steht, nämlich in der rechten Spalte der Tabelle.

Und wenn jetzt das Argument kommt, diese vielen Tarifspaltungen stünden alle von Anfang an fest, dann ist dies aus zwei Gründen falsch:

-  Denn erstens hat der Gaskunde, als er 1998 seinen Gashahn aufdrehte, vielleicht „Mickey-Mouse-Gas“ bezogen und das wird ihm ziemlich Wurst gewesen sein.

-  Dann zweitens, nämlich als er seinen ersten Widerspruch erhoben hat, wurde mit der letzten unbeanstandeten Zahlung nicht die ganze Palette der Tarifspaltungen des Versorgungsunternehmens anerkannt, sondern allenfalls eine einzige Tarifzeile in den Tarifspalten, nämlich diejenige, in welche das Versorgungsunternehmen den Kunden einzustufen beliebte.

Der VIII. Senat will ja die Grundversorgten in den juristischen Klappsack der Anerkenntnis durch Zahlung stecken. Und wenn er dabei dann konsequent sein will, dann folgt daraus nur, dass der Gaskunde zwar den Sockel (rechte Tabellenspalte) im Tarif „Genialpreis“ an der Backe hat.

Keinesfalls aber hat er damit dann den Sockel des Tarifs „Ich-mach-dich-arm-Preis“ akzeptiert. Denn den hat der Kunde im Zweifel noch niemals gezahlt, weil er auch noch niemals in diese Tarifspalte eingestuft worden war.

Ich schließe mich @RR-E-ft an. Die ganzen Tarifspaltungen des EVU\'S sind reine Willkür auf die der Kunde keinerlei Einfluss hat. Am Ende wird zusammengezählt und dabei kommt dann erst die Tarifbestimmung heraus, nämlich bei den Euronen und den Cents (in der rechten Tabellenspalte).

Es ist und bleibt eine Fiktion, dass der Gaskunde mit seinen Zahlungen quasi alle Tarifspaltungen des EVU\'s akzeptiert haben soll und schließlich dann auch noch seine Umbettung in einen völlig anderen Tarif.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline ub40

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 21
  • Karma: +0/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #27 am: 08. April 2010, 14:34:31 »
Preisblätter des EVU weißt bis 2004 aus:

Tabellenkopf 1: Allgemeine Tarife: 1. Kleinverbrauchertarrif (bis 2260kWh) 2. Grundpreistarif von 2261 bis 11206kWh)
Tabellenkopf 2 Sonderpreisregelungen (außertariflich): Vollversorgung I (von 11207 bis 148332kWh); Vollversorgung II (von 148333 bis 499999kWh)

ab 1.12.2004 sieht es fast genauso aus: nur steht jetzt immer vor den Mengenangaben das Wort \"günstig\"

Muss ich als Otto-Normalsterblicher bei der Bezeichnung \"Sonderpreisregelung( außertariflich) nicht davon ausgehen, dass ich eben nicht zu Allgemeinen Tarifen versorgt wurde?
Auch wenn das EVU mich im Rahmen der Bestabrechnung automatisch zugeordnet hat....

War nicht in einem Urteil gesagt worden, es komme darauf an, welchen Status der Kunde wahrnimmt.....

Offline RuRo

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 655
  • Karma: +0/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #28 am: 08. April 2010, 20:31:10 »
Zitat
Original von Netznutzer
Somit ein, m.E. ein Normsondervertrag. Dieser erlangt prinzipiell nur dann Geltung, wenn die Vertragspartner den Sondervertrag durch Unterschrift wirksam in Kraft setzen.

Könnten Sie mich bitte erleuchten, aus was Sie die verbindliche Schriftform herleiten wollen? Ich dachte immer es besteht Formfreiheit, es sei denn das Gesetz bestimmt etwas anderes, z.B. beim Kauf einer Immobilie.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline tangocharly

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.139
  • Karma: +5/-0
Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #29 am: 08. April 2010, 20:56:36 »
Zitat
Original von ub40
Preisblätter des EVU weißt bis 2004 aus:

Tabellenkopf 1: Allgemeine Tarife: 1. Kleinverbrauchertarrif (bis 2260kWh) 2. Grundpreistarif von 2261 bis 11206kWh)
Tabellenkopf 2 Sonderpreisregelungen (außertariflich): Vollversorgung I (von 11207 bis 148332kWh); Vollversorgung II (von 148333 bis 499999kWh)

ab 1.12.2004 sieht es fast genauso aus: nur steht jetzt immer vor den Mengenangaben das Wort \"günstig\"

Muss ich als Otto-Normalsterblicher bei der Bezeichnung \"Sonderpreisregelung( außertariflich) nicht davon ausgehen, dass ich eben nicht zu Allgemeinen Tarifen versorgt wurde?
Auch wenn das EVU mich im Rahmen der Bestabrechnung automatisch zugeordnet hat....

War nicht in einem Urteil gesagt worden, es komme darauf an, welchen Status der Kunde wahrnimmt.....

In Ihrem Fall liegen viele, um nicht zu sagen starke Argumente vor, die den Sonderstatus belegen. Was Sie auch immer mit \"wahrnehmen\" gemeint haben, nach BGH kommt es darauf an, wie der verständige Bürger diesen, d.h. seinen Vertrag, verstehen durfte.

Und wenn es schon im Kleingedruckten heißt: \"Mindestlaufzeit ...\"  -  was wollen Sie dann noch mehr. Denn damit will Ihnen das EVU Ihr Kündigungsrecht für diesen Zeitraum wegnehmen. Und das geht, nach Fred Feuerstein, nur auf  vertraglicher Grundlage.

@RuRo
Natürlich besteht keine Schriftform. Das Argument mit der Unterschrift taucht halt immer wieder dann auf, wenn der Richter stirnrunzelnd seine Akte gewälzt hat und dann verkündet, er finde halt nix, wo \"Vertrag\" drauf steht.

Es ist zwar nicht immer drin, was drauf steht. Aber im jur.deutsch ist gemeint: Wenn Vertrag drauf steht, dann ist auch Vertrag drin.

Der Schritt zur Unterschrift ist dann nicht weit. Denn wenn schon ein Vertrag vorliegt, d.h. eine schriftliche Urkunde, dann wird halt schon eine Unterschrift \"drauf sein müssen\". Denn wenn keine Unterschrift folgt, dann (so die Volksseele) ist auch \"nicht wirksam in Kraft gesetzt\". Kann man schon so sehen. Aber es gibt auch neben der Wirklichkeit noch weitere Wirklichkeiten (siehe VIII. Senat)    ;(
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz